Einleitung

Anlass und Aufgabenstellung

Die Hochwasserereignisse der letzten Jahre und insbesondere die extremen Überschwemmungen an der Elbe und Donau vom August 2002 haben die Hochwasserthematik verstärkt in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen und gesamtplanerischen Diskussion gerückt. Schließlich lassen sich im Anschluss an ein extremes Hochwasser stets Gefährdungen für den Menschen und seine Umwelt sowie z.T. hohe volkswirtschaftliche Schäden konstatieren.

Ergiebige Niederschläge gelten als die primäre Ursache der Hochwasserentstehung, wobei nach wissenschaftlichem Kenntnisstand auch der anthropogene Anteil zu einer Klimaerwärmung und diesbezüglich eine Zunahme von Extremereignissen forciert. Unbestritten gelten dagegen die vom Menschen verursachte Hochwasserverschärfung infolge vielschichtiger Eingriffe in des Abflussgeschehen der Fließgewässer. Die Ursache hierfür lässt sich anhand von z.T. tiefgreifenden Überformungen in den Gewässerauensystemen und ihren Einzugsgebieten ablesen. Bereits mittlere Hochwasserabflüsse verdeutlichen das Ungleichgewicht zwischen dem Abflussgeschehen regelprofilierter Fließgewässer und der herabgesetzten Auenretentionskapazität. Folglich besteht ein dringender Handlungsbedarf, um zumindest die räumlich-strukturellen Defizite auf der Landoberfläche mit ihren Negativeffekten zu verhindern oder zumindest einzuschränken.

Neben dem Verlust von Überschwemmungsflächen führte die anthropogene Vereinnahmung der Auen zu einem folgenschweren Eingriff in den Naturhaushalt. Mittlerweile sind naturbelassene Fließgewässer und Auen in Mitteleuropa entweder vollständig verschwunden oder existieren lediglich noch in Fragmenten. Mit der Gewässerbegradigung und Eindeichung wurde der räumlich-funktionale Kontakt zur Aue unterbunden, so dass es zum Verlust einzigartiger Ökosysteme mit ihrem einst reichhaltigen Landschaftsgefüge an Tier- und Pflanzengemeinschaften kam.

Die Masterabschlussarbeit findet durch den Begriff der Renaturierung eine inhaltlich adäquate Aufgabencharakterisierung, da dieser Terminus die Wiederherstellung eines naturnahen Gewässerauenzustandes durch gezielte Maßnahmen impliziert. Im Gegensatz zu einer eher passiven Regeneration, die vornehmlich auf die Reaktivierung der biotischen Potentiale abzielt, müssen im Zuge der Renaturierung zunächst einmal die strukturellen Voraussetzungen zur Erzielung naturnaher Standortverhältnisse wieder hergestellt werden.

Unabdingbar für eine naturnahe Gewässerauenentwicklung und einen vorbeugenden, d.h. aktiven Hochwasserschutz ist jedoch das Vorhandensein ausreichend großer Flächen. Dieses wiederum setzt die Abstimmung mit weiteren Raum- und Nutzungsansprüchen voraus. Liegt die abzustimmende Wertigkeit höher als die der Zielvorstellungen des Naturschutzes und/ oder Hochwasserschutzes oder bestehen keine finanziellen Rücklagen, so muss nach möglichst konsensualen Lösungen - selbst unter Hinnahme gewisser Einschränkungen - gesucht werden. Insofern bedarf es im Vorfeld etwaiger Planungsabsichten der Koordinierung von Raumnutzungen aus sektorübergreifenden Fachplanungen.

Räumlich beziehen sich die ausgearbeiteten Planungen zum vorsorgenden Hochwasserschutz ausschließlich auf einen Teilraum des Gesamteinzugsgebietes der . Vor diesem Hintergrund ist es daher sinnvoll lediglich die Bezeichnung „als Beitrag“ für eine eindeutig thematisierte, räumlich jedoch eingeschränkte Fragestellung zu verwenden.

Ein integrierter, nachhaltiger Hochwasserschutz verfolgt im wesentlichen zwei methodische Planungsziele. Zum einen bedarf es angesichts der unvermehrbaren Ressource Boden (Fläche) als auch der immer anspruchsvoller und komplexer werdenden Planungen einer frühzeitigen Integration von unterschiedlichen Fachressorts, um möglichst viele positive Effekte in Gestalt eines Gesamtkonzeptes zu erzielen. Konkret auf die Masterarbeit bezogen beinhaltet der integrierte Hochwasserschutz schwerpunktmäßig die Anwendung räumlich- funktionaler Komponenten aus den Bereichen Naturschutz und Wasserbau. Nichts desto trotz ist mit dem fachübergreifenden Anspruch auch die Berücksichtigung von gesamtraumplanerischen Inhalten und Funktionen gemeint, die unter dem Aspekt der Hochwasserschutzrelevanz beurteilt werden und wenn nötig und möglich nach der effektivsten Gesamtlösung streben sollte. Zum anderen leitet sich die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung (Substainable development) vom Leitgedanken der Brundtlandkommission ab. Diese manifestieren sich bekanntlich im Agendaprozess, der das Ergebnis der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahre 1992 war. In diesem Zusammenhang ist mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ die Zukunftsfähigkeit in bezug auf die (Be)Achtung der Lebensbedürfnisse nachfolgender Generationen gemeint. Konkret auf die thematisierte Fragestellung der Masterarbeit bezogen, impliziert eine nachhaltige (Landschafts)Planung ein zukunftsgerichtetes und effektives Handeln zum Schutz und zur Entwicklung eines leistungsfähigen Naturhaushaltes als Lebensgrundlage für den Menschen und seine belebte Natur im Sinne einer umfassenden Umweltvorsorge.

Die Else ist ein mittelgroßer Tieflandfluss, der die Stadt Bünde (Kreis ) von Westen nach Osten durchfließt. Vor dem Zweiten Weltkrieg hat das Gewässer eine erhebliche Veränderung seiner bis dahin weitgehend natürlichen Gestalt erfahren. Neben seiner Begradigung wurde das Fließgewässer abschnittweise durch flussnahe Deichbauten vollständig von seiner in zunehmenden Maße überbauten und zersiedelten Aue getrennt. In den dicht besiedelten Ortslagen der Stadt Bünde weist der Fluss infolge von Überbauungen lediglich noch eine „Aue“ von etwa 20 m Breite auf.

Während eines Hochwassers bildet der Stadtdurchgang von Bünde trotz eines relativ leistungsfähigen Gewässerprofils einen Engpass. Zwar wurde die Stadt Bünde und weitere Stadtanrainer in den letzten Jahrzehnten von höheren Hochwässern weitgehend verschont, eine Zunahme von mittleren Hochwasserabflüssen lässt sich dennoch signifikant feststellen.

Vor der großen Regulierung dauerten die Hochwässer zwar länger an, ihre Wiederkehrzeit war jedoch wesentlich geringer, da nur langandauernde Niederschläge zu etwaigen Wasserständen und Überschwemmungen führten. Heutzutage gibt es eine Zunahme an Hochwässern, da bereits Regenereignisse mit mittlerer Intensität zu ihrer Auslösung führen können. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Hochwasserwelle insgesamt wesentlich gestauchter und schneller abfließt. Vor diesem Hintergrund stellt sich aus planerischer Sicht nunmehr die Frage, wie entscheidend sich die nutzungs- und geländebedingten Veränderungen auf die Hochwasserabflusscharakteristik zwischen historischen Hochwasserereignissen (z.B. das vom November 1890) und der heutigen Situation darstellt!

Die Masterarbeit greift die Hochwasserproblematik auf und grenzt einen adäquaten Raumausschnitt zum zwingend erforderlichen Hochwasserschutz ab. Mitunter reicht das Bearbeitungsgebiet bis unmittelbar vor den Stadtdurchgang Bündes heran und bildet damit einen substanziellen Beitrag zum präventiven Hochwasserschutz außerhalb der hochwertigen Bebauung. Die Durchsetzung eines rein auf die Hochwasserthematik abzielendes Konzept ist angesichts der verschiedenen Fachressorts nicht ohne weiteres möglich und sinnvoll. Schwerpunktmäßig geht es bei den multifunktionalen Planungsabsichten vornehmlich um die folgenden Aspekte: Landesstraßenbauvorhaben, Städtebau, Tourismus, Kulturlandschaftsschutz, Naturschutz, Trinkwassergewinnung und Landwirtschaft.

Ziel der Ausarbeitung ist es, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Nutzungsansprüche ein in sich schlüssiges, realistisches und effizientes Gesamtkonzept auf der Basis eines lokalen Raum- bzw. Hochwasserschutz-Flächenmanagements optimal aufeinander abzustimmen und zu einer fachübergreifenden Win-win-Strategie zu konzipieren.

Zunächst einmal bedarf es hierzu eines geschichtlichen Rückblickes, um die zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen bzw. räumlich-strukturellen Defizite in der Flusslandschaft aufzuzeigen. Das Ergebnis dieser z.T. tiefgreifenden Einschnitte in das Ökosystem „Flussaue“ manifestiert sich in der Degradierung von zahlreichen Feuchtbiotopen. Eine besondere planerische Relevanz erhält dieser Vergleich zu den heutigen hydrologischen und hydraulischen Verhältnissen, die in ihrem Ursache-Wirkungs-Gefüge auch hinsichtlich früherer Hochwasserereignisse eruiert werden. Schließlich tragen die veränderten Zustände im Naturhaushalt der Flussaue signifikant zu einer Verschärfung der Hochwasserabflüsse bei. Aus naturschutzfachlicher und landschaftsgeschichtlicher Erwägung fungieren die historischen Quellenangaben zudem zur Rekonstruktion einer noch weitgehend unbeeinflussten Niederung auf der Basis noch vorhandener Landschaftsrelikte.

Aktuelle Bestandsaufnahmen haben ein hohes Regenerationspotential der Flussaue ergeben. Schließlich besitzt das Ökosystem Aue angesichts seiner Dynamik die Fähigkeit zur Selbstregulation, vorausgesetzt man gesteht dem alles entscheidenden Faktor Wasser die räumliche und zeitliche Möglichkeit ein, sein Regime über die Niederung wieder zu erlangen.

Unter den aktuellen Standort- und Rahmenbedingungen wird die Renaturierung der Elseflussaue mit der Fähigkeit zum Arten- und Biotopschutz bei gleichzeitiger Erhöhung der Retentionskapazität fokussiert. Hierzu bedarf es der Ausarbeitung geeigneter Entwicklungsmaßnahmen zur Realisierung einer insgesamt naturnahen Auenlandschaft als Rückzugsraum für zahlreiche gefährdete Arten und zum Aufbau eines regionalen Biotopverbundes.

Angesichts der Talmorphologie mit einem Längsgefälle von ca. 0,08 % und einer mittlerweile deutlich eingeengten Talbreite sind der Wirksamkeit des natürlichen Hochwasserschutzes jedoch Grenzen gesetzt. Insofern bedarf es zur erkennbaren Dämpfung der Hochwasserwelle einer Kombination mit Inhalten und Techniken aus der (konventionellen) Wasserwirtschaft. Für eine dauerhafte Verbesserung des integrierten Hochwasserschutzes der Stadt Bünde sollen daher Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie sich eine optimale Ausnutzung aus den positiven Effekten des Naturschutzes und Wasserbaues gemeinsam erzielen und darstellen lässt.

Vervollständigt wird die Masterarbeit durch planerische Aussagen zu konkurrierenden Fachressorts. Diese werden konkret auf den Landschaftsausschnitt zugeschnitten und auf der Planungsebene eines Konzeptes vorgestellt. Schließlich soll durch die Berücksichtigung nutzungsorientierter Fachplanungen eine realitätskonforme Gesamtplanung entstehen.

Abgrenzung planungsrelevanter Raumebenen

Die Masterarbeit setzt sich aus insgesamt sieben verschiedenen, räumlich und inhaltlich gefassten Bezugsräumen auseinander (siehe Abb. x im Anhang). Vor dem Hintergrund eines auf die jeweilige Thematik der planerischen Ausarbeitung bezogenen Planungsraumes unterscheiden sich die abzugrenzenden Bereiche hinsichtlich räumlicher Ausdehnung, Detaillierungsgrad und Funktionalität. Ihnen werden im folgenden wesentliche Auswahlkriterien zugeordnet, um ihre funktionsbezogenen Hintergründe und Zielvorstellungen operabel darzustellen. Zur besseren Zuordnung und im Hinblick auf beabsichtigte Planungsabsichten werden für jede Gebietskategorie eindeutige Begriffsdefinitionen verwendet, die eine klare Zuordnung erlauben und so eine Unverwechselbarkeit im vornherein ausschließen.

Zur Ebene I zählt das 3,9 km² große Plangebiet, das einen ausgewählten Landschaftsausschnitt der Elseniederung darstellt. Der geländemorphologisch recht einheitliche Raum wird durch das Vorhandensein eines überörtlichen Straßensystems klar von seiner Umgebung getrennt. Nach Norden und Nordosten wird das Kerngebiet (Synonym zum Plangebiet) durch die Bundesautobahn BAB 30 abgegrenzt. Östlich rahmt die Engerstraße (Landstraße L557) den Landschaftsausschnitt ein. Eine weitere künstliche Grenzlinie findet der Bearbeitungsraum durch die Werfer Straße (Kreisstraße K29) nach Süden und Westen.

Im Zuge der Ausarbeitung werden für das Plangebiet flächenscharf detaillierte Maßnahmen formuliert und planerisch dargestellt. Neben zahlreichen Raum- und Nutzungsansprüchen zeichnet sich der Landschaftsausschnitt durch seine räumlich essentielle Lage zur letzten Option zum vorsorgenden Hochwasserschutz der Stadt Bünde aus. Diesbezüglich befindet sich noch eine recht breite und weitgehend naturnahe Aue, die über die querende Bundesautobahn A30 von den sich talwärts anschließenden Ortslagen Bündes abgeschnitten wird. Diese räumliche Konstellation befähigt den ausgewählten Talabschnitt zu effektiven Hochwasserschutzmaßnahmen, ehe unterhalb der BAB 30 die Innenstadt mit ihren sensiblen Nutzungen zunehmend dichter an den Fluss heranreichen!

Zwischen der Westgrenze des Plangebietes und der östlichen Grenze des Stadtdurchgangs erstreckt sich die Ebene II. Die räumliche Ausdehnung orientiert sich im wesentlichen an der grob rekonstruierten Begrenzung des Überschwemmungsgebietes der Else auf der Basis des Hochwasserereignisses aus dem Jahre 1890. Diesbezüglich werden auch die innerhalb des Stadtgebietes einmündenden Unterläufe Darmühlenbach, Sunderbach, Butterbach, Gewinghauser Bach und Knoller-Bach räumlich mit abgebildet. Inhaltlich fungiert der Bezugsraum sowohl als qualitativer und quantitativer Vergleich zur heutigen Situation. Mit Hilfe dieser Rekonstruktion sind Rückschlüsse auf zwischenzeitliche räumlich-funktionale Veränderungen erlaubt, die dazu dienen Auswirkungen auf die abgewandelte Hochwasserabflusscharakteristik aufzuzeigen. Rein planerisch werden vor diesem Hintergrund lediglich Handlungsempfehlungen für das historische bzw. überformte Überschwemmungsgebiet der Stadt Bünde aufgezeigt.

Eine Erweiterung des Untersuchungsraumes wird durch die raumübergreifende Neuplanung der Landstraße L557n erforderlich. Hierzu bildet die Ebene III den notwendigen Bezugsraum, damit zwischen Straßenanfangs- und -endpunkt ein nachvollziehbares Planungskonstrukt ausgearbeitet und dargestellt werden kann. Der untersuchte Raum orientiert sich ausschließlich an den alternativ dargestellten Straßenkorridoren, die als Suchraum für weitere Trassenvarianten fungieren.

Zur Ebene IV zählt das 414,6 km² große Einzugsgebiet der Else, dass hinsichtlich der Planungsgrundlage und -handhabe für Bünde in insgesamt drei weitere Raumbezugsebenen eingeteilt wird. Entsprechend den geomorphologischen Gegebenheiten begrenzen (oberirdische) Wasserscheiden auf natürliche Weise oder veränderte Abflussbedingungen (z.B. Kanalisation) die jeweilige Grenzziehung. Während die räumliche Ebene IVA das gesamte Einzugsgebiet der Else umfasst, orientieren sich die Teileinzugsgebiete der Ebenen IVB und IVC an der räumlichen Lage der Stadt Bünde zum Gewässersystem bzw. zu den Teileinzugsgebieten der Else. Die Ebene IVB umfasst das Teileinzugsgebiet der Else, das bis unmittelbar zum Querriegel der Bundesautobahn A30 in Richtung Osten heranreicht. Weiter talwärts schließt sich bereits die Ortslage der Stadt Bünde an. Zusammen mit den Einzugsgebieten der Elsezuläufe lässt sich das Teileinzugsgebiet der Innenstadtlage als Ebene IVC räumlich abgrenzen.

Politische Zuordnung

Der Bearbeitungsraum liegt im Kreis Herford, der zum nordöstlichen Teil des Landes Nordrhein-Westfalen zählt. Bezogen auf das gesamte Einzugsgebiet (414,6 km²) der Else werden auch Teile (191 km²) von Niedersachsen (Landkreis Melle) mit einbezogen. Verwaltungsrechtlich untersteht der untersuchte Landschaftsausschnitt (Kerngebiet) der Stadt Bünde, deren Zentrum sich etwa 1 km flussabwärts anschließt. Mit etwa 46.000 Einwohnern wird die Kommune als Mittelzentrum im Raum Ostwestfalen-Lippe geführt (vgl. FLÄCHENNUTZUNGSPLAN, 2003). Dabei nimmt die Stadt mit 33 Einwohnern pro Hektar im ostwestfälischen Vergleich zu den anderen Städten einen mittleren Platz ein (GEBIETSENTWICKLUNGSPLAN, 2003: S. 23).

Angesichts der Zuwanderung von Spätaussiedlern und Bürgern aus den neuen Bundesländern lag die Bevölkerungszunahmerate im Oberbereich Bielefeld mit 11,9 % fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt des Landes NRW mit 6,8 %. Von 1989 bis 1996 ist im Planungsgebiet die Siedlungsfläche (einschließlich der Verkehrsfläche) um 59 km² bzw. 8,1 % ausgedehnt worden (GEBIETSENTWICKLUNGSPLAN, 2003: S. 3). Insgesamt charakterisiert sich der Kreis Herford als eine recht dicht besiedelte, zuweilen sogar stark zersiedelte Landschaft.

Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebietes im Raum (Ausdruck vom ptv- Service „Stadtpläne Deutschlands“)

Die naturräumliche Einheit der Elseniederung

In Anlehnung an die naturräumliche Gliederung von MEISEL (1959: S. 26ff.) bildet das Ravensberger Hügelland die Haupteinheit (Einheit 531) für den zu bearbeitenden Landschaftsausschnitt. Inmitten des Ravensberger Hügellandes, das Teil des großräumigen Naturraumes Weserbergland ist, erstreckt sich die Untereinheit „Elseniederung“ (Einheit 531.10), die in einer Ost-West-Achse südlich des Wiehengebirges verläuft.

Topographisch gesehen liegt der untersuchte Talraum zwischen der Gebirgsschere aus Wiehengebirge im Norden und Teutoburger Wald im Südwesten. Dabei erstreckt sich die sog. Piesberg-Pyrmonter Achse, die das Ergebnis der saxonischen Gebirgsbildung ist, entlang des stellenweise recht breiten Talzuges von Hase, Else und untere . Diese bandförmig ausgeprägte Talung südlich des Wiehengebirges reicht zusammen mit dem axial verlaufenden Hasetal von Osnabrück bis zur Westfälischen Pforte (Porta Westfalica). Entwässert wird das Ravensberger Hügelland über das Else-Werre-Gewässernetz, wobei die Richtung der Else bis zur Mündung in die beibehalten wird.

Abb. 1: Darstellung der Elseniederung (Quelle: SCHLÜTER, A., 1995: S. 2)

Die genetische Talentwicklung des Else-Hase-Systems beruht nach heutigem Wissensstand mit ziemlicher Sicherheit auf den morphodynamischen Kräften des glazial geprägten Weserstromes. Zur damaligen Zeit wurde demzufolge der Weserverlauf durch das anwachsende saalezeitliche Gletschereis im Bereich der Porta Westfalica zeitweise blockiert und so nach Westen abgedrängt. Dadurch lag ein eiszeitliches Stromtal der Weser seinerzeit südlich des Wiehengebirges und erstreckte sich nach Westen in Richtung der heutigen . Parallel dazu kam es durch die vermehrten Eismassen und Hinterlassenschaften der Gletscher, die sich vom Wiehengebirge aus über die Ebene erstreckten, sukzessive zu einer weiteren Flussablenkung in Richtung Südwesten. Unter periodisch veränderlichen hydrologisch- strukturellen Verhältnissen kam es vor dem Wiehengebirge zu einem Rückstau der Eis- und Wassermassen. Folglich führte der zwischenzeitliche Aufstau auf der Höhe der Porta Westfalica allmählich zum Einschnitt in den glazial überformten Mittelgebirgszug, so dass der direkte Weserweg nach Norden in Richtung Nordsee wieder frei wurde.

Der Weserdurchbruch durch die Porta Westfalica zwischen Weser- und Wiehengebirge spielte während des frühen Aufstaus eine wichtige Rolle: durch ihn konnte der Stausee in das Osnabrücker Längstal entwässern, wo er über die Wasserscheide zwischen Hase und Werre in ca. 70 m NN bei Gesmold nach Westen Richtung Osnabrück abfloss (THOME, 1998: S. 93). Geländemorphologisch ist in diesem Kontext auf die seltene geographische Naturerscheinung der Bifurkation (Zweigabelung) bei Gesmold (Landkreis Melle) hinzuweisen. Angesichts einer nahezu plateauartigen Topographie hat sich hier eine flache Talwasserscheide ausbilden können. Aufgrund dieser Geländesituation formten sich aus einem Fließgewässer zwei Abzweige heraus, die letztendlich in zwei unterschiedliche Flusssysteme münden. Während die Hase in Richtung Westen fließt und so dem Einzugsgebiet der Ems angehört, verläuft die Else in entgegengesetzter Richtung, wo sie zusammen mit der Werre in die Weser mündet. Ob es sich bei der Zweigabelung um eine natürliche oder letztendlich künstliche Erscheinung handelt konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden, da die örtliche Landschaftsgeschichte in bezug auf Wasserkraftnutzung und wasserbaulicher Stadtverteidigung schon weit in das Mittelalter zurückreicht. Auf jeden Fall begünstigt die ebene, feuchte Talweite die Bildung einer natürlichen und künstlichen Bifurkation sehr (ZIERCKE, 1960: S. 18).

Die von der Urstromweser hinterlassene breite Niederterrasse des heutigen Else-Hase- Längstales wurde durch die Tätigkeit der eiszeitlichen Weser zusammen mit den formenden Eismassen sukzessive mit Geschiebe, Kies und Sand aufgeschüttet. Während und unmittelbar nach der Weichseleiszeit herrschten vorwiegend westliche Winde vor, die reichlich Lössmaterial aus dem Emstal auswehten und die Grundmoräne des Ravensberger Hügellandes mit einer geschlossenen Lössdecke überlagerte. Dieser äußerst erosionsanfällige Löss wurde schließlich im nachfolgenden Holozän (Warmzeit) aus dem Einzugsgebiet der Else allmählich wieder abgeschwemmt und überformte den glazial vorgeprägten Talgrund mit einer über mehrere Meter dicken Auenlehmschicht.

Die ehemaligen feuchten und nassen Eichen-Hainbuchenwälder, Erlenbruchwälder und Eschen-Ulmenwälder (selten) sind heute fast gänzlich durch Grünland ersetzt worden (Fettwiesen und -weiden, Feuchtwiesen), welches gute Erträge bringen kann (MEISEL, 1959: S. 27ff.). Mit wechselnder Breite durchzieht das langgestreckte Elsetal die flachwelligen Anhöhen (Riedel) des Ravensberger Hügellandes, die von einem Netz aus Bächen unter anthropogener Teilhabe zu einem bandartigen Kastensystem (Sieke) zertalt wurden. Sanfte Bodensenken und -wellen zeugen auch heute noch von der ehemaligen gestalterischen Kraft der Else. Landschaftsprägend für diese reizvolle Parklandschaft sind die zahllosen Einzelhöfe mit ihren charakteristischen Eichenkämpen und Streuobstwiesen sowie die vereinzelt vorkommenden Wäldchen, Hecken und Kopfweiden inmitten einer weitläufig erscheinenden Ebene.