CDU/CSU – 07. WP Fraktionssitzung: 02. 12. 1975 (1. Sitzung)

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2. Dezember 1975: Fraktionssitzung (1. Sitzung)

ACDP, 08-001-1043/2. Überschrift: »Fraktionsprotokoll zur Fraktionssitzung vom 2. Dez. 1975«. Zeit: 14.37–16.26 Uhr. Vorsitz: Carstens (Fehmarn). Protokollform: Transkription der Tonaufnahme in bearbeiteter Fassung.

Sitzungsverlauf: A. TOP 1: Bericht des Vorsitzenden Carstens zur Lage (Polen; Haushaltsrahmengesetz; Führungsmannschaft; Hochschulrahmengesetz; berufliche Bildung; Sportsondersitzung). B. TOP 6: Bericht des Parlamentarischen Geschäftsführers Jenninger aus dem Ältestenrat mit Aussprache (Präsenz; Betriebsgruppe Ministerien; Eherechtsreform). – TOP 4: Bericht des Abg. Häfele mit Aussprache (abgaberechtlicher Teil der Bundesbaugesetz- Novelle). – TOP 3: Bericht des Vorsitzenden Carstens (Besetzung des Sonderausschusses zur Neuregelung der Diäten). – TOP 5 Bericht des Arbeitskreisvorsitzenden Höcherl (Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsstrukturgesetz). – TOP 7: Festlegung des Wahltermins für die Wahl zum 8. Deutschen . C. TOP 7: Bericht des Parlamentarischen Geschäftsführers Jenninger zum Plenum der Woche mit Aussprache (Apothekenmonopol; Schutz der Jugend vor Mediengefahren; Berlinförderungsgesetz). D. TOP 8: Berichte aus den Arbeitskreisen: AK III (Opfer von Straftaten; Haushalt; Reform der Vermögensbildung). – AK III (Programm Mittelstand; Steuerreform; Statistisches Bundesamt). – AK IV (Ärzteausbildung). – AK V (Unteroffiziere als Truppenoffiziere). – AK VI (Hochschulrahmengesetz). – TOP 8 (Störung der Reden bei Fernsehübertragungen durch akustische Gesprächsszenen).

[A.] Nach dem 2. Weltkrieg baute Anton Storch den Deutschen Gewerkschaftsbund mit auf. Er war von 1946 bis ’48 Leiter der sozialpolitischen Abteilung des DGB in der britischen Zone, von 1947 bis ’49 gehörte er als Mitglied dem Wirtschaftsrat für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet an. Seine politische Laufbahn begann 1949 mit dem besonders schwierigen Amt des Bundesministers für Arbeit, das er bis 1957, also acht Jahre lang, innehatte. Über diese Zeit hinaus gehörte er dem Deutschen Bundestag bis 1965 an. Anton Storch hat die gesellschaftliche und soziale Neuordnung der Bundesrepublik Deutschland entscheidend mitgeprägt. Die von der CDU/CSU eingeleiteten großen Reformen auf diesem Gebiet tragen seine Handschrift. Ich erwähne nur die Rentenreform von 1957, durch die die dynamische Rente eingeführt wurde, die für immer mit seinem Namen verbunden bleiben wird. In seine Amtszeit als Arbeitsminister fallen auch das Betriebsverfassungsgesetz, Tarifvertragsgesetz und andere sozialpolitische Gesetze. Wir alle haben mit Anton Storch einen engagierten Politiker, einen überzeugten Demokraten und einen guten Freund und Kollegen verloren. Seine politische Arbeit wird uns weiterhin Verpflichtung sein. Unsere Fraktion ist heute an seinem Grabe vertreten. Unsere Kollegen von Hassel und Katzer haben bei dem Staatsbegräbnis, welches der Bundespräsident angeordnet hat, gesprochen. Ich habe namens der Fraktion seiner

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Witwe unser aller Teilnahme ausgesprochen. Wir alle werden ihm stets ein verehrungsvolles Andenken bewahren. Sie haben sich zu seinen Ehren von den Plätzen erhoben, ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren, seinen 80. Geburtstag hat gestern, gottlob in guter Gesundheit und voller geistiger Frische, der frühere – darf ich vielleicht bitten, daß die Damen und Herren auch unserm Freunde Heinrich Krone1 vielleicht einige Augenblicke Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit widmen? (Beifall.) Unser früherer Fraktionsvorsitzender hat gestern seinen 80. Geburtstag gefeiert. Am gleichen Tage ist auch seine Frau 80 Jahre alt geworden. Er hat uns gebeten, aus Anlaß seines Geburtstages auf alle Ehrungen zu verzichten. Wir werden aber in kleinem Kreise mit ihm und seinen Freunden zu einem Essen zusammenkommen im Januar und ihm bei dieser Gelegenheit noch einmal unsere Glückwünsche aussprechen. Ich möchte aber gerne bei dieser Gelegenheit meinem Vorvorgänger im Amt auch von dieser Stelle aus herzlich gratulieren und ihm danken für die Arbeit, die er für diese Fraktion, für die Christlich-Demokratische Union Deutschlands und für unser Land geleistet hat. (Starker Beifall.) Ich darf mir erlauben, mit ein paar Sätzen auch den Lebensweg dieses verdienten Mannes zu zeichnen. Heinrich Krone hat schon in der Weimarer Republik aktiv mitgewirkt. Er gehörte dem Reichstag seit 1925 an. In Hessisch-Oldendorf als Sohn eines Arbeiters geboren, besuchte er das Gymnasium in Hildesheim, studierte in Göttingen, München und Kiel neue Sprachen, Latein und Volkswirtschaft und promovierte 1923 zum Dr. der Philosophie. Nach kurzer Lehrtätigkeit wechselte er in die Politik über. 1923 bis ’33 war er stellv. Generalsekretär der Deutschen Zentrumspartei. Von 1925 bis ’33 war er Mitglied des Deutschen Reichstages. Er war, als er dem Deutschen Reichstag beitrat, das jüngste Mitglied dieses Hauses, und zwar war er Mitglied für Berlin und Potsdam. Nach 1933 übte er eine Tätigkeit im caritativen Bereich aus. Nach dem 20. Juli 1944 wurde er von den Nationalsozialisten inhaftiert. 1945 begründete er mit andern zusammen die Berliner CDU. Ab 1949 gehörte er als Berliner CDU-Abgeordneter dem Deutschen Bundestag an, 20 Jahre bis 1969. Ich denke, wir sollten uns vielleicht auch das anhören, meine verehrten Damen und Herren, was über unsern Freund Heinrich Krone zu sagen ist. Ab Juni 1955, nach dem Ausscheiden Heinrich v. Brentanos2, war er Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, 6 Jahre bis 1961. Danach wurde er Bundesminister für besondere Aufgaben im Kabinett Adenauer3, später hat er den Vorsitz im Verteidigungsrat ausgeübt. Heinrich Krone hat 20 Jahre lang die erfolgreiche Politik der Union maßgeblich mitgestaltet. Seit der Weimarer Republik waren ihm soziale Fragen und Probleme besonders wichtig. Die Soziale Marktwirtschaft hat er immer als die beste Grundlage für ein menschenwürdiges Dasein der Bürger in unserem Lande angesehen. Als Berliner Abgeordnetem lag ihm die Lage Berlins am Herzen. In den schwierigen Jahren nach ’45 und seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland war er besonders eng mit

1 1949–1969 MdB (CDU), 1955–1961 CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, 1961–1964 Bundesminister für besondere Aufgaben und 1964–1966 Bundesminister für die Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates. 2 1949–1964 MdB (CDU) sowie 1949–1955 und 1961–1964 CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender. 3 , 1949–1963 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (CDU).

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Konrad Adenauer und mit dem damaligen Staatssekretär Globke4 verbunden. Auszeichnungen und Ehrungen hat er immer abgelehnt. Er diente der Sache, der er sich verschrieben hatte. Es ist mir ein Bedürfnis, ihm an diesem Tage zu seiner Arbeit in der Union, für diese Fraktion und für unser Land zu danken. Wir können ihm diesen Dank am besten dadurch abstatten, indem wir hier in der Bundestagsfraktion in seinem Sinne geschlossen und entschlossen (Beifall.) für die Sache der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit in unserm Lande weiterkämpfen. Ich wünsche Heinrich Krone, der [sich], wie ich schon sagte, gottlob bester Gesundheit und geistiger Frische erfreut, noch viele weitere glückliche Jahre. (Beifall.) Soviel davon. Dann habe ich noch zweier Geburtstage zu gedenken, das kann ich aber in etwas kürzerer Weise tun. Die Kollegen Dr. Kreile und Vogt sind gestern jeder 46 Jahre alt geworden. Ich beglückwünsche sie herzlich dazu. Soviel zur Einleitung. Nun ein paar Worte zur politischen Lage, insbesondere zu den Debatten der vergangenen Woche. Meine Damen und Herren, nach meiner Einschätzung ist die Polendebatte für uns gut verlaufen. Die Presse allerdings wirft uns vor, daß der Wahlkampfstil sich schon jetzt vorzeitig und unangemessen breit gemacht hätte. Aber es tut mir leid, die Presse – ich darf das, obwohl Kollege Benz da ist und ich in seiner Gegenwart immer ganz außerordentlich gehemmt bin, etwas Kritisches über die Presse zu sagen –, aber ich meine doch, manchmal ist die Presse so eine Art Entrüster und ein wenig überheblicher Beobachter der politischen Szene, die sich da unter ihr in diesem Tumult des Plenums abspielt. Ich meine, wir sollten, wo immer wir Gelegenheit haben, zum Ausdruck bringen, daß wir auf dem Standpunkt stehen, [daß] diese Debatte für uns gut gelaufen ist und insbesondere unser gemeinsamer Kanzlerkandidat Helmut Kohl5 sich in zwei Reden in dieser Debatte hervorragend geschlagen hat. (Beifall.) Wir hatten dann eine entwicklungspolitische Debatte am Freitag, die leider vor einem arg entleerten Hause stattfand. Ich muß mich bei den Kollegen, die in diesem Bereich besonders interessiert sind, selbst auch dafür entschuldigen, daß ich nicht da war. Wir hatten diese Sitzung der Führungsmannschaft. Anschließend bin ich nach Schleswig- Holstein geflogen, weil ich an dem Tage dort nominiert wurde. Ich glaube, die Außenwirkung, meine Damen und Herren aus dem entwicklungspolitischen Bereich, hat nicht gelitten, denn die Reden, die gehalten wurden, sind im Fernsehen gut herausgekommen. Ich möchte allen unsern Rednern, insbesondere Ihnen, lieber Herr Kollege Todenhöfer, für ihre Reden sehr herzlich danken. Ich glaube, sie haben den Finger auf mehrere offene Wunden gelegt, die am Körper der derzeitigen Entwicklungspolitik wahrgenommen, wahrzunehmen sind. Ein paar weitere Worte zum Vermittlungsausschuß, der in der vergangenen Woche getagt hat. Vielleicht wird der Kollege Höcherl ausführlich noch nachher berichten. Ich möchte mich nur darauf beschränken, einige wichtige Akzente zu setzen. Beim Haushaltsstrukturgesetz ist das eingetreten, was wir erwartet haben, daß der Komplex

4 Hans Globke, 1929–1945 Regierungsrat, Oberregierungsrat, Ministerialrat bzw. Referent im preußischen bzw. Reichsinnenministerium, 1950–1953 Ministerialdirigent und 1953–1963 Staatssekretär im Bundeskanzleramt. 5 MdL Rheinland-Pfalz (CDU), Ministerpräsident und Bundesvorsitzender der CDU.

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Kriegsopfer und der Komplex Erhöhung der Arbeitslosenversicherung abgetrennt wurden. Dieser Teil des Gesetzes ist nicht mehr zustimmungsbedürftig und wird gegen unsere Stimme hier und im Bundesrat von der Koalition verabschiedet werden. Von dem übrigen Paket ist keine Einigkeit erzielt worden. Es ist zwar ein gewisses Entgegenkommen der Regierung und der Koalition in einigen Fragen zu verzeichnen gewesen – ich nenne das Gesetz über die Krankenhausfinanzierung –, aber an andern Stellen läßt es die Koalition an einem Eingehen auf unsere entscheidenden Forderungen fehlen. Wir sind daher übereingekommen, daß wir diesen Vermittlungs- – vielleicht können die verehrten Herren Kollegen, die sich unbedingt jetzt unterhalten müssen, dieses außerhalb dieses Saales tun? Ich wäre ihnen herzlich dankbar dafür! Meine Damen und Herren, wir sind übereingekommen, daß wir diesen Vermittlungsvorschlag ablehnen werden. Darüber ist unter uns innerhalb der Fraktion mit unsern Ländern volles Einvernehmen. Es wird dann ein weiteres Vermittlungsverfahren stattfinden. Was an dessen Ende stehen wird, das können wir nicht vorhersehen. Infolgedessen ist es nicht angebracht, darüber jetzt Betrachtungen anzustellen. Für die nächste Runde jedenfalls steht Ablehnung fest. Soviel zu den Themen des Vermittlungsausschusses. Lassen Sie mich ein paar Worte über die Sitzung der Führungsmannschaft vom 28. November, vom vergangenen Freitag sagen. Wir sind übereingekommen, dem Innenminister vorzuschlagen, als Termin für die Bundestagswahl den 24. Oktober nächsten Jahres vorzusehen, und zwar mit der Begründung, daß wir alle daran interessiert sein müssen, diese Lahme-Enten- Periode, wie die Amerikaner das nennen, möglichst kurz zu halten. Das heißt, die Zeit, in der schon ein neues Parlament gewählt ist, aber das alte Parlament noch die Funktionen wahrnehmen muß, weil die Legislaturperiode ja erst mit dem Wahltag beginnen kann. Deswegen haben wir ein Interesse daran, daß der Termin an den Wahltag des vorigen Jahres jedenfalls näher herangerückt wird, als es der Innenminister will. Allzu große Aussichten, daß dieser Vorschlag durchdringen wird, sind nicht vorhanden. Die Regierungskoalition wird, so haben wir gehört, am 3. Oktober als dem vermutlichen Wahltag festhalten. Aber immerhin werden wir diesen – ja, darüber sind eben die Auguren und die Fachleute sehr verschiedener Ansicht –, wir werden jedenfalls diesen Vorschlag machen. Wir haben innerhalb der Führungsmannschaft gesprochen über Bau-Bodenrecht und den Komplex der damit zusammenhängenden finanziellen Belastungen. Dies ist, wenn ich richtig sehe, Herr Kollege Jenninger, ein besonderer Punkt unserer heutigen Tagesordnung. Es wird Ihnen dann vorgetragen werden. In der Führungsmannschaft ist zu diesem Punkte Einigkeit erzielt worden und auf der Basis dieser Einigung wird Ihnen nachher Herr Kollege Häfele, wenn wir den Punkt auf unserer Tagesordnung aufrufen, vortragen. Interessant und wichtig ist die Entwicklung im Hochschulrahmengesetz. Hier hat es den Anschein, daß die Regierungskoalition uns sehr weit entgegenkommen will – so weit entgegenkommen will, daß, wenn sich das realisieren würde, was sich jetzt abzeichnet, die SPD-regierten Länder ihre Hochschulgesetze z. T. grundlegend würden ändern müssen, während die CDU/CSU-regierten Länder ihre Hochschulgesetze im wesentlichen so lassen könnten, wie sie sind. Ich sage, das zeichnet sich ab, und, daß sich etwas Derartiges abzeichnet, entnehme ich aus einer Äußerung des Hamburgischen Kultussenators Biallas, der bereits aus allen Rohren auf diesen Kompromiß schießt mit der Begründung, da wären also die wahren Fortschritte nun geopfert worden und das könne man auf keinen Fall mitmachen. Sei dem, wie ihm wolle. Dies ist eine

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Zwischenbilanz, die ich Ihnen mitteilen wollte. Die Beratungen darüber sind noch nicht abgeschlossen. Wir haben uns auch in der Führungsmannschaft über den Komplex berufliche Bildung unterhalten, sind aber, da die Sitzung auf zwei Stunden begrenzt sein mußte aus Termingründen, hier noch nicht zum Abschluß gekommen. Zu diesem Thema werden Kollege Stücklen und ich mit einigen weiteren Kollegen unserer Fraktion noch im Laufe dieser Woche eine weitere Gesprächsrunde führen. Die nächste Sitzung der Führungsmannschaft würde am 11. Dezember stattfinden. Meine Damen und Herren, soviel zu der vergangenen Woche! Und nun noch abschließend ein Wort zu heute. Um 18 Uhr findet hier im Fraktionssitzungssaal die Begegnung mit den deutschen Spitzensportlern und den Vertretern der Sportverbände statt. Weyer6 wird da sein, Neckermann7 wird da sein, ein Weltmeister im [Zehnkampf]8, und so in diesem Stil wird sich das nachher hier abspielen. Ich bitte Sie sehr, sehr herzlich, vollzählig, möglichst vollzählig – Boxer, höre ich, kommen auch, ja –, sehr, sehr herzlich, möglichst vollzählig anwesend zu sein. Der Wirtschaftsrat der Union hat seine – meine Damen und Herren, hören Sie doch noch einen Moment zu. Ich bitte Sie herzlich, um 18 Uhr hier anwesend zu sein. Der Wirtschaftsrat der Union hat seine eigene Veranstaltung um eine Stunde verlegt. Sie beginnt erst um 20 Uhr, so daß die Kollegen, die beides wahrnehmen wollen, beides wahrnehmen können. Ich werde allerdings nach Ablauf der Sitzung mit den Sportlern zu einem Empfang drüben in die Parlamentarische Gesellschaft für die Sportler und die Fraktion einladen. Ich bin mir darüber im klaren, daß ein Teil unserer Kollegen zum Wirtschaftsrat gehen will und nicht zu diesem Empfang gehen kann, aber ich möchte doch sehr herzlich bitten, daß diejenigen, die nicht zum Wirtschaftsrat gehen, uns die Freude machen, mit den Sportlern vielleicht noch eine Stunde beim Glase Wein beisammen zu sein. Es wär’ mir sehr unangenehm, wenn ich da alleine stehen würde, zumal meine Disziplin das Segeln ist, und da kann ich nicht allzuviel anfangen in dem Kreise, fürchte ich. Also noch einmal, 18 Uhr hier und im Anschluß an die hiesige Veranstaltung ein vielleicht einstündiger Empfang drüben in der Parl. Gesellschaft. Soviel zur Einleitung. Ich glaub’, meine Damen und Herren, wir können sofort in die Tagesordnung eintreten. Herr von Fircks, vielleicht geben wir Herrn Jenninger Gelegenheit, zunächst über den Ältestenrat zu berichten und dann kriegen Sie das Wort. Bitte schön –

[B.] Jenninger: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. [Die] Tagesordnung für die Plenarsitzung diese Woche wird sich mit Ausnahme eines Punktes am Freitag abwickeln. Die Ausnahme ist, daß am Donnerstag nachmittag nach der Fragestunde, also um 14.30 Uhr, der 2. Teil, also der Rest des Haushaltsstrukturgesetzes vom Vermittlungsausschuß im Plenum beraten wird. Denjenigen Kollegen, die am letzten Freitag nicht da waren, möchte ich noch einmal sagen, daß wir am Freitag den 1. abgetrennten Teil, nämlich Erhöhung der Arbeitslosenabgabe usw., schon abgelehnt haben. Der Teil, der nicht zustimmungsbedürftig [ist] – während wir jetzt am Donnerstag mit Rücksicht auf die Sitzung des Bundesrates am Freitag bei dem restlichen Teil und, wie der

6 Willy Weyer, Präsident des Deutschen Sportbundes. 7 Josef Neckermann, mehrfacher olympischer Medaillengewinner im Dressurreiten und Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe. 8 Vom Bearbeiter eingefügt. Dafür gestrichen: »Zahnkampf«.

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Fraktionsvorsitzende schon sagt, negativ verabschieden werden – von unserer Sicht aus. Es wäre weiter kaum zu sagen, aber es würde der Fraktion sicherlich nicht schaden, wenn sie möglichst präsent wäre am Donnerstag nach der Fragestunde [um] 14.30 Uhr. Ja, die Erfahrungen in der vergangenen Woche, meine ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, waren in dieser Hinsicht überwältigend. Obwohl nur Anträge unserer Fraktion auf der Tagesordnung standen, war die Fraktion günstigstenfalls zu 1 Prozent präsent. Ich habe schon Bedenken, ob wir demnächst überhaupt noch die Redner auftreiben können für Anträge unserer Fraktion. Ich möchte das zur adventlichen Besinnung sagen, daß der eine oder andere vielleicht darüber nachdenkt, wo der Parlamentarismus in Deutschland wohl noch enden wird, wenn es so weitergeht? Ich darf zur Plenarsitzung am Freitag bemerken, daß der Punkt 4 abgesetzt werden muß – unsere Kollegen aus Oldenburg kommen leider nicht zu Wort, weil zu diesem Tagesordnungspunkt die absolute Mehrheit des Plenums erforderlich ist –, da auch die andern Fraktionen angesichts der Präsenzfreudigkeit der Fraktionen Bedenken haben, ob wir diesen Punkt in dieser Woche verabschieden können, weil eine Reihe von Kollegen nicht anwesend sein würden. Dieser Punkt wird in der nächsten Woche am 12. Dezember gelesen werden. Schließlich darf ich noch bemerken, daß wir in der nächsten Woche voraussichtlich keine Ausschußsitzungen haben werden. Wir werden aber am Mittwoch und Donnerstag und vielleicht auch noch am Freitag Plenum haben. Es ist beabsichtigt, die Große Anfrage der Koalition zur Kernenergie und auch unsere Anträge dazu zu debattieren. Außerdem ist vorgesehen bis jetzt, daß die 1. und 3. Lesung der Eherechtsreform vorgenommen wird. Soweit, Herr Vorsitzender, mein Bericht. Ich darf noch eine kurze Bemerkung machen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich hatte gestern Gelegenheit wiederum mal mit einer Betriebsgruppe eines unserer Ministerien, nicht unserer Ministerien, zusammen zu sein. Ich möchte hier folgendes mitteilen: Die Bereitschaft der Mitglieder, unserer Freunde der CDU/CSU in den Ministerien, uns zu helfen, ist nach wie vor ungeschmälert, aber die Enttäuschung darüber, daß vorhandener Sachverstand von uns zu wenig mobilisiert wird, ist sehr groß. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ich hoffe, Sie haben mich verstanden. Vielen Dank! (Einsamer Beifall.) Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Jenninger! Jetzt hat das Wort Herr v. Fircks, dann Herr Kollege Jäger (Wangen). von Fircks: Herr Vorsitzender, Sie sind bei Ihren Einleitungsworten eingegangen auf die Debatten der vorigen Woche. Ich bin Ihnen dankbar dafür. Ich habe miterlebt, daß eine Reihe unserer Kollegen, während unser Kanzlerkandidat sprach – ich kann es nicht anders verstehen als –, »demonstriert« haben, zeitunglesend, die Zeitung groß vor sich haltend demonstriert haben, daß sie mit dieser Rede sich nicht identifizieren. Ich muß sagen, mich hat das mehr schockiert wie manche Ausführungen, die von gleichen Personen in der Öffentlichkeit und hier gemacht worden sind. So, glaube ich, können wir miteinander nicht umgehen. So geht es wirklich nicht. (Starker Beifall.) Ich bitte Sie, das in der Form, die Ihnen viel mehr eignet wie mir, doch vielleicht zu sagen, daß man auch andere Möglichkeiten hat. Man kann ja auch dem Plenum mal fernbleiben. Aber, so, bitte, nicht mit uns umzugehen! Carstens (Fehmarn): Herr Kollege v. Fircks, ich danke Ihnen für diesen Hinweis. Ich werde das den in Betracht kommenden Kollegen in geeigneter Form mitteilen.

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von Fircks: Wenn ich dann noch auf Termine hinweisen dürfte und sagen kann, daß auch sich der Termin der Eröffnung der Passage der Spätaussiedler-Jugenddörfer gut einfügt, weil sie eine halbe Stunde vor der Fraktionssitzung 17.30 Uhr drüben in der Parl. Gesellschaft ist, und daß es sicher jedem guttut, etwas Bewegung zwischen einer und der zweiten Fraktionssitzung zu haben, dann wäre ich, würde ich mich freuen, wenn ich den einen oder andern drüben begrüßen darf. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr von Fircks! Jetzt Herr Kollege Jäger zunächst, dann Herr Maucher. Jäger: Herr Vorsitzender, ich möchte ebenfalls zur Debatte in der vergangenen Woche bei den Polenabmachungen noch ein Wort sagen. Zum ersten schließe ich mich dem an, was der Kollege von Fircks gesagt hat. Er hat das Notwendige bemerkt. Ich brauche das nicht wiederholen. Auch mir ist das aufgestoßen, und zwar sehr sauer. Zweitens möchte ich aber auf eine Panne hinweisen, die ebenfalls im Zusammenhang mit dieser Debatte steht, eine Panne, die sich in der Zuweisung der Abmachungen an die Ausschüsse ergeben hat. Da darf ich doch herzlich drum bitten, daß solche Pannen nicht mehr passieren. Das Bundesverfassungsgericht hat vor 3 Wochen festgestellt, daß die deutschen Ostgebiete nach wie vor, kraft Rechtes, kraft Völkerrechtes und Verfassungsrechtes zum Deutschen Reich gehören, daß die dort lebenden Deutschen deutsche Staatsangehörige sind und irgendwer – ich weiß nicht, wer dafür zuständig war – hat nun nicht aufgepaßt. Im Ältestenrat scheint eine Vereinbarung getroffen worden zu sein, daß eine Überweisung an den Innerdeutschen Ausschuß als mitberatenden Ausschuß nicht vorgenommen worden ist. Nachträgliche Versuche, dies zu korrigieren, sind offensichtlich daran gescheitert, daß hier bereits eine Zusage unserer Fraktion vorlag. Ich glaube, auch wenn das vorher nicht abgesprochen ist, es müßte für uns selbstverständlich sein, daß Verträge, die sich auf die deutschen Ostgebiete beziehen, auch mitberatend an den Innerdeutschen Ausschuß gehen müssen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Herr Vorsitzender, wenn Sie das den Mitgliedern des Ältestenrates sagen würden, daß sie da aufpassen. Carstens (Fehmarn): Vielleicht darf sogleich Herr Kollege Jenninger Jenninger: Also, Herr Kollege Jäger, das ist nicht ganz so, wie Sie das darstellen. Es ist natürlich darüber gesprochen worden. Aber es war die ausdrückliche Forderung und der Wunsch der Koalitionsfraktionen, a) nur federführend – die wollten ja ursprünglich den Auswärtigen Ausschuß, federführend Arbeit und mitberatend Auswärtiges und Rechtsausschuß. Dies wollten sie ursprünglich auch ablehnen, aber das hab’ ich noch erreichen können, daß sie hier zugestimmt haben. Wir haben leider Gottes im Ältestenrat nicht die Mehrheit. Die Frage war, ob man in solchen Fällen eine Geschäftsordnungsdebatte macht oder nicht. Ich habe das mit dem Kollegen Dr. Schröder abgesprochen, der gesagt hat, er halte nichts davon, eine Geschäftsordnungsdebatte zu machen. Deswegen mußten wir uns eben in diesen Dingen geschlagen geben. Das ist die Lage. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Jenninger! Herr Kollege Blumenfeld – Blumenfeld: Herr Vorsitzender, ich möchte ein Wort sagen zu dem von Ihnen gegebenen Bericht über die 1. Sitzung der Führungsmannschaft unserer beiden Parteien. Ich halte es nicht gerade für eine ganz große Leistung, wenn 2 Tage nach dieser 1. Sitzung in der gesamten Öffentlichkeit zumindest eine unterschiedliche Auffassung über die Geschlossenheit in der Frage FDP ja oder nein als zukünftiger Partner durch Herrn Kohl und durch Herrn Strauß deutlich gemacht wird. Herr Strauß

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hat in einem Interview – ich bedauere, daß er nicht da ist, aber es sind ja mehrere Mitglieder der Führungsmannschaft da –, in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk auf eine Frage sich also in einer Weise geäußert, die gar keinen Zweifel darüber lassen kann, jedenfalls in der Öffentlichkeit, daß dieses Thema noch hoch im Gespräch ist innerhalb der Führungsgruppe. Auf der andern Seite werden wir alle ganz stramm motiviert auf die auch von mir unterstützte Tatsache, daß wir [als] CDU/CSU gegen SPD/FDP anzutreten haben und antreten wollen. Ich halte das für die klare Entscheidung, die eigentlich erfolgversprechende Entscheidung, wenn wir uns so verhalten. Aber, wenn die Führungsgruppe sich nicht einigen kann darüber, was nun wirklich ist, dann bitte ich doch, baldmöglichst diese Einigkeit herzustellen, damit hier nicht draußen eine falsche Programmierung in der Bevölkerung vorkommt. Vielen Dank! Carstens (Fehmarn): Herr Kollege Blumenfeld, die Führungsmannschaft ist sich in dieser Frage völlig einig. Aber vielleicht ist der Kollege Stücklen so freundlich und sagt ein Wort dazu? Stücklen: Es ist ja leider nicht in [die]9 Hand des Interviewers gegeben, wie die Schlagzeile dann aussieht und aussehend gemacht wird. Und zwar deshalb, weil man auf eine Frage entweder sagen kann, ich sage gar nichts, oder ausweichend, und dann wird es auch kommentiert! Ich habe dazu auch eine Presseveröffentlichung rausgegeben und ich brauch’ sie nicht insgesamt vorlesen, aber den Satz auf jeden Fall: »Die Frage ist nicht,« – so hatte Strauß geantwortet – »die Frage ist nicht, ob wir sie abgeschrieben haben, die FDP. Die Frage ist, ob die FDP nicht sich bereits so stark an eine Koalition mit der SPD gebunden hat, daß sie gar nicht mehr wegkommt davon, daß selbst eine Mehrheit der Führung – unterstellt: sie wäre für einen Koalitionswechsel – ihn gar nicht mehr vornehmen könnte, ohne daß die Partei auseinanderbricht.« Das ist das Ganze, und daraus macht man [ein] Koalitionsangebot an die FDP. Carstens (Fehmarn): Ich glaube auch, meine Damen und Herren, die Linie ist vollständig, die Linie ist vollkommen eindeutig, meine Damen und Herren, daß wir [als] CDU/CSU gegen beide Parteien antreten. Darüber gibt es überhaupt keine Meinungsverschiedenheit in der Führungsmannschaft und, wie ich annehmen möchte, auch nicht in der Fraktion. Herr Kollege Maucher – Maucher: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Kollegen! Die gleiche Frage wollte ich ebenfalls stellen. Meine Frage hätte dahingehend gelautet: Ist eigentlich diese Äußerung in der Öffentlichkeit besprochen oder abgestimmt? Persönlich bin ich der Meinung, daß diese Äußerung von beiden, sowohl Kohl und Strauß, uns nicht geschadet hat, sondern genützt hat, nämlich damit wird an sich die FDP in die Zwangslage gebracht, ganz klipp und klar zu sagen, daß für sie nur die SPD in Frage kommt. Und ich glaube, wenn wir so solche Äußerungen aufnehmen, Herr Kollege Blumenfeld, dann kann draußen nichts passieren. Jedes Wort auf die Goldwaage zu legen ab jetzt, wäre ebenso verkehrt, nur der einheitliche Wille muß zum Ausdruck kommen. Die 2. Frage, was ich anstellen wollte, ist die Frage über letzten Freitag. Ich sollte dringend zu einer Beerdigung, habe es am Donnerstag abend spät erfahren, daß die Entscheidung über die Anträge des Vermittlungsausschusses kommt. Ich bin dageblieben, mußte aber feststellen, daß im Grunde genommen der größte Teil der nur anwesenden Fraktionsmitglieder über diese Abstimmung am Freitag früh nicht

9 Vom Bearbeiter eingefügt. Dafür gestrichen: »der«.

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informiert war – das ist nämlich ein ganz entscheidender Gesichtspunkt. Hier läuft es bei der SPD anders. Denn mit dem Zeitpunkt, wo bekannt war, im Vermittlungsausschuß, daß das am Freitag früh auf die Tagesordnung kommt, müssen alle Abgeordneten davon Kenntnis erhalten, und ich könnte mir vorstellen, daß in einer solchen Situation wie am letzten Donnerstag auf Freitag ein Überraschungsangriff erfolgen könnte, nämlich, daß man sagt: Jetzt ist die Gelegenheit gegeben, wo wir die andern überstimmen könnten, wenn wir da wären. Und das wär’ mehr und ein größerer politischer Erfolg als manches andere. Herr Kollege Jenninger, ich muß jetzt eine Kritik anbringen an den Bemerkungen von vorhin. Die Antwort hat gelautet: »Darf ich wagen, Sie zu bitten, daß Sie am Donnerstag mittag da sind?« Das ist doch nicht die Sprache! Das ist eine Verpflichtung für jeden einzelnen. Carstens (Fehmarn): Ja, lieber Herr Kollege Maucher, der Herr Kollege Jenninger und ich haben es ja auf der ganzen Klaviatur versucht, von fortissimo angefangen unter Ausstoßung fürchterlichster Drohungen von Entzug von Diäten, und was hab’ ich hier alles schon vorgetragen. Und da hat der Kollege Jenninger gedacht, vielleicht geht es mal piano etwas besser. Vielleicht wirkt das in homöopathischen Dosen stärker. Es ist ein jammervoller Zustand. Sie haben vollständig Recht und ich stehe nach wie vor zu dem, was ich gesagt hab’, daß das englische System allein erfolgversprechend ist und die Sache nämlich am Geldbeutel letzten Endes seine Auswirkung hat. Aber ich kann mich dem, was Kollege Jenninger gesagt hat, nur voll anschließen. Wir müssen unbedingt stärker präsent sein, meine Damen und Herren! Jetzt kommt Herr Kollege Sauer. Sauer: Herr Vorsitzender, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wurden im Bundesrat durch den Bremer Bürgermeister Koschnick, im Bundestag durch Herrn Friderichs10 und überall im Lande derzeit konfrontiert in der Polenfrage mit der angeblichen Haltung der Kirchen. Ich darf für den Bereich der katholischen Kirche feststellen, daß hier insbesondere [sowohl] der Bensberger Kreis, der gar nicht sehr viele Personen umfaßt, aber sehr publizistisch wirksam ist, als auch die Gruppe von Pax als auch die Aktion Sühnezeichen uns ständig hier entgegengehalten werden. Ich möchte die Frage stellen, Herr Vorsitzender, inwieweit unsere Fraktion mit dem Bereich der katholischen Kirche in Kontakt gestanden hat und, warum wir nicht offiziell die Stellungnahmen verwerten in unsern Ansprachen, die z. B. der Bischof von Hildesheim als der Beauftragte der Bischofskonferenz für diesen Problemkreis abgegeben hat? Ebenso die Stellungnahmen der Apostolischen Administratoren von Schneidemühl, von Danzig, vom Ermland, für Breslau und auch für die sudetendeutschen Diözesen. Ich meine, dies würde uns sehr hilfreich sein in unserer Argumentation, auch gerade im Bereich der Argumentation der Kollegen, die hier humanitäre Gründe vorbringen. Carstens (Fehmarn): Ich danke vielmals, Herr Kollege Sauer! Wir sollten vielleicht, meine Herren vom Arbeitskreis V, diese Stellungnahmen einmal zusammenstellen und allen Mitgliedern der Fraktion zugänglich machen. Dazu Herr Kollege Mertes. Mertes: Herr Vorsitzender, ich bin Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken und war Mitglied der Synode. Die entscheidende Aussage, die aus dem katholischen Bereich gekommen ist, ist die folgende. Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz hat in einer amtlichen Verlautbarung der Bischofskonferenz erklärt, daß bei dieser konkreten Frage überhaupt nicht zur Debatte stehe, ob eine der streitenden politischen Gruppen mehr für Humanität oder mehr für Versöhnung sei.

10 Hans Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft (FDP).

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Auf der Synode ist ebenfalls von einer kleinen Gruppe der Versuch gemacht worden, ein Votum im Namen der Humanität und Versöhnung für die deutsch-polnischen Vereinbarungen abzugeben. Auf Wunsch des Präsidiums der Synode ist diese Diskussion und diese Abstimmung nicht erfolgt. Das heißt, die entscheidende Äußerung, die der Deutschen Bischofskonferenz, lautet: Für Versöhnung und Humanität sind beide Gruppen. Die Kirche hat keine Veranlassung, in einer konkreten Frage zu sagen, wer hier im Sinne der Versöhnung oder der Humanität Recht hat. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Mertes! Vielleicht können wir den Mitgliedern – Herr Kollege Mertes, vielleicht könnte den Mitgliedern der Fraktion diese Stellungnahme zugänglich gemacht werden, damit man sie verwerten kann? Wie ich annehme, hierzu, Herr Kollege Mikat? Mikat: Es ist folgende Lage bei den Kirchen. Die beiden Kirchen haben in der Sache unterschiedliche Positionen bezogen. Die Synode der Evangelischen Kirche hat eine Entschließung gefaßt – und das ist ihr gutes Recht, das zu tun, der Politiker kann einer Kirche nicht vorschreiben, was sie tut und was sie nicht tut, sondern das hat sie aus ihren eigenen Erkenntnisquellen her zu bestimmen. Die katholische Kirche hat, was die Bischofskonferenz angeht, die Synode und das Zentralkomitee angeht – das sind 3 Ebenen –, hat eine Wertung nicht abgegeben und ich bin auch der Meinung – das sage ich jetzt als Angehöriger meiner Kirche –, ich habe auch dazu geraten, ich habe ja mit der Leitung Kontakt gehabt, daß sie gut beraten sei, es nicht zu tun. Damit sage ich nichts über die Linie, die die Synode der EKD – die ja wiederum ein anderes Gremium ist als der Rat der EKD – bezogen hat. Die Schwierigkeit in dem, was die uns gesagt haben, liegt in folgendem. Bei der Frage, ist es nun gut, daß wir etwa die katholische Stellungnahme in unsere Einlassungen einschließen lassen, denn dann müssen wir fairerweise auch die der anderen einschließen lassen! Das muß ganz einfach gesehen werden. Ich bin im allgemeinen der Meinung, eine Partei soll ihre Kriterien aus ihrem Bereich als Bewertungskriterien nehmen. Sie kann sich dann freuen, wenn sie mit dieser oder jener Bewertung einer gesellschaftlichen Kraft übereinstimmt, aber gerade angesichts der Materie, um die es sich hier handelt, sollten weder die einen noch die anderen sich hier Hilfstruppen besorgen, sondern wir sind da Manns genug, um hier unsere Argumentation schlüssig vorzutragen. Ich sage das nicht zuletzt deshalb, weil – das wird Sie gerade interessieren, der Vorsitzende weiß es ja, dem ist es ja mitgeteilt worden – ich sehr starken Wert darauf gelegt habe, daß in meiner Kirche keine Stellungnahme abgegeben wurde. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Mikat! Trotzdem wäre ich dankbar – ich meine, ich unterstütze das, was Sie gesagt haben –, wenn diese offizielle Stellungnahme der katholischen Kirche, die also eine Stellungnahme ablehnt, wenn die uns zugänglich gemacht würde, damit wir uns darauf berufen können, wenn uns etwas anderes vorgehalten wird. Meine Damen und Herren, ich habe jetzt noch 5 Wortmeldungen und würde gerne dann die Rednerliste hierzu schließen, weil wir noch ein paar wichtige Themen zu behandeln haben. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann wickle ich die 5 Wortmeldungen ab. Herr Kollege Kraske – Kraske: Herr Vorsitzender, nur einen Satz zu der Polenfrage. Ich schließe mich dem an, was Kollege Mikat gesagt hat, aber in der Auseinandersetzung mit dieser widerlichen Rede von Herrn Friderichs meine ich doch, wir sollten die SPD bei jeder Gelegenheit fragen, warum sie eigentlich in der Auseinandersetzung um die Fristenlösung die Stimme der Kirchen so wenig beachtet hätte, denn erst dann wird auch die ganze Heuchelei deutlich, die sich dahinter verbirgt!

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(Beifall.) Carstens (Fehmarn): Danke schön, Herr Kollege Kraske! Frau Kollegin Verhülsdonk, auch hierzu? Bitte schön! Verhülsdonk: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich will das, was Herr Kollege Mertes gesagt hat, noch konkretisieren, weil der Ablauf in der Synode vielleicht noch interessanter war, als es Ihnen jetzt scheinen mag. Wir haben ein Papier beraten über Frieden und Entwicklung in der Welt und in dem Zusammenhang kam ein Initiativantrag auf den Tisch, in dieses Papier eine Fußnote einzubauen und dabei zu schreiben, daß wir die Denkschrift der EKD übernehmen und in dieses Papier eben einfügen. Daraufhin wurde der Antrag gestellt, ob diese Fußnote zugelassen werden soll zur Beschlußfassung, und da hat mit einem Stimmenergebnis von 259 Nein- Stimmen und 27 Ja-Stimmen die Synode abgelehnt, in diesem Papier überhaupt auf diesen Vorfall Bezug zu nehmen. Und in dem Zusammenhang hat dann der Präsident der Synode, Kardinal Döpfner, in seiner Schlußansprache zu der Frage insgesamt Stellung genommen. Die Passage aus dieser Rede kann ich der Fraktion zugänglich machen. Carstens (Fehmarn): Ich danke Ihnen vielmals, Frau Kollegin Verhülsdonk. Ich hab’ jetzt noch Herrn Kollegen Köhler, auch hierzu – anderes Thema. Dann Herr Kollege Gölter zunächst. Gölter: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Im Blick auf die Polendebatte einen technischen Aspekt nach diesen gewichtigen Dingen. Ich glaube, daß Derartiges aber auch sehr wichtig ist. Ich bitte, daß die Fraktionsführung oder die Geschäftsführung in der entsprechenden Form dafür Sorge trägt, daß sich die SPD- Fraktion bei zukünftigen Debatten nicht erneut des Mittels der Störung durch akustische Gesprächsszenen im Hintergrund bedient. Ich habe eindeutig gehört, daß der Herr Porzner11 zu Beginn der 2. Rede von Herrn Kohl durch die Reihen gegangen ist und das Wort »Unruhe!« als Parole ausgegeben hat und an allen Ecken und Ende sind dann Gespräche von Tisch zu Tisch in Vierergruppen zustande gekommen. Wir sind bei allen Zwischenrufen – über die eine oder andere Qualität kann man ja auch mal reden –, aber wir sind bei allen Zwischenrufen, meine Damen und Herren, so höflich, dem Herrn Schmidt12 und dem Herrn Brandt13 atemlos zuzuhören, was die beiden Herren uns und dem deutschen Volk zu sagen haben, und dies erleichtert natürlich denen das Geschäft und wirkt draußen auch entsprechend in der Wiedergabe am Fernsehen – ich hab’ mir das in den letzten Tagen durch Gespräche ganz bewußt bestätigen lassen –, während es draußen am Fernsehen entsprechend wirkt, wenn einer unserer Redner durch eine solche Geräuschkulisse gestört wird. Ganz abgesehen von der Tatsache, daß der sich – was ja auch festzustellen war – dann entsprechend schwerer tut. Die SPD hat dies mehrfach getan. Ich finde, das ist ein Punkt, den Sie, Herr Vorsitzender, gegenüber der Frau Präsidentin oder gegenüber Ihren Kollegen ansprechen müssen, daß er im Ältestenrat zur Sprache kommt, sonst müssen wir mal bei der nächsten Ansprache von Herrn Schmidt im Bundestag mit 150 Leuten einfach das Reden von Tisch zu Tisch praktizieren, um uns so zu verhalten, wie das die Sozialdemokraten tun. (Beifall.)

11 Konrad Porzner, MdB (SPD) und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen. 12 , MdB (SPD) und Bundeskanzler. 13 , MdB (SPD) und SPD-Bundesvorsitzender.

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Carstens (Fehmarn): Herr Kollege Gölter, ich bin Ihnen sehr dankbar für diesen Hinweis. Ich hab’ das nicht so deutlich bemerkt, wie Sie es bemerkt haben – ja, ja, ganz sicher, ganz sicher. Vor allen Dingen, was Herr Kollege Gölter hier konkret gesagt hat über das, was er beobachtet hat, das ist ja außerordentlich wichtig. Ich denke, das muß mit der Präsidentin und den Vizepräsidenten besprochen werden. Nein, ich hab’ die Rednerliste geschlossen. Wir diskutieren das am Schluß weiter. Es tut mir furchtbar leid, Herr Kollege Mikat. Herr Kollege Vogel – Vogel: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Für die nächste Woche! Wir haben heute [im]14 Arbeitskreis die Debatte zur 2. und 3. Lesung Ehescheidungsrecht vorbereitet. Wir müssen davon ausgehen, daß wir einen vollen Tag brauchen. Eventuell sogar bis in den Freitag hinüberkommen, wenn wir unsere Abänderungsanträge vernünftig behandeln wollen. Dies ist eine der ganz wichtigen Debatten, die wir haben. Ich möchte darauf hinweisen, Herr Kollege Jenninger, wenn mit der anderen Seite über die Gestaltung gesprochen wird. Zur Kernenergie-Debatte: Wir haben bisher unsern Entschließungsantrag nicht fertig. Wir haben in der vorigen Woche die Intervention des Arbeitskreises II gehabt und Herrn Kollegen v. Weizsäcker gebeten, die Differenz zu bereinigen. Das ist bisher nicht geschehen. Das wäre natürlich sehr mißlich, wenn wir ohne einen solchen Antrag dann in die Debatte gehen müßten. Carstens (Fehmarn): Kollege Vogel, es wird gesagt, Herr v. Weizsäcker sei nicht da. Können Sie einen Vorschlag machen, wie die Sache nunmehr behandelt werden soll? Vogel: Ja, Herr Vorsitzender, der Vorschlag wäre, daß dann einer der anderen stellv. Vorsitzenden sich dieses Geschäfts annähme. Carstens (Fehmarn): Würde Herr Kollege Ritz bereit sein, das zu übernehmen? Dann bitten wir Herrn Kollegen Ritz anstelle des Herrn Kollegen von Weizsäcker, diese Sache zu übernehmen. Herr Kollege Köhler jetzt – bitte schön. Köhler (Wolfsburg): Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Noch ein Wort zur entwicklungspolitischen Debatte! Sie sagten vorhin, glaube ich, Herr Vorsitzender, daß nach Ihrer Auffassung die jammervolle Besetzung des Plenums die Außenwirkung der Debatte dann wohl doch nicht geschädigt habe. Ich bin in dieser Frage leider gänzlich anderer Meinung und möchte das begründen. Wir haben Anfang September als Partei einen großen entwicklungspolitischen Kongreß durchgeführt, mit dem wir uns an weite Kreise der nationalen und internationalen Öffentlichkeit gewandt haben. Wir haben mit unseren Parteifreunden, wir haben mit den Sozialausschüssen, mit der Jungen Union über diese Themen umfassend diskutiert. Wir sind mit zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen im Gespräch, darunter Gruppen, die als Multiplikatoren außerordentlich wichtig sind, z. B. im kirchlichen Bereich. Alle diese Gruppen haben erwartet, daß am Freitag diese unsere Fraktion in ihrer Zielsetzung zur Entwicklungspolitik sich überzeugend darstellen würde, und dieser Eindruck ist zweifellos dadurch geschwächt, daß die entwicklungspolitischen Profis bis auf ganz wenige Ausnahmen dabei völlig alleine waren. Herr Wehner15 hat ja auch versucht, in Erkenntnis dieses Umstandes daraus einiges Kapital zu schlagen. Nun haben wir aber nicht nur über Entwicklungspolitik an diesem Tage gesprochen, sondern es war auch unsere Aufgabe, diesen Minister Bahr16 zu kritisieren, und es war unsere weitere Aufgabe, eine Brücke zwischen der Entwicklungspolitik und zahlreichen außenpolitischen Fragen anzuschneiden. Bei diesen Themen waren wir fast

14 Vom Bearbeiter eingefügt. Dafür gestrichen: »den«. 15 , MdB (SPD) und Vorsitzender der SPD-Fraktion. 16 Egon Bahr, MdB (SPD) und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

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ganz alleine. Ich möchte das nicht sagen, ohne den wenigen Kollegen, die uns sehr intensiv unterstützt haben dabei, herzlich zu danken. Aber dieses Gesamtfazit, Herr Vorsitzender, kann ich leider beim besten Willen nicht positiv würdigen. Wir haben eine große Chance verpaßt, als Fraktion glaubhaft zu machen, daß unsere Einstellung zu diesem politischen Feld etwas mehr ist als das Vorrecht einiger weniger Weltverbesserer. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Köhler. Ich bleibe, obwohl Sie anderer Meinung sind, bei meiner Meinung, daß [die] Berichterstattung in Fernsehen, Rundfunk und Presse gut gewesen ist und durch die mangelnde Präsenz nicht wesentlich beeinträchtigt worden ist. Natürlich bin ich Ihrer Meinung, daß es besser gewesen wäre, wir wären in größerer Zahl dagewesen. Darüber gibt’s keine Meinungsverschiedenheit zwischen uns. Dann würde ich vorschlagen, daß wir jetzt zu Punkt 3 der Tagesordnung – ah, Punkt 4 soll vorgezogen werden, höre ich gerade, Beratung über den abgaberechtlichen Teil der Bundesbaugesetznovelle. Herr Kollege Häfele – Häfele: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Sie haben alle auf dem Tisch einen Vorschlag des Fraktionsvorstandes. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Vorschlag einmal zur Hand nehmen würden. Der Vorschlag ist erarbeitet worden aufgrund der Vorarbeit einer Arbeitsgruppe, die von der Fraktion eingesetzt wurde, die 3 Kollegen aus dem Wohnungsbauausschuß und 3 Kollegen aus dem Finanzausschuß in ihren Reihen hatte, nämlich die Kollegen Dr. Schneider, Mick und Schmöle – in Vertretung Dr. Jahn (Münster) – und von der Finanzseite Dr. Becker, Herr v. Bockelberg und ich. Der Fraktionsvorstand hat sich zweimal mit dem Ergebnis befaßt, in der letzten Woche und in dieser Woche, und die Führungsmannschaft der CDU/CSU hat sich am letzten Freitag damit befaßt. Dies ist jetzt der letzte Vorschlag der Führungsmannschaft, welcher gestern die Billigung des Fraktionsvorstandes erhalten hat und auch heute morgen, soweit ich informiert bin, von den Arbeitskreisen. Es geht, ganz kurz, um folgendes Ergebnis. Punkt 1: Die CDU/CSU lehnt den Planungswertausgleich des Regierungsentwurfs, auch in der später [abgewandelten]17 Form, ab. Kurze Begründung. Dieser Planungswertausgleich, so, wie die Regierung ihn vorhat, bringt unüberwindliche Schwierigkeiten bei der Wertermittlung mit sich. Das hat sich in den Planspielen gezeigt. Er führt zu einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand mit Personalvermehrung – ein Gesichtspunkt, der heute immer wichtiger wird – und er trifft vor allem auch den Falschen, nämlich den, der baut. Darüber ist erfreulicherweise Einvernehmen in allen Gruppierungen erzielt worden. Punkt 2: Ebenso einmütig waren wir bei Punkt 2, Versteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen. Bisher ist es so, daß Veräußerungsgewinne von Grundstücken im gewerblichen Sektor wie auch im landwirtschaftlichen Sektor selbstverständlich versteuert werden – landwirtschaftlich seit ein paar Jahren. Aber im privaten Sektor gibt es nur eine Zweijahresfrist, nämlich nach 2 Jahren ist das wieder frei. Es gibt die sog. Spekulationsfrist von 2 Jahren. Ein Ärgernis, das in der Praxis vielfach zu den berühmt-berüchtigten Fällen der Spekulationsgewinne geführt hat. Deswegen wollen wir jetzt beantragen die Versteuerung auch dieser privaten Veräußerungsgewinne nach dem Einkommensteuergesetz, und zwar durch Verlängerung dieser sog. Spekulationsfrist von 2 auf 10 Jahre, das wird nach menschlichem Ermessen ausreichen, und zwar degressiv ab dem 5. Jahr, um nicht wieder eine neue Veranlassung zur Hortung zu schaffen. Wir wollen ja, daß Grund und Boden möglichst mobil bleibt,

17 Vom Bearbeiter eingefügt. Dafür gestrichen: »angewandelten«.

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möglichst gekauft werden kann, so daß ab dem 5. Jahr degressiv gestaffelt wird. Dadurch werden in aller Regel die gravierendsten und skandalösesten Fälle der Bodenspekulation erfaßt. Dann Punkt 3, das ist unsere grundsätzliche Position zur Bodenabgabenbelastung im steuerlichen Gebiet, die Grundsteuerlösung. Das haben wir immer gesagt und das haben [wir] schon überall erklärt, die CDU/CSU tritt dafür ein, daß in Zukunft die Einheitswerte allgemein zeitnah festgestellt werden, die Grundsteuer allgemein aktualisiert wird und 3. die Grunderwerbssteuer abgeschafft wird, damit Grund und Boden von möglichst vielen leicht erworben werden kann. Daß die zeitnahen Einheitswerte des Jahres ’64 heute nicht allgemein neu festgestellt werden können, hängt damit zusammen, daß die Bundesregierung auf Weisung des damaligen Finanzministers Helmut Schmidt die Vorarbeiten für eine neue Bewertung eingestellt hat. Das ist eine Arbeit von ein paar Jahren. Das ist also schon technisch nicht möglich. Bei der Grunderwerbssteuer hängt das mit dem Finanzausgleich zusammen. Das kostet über 1 Milliarde [D-Mark] Ausfall bei den Gemeinden. Wir können das jetzt natürlich den Gemeinden nicht gut wegnehmen, diese 1 Milliarde, ohne einen Ausgleich. Das kann nur im Rahmen eines neuen Finanzausgleichs Bund, Länder und Gemeinden geschehen. Dann 4., und das ist das, was hier jetzt vorgeschlagen wird aufgrund des Ergebnisses der Beratung in der Führungsmannschaft und im Fraktionsvorstand, daß wir als Vorgriff auf unsere Lösung für bestimmte Grundstücke, die ich im einzelnen jetzt umschreiben will, eine aufgestockte Grundsteuer vorschlagen, und zwar betrifft es die Grundstücke, die künftig neu in den Geltungsbereich eines Bebauungsplanes fallen. Die sollten schon im Vorgriff auf die spätere allgemeine Grundstückbesteuerung eine aufgestockte Grundsteuer bezahlen müssen, die Eigentümer dieser Grundstücke, und zwar auf folgende Weise. Die Ermessungsgrundlage ist die Differenz zwischen dem Einheitswert 1964 und einem neuen, im besonderen Fall festzustellenden Einheitswert 1977. Dies wird zur Hälfte genommen, also 50 % davon Bemessungsgrundlage. Dann kommt die Grundsteuermeßzahl, wie im Grundsteuerrecht schon verabschiedet vor 3 Jahren, von 3,5 von 1 000, also die alte Grundbesteuerung plus diese Differenz. Hier ist die Wertermittlung seriöser als nach dem Vorschlag der Bundesregierung, weil durch die Pauschalierung im bewährten Einheitsbewertungsverfahren der Finanzämter gewährleistet ist, daß das klar zugeht. Es werden also die Bewertungsprobleme besser gelöst, es wird keine neue Bewertungsbürokratie geschaffen, die einschlägige Verwaltungskraft der Finanzämter wird genutzt und es ist vor allem eine echte Grundsteuer. Das ist nur ein Vorgriff auf die endgültige Lösung. Die Vorschriften zugunsten der Eigentumsbildung im Wohnungsbau gelten unverändert. Wenn also einer baut, gilt nach wie vor die zehnjährige Grundsteuerbefreiung, so daß er, sobald er baut, von dieser aufgestockten Grundsteuer befreit ist, völlig anders als das, was die Regierung mit ihrem Planungswertausgleich vorhat. Dann schließlich 5. Carstens (Fehmarn): Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für Herrn Kollegen Häfele – bitte schön! Häfele: Noch viel wichtiger als alle diese Detailmaßnahmen, meine Damen und Herren, ist, daß im Rahmen der Gesamtwirtschaft ein Gleichgewicht besteht und auch auf dem Felde der Boden- und der Bauwirtschaft. Wenn das Gleichgewicht gesamtwirtschaftlich nicht gegeben ist, können Sie [es] versuchen mit Maßnahmen wie immer, Sie werden in aller Regel nur eine Preissteigerung erreichen oder einen grauen Markt oder einen

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schwarzen Markt. Langfristig gesehen ist also das Wichtige, daß auf diesem Gebiet das Gleichgewicht besteht. Deswegen auch noch diese Erklärung zu 5. Wir wären dankbar, wenn wir noch die Ermächtigung erhalten würden, daß rein gesetzestechnisch im Einvernehmen der beiden Arbeitsgruppen noch die Sache überprüft wird, ehe es dann formell eingebracht wird, weil das in der Eile der Zeit nicht bis in die Kommas schon gesetzestechnisch überprüft worden ist. Ich darf noch kurz berichten, daß es 3 Positionen gab in diesen Arbeitsgruppen. Eine weitgehende, die etwa eine Infrastrukturabgabe hätte beantragen wollen. Eine entgegengesetzte, die gesagt hat, im derzeitigen wirtschaftlichen Zusammenhang ist im Grunde jede zusätzliche Abgabenbelastung ein Fehler. Das ist eine Kompromißlinie, wie sie uns die Führungsmannschaft empfiehlt und wie sie nach langen Beratungen in diesen Gruppen von allen Seiten schließlich vertreten wurde. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieser Kompromißlinie folgen würden. Wenn Sie die einzelnen Zahlenbeispiele, die hier auch angefügt sind, sehen, dann sehen Sie, daß es eine maßvolle Sache ist, die vertreten werden kann. Wenn die Kompromißlinie insgesamt von der CDU/CSU nicht getragen würde entsprechend der Empfehlung der Führungsmannschaft, dann besteht die große Gefahr, daß alle die verschiedenen Meinungen, die wir nun mal haben, wieder aufbrechen würden. Und, wenn Sie dann unsere Parteitagsbeschlüsse, die vor Jahren gefaßt worden sind, wieder verschieden CDU und CSU, zur Hand nehmen, dann könnten Sie hundert Doktorarbeiten schreiben, was da eigentlich alles drinsteht – Sie würden einen heillosen Streit haben. Bitte, folgen Sie dieser Kompromißlinie, die von allen getragen werden kann! Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Häfele. Ich möchte Ihre Bitte unterstreichen und mir sie zu eigen machen. Herr Kollege Niegel, bitte schön. Niegel: Herr Vorsitzender, liebe Kollegen! Die einzelnen Punkte sind ganz schön und recht. Es wär’ aber wirklich schön gewesen, wenn der eine Punkt, nämlich die aufgestockte Grundsteuer, so, wie es ursprünglich die Vorstandschaft vorhatte und einstimmig beschlossen hat am letzten Montag ([Zwischenruf] Carstens (Fehmarn): Nicht einstimmig, nicht einstimmig.) mit einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen so geblieben wäre. Bloß hat sich die Fraktion das letzte Mal nicht getraut, zuzustimmen. Aber nun jetzt eine konkrete Frage überhaupt. Carstens (Fehmarn): Es stand, ist nicht auf der Tagesordnung behandelt worden. Niegel: Man hat’s nicht draufgesetzt, obwohl man’s vorhatte. Eine Frage dazu: Wieso kommt man überhaupt auf 50 %? Wenn man auf die 50 % Werterhöhung beim Einheitswert kommt, dann nimmt man doch als Maßstab den Vorschlag der Regierung, der Regierungskoalition, wo man in etwa beim Planungswertausgleich auch 50 % abschöpft. Das ist in etwa ja der Maßstab.

Carstens (Fehmarn): Ich weise darauf hin, das sind von den 50 % 3,5 Promille, die abgeschöpft werden – ja, das ist aber ein kleiner Unterschied!

Niegel: Schon recht – das ist ja klar, aber der Einheitswert als solcher wird um 50 % wegen der planungsbedingten Mehrwertsteigerung angehoben. Wenn man aber das als Modell nimmt – s. Planungswertausgleich! –, dann müßte man auch logischerweise, denn die setzen die Erschließungskosten ab, müßte man dann analog dazu auch den selben Prozentsatz an Erschließungskosten hier am Einheitswert oder dann am Grundsteuermodell mit ansetzen. Das wäre das, m. E., was uns allen dann von der FDP entgegengehalten werden könnte.

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Ich würde deshalb vorschlagen oder empfehlen – weil ja die beiden Arbeitsgruppen noch den Reinentwurf machen sollen –, ob man hier nicht einen entsprechenden Punkt mit berücksichtigen könnte. Dann wäre dieser Einwand von vornherein heraußen. Das kann man im Falle eines modifizierten Grundsteuermeßbetrages oder auch den Gemeinden anheimstellen, das bei der Festsetzung des Grundsteuerhebesatzes mit zu berücksichtigen. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Niegel! Herr Kollege Schneider – Schneider: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Die Arbeitsgruppe Raumordnung, Bauwesen, Städtebau hat heute morgen sehr eingehend die Texte geprüft. Das gleiche war der Fall im Arbeitskreis II und III. Es ist dort jeweils nach sachlicher Beratung zu einstimmiger Votierung gekommen. Ich habe eine einzige Bitte, aber das läßt sich leicht machen, wir müssen nur in den Text bei der »aufgestockten Grundsteuer«, wo es heißt »der letzten Hauptfeststellung«, reinschreiben »für Grundvermögen«. Damit wird eindeutig gesagt, daß aller land- und forstwirtschaftlich genutzter Grund von dieser aufgestockten Grundsteuer frei bleibt. Das ist die »Sedes materiae« § 72 des Bewertungsgesetzes. Und i. ü. bitte ich Sie sehr herzlich, nach langen Jahren der Diskussion, diesem Kompromißvorschlag Ihre Zustimmung zu erteilen. Carstens (Fehmarn): Ich danke vielmals, Herr Kollege Schneider! Herr Kollege Schmöle – Schmöle: Ich will nur drei Sätze noch sagen. Ich möchte herzlich darum bitten, daß wir jetzt mit dem Votum der Fraktion mit dieser Alternative in die Ausschußberatungen gehen können, weil es wichtig ist, daß wir jetzt auch unsere Alternative vorlegen und dann in die konkreten Beratungen hereinkommen. Wir können dann Abänderungsanträge auch von uns immer noch im Gesetzgebungsverfahren erörtern und überlegen. Aber mir scheint wichtig, daß wir jetzt heute zu einer Stellungnahme der Fraktion kommen, weil wir morgen früh bereits im Ausschuß in der Frage votieren müssen, und es ist also nicht so ganz einfach für mich als Berichterstatter, wenn also immer noch bis zur letzten Sekunde Änderungen vorgenommen werden, wie denn die einzelne Auffassung der Fraktion aussieht. Deshalb bitte ich darum, daß Sie jetzt sehr schnell zu einer Entscheidung kommen. Carstens (Fehmarn): Danke vielmals, Herr Kollege Schmöle. Herr Kollege Waffenschmidt – Waffenschmidt: Herr Vorsitzender, liebe Freunde! Ich möchte ausdrücklich sagen, dies ist ein Kompromiß, den wir auch von der kommunalpolitischen Seite her voll mittragen können. Das war deutlich auch in den Vorberatungen mit hineingenommen worden. Ich habe nur eine Anregung. Wir haben aus den Worten von Kollegen, Carstens (Fehmarn): Meine Damen und Herren, dies ist eine nicht ganz einfache Debatte, auch für den Vorsitzenden, wenn Sie das freundlicherweise auch mitberücksichtigen würden. Ich muß intensiv zuhören. Das wird mir erleichtert, wenn nur ein Kollege spricht. Bitte schön – Waffenschmidt: Herr Kollege Häfele hat schon darauf hingewiesen, daß die Forderung, die wir bei der Ziffer 3 erheben, die Grunderwerbssteuer soll abgeschafft werden, daß damit den Gemeinden ein erheblicher Steuerausfall beschert wird. Damit wir in unserer Argumentation auch glaubwürdig bleiben – ich erinnere an unsere Beschlüsse neulich für das Programm zur Überwindung der Arbeitslosigkeit, da haben wir das auch gesagt –, man sollte den Satz einfügen, »den Gemeinden ist der Steuerausfall zu erstatten, über die Einzelheiten kann man sich dann verständigen«. Aber vom Grundprinzip her muß das hinein, sonst werden wir in unserer ganzen

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Argumentation unglaubwürdig. Wir halten ja ständig der Koalition vor, daß sie hier unberechtigterweise Gesetze zu Lasten der kommunalen Körperschaften macht. Wir sollten das nicht in der gleichen Weise vorschlagen. Ich habe mit Herrn Häfele Einverständnis, daß wir das so aufnehmen können. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Waffenschmidt! Herr Kollege – jetzt hab’ ich noch zwei Wortmeldungen, meine Damen und Herren. Kann ich damit dann die Rednerliste abschließen? Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist so beschlossen. Herr Kollege Mick – Mick: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Sie wissen, daß ich in dieser Sache einen anderen Vorschlag gemacht habe. Ich bin aber froh, daß wir zu einem Ergebnis gekommen sind. Wir sollten jetzt nicht über dieses Ergebnis lange diskutieren, denn jede Diskussion schadet uns hier, wenn wir morgen im Ausschuß Farbe bekennen müssen, und bei dem gegenwärtigen Stand können wir das und ich glaube, wir können es auch in guter Haltung. Dem Vorschlag des Kollegen Waffenschmidt möchte ich dabei ausdrücklich zustimmen. Carstens (Fehmarn): Danke vielmals, Herr Kollege Mick! Herr Kollege Jahn – Jahn (Münster): Herr Vorsitzender, es wird hier Einigkeit demonstriert. Deshalb nur noch einen Appell für einige, die vielleicht noch eine andere Meinung haben sollten, dann wenigstens eine taktische Position zu beziehen. Wir werden mit dieser Alternative in die Beratungen gehen, obwohl wir ihr wenig Chance beimessen. Das sage ich ausdrücklich. Deshalb mein Appell, möglichst geschlossen diesem Votum zu folgen. Carstens (Fehmarn): Danke vielmals, Herr Kollege Jahn! Es sind, Herr Kollege Häfele, wenn ich das richtig sehe, zwei Abänderungsanträge gestellt worden, die mit dem Duktus der Sache voll vereinbar sind. Zunächst in Ziffer 3 hat der Kollege Waffenschmidt vorgeschlagen, hinzuzufügen, »den Gemeinden ist der Steuerausfall zu erstatten«. Dann würde ich mir diesen Abänderungsantrag zu eigen machen und vorschlagen, die Ziffer 3 entsprechend zu ergänzen. Und von Herrn Kollegen Schneider ist der Vorschlag gemacht worden, auf Seite 2 unter Ziffer 4 in der 5. Zeile hinter dem Wort »letzten Hauptfeststellung«, einzufügen, »für Grundvermögen« – hab’ ich das richtig verstanden? Ich denke, Herr Kollege Häfele, daß das auch der Klärung des Sachverhalts dient und von uns aufgegriffen werden sollte. Dann würde ich mir auch diesen Vorschlag zu eigen machen und vorschlagen, Ziffer 4 so zu ergänzen. Darf ich dann über den gesamten uns vorliegenden Text nunmehr abstimmen lassen? Ich sehe keinen Widerspruch. Wer für diesen Text ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Ich bitte um die Gegenprobe. – Eins, zwei, zwei Gegenstimmen. – Enthaltungen? Bei zwei Gegenstimmen ohne Enthaltungen mit sehr großer Mehrheit angenommen. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren! Damit ist ein langjähriges Kapitel der Diskussion in unserer Fraktion zumindest vorläufig zu einem glücklichen Abschluß gebracht worden. Dann können wir übergehen zum Punkt 3 der Tagesordnung, den wir zurückgestellt hatten. Meine Damen und Herren, hier schlägt Ihnen der Vorstand – wollen Sie mir freundlicherweise auch wieder Ihre gütige Aufmerksamkeit einen Moment schenken? Es handelt sich um die Besetzung des Sonderausschusses, der sich mit der Frage der Diäten, aber nicht nur der Diäten, sondern des Status der Abgeordneten und einer Reihe damit zusammenhängender Fragen befassen soll. Ein sehr wichtiger Sonderausschuß. Der Vorstand schlägt Ihnen vor – uns stehen 3 Mitglieder zu –, schlägt Ihnen als ordentliche Mitglieder vor die Kollegen Dr. Zimmermann, Kunz (Berlin) und v. Bockelberg, wobei wir vorschlagen, dem Dr. Zimmermann den Vorsitz,

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der uns turnusmäßig zusteht in diesem Ausschuß, zu übertragen. Als stellv. Mitglieder schlägt Ihnen der Vorstand vor die Kollegen Rawe, Haase (Kassel) und Dr. Kreile. Kollege Wohlrabe wird als Berichterstatter des Haushaltsausschusses zu Einzelplan 02 Zutritt und die Möglichkeit, sich zu äußern, haben. Würden die Damen und Herren diesem Vorschlag Ihre Zustimmung geben? Dann bitte ich um ein Handzeichen. – Ich bitte um die Gegenprobe. – Enthaltungen? Bei Enthaltung der unmittelbar Beteiligten einstimmig so beschlossen. Ich danke Ihnen sehr. Ich kann diesen verehrten Kollegen nur zurufen: Glück auf! (Lachen.) Herr Kollege Höcherl zum Vermittlungsausschuß. Höcherl: Meine Damen und Herren! In der letzten Sitzung des Vermittlungsausschusses der vergangenen Woche hat die Koalition 3 Punkte aus dem Haushaltstrukturgesetz herausgenommen, und zwar 3 Punkte, die nicht zustimmungsbedürftig [sind]18. Das ist einmal die Anhebung der Versicherungsbeiträge für die Arbeitslosenversicherung, 2. die Frage des Arbeitsförderungsgesetzes – da ging es um die Frage, ob auch Selbständige, nämlich Handwerker, in den Förderungsbereich mit einbezogen werden. 3. die Frage der Kriegsopferversorgung, der Reste, [was] geblieben ist, nämlich das Witwen- und Waisengeld. Die Koalition hätte das billiger haben können, weil die ablehnende Haltung der Opposition bekannt war, und sie hätte sich diesen zeitlichen Umweg sparen können. Der Rest des ganzen Haushaltssicherungsgesetzes, wie wir es, wie ich meine, zu Recht nennen, ist nun noch im Streit befangen. Wir haben – die andere Seite hat sich bemüht, bei Vorschlägen oder bei Punkten, die die Länder außerordentlich interessieren, sei es Krankenhausfinanzierungsgesetz, sei es die Frage der Gemeindeverkehrsfinanzierung, sei es die Frage des Kindergeldes im öffentlichen Dienst, uns soweit als möglich entgegenzukommen. Der wirklich offene Streit war dann noch die Frage der Landwirtschaft, nämlich der Wegfall des Währungsausgleiches. Wir haben uns nicht in der Lage gesehen, angesichts der eindeutigen Haltung der Fraktion, in dieser Frage die drei Angebote anzunehmen, sondern wir haben alles abgelehnt, so daß dieses Problem noch einmal in einem zweiten Vermittlungsverfahren, das durch die Bundesregierung in Anspruch genommen wird, zur Debatte steht. Die Abstimmungssituation ist folgende. Bei den drei herausgenommenen Problemen gab es bereits am Freitag vergangener Woche […]19 eine Abstimmung. Die Vorlage geht wieder an den Bundesrat, wird dort von der Mehrheit der Bundesländer, der CDU/CSU-regierten Bundesländer abgelehnt werden, erreicht wieder den Bundestag und wird dort angenommen mit der Mehrheit, über die die Koalition verfügt. Wir werden am Donnerstag den Rest, also den weitaus größeren Rest mit diesem landwirtschaftlichen Gravamen zur Abstimmung haben. Wir werden dagegen stimmen. Dann geht die Vorlage noch einmal an den Bundesrat. Auch dort wird dagegen gestimmt und es wird ein neues Vermittlungsverfahren in der Woche zwischen 5. und 11. [Januar 1976] stattfinden. Da kommt es nun darauf an, ob die andere Seite bereit ist, in dieser entscheidenden Frage der Landwirtschaft, die politisch für uns von größter Bedeutung ist, ein Entgegenkommen [zu zeigen]20.

18 Vom Bearbeiter eingefügt. Dafür gestrichen: »ains«. 19 Vom Bearbeiter gestrichen: »bereits«. 20 Vom Bearbeiter eingefügt. Dafür gestrichen: »zeigt«.

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Carstens (Fehmarn): Ich danke vielmals, meine Damen und Herren. Ich glaube, es genügt, wenn wir von dem Bericht Kenntnis nehmen. Es sind jetzt keine Entscheidungen zu treffen, außer der, daß wir den Vermittlungsvorschlag in der nächsten Woche ablehnen werden. Darüber hatte ich vorhin schon in meinem Bericht zur Lage vorgetragen. Herr Kollege Stücklen – Stücklen: Die Koalition wird nur dann bereit sein, einem Kompromiß des Währungsausgleiches zuzustimmen, wenn nicht der falsche Eindruck erweckt wird, daß, wenn auch kein Kompromiß erreicht wird, wir dennoch dem Ganzen zustimmen. In dem Augenblick ist die Hoffnung auf einen Kompromiß dahin. Deshalb bitte ich, daß auch hier in dieser Fraktion deutlich für draußen erkennbar festgestellt wird, daß wir, wenn nicht, diesem Paket unsere Zustimmung nicht geben werden. Carstens (Fehmarn): Außer, daß die Koalition uns in den Fragen, die wir aufgeworfen haben, entgegenkommt. Herr Kollege Köhler – Köhler [(Duisburg)]: Herr Vorsitzender! Bei dem gesamten Vermittlungsverfahrensablauf muß man ja u. U. sich darüber klar sein, daß der letzte Bundesratstermin vor Weihnachten der 18. Dezember ist und, daß u. U., wie ich höre, das Ganze noch mal eine Sitzung des Bundestages nötig machen könnte. Ich fände es ganz zweckmäßig, wenn das im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegt, das den Kollegen schon jetzt zu sagen, damit die Dispositionen der einzelnen sich ein bißchen danach richten. Es wäre – entschuldigen Sie die kleine Bosheit, Herr Vorsitzender –, es wär’ natürlich besonders betrüblich, wenn dann zu einer Sondersitzung nur die Mitglieder des Vermittlungsausschusses kämen und so ähnlich besetzt wäre wie am letzten Freitag in der entwicklungspolitischen Debatte! Carstens (Fehmarn): Aber das wäre eigentlich für die Vermittlungsausschußmitglieder ein gerechter Ausgleich für die vielen Vorzüge, die sie sonst haben! (Lachen.) Herr Kollege Jenninger – die sind doch die mächtigsten Menschen in unserm Staat! Jenninger: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Nach den bisherigen Planungen, in denen also alle Möglichkeiten einbezogen sind, ist sichergestellt, daß keine Sondersitzung in der Woche nach dem 15. Dezember stattfindet. Das ist sichergestellt. Ich hoffe nicht, daß da noch etwas dazwischenkommt, aber die Planungen laufen so, daß wir es auch schaffen werden, wenn wir ein drittes Vermittlungsergebnis brauchen. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Jenninger, für die uns alle sicherlich erfreuende Mitteilung. Dann können wir übergehen zu Punkt 6, Feststellung des Wahltermins. Hierzu hab’ ich mir erlaubt, vorhin vorzutragen, daß die Führungsmannschaft mich gebeten hat, dem Innenminister den 24. Oktober 1976 als Wahltermin vorzuschlagen. Ich bitte dazu um die Zustimmung der Fraktion. Ich sehe und höre keinen Widerspruch – ja gut, sehen Sie mal! Man sieht doch, was für ein nützliches Instrument die Führungsmannschaft ist, nicht wahr? Also darf ich – aber im vollen Ernst, meine Damen und Herren, es ist dies das wichtigste Organ für die Herstellung von Geschlossenheit und Einheit in der Union, und als solche sollten wir ihr m. M. nach jede mögliche Unterstützung zuteil werden lassen. Ich stelle fest, daß die Fraktion einverstanden ist. Plenum der Woche, Kollege Jenninger.

[C.]

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Jenninger: Am Donnerstag nachmittag – Ergebnisse des Vermittlungsausschusses – wird der Kollege Höcherl als Berichterstatter sprechen. Am Freitag 1. Punkt, Beratung des Fernunterrichtsschutzgesetzes, eine Debattenrunde – wer wird von uns sprechen? Frau Walz. Punkt b), hier wird nur der Berichterstatter von Alten-Nordheim, unser Kollege, eine Erklärung abgeben, sonst keine Debatte. Punkt c), hier ist bei der Ausdruckung der Tagesordnung für den Bundestag eine Panne passiert. Der Assistent des Innenausschusses hat dem Präsidium nicht mitgeteilt, daß auch wir zu diesem Gesetzentwurf Anträge haben. Diese werden aber in der Verhandlung im Plenarsaal mit einbezogen. Wir haben ausnahmsweise diesem Verfahren zugestimmt, daß dieser Punkt in dieser Woche verabschiedet werden kann. Wer wird von uns reden? Herr Josten. Dann Punkt d), Änderung des Gesetzes über das Apothekenwesen. Wer wird von uns – Prinz Botho [zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein]. Dann unser Antrag – ja bitte. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Darf ich bemerken, daß eigentlich eine grundsätzliche Änderung, eine grundlegende Änderung in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist, der bezeichnenderweise in der Begründung gar nicht enthalten ist, nämlich der Versuch, zum ersten Mal das sog. Apothekenmonopol zu durchbrechen und von den Krankenhausapotheken in Zukunft ambulante Patienten mitzuversorgen? Das wird natürlich für die Wirtschaftlichkeit der mittelständischen Apothekenbetriebe von außerordentlicher Bedeutung sein und ich meine, daß man hier zum Ausdruck bringen sollte, daß wir eine solche Tendenz nicht gutheißen können. Die andern beiden Vorschläge, die im Gesetz enthalten sind: Krankenhäuser – durch Krankenhausapotheken auch andere Träger versorgen zu lassen, dem kann man zustimmen. Ebenso der Einführung der sog. GMP-Richtlinien, d. h. mit anderen Worten mehr Arzneimittelsicherheit auch in den Apotheken der Krankenhäuser. Auch dieser Bestimmung kann man zustimmen. Aber dem andern, meine ich, müßte man von Anfang an schärfstens widersprechen, weil eine Grundtendenz hier erkennbar ist. Carstens (Fehmarn): Ich danke vielmals, Prinz Botho [zu Sayn-Wittgenstein- Hohenstein]. Ich gehe davon aus, daß die Fraktion mit den Vorschlägen von Prinz Botho [zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein] einverstanden ist. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Herr Kollege Jenninger – Jenninger: Punkt e, unser Gesetzentwurf Schutz der Jugend vor Mediengefahren – der Kollege Rollmann wird den auch begründen. Punkt f) ist abgesetzt in dieser Woche. Punkt g), Berlinförderungsgesetz – wer wird dazu sprechen? Herr Wohlrabe. Werden sonst zum Plenum der Woche irgendwelche Anmerkungen gemacht? Ich stelle fest, nicht. Dann kommen wir zu den Berichten aus den Arbeitskreisen.

[D.] Carstens (Fehmarn): Meine Damen und Herren, dann können wir zu den Berichten aus den Arbeitskreisen übergehen. AK II – AK III – bitte schön! Höcherl: Herr Vorsitzender, darf ich zunächst auf Ihre letzte Bemerkung erwidern, daß der Vermittlungsausschuß die mächtigsten Leute umfaßt? Ich bin der Meinung, das könnte vielleicht bei der Führungsmannschaft der Fall sein. Wir würden uns mit einem 2. Platz sehr gern begnügen. Nun zum Arbeitskreis III. Carstens (Fehmarn): Herr Kollege Höcherl, ich wollt’ Sie bestimmt nicht kränken mit dieser Bemerkung. Höcherl: Nein, nein, aber Ordnung muß sein, Herr Vorsitzender. Die Bundesregierung hat die Absicht, nach einer letzten Übersicht noch 102

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Gesetzesvorhaben zu verwirklichen, und die werden aufgeteilt in »sehr wichtig«, »wichtig« usw. Wir sind der Meinung, wir sollten einen Antrag stellen, das wird über den Kollegen Althammer geschehen, daß alle kostenwirksamen Anträge von der Bundesregierung nach unserem Vorbild zurückzuziehen wären, auch diejenigen, die für die Länder Folgekosten mitenthalten. Carstens (Fehmarn): Darf ich gleich dazu fragen, wird das Wort hierzu gewünscht, meine Damen und Herren? Das ist ja ein wichtiger Antrag, den wir stellen wollen! Herr Kollege Erhard – Erhard (Bad Schwalbach): Wir haben beim Strafvollzugsgesetz geglaubt, das sei ein unmögliches Gesetz, wenn man nichts für die Opfer von Straftaten täte. Wir haben erreicht, daß jetzt demnächst dieses Gesetz aus der Streichungsliste herausgeholt [wird] und auf die Tagesordnung kommt. Wir beschäftigen uns morgen zum zweiten Mal wahrscheinlich abschließend im Rechtsausschuß damit – wir wollen nämlich das durchführen. Aber, wenn wir unter dem Gesichtspunkt konkret mehr oder weniger Geld aufhören, überhaupt etwas politisch zu initiieren, dann wird’s problematisch. Höcherl: Herr Vorsitzender, ich darf sagen, wenn wir den Antrag stellen, treffen wir eine Auswahl. Wir werden natürlich nicht die Kreise des Herrn Erhard und seiner rechtspolitischen Kollegen stören. Carstens (Fehmarn): Da können Sie mal sehen, was für einen vielfältig gewandten Kollegen wir in unserm Kollegen Höcherl vor uns haben. Herr Kollege Althammer – Althammer: Ich glaube, es ist doch klargeworden aus dem, was der Kollege Höcherl sagt, daß wir eine prinzipielle Gleichbehandlung wollen. Wir wären ja verrückt, wenn wir durch unsere Fraktion beschließen nicht nur, wir stellen keine kostenwirksamen Anträge, wir hängen sogar unsere Gesetzentwürfe zurück und würden die Regierung munter weiterarbeiten lassen. Aber genau der Fall, den Kollege Erhard jetzt genannt hat, ist m. E. ein Fall, wo wir eben eine Ausnahme von der Regel zulassen müssen. Carstens (Fehmarn): Ich sehe das auch so. Wir können doch nicht den Gefangenen bezahlten Urlaub konzedieren, nach 6 Monaten 21 Tage – das wird mir unauslöschlich in Erinnerung bleiben –, und den Opfern von Straftaten nichts geben. Also ich denke, wir sind uns in dem Punkte einig. Ich höre keinen Widerspruch, [dann] ist die Fraktion einverstanden. Bitte schön, Herr Kollege Höcherl. Höcherl: Der Arbeitskreis III befaßte sich heute mit der Generalaussprache mit dem Haushalt 1976. Auf Vorschlag der Kollegen Althammer und Leicht soll diese Generalaussprache vor allem mit wesentlichen Anträgen von uns bestritten werden. Keine Bewilligung von neuen Stellen im Haushaltsjahr ’76! Streichung von 2/3 der derzeit nicht besetzten Stellen in der Bundesverwaltung. Rückführung der Zahl der Parl. Staatssekretäre auf den Stand von ’69. Entsprechende Reduzierung der politischen Leitungsbüros in den Bonner Ministerien. Rückführung der Ausgaben für Propaganda ebenfalls auf den Stand von ’69. Einfrieren der Sachausgaben in der Bundesverwaltung auf den Stand von 1975 und dabei Einsparung von 5 %. Kürzung der Subventionen global um 5 %, beginnend im Haushaltsjahr ’76, ohne daß wir eine Liste vorlegen. Stop der von der Bundesregierung und Koalitionsfraktion bereits eingebrachten kostenwirksamen Gesetze mit der Ausnahme von Herrn Erhard. Einführung eines Plakettenverfahrens bei der Kfz-Steuer. Einsparung von Personal. Aufnahme der Vorschläge des Bundes der Steuerbeamten, die darauf hinzielen, das geltende Steuerrecht gründlicher anzuwenden. Das wird unsere Basis sein für die Generaldebatte im Haushaltsausschuß für den Haushalt ’76. Dann wurde eine Reihe von Klei

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Carstens (Fehmarn): Gestatten Sie, daß ich Sie an dieser Stelle vielleicht unterbreche, Herr Höcherl? Selten habe ich so kurze Sätze hintereinander gehört, von denen jeder soviel bedeutete wie diese Sätze, die Sie eben ausgesprochen haben. Aber ich möchte sagen, daß ich jeden der Vorschläge für wohlbegründet und gut halte. Sind Sie sich darüber im klaren, daß in jedem dieser Sätze mehrere Millionen, wenn nicht hundert Millionen Mark stecken, die Herr Kollege Höcherl ausgesprochen hat? Aber es ist das Ergebnis langer Beratungen, denen ich voll und ganz meine Unterstützung geben möchte. Könnten wir das vielleicht verteilen, daß jeder von uns die Argumentation in der Hand hat? Das ist ein guter Gedanke! Darf ich feststellen – eine Sekunde noch, Herr Kollege Höcherl –, darf ich feststellen, daß die Fraktion dem zustimmt? Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann haben Sie das Einverständnis der Fraktion, Herr Kollege Höcherl. Höcherl: Der Vorstand hat uns eine Reihe von Kleinen Anfragen zugewiesen, darunter eine Kleine Anfrage betrifft Reform der Vermögensbildung. Sachverhalt folgender: Die Bundesregierung hat Vermögensbildungsabsichten zweimal in die Regierungserklärung gestellt und hat in der Zwischenzeit das Vorhaben aufgegeben mangels Masse und hat also auch die Stelle im Bundesfinanzministerium eingezogen, die das eigentlich hätte durchführen sollen. Die Kleine Anfrage liegt nun vor, aber sie bedarf noch einer redaktionellen Überprüfung, um hier nicht einen falschen politischen Eindruck erwecken zu wollen, daß wir bei einer negativen Bruttosozialproduktentwicklung vielleicht große Pläne verwirklichen könnten, sondern wir wollten darstellen, daß wir für eine freiwillige im Betrieb sich abwickelnde Vermögensbildung ja bereits Vorschläge gemacht haben und daß die Bundesregierung bisher gepaßt hat. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Eine weitere Kleine Anfrage wegen der Haushaltsrede des Bundesfinanzministers, die ausgewertet wurde. Dort finden sich einige dunkle Stellen, die durch unsere Anfrage aufgeklärt werden sollen. Schließlich ein strukturpolitisches Aktionsprogramm für kleine und mittlere Unternehmen und freie Berufe. Das ist ein Konvolut von 21 Seiten mit sehr, sehr vielen Absichten. Bei dem großen Respekt, den der Arbeitskreis allein vor der Mittelstandspolitik hat, machen wir den Vorschlag, daß trotz einiger erheblicher Bedenken auf diesen 21 Seiten der Fraktionsvorsitzende eine Kommission einsetzen sollte, um diese Dinge überarbeiten zu lassen, und zwar eine Kommission, der ein Haushaltsmann, ein Steuermann und ein Angehöriger des Arbeitskreises I und des Arbeitskreises IV [angehören] – das sind die Bereiche, die dort angesprochen werden. Vor allem in Wunschform, aber man kann das ja angesichts des Beschlusses der Fraktion, ein mittelständisches Programm zu verabschieden, und der ist ja mit überzeugender Mehrheit gefaßt worden, kann man das schon auf eine richtige Linie bringen. Ferner eine Kleine Anfrage über die finanziellen Auswirkungen der sog. Steuerreform und Kindergeldreform. Bisher war es so, daß es hieß, 14 Milliarden [D-Mark] würden dadurch dem Steuerzahler – in der Zwischenzeit wird es ja wieder hereingeholt durch andere Steuererhöhungen, aber 14 Milliarden hätte er Entlastung bekommen. Neuerdings wird behauptet, es wären 18. Wir möchten gern wissen, woher die 4 Milliarden stammen, diese Differenz. Und dann schließlich noch eine weniger wichtige, aber immerhin der Anfrage wert, betrifft die Arbeiten des Statistischen Bundesamtes. Es gibt Klagen über die Art unserer Statistik, die verspäteten Zahlen und die unrichtigen Zahlen. Das sollte durch die Anfrage etwas durchleuchtet werden. Ich danke sehr, Herr Vorsitzender! Carstens (Fehmarn): Ich danke vielmals. Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? Herr Kollege Höcherl – Herr Kollege Stücklen zunächst.

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Stücklen: Diese Vorlage, die dem Arbeitskreis II und III vorgelegen hat, soll in einer Kommission unter Vorsitz eines Stellvertreters noch mal durchberaten und verabschiedungsreif gemacht werden. Aber grundsätzlich wollen wir ein solches Programm […]21, aber im Rahmen unserer Vorstellungen. Ich würde Ihnen vorschlagen, daß der Kollege Ritz das übernimmt – ja? Carstens (Fehmarn): Bitte schön, Herr Kollege Jenninger, und ich bitte um Aufmerksamkeit der Kollegen. Jenninger: Dieses Aktionsprogramm ist eigentlich flankierend gedacht zu unserem Gesetzentwurf zur Förderung des Mittelstandes, den wir bereits eingebracht haben, allerdings noch nicht in 1. Lesung im Plenum hatten. Wir wollen versuchen, diesen Gesetzentwurf in der nächsten Woche ins Plenum zu bringen. Das ist allerdings noch offen, ob es uns gelingt, weil die Koalition der Auffassung ist, im Februar käme der Mittelstandsbericht und dann wollten sie also das zusammen diskutieren. Ich will aber trotzdem versuchen, das in der nächsten Woche einzubringen. Ich schlage allerdings vor, daß wir diesen Antrag dann vielleicht als einen Antrag einbringen wenn der Wirtschaftsbericht oder wenn das Mittelstandsprogramm der Regierung diskutiert wird als unsere Alternative. Und ich schlage vor, Herr Vorsitzender, daß die Kommission sich zusammensetzt aus den Vertretern des Arbeitskreises II, III und IV, denn auch der Arbeitskreis IV – wie mir der Kollege Franke gesagt hat – hat sich mit der Materie befaßt und hat erhebliche Bedenken gegen einige Formulierungen. Und die Initiatoren aus dem Diskussionskreis Mittelstand sollten ebenfalls sich an dieser Arbeitsgruppe beteiligen. Carstens (Fehmarn): Danke schön! Frau Kollegin Pieser zunächst – hat sich erledigt! Herr Kollege Leicht – hat sich auch erledigt. Herr Kollege Ritz, haben Sie die Freundlichkeit, in Ihre bewährten Hände auch dieses Kind zu nehmen? Dann würde ich Ihnen sehr herzlich dankbar sein. Darf ich feststellen, daß die Fraktion einverstanden ist? Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Arbeitskreis IV. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Herr Vorsitzender, der Arbeitskreis IV hat wegen der Beerdigung des früheren Bundesarbeitsministers nicht getagt. Es liegt lediglich eine Kleine Anfrage, die als Gruppenanfrage gestartet werden soll, vor, die sich mit den weiteren Auswirkungen der Ausbildung angehender Ärzte beschäftigt. Nach wie vor sind die Voraussetzungen seitens der Länder nicht gegeben, soweit wir dies sehen. Bevor wir aber irgendeine Initiative starten, möchten wir gerne den neuesten Überblick über die Vorbereitungen haben und dann gegebenenfalls eine Initiative vorbereiten. Dafür ist es notwendig, zunächst diese Kleine Anfrage zu starten. Carstens (Fehmarn): Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind damit einverstanden? Das ist der Fall. Arbeitskreis V? – Herr Kollege Kliesing. Kliesing: Herr Vorsitzender, es lag ein Antrag der Arbeitsgruppe Verteidigung vor, der sich befaßt mit der Verbesserung der Chancen für Unteroffiziere, in die Laufbahn eines Truppenoffiziers zu kommen und damit eine Gleichstellung mit den sog. Experten- Speziallaufbahnen herzustellen. Der Arbeitskreis hat sich diesem Antrag angeschlossen, allerdings nach der Geschäftsordnung der Fraktion muß dieser Antrag erst noch dem Vorstand vorgelegt werden. Er braucht dann hinterher nicht mehr in den Arbeitskreis. (Zuruf Leicht: Arbeitskreis III!) Das ist ja eine andere Frage – nicht mehr in den Arbeitskreis V.

21 Vom Bearbeiter gestrichen: »und«.

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Carstens (Fehmarn): Vielen Dank! – Ach, Sie haben noch mehr? Darf ich gleich mal versuchen, über diesen Punkt Einverständnis herzustellen? Die Sache muß, wie ich höre, in den Arbeitskreis III hinein, dann kann es in den Vorstand und dann kann es der Vorstand noch mal prüfen. Kollege Kliesing – Kliesing: Dann hat der Arbeitskreis V eine sehr ausgedehnte und den ganzen Vormittag umfassende Debatte geführt, die man als Grundsatzdebatte bezeichnen könnte, ausgehend von kurzen Berichten [der] Kollegen [Schenk] Graf [von] Stauffenberg und Hupka über den deutschlandpolitischen Kongreß von CDU und CSU am vergangenen Wochenende in Ingolstadt. [Wir] stellten hier fest, daß dort auch die Europapolitik eine wesentliche Rolle gespielt hat und das führte zu der Frage, wie eigentlich die Politiken unserer Hauptverbündeten im Westen heute zu unsern nationalen Anliegen, insbesondere der Überwindung der Spaltung Deutschlands, stehen und wie hier die Realitäten sind. Das wiederum führte zu dem Beschluß, daß in einer der nächsten Arbeitskreissitzungen der Arbeitskreis sich mit dieser Frage intensiver befassen sollte. Zugleich warf es aber die Frage auf, wie denn eigentlich oder welche Möglichkeiten wir hätten, bei den Verbündeten und überhaupt in der westlichen Welt bei den Neutralen für unsere Politik zu werben, für unsere politischen Auffassungen. Und damit waren wir am Kern des Problems angekommen, nämlich wie es denn mit der Einheitlichkeit der Aussagen unserer eigenen Vertreter aussähe. Das heißt, hiermit war die Frage gestellt, ob es etwa genügt, daß wir Geschlossenheit in der Ablehnung bestimmter politischer Auffassungen der Bundesregierung zeigen oder, ob wir auch im positiven Sinne Geschlossenheit zeigen müssen, d. h. durch die geschlossene Vertretung eines einheitlichen Konzepts und einer einheitlichen Aussage. Das ist zweifellos auch im Hinblick auf die Wahl des nächsten Jahres ein zentrales Problem nicht nur dieser Fraktion, sondern auch der beiden Parteiführungen, und ich darf an Sie, Herr Fraktionsvorsitzender, die Bitte weitergeben, dieses Problem einmal in die Beratungen der führenden Gremien, insbesondere auch der Führungsmannschaft einzuführen mit dem Ziel, zu einer Formulierung einer außenpolitischen Konzeption zu kommen, die von allen Teilen unserer beiden Parteien und insbesondere unserer Gesamtfraktion getragen werden kann. Carstens (Fehmarn): Ich danke Ihnen vielmals, Herr Kollege Kliesing! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir dieserhalb einen Brief schreiben würden. Dann brauche ich nicht alles zu formulieren und kann Ihre Formulierungen übernehmen. Weitere Wortmeldungen zum Arbeitskreis V liegen nicht vor. Arbeitskreis VI. Pfeifer: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Der Arbeitskreis VI hat sich heut’ morgen zunächst mit den beiden Problemen befaßt, die Sie in Ihrem Bericht, Herr Vorsitzender, aus der Führungsmannschaft angeschnitten haben, Berufsbildung und Hochschulrahmengesetz. Ich glaube allerdings nicht, daß es notwendig ist, das allerdings jetzt im einzelnen vorzutragen, da das ja sicher in der nächsten Woche die Fraktion nochmals beschäftigen wird. Zum Hochschulrahmengesetz möchte ich nur eines sagen. Es war auch die Meinung des Arbeitskreises, daß, wenn im Vermittlungsausschuß morgen die drei noch verbliebenen essentiellen Streitpunkte, nämlich Hochschulzulassung, Studienreformkommission und Mitbestimmung, zu unserer Zufriedenheit gelöst werden, daß wir dann dem Hochschulrahmengesetz schlußendlich zustimmen sollten, weil es dann in der Tat so ist, wie Herr Biallas das zum Ausdruck gebracht hat: Die Koalition ist angetreten, um ein Gesetz zu verabschieden, das die CDU/CSU-geführten Länder zwingt, ihre Hochschulgesetze den sozialdemokratischen Hochschulgesetzen anzupassen, und herausgekommen ist dann ein Gesetz, in dem in allen wesentlichen

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Punkten die CDU/CSU-regierten Länder ihre Gesetze belassen können, aber vor allem die Länder Niedersachsen, Berlin, Hessen, Bremen und Hamburg gezwungen sind, in essentiellen und fundamentalen Punkten ihre Landesgesetze zu verändern, und das ist etwas, was natürlich auch im Interesse von noch intakt gebliebenen Hochschulen wie beispielsweise Göttingen u. a. durchaus liegen würde. Dieses dazu! Carstens (Fehmarn): Das war nur zur Kenntnis der Fraktion? Pfeifer: Nur zur Kenntnis! Wir können das abschließend erst beurteilen, wenn wir die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses vor uns haben. Das wird eben morgen im Laufe des Nachmittags der Fall sein. Nun hat der Arbeitskreis noch eine Kleine Anfrage beraten und bittet die Fraktion, dieser Anfrage zuzustimmen. Dabei handelt es sich um die künftige Entwicklung der Sonderforschungsbereiche. Hier geht es um folgendes Problem: Die Bundesregierung ist im Augenblick eindeutig dabei, eine Umorientierung Ihrer Forschungsförderung in den Hochschulen weg von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und hin zum Bundesministerium für Forschung und Technologie in die Wege zu leiten. Hintergrund ist, daß Herr Matthöfer22 einen Teil der Hochschulforschung stärker an sein Ministerium binden will. Die Regierung beabsichtigt beispielsweise, im nächsten Frühjahr noch rechtzeitig vor der Landtagswahl ein Forschungsprogramm vorzulegen – Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit – und will das ausstatten mit einer Gesamtsumme von etwa 5- – 600 Mio. Mark in einem Zeitraum von 4 Jahren. Was hier auf uns zukommt, 1. an Propaganda, aber 2. an direkten Eingriffsmöglichkeiten der Bonner Ministerien in die Hochschulforschung, bewegt aber heute die Hochschulforscher in ganz erheblichem Maße mit Besorgnis, und wir möchten dieses Thema jetzt in dieser Kleinen Anfrage, die wir mit Insidern besprochen haben, wir möchten dieses Thema jetzt beginnen, aufzugreifen, und dann im nächsten Frühjahr, wenn die Regierung ihre Position deutlicher sichtbar macht, mit möglichst viel Unterstützung aus den Hochschulen daraus eine etwas größere Aktion machen. Aus diesem Grunde möchte ich Sie bitten, daß dieser Kleinen Anfrage zugestimmt wird. Ich habe mit Herrn Stavenhagen gesprochen, die Kleine Anfrage hat keinerlei finanzielle Auswirkungen, so daß man dieses also auch unter diesem Gesichtspunkt machen kann. Carstens (Fehmarn): Ich danke Ihnen vielmals, Herr Kollege Pfeifer! Kollege Mikat – Mikat: Ich will die Fraktion mit dem Problem Sonderforschungsbereich, das Herr Kollege Pfeifer angesprochen hat, nicht langweilen. Das ist ein wichtiger Punkt der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ich würde nur einen Rat geben. Wenn man in der Tat im März oder im Frühjahr das vorhat, was der Kollege Pfeifer ankündigt, dann wär’ es natürlich gut, wenn aus dem Kreis der betroffenen Hochschullehrer, die hinter verschlossenen Türen uns das zwar immer einräumen, nach außen hin aber – das muß ich auch ganz offen sagen – immer Dankbarkeitsadressen an die Geldspender geben, das ist nämlich gerade beim Sonderforschungsbereich das Problem, wenn da auch klipp und klar Fakten genannt werden könnten, damit wir die vortragen. Es hat gar keinen Sinn, daß wir da im Nebel rumturnen, sondern da muß gesagt werden, am Institut soundso: folgende Auflage. Forschungsgesellschaft: folgende Auflage, nicht wahr. Darum wäre ich dankbar, Herr Vorsitzender. Zweite Anregung betrifft das Hochschulrechtsrahmengesetz, aber nicht nur das, sondern, meine Kolleginnen und Kollegen, betrifft auch etwa die Lage, wie sie aus Arbeitskreis V gekommen ist. Ich hatte das angeregt. Ich bitte doch, in einer Materie

22 Hans Matthöfer, MdB (SPD) und Bundesminister für Forschung und Technologie.

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wie etwa Hochschulrechtsrahmengesetz oder auch in Vertragsmaterien vielleicht seitens der Arbeitskreise jedem einzelnen Kollegen in der Fraktion, die ja gar nicht in allen Arbeitskreisen sein können, dann schließlich und zu guter Letzt aufzulichten, was überhaupt Kern der Sache ist und wie unsere Position anschließend sich genau herauskristallisiert hat. Aus den Debatten in der Fraktion, Herr Vorsitzender, das muß ich hier ganz offen sagen, ist das ja ganz lupenrein nicht herauszubekommen, sondern das ist doch nur herauszubekommen, wenn wir klipp und klar sagen können: 1., 2., 3., 4., das ist unsere Position, das wird so begründet. Das geht auch nicht über die Presseberichterstattung, denn die hat einen ganz anderen Adressaten und ist hier natürlich auch in einem ganz anderen Duktus geschrieben. Es wäre also wirklich im Interesse derjenigen Kollegen, die […]23 mit der Materie im einzelnen nicht vertraut sind, dankbar, wenn die Essentials eines Gesetzes oder eines Vertrages dargelegt würden, damit wir wenigstens im einzelnen wissen, warum wir einer Sache zugestimmt haben oder warum wir eine Sache abgelehnt haben. Ich bin gerne bereit, Ihnen hier mit klaren Beispielen über ganz hochwichtige Angelegenheiten zu dienen, wo eine große Anzahl unserer Kollegen aufgrund der Schwierigkeit der Materie überhaupt nicht mehr weiß, worum es sich handelt. Wir können uns auch nicht verlassen auf die Argumentationskarten des Konrad- Adenauer-Hauses. Die sind für den Wahlkampf gedacht. Und aus diesem Grunde die Anregung, daß, wenn so etwas nun – und der Arbeitskreis VI hat sich sehr große Mühe gegeben –, wir können die Gesetze im einzelnen, Punkt für Punkt gar nicht lesen, daß aber doch den Kollegen, auch [denen], die nicht im Arbeitskreis sind, gesagt würde, worin liegen die Änderungen, wo liegt das Plus, wo liegt das Minus, damit der einzelne von uns wenigstens mit einem Minimum an Sachverstand auch draußen vorträgt, warum er denn hier in der Fraktion so entschieden hat und nicht anders. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Mikat! Ich glaube, jeder stimmt Ihnen aus vollem Herzen zu. Vielleicht darf ich Herrn Kollegen Pfeifer bitten, das ebenfalls in seine Erwägungen einzubeziehen? Darf ich den Arbeitskreis I fragen – hierzu noch, Prinz Botho [zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein]? Bitte schön, Prinz Botho [zu Sayn- Wittgenstein-Hohenstein]. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich würde den Arbeitskreis VI bitten, im Zusammenhang auch mit der Intensivierung der medizinischen Forschung durch den Forschungsminister darauf zu achten, daß zunächst einmal als Grundvoraussetzung festgestellt wird, wo wird mit welchen öffentlichen Mitteln überhaupt geforscht. Wir haben im Bereiche des Umweltschutzes vor Jahren feststellen können, daß aus den verschiedensten öffentlichen Töpfen – Bund, Länderministerien – Forschungsvorhaben finanziert wurden und daß niemand davon wußte oder eine Übersicht hatte. Es ist dann mit Mitteln des Fonds für Umweltstudien auf meinen Antrag hin einmal eine Dokumentation errichtet worden, um überhaupt eine Übersicht zu gewinnen über diese verschiedenen Forschungsvorhaben und wer die finanziert. Diese Arbeit ist zum Erstaunen aller, die damit zu tun hatten, so ausgefallen, daß wirklich zum ersten Mal eine grundlegende Statistik erarbeitet werden konnte, und der Innenminister hat inzwischen diese Arbeit übernommen. Und es wäre gut, wenn im Bereich der Gesundheitsforschung ähnliches gemacht würde, damit a) nicht öffentliche Mittel sinnlos vergeudet werden und zum andern aber auch u. U. Herrn Matthöfer hier und dort die Plattform für spektakuläre und propagandistische Ausgaben entzogen würde.

23 Vom Bearbeiter gestrichen: »sich«.

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Carstens (Fehmarn): Herr Kollege Pfeifer – Pfeifer: Also, ich möchte zu dem letzten Punkt folgendes sagen. Wir sind im Augenblick dabei, zusammen mit unseren Ländern und auch mit Hilfe unserer Länder, einmal einen genauen Überblick zu bekommen, wer heute wo im Bereich der Hochschulen und im Bereich der Gesundheitsvorsorge überhaupt fördert. Mir wird gesagt, daß z. B. das Matthöfer-Ministerium heute bereits mehr Geld für die Hochschulforschung ausgäbe als die Deutsche Forschungsgemeinschaft überhaupt zur Verfügung hat. Das ist ein ganz lautloser Prozeß, wie allmählich die Hochschulforschung in die Abhängigkeit von ganz konkreten Ministerialbeamten kommt, die wir ja kennen. Und man kann natürlich nicht gegen Gesundheitspolitik sein, aber man kann dagegen sein, daß hier diese Förderung gemacht wird, angebunden an ein Ministerium. Das entspricht nicht unserer forschungspolitischen Zielsetzung und wir sind im Augenblick dabei, dieses sauber aufzuarbeiten und dann von einer vernünftigen Grundlage aus dem Matthöfer zu begegnen. Nicht, daß es plötzlich heißt, die Regierung ist für ein solches Programm und die Opposition dagegen. Eine solche Sache können wir uns ja nicht leisten. Das ist das eine. Dann darf ich Carstens (Fehmarn): Meine Damen und Herren, es ist ja alles sehr dankenswert, was hier gesagt wird, [aber] ich denke, das interessiert doch vielleicht in erster Linie einen kleineren Kreis, als es die Fraktion ist. Mit einem Blick auf die Uhr bin ich auch daran interessiert, die Debatte nicht allzusehr ausufern zu lassen. Bitte schön, Herr Kollege Pfeifer. Pfeifer: Ich möchte eine Bemerkung machen zu dem, was Herr Mikat sagt. Also das ist eine ganz eigenartige Sache, die wir da feststellen. Wir haben gestern ja in einem anderen Zusammenhang mal bei einigen Organisationen herumtelefoniert, wie die denn in ihrer Haushaltsgestaltung durch die Bundesregierung bedacht werden. Es handelt sich konkret um die Mittelorganisationen für die auswärtige Kulturpolitik. Die müssen alle z. T. erhebliche Kürzungen hinnehmen, sagen uns aber, daß sie dennoch sehr dankbar sind, daß die Bundesregierung ihnen überhaupt noch so viel zur Verfügung stellt und begründen das damit, daß, wenn sie ein kritisches Wort sagen, sie Gefahr laufen, daß sie noch weniger bekommen. Also hier ist eine Entwicklung im Gange, wo man einfach feststellen muß, es fehlt da und dort am notwendigen Mut, dem Parlament zu sagen, wie die Lage tatsächlich ist, und wir können nur mühsam, durch solche Anfragen wie hier, überhaupt erreichen, daß ab und zu mal jemand wieder dazu Stellung nimmt. Herr Fraktionsvorsitzender, ich bin der Meinung, daß das aber ein Punkt ist, der jetzt nicht nur den Arbeitskreis VI berührt, sondern der eigentlich ein grundsätzliches Problem berührt, nämlich wie die Regierung gegenüber solchen von ihr abhängigen Organisationen vorgeht und auf diese Art und Weise Stimmung für sich macht in einem Bereich, wo wir Proteste über Proteste geerntet hätten, in der Regierungszeit so vorzugehen, wie es derzeit bei dieser Regierung der Fall ist. Aber ich sage noch mal, das ist eigentlich ein Problem, das die Fraktionsführung oder die Parteiführung insgesamt berühren sollte, nicht allein den Arbeitskreis VI! Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Pfeifer. Können wir damit die Diskussion beenden? Danke vielmals! Arbeitskreis I – nichts. Arbeitskreis II – auch nichts. Zum Thema Verschiedenes – Herr Kollege Jenninger. Herr Kollege Picard.

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Picard: Herr Vorsitzender, auch auf die Gefahr hin, daß ich die Beratungen etwas verlängere, erlaube ich mir doch eine Bemerkung zu der Kritik eines Kollegen über das Verhalten der Koalitionsfraktion anläßlich der 2. Rede von Herrn Kohl. Ich halte das, ich muß das hier sagen, für ein ganz legitimes parlamentarisches Mittel, den Gegner zu stören – Moment. Ich halte das für ein legitimes parl. Mittel und ich muß gestehen, daß ich das mehr als einmal, nicht alleine, zum Beispiel in der Opposition im Hessischen Landtag gebraucht habe. Und, warum dann eigentlich nicht? Ich bin mir vorhin so ein bissel vorgekommen wie ‘ne Mutter, die ’nen Jungen hat, der nach Hause kommt und sagt: Mutti, hilf mir, der hat mich getreten! Mein Vater hat mir dann immer gesagt: Wehr’ dich selber! Das heißt, welche Konsequenz ist denn daraus zu ziehen, Herr Vorsitzender? Nicht, daß wir das auch so machen, sondern, daß wir das unten im Plenum machen und uns nicht bei einem Präsidenten beschweren, von dem wir genau wissen, daß er sich doch eigentlich freut darüber, daß die Mehrheit dieses Parlamentes uns in eine solche Situation, daß wir uns ärgern, gebracht hat! Ich will das einmal so – etwas überspitzt – gesagt haben. Ich glaube, wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen, wo wir uns da unten den nötigen Respekt verschaffen können, und nicht in einer Ältestenratssitzung uns zu beschweren darüber, daß der Kollege Porzner die Reihen auf und ab geht und sagt: Na, macht mal ein bissel Unruhe! Carstens (Fehmarn): Gut, Herr Kollege Picard, es kann ja sowohl das eine wie das andere geschehen. Ich meine, daß wir nun den Kollegen Porzner in flagranti ertappt haben, das finde ich, ist schon ganz nützlich. (Zurufe.) Ja gut, aber das ist ja nu’ wieder ganz was anderes. Rausgehen ist was anderes als Palaver, so daß Unruhe entsteht. Wir werden das alles noch mal in Ruhe überlegen. Ich finde das richtig, was Sie dazu gesagt haben. Ich glaube, es ist nicht nötig, daß wir jetzt dazu im Moment etwa einen Beschluß fassen. Herr Kollege Althammer – Althammer: Herr Vorsitzender, ich möchte es auch ganz kurz machen, aber ich kann dem wirklich nicht zustimmen, was der Kollege Picard sagt, daß dieses ein legitimes Mittel sei, daß ein Geschäftsführer auffordert, Unruhe zu verbreiten. Wir reden doch die ganze Zeit darüber, warum das öffentliche Ansehen der Parlamentarier in der deutschen Öffentlichkeit so schlecht ist, und ich glaube, wenn wir davon ausgehen, daß wir solche Methoden anwenden, dann mag das vielleicht uns selber im Ringkampf irgendwo befriedigen, aber wir sollten einen Augenblick lang auch daran denken, was die Zuschauer am Fernsehschirm über Abgeordneten denken, wenn sie sich an derartigen Methoden beteiligen. Und drum meine ich, wir sollten alles tun, um hier zu einem besseren Stil zu kommen. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Althammer! Frau Kollegin Wex – Wex: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich möchte Sie von folgendem unterrichten, was auch was mit dem Stil, aber noch mehr mit dem Verständnis der SPD über ihre Verpflichtung bei bestimmten Ämtern zu tun hat. Wir haben gestern eine Umfrage veröffentlicht gesehen, die die »Brigitte« gemacht hat, und die vorgelegten Ergebnisse basieren auf einer schriftlichen Umfrage, die von der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Renger, in Auftrag gegeben worden sind. Den Fragebogen bearbeitet [haben] ein Mitarbeiterstab der Präsidentin, die Redaktion der Zeitschrift »Brigitte« und das Institut für Demoskopie Allensbach. Die Federführung lag bei der Arbeitsgruppe für Frauenpolitik der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Hier ist eine Sache unter dem Aspekt der Präsidentin und der Überparteilichkeit an die Öffentlichkeit gegeben worden und wir sind daran nicht beteiligt worden. Das Entscheidende ist aber, daß dies das Vorausexemplar von

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Allensbach ist, während in der offiziell gestern vorgelegten Dokumentation dieser Satz, »die Federführung hatte die Arbeitsgruppe Frauenpolitik der SPD-Fraktion«, gestrichen worden ist, so daß diese Tatsache bei dieser ganzen Veröffentlichung nicht zur Sprache gekommen wäre, wenn wir nicht zufällig diese Sache gesehen hätten. Ich habe Herrn Jenninger gebeten, das im Ältestenrat des Bundestages vorzutragen. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Frau Kollegin Wex! Herr Kollege v. Hassel – von Hassel: Darf ich, Herr Vorsitzender, dazu ein paar Worte sagen? Heute mittag in der Sitzung des Präsidiums hat die Präsidentin dazu selber erläutert, daß die Meldung, die Frauengruppe der SPD sei daran beteiligt und habe die Federführung gehabt, falsch sei. Es sei eine Untersuchung in Auftrag gegeben worden, mit der die SPD- Frauengruppe selber nichts zu tun hat. Trotzdem hab’ ich gar nichts dagegen, daß dies noch einmal im Ältestenrat aufgeklärt wird und auch behandelt wird, damit es in einer weiteren Form richtiggestellt werden kann. Das Präsidium, dort hat sie es heute mittag getan. Carstens (Fehmarn): Vielen Dank! Meine Damen und Herren, wird das Wort zu Verschiedenes noch gewünscht? Herr Kollege Köhler – bitte. Köhler (Wolfsburg): (Mikrofon-Rufe.) Ich schlage dann vor, sich auf die Ausführungen der Frau Präsidentin am Schluß der Sitzung am Freitag zu beziehen, wo sie sehr würdevolle Ausführungen zur Frage des parl. Stils gemacht hat. Dabei könnten wir sie ja nehmen. Carstens (Fehmarn): Danke vielmals für den Hinweis! Das Wort zu Verschiedenes wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Sitzung.

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