Carmen Leimann, Anna Julke, Jakob Vincent Latzko und Dr. Kristin Wesemann, Briefing – Oktober 2015/1

Leeres Rednerpult in erster Präsidentendebatte Argentiniens

Am 4. Oktober fand zum ersten Mal in der argentinischen Geschichte eine Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten vor der Wahl statt. Doch ein Rednerpult blieb leer, nämlich das von Daniel Scioli (Frente para la Victoria). Er gehört derselben Partei an wie die amtierende Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Böse Zungen behaupten, Fernández de Kirchner habe ihm die Teilnahme untersagt. Die offizielle Begründung lautete hingegen, dass Scioli tagtäglich mit den Menschen auf der Straße debattiere und es kein Gesetz gäbe, welches das Format der Debatte angemessen gestalte. Stattdessen wohnte der Kandidat dem Finale eines Rockbandwettbewerbs unweit der Facultad de Derecho der Universidad de Buenos Aires (UBA) bei, wo die Debatte stattfand. Die staatlichen Sender übertrugen die Debatte nicht.

Hinsichtlich der Verhandlungsrunden im Vorfeld der Debatte, der die Wahlkampagnenteams aller sechs Präsidentschaftskandidaten angehörten, ist dieses Verhalten äußerst fragwürdig. Zwar berät der Kongress nun über einen entsprechenden Gesetzesentwurf, man hatte es jedoch auch ohne geschafft, sich auf einige Regeln zu einigen: Die Redezeit betrug zwischen 30 und 90 Sekunden pro Kandidat, die Reihenfolge wurde zufällig festgelegt, Unterbrechungen oder Rückfragen waren untersagt. Themen waren die soziale und ökonomische Entwicklung, Bildung und Jugend, Sicherheit und Menschenrechte sowie Stärkung der Demokratie. Des Weiteren war es den Kandidaten verboten, ihre eigenen Stylisten, Kameras oder Unterlagen mitzubringen. Lediglich ein Blatt Papier und ein Stift befanden sich auf den Rednerpulten. Konsens herrschte darüber, dass man gegen Korruption, Armut und die Untätigkeit der Regierung vorgehen müsse. Einig waren sich Medien und Zuschauer, dass die Debatte deutlich diplomatischer ausgefallen war, als erwartet, es gab nur wenige Wortgefechte. Sciolis Abwesenheit bewerteten die Kandidaten und Moderatoren als äußerst negativ. Schließlich sei es ein demokratisches Grundrecht der Wähler, zu wissen, wofür welcher Kandidat stünde. Selbst das Kampagnenteam der Frente para la Victoria ist hinsichtlich Sciolis Abwesenheit bei der Debatte gespalten: Während die einen sein Verhalten verteidigen, befürchten die anderen, dass ihm diese Haltung wertvolle Stimmen kosten wird.

Ernüchternder Auftakt zur WM-Qualifikation

Vergangenes Wochenende begann im südamerikanischen Fußballverband CONMEBOL die Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2018. Die argentinische Nationalmannschaft erwischte dabei ohne ihren verletzten Weltstar einen Fehlstart. Zunächst musste man sich in Buenos Aires vor spärlich besetzten Tribünen als Favorit gegen Ecuador mit 0:2 geschlagen geben.

Bei der von Coach Gerardo Martino angekündigten Wiedergutmachung gegen kam die "Albiceleste" in Asunción am Dienstag trotz zahlreicher Chancen anschließend nicht über ein 0:0 gegen die vom Argentinier Ramón Díaz trainierten Gastgeber hinaus. Bei den Spielen wirkte die Mannschaft kopf- und ideenlos und konnte die hohen Erwartungen der Anhänger nicht annähernd erfüllen. Nach den Finalniederlagen bei der WM 2014 und der Copa América im Juli scheint das argentinische Selbstbewusstsein im Hinblick auf die Nationalmannschaft nun endgültig am Boden - und auf Grund der enttäuschenden Zuschauerbeteiligung beim Spiel gegen Ecuador denkt die Nationalmannschaft nun sogar laut über einen Auszug aus dem Nationalstadion Monumental nach. Für Trainer Gerardo Martino, bereits seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr von den argentinischen Anhängern äußerst kritisch beäugt, dürften die im November anstehenden Qualifikationsspiele gegen Brasilien und Kolumbien schon persönliche Endspiele darstellen. Sollte die argentinische Auswahl auch bei diesen Begegnungen nicht punkten können, wäre nicht nur der Trainerstuhl Martinos in Gefahr - sondern womöglich auch die sicher geglaubte Qualifikation zur WM 2018 in Russland.

„Kulturelle Vielfalt und Toleranz“

Das Wochenende vor dem nationalen Feiertag am 12. Oktober war in Argentinien geprägt von internationaler Vielfalt und Kultur. Anlass für diesen Feiertag ist die Ankunft Kolumbus auf dem amerikanischen Kontinent im Jahre 1492. Mit der Entdeckung Amerikas begann der Kontakt zwischen Europa und Amerika und es kennzeichnete die Geburtsstunde des internationalen Handels und des Austausches. Somit ist dieser Feiertag ein Tag der historischen Reflexion und des Engagements für die Rechte der indigenen Völker. Außerdem soll er zu einem Dialog über kulturelle Vielfalt beitragen und die Gleichheit aller Menschen gegenüber des Rechts der Identität symbolisieren. So veranstaltete die bolivianische Gemeinschaft in Buenos Aires eine Feier zu Ehren der Jungfrau von Copacabana. Mit mehr als 10 000 Tänzern und 70 verschiedenen Folkloregruppen tanzten die Bolivianer, begleitet von traditionellen Klängen, den ganzen Samstag durch die Straßen von Buenos Aires. Dieses vom argentinischen Kulturministerium gesponserte Festival fand dieses Jahr zum dritten Mal statt und ist das größte bolivianische Festival Argentiniens und kultureller Ausdruck der Migrantengemeinschaften in Buenos Aires. Viele Einheimische und Touristen begleiteten das Spektakel.

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