Sozialraumanalyse zur Mariahilfer Straße

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Sozialraumanalyse zur H Mariahilfer Straße I

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Projekt im Auftrag der Stadt MA 18 – Stadtentwicklung und Stadtplanung E Referat Verkehrsplanung und Mobilitätsstrategien

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Bearbeitung

B. Gungl, R. Mayrhofer, S. Staller, H.Studer S tilia mayrhofer.staller.studer og 1060, Otto Bauer Gasse 14/4 www.tilia.at T

C. Stoik Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit GmbH R FH CAMPUS Wien 1100, Favoritenstraße 226

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S Nov./Dez. 2011 S E

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A Inhaltsverzeichnis R

Kurzfassung ...... 4 1. Einleitung ...... I .... 7 2. Methodik und Vorgangsweise ...... 9 2.1. Analyse der quantitativen Daten und Identifizierung diverser Sozialräume ...... 9 2.2. Identifizierung räumlicher Strukturen und AkteuerInnen ...... A ...... 9 2.3. Erhebungen von Interessen unterschiedlicher AkteurInnen ...... 10 2.4. Analyse ...... 11 2.5. Darstellung der Ergebnisse für das Dialog- und Planungsverfahren ...... 11 3. Analyse quantitativer Daten zur inneren Mariahilfer Straße...... H...... 12 3.1. Bauliche Gebietscharakteristik ...... 12 3.2. Soziodemographische Charakteristik ...... 13 3.3. Sozioökonomische Charakteristik ...... I ...... 14 3.4. Sozioethnische Charakteristik ...... 14 3.5. Zusammenfassung ...... 15 4. Baulich-räumliche Aspekte ...... L ...... 16 5. Zeitliche Rhythmen ...... 22 6. Kommerzielle Angebote und öffentliche Einrichtungen ...... 24 7. AkteurInnen und ihre Ansprüche ...... F 25 7.1. Lokale Bevölkerung ...... 25 7.2. BesucherInnen aus anderen Wiener Bezirken und dem NÖ Umland ...... 26 7.3. TouristInnen ...... 26 7.4. Marginalisierte Gruppen ...... E 26 7.5. Kinder ...... 27 7.6. Jugendliche ...... 27 7.7. Junge Erwachsene ...... R ...... 28 7.8. Erwachsene im mittleren Alter ...... 28 7.9. Ältere Menschen ...... 28 7.10. Zusammenfassung ...... 29 8. Verkehrliche Aspekte ...... 30 8.1. FußgängerInnen ...... 30 8.2. Radverkehr ...... S ...... 30 8.3. Motorisierter Verkehr...... 31 8.4. Der neue Westbahnhof und die BahnhofCity Wien West ...... 31 8.5. Zusammenfassung ...... 31 9. Integration und Verdrängung ...... T ... 32 9.1. Punks auf der Marahilfer Straße ...... 33 9.2. BettlerInnen ...... 33 9.3. Wohnungslose ...... R ...... 34 9.4. Zusammenfassung ...... 34 10. Zusammenfassende Ergebnisse…………………..………………………………………………………………………………………………………35 10.1. Sozialräumliche Qualitäten...... A...... 35 10.2. Konfliktlinien ...... 36 11. Empfehlungen …………………………………………………………………………………………………………………………………………………….38 11.1. Zukünftige Qualitäten der Mariahilfer Straße ...... S 38 11.2. Empfehlungen für den Dialog ...... 39 11.3. Umgestaltungsempfehlungen ...... 40 12. Literatur und Quellen ...... 42 Quellen ...... S .... 43 Anhang ...... E ...... 44

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A Kurzfassung R Die Sozialraumanalyse zur inneren Mariahilfer Straße wurde im Vorfeld von neuen Verkehrslösungen und als Grundlage für das Dialogverfahren erstellt. Der Schwerpunkt liegt auf einem kleinräumigen, anwendungsorientierten Ansatz und auf der Abbildung derzeitiger und potenzieller AnsprücheI und AkteurInnen.1

Die gründerzeitlich geprägte Einkaufsstraße führt durch dicht bebaute Quartiere mit einemA starken Mangel an öffentlichen Freiräumen. Ihre Abschnitte gliedern sich in platzartige Eingangsbereiche, Bereiche mit durchgehender Allee und dem Fußgängerstrom entsprechend breiten Gehsteigen sowie eine dicht genutzte Mitte mit wechselndem Baumbestand und Engpässen in der Durchgangsbreite. H

AkteurInnen und ihre Ansprüche I Die Mariahilfer Straße ist ein Ort vieler verschiedener Menschen, die zum Einkaufen oder im Rahmen ihrer Arbeit und ihres Alltags hier sind. L Für die in den angrenzenden Häusern und in der Umgebung lebenden Menschen2 ist die Mariahilfer Straße Teil ihres Wohnumfeldes. Während sie für manche an Arbeits- und Alltagswegen liegt oder Ort zum Einkaufen und Spazieren gehen ist, queren andere nur ohne sich aufzuhalten. Jüngere MigrantInnenF und ärmere BewohnerInnen sind seltener da, sie nutzen eher die Parkanlagen im Bezirk. Das vielfältige Einkaufsangebot, die Belebtheit und Sauberkeit wird geschätzt, als belastend wird vor allemE der Autoverkehr erlebt.

Menschen aller Altersstufen sind als BesucherInnen auf der Mariahilfer Straße, in erster LinieR zum Einkaufen. Jugendliche und jüngere Erwachsenen, die das Straßenleben wesentlich prägen, kommen auch um sich zu treffen, andere flanieren nur. Viele schätzen die Sitzgelegenheiten, auch wenn es davon zu wenige gibt. Hauptkritikpunkt ist der Autoverkehr, gefolgt von der der zu hohen FußgängerInnendichte. Die Mariahilfer Straße ist für TouristInnen als ergänzendes Shoppingziel wichtig. Manche sindS auch in der näheren Umgebung untergebracht. TouristInnen zeigen sich sehr zufrieden mit der Straße, mit dem Geschäftsangebot, den FußgängerInnenbereichen und Bäumen; Kritik üben sie vor allem am Autoverkehr. T R

Um einen Einblick zu grundsätzlichen Ansprüchen von verschiedensten sozialen Gruppen geben zuA können untersuchte die Sozialraumanalyse die Mariahilfer Straße mit einem Methodenmix, über qualitative Methoden (ExpertInneninterviews, Begehungen und zielgruppenspezifischen Zugänge) und eine Analyse quantitativer raumbezogener Daten (z. B. Entwicklung der Wohnbevölkerung nach Dichte, Alter, Bildung, ...) Die ErgebnisseS wurden über Between-Method-Triangulation in Bezug gesetzt. 2 Bei der Altersstruktur der BewohnerInnen der angrenzenden Wohnbezirke ist eine leicht steigende Tendenz bei älteren Bevölkerungsgruppen und Kindern zu beobachten. Es gibt einen hohen Anteil gut gebildeterS Menschen, die Arbeitslosigkeit liegt unter dem Wiener Durchschnitt. Die Bevölkerung kann als ethnisch gemischt charakterisiert werden. E

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A Gemeinsame Anliegen - Anspruch auf Steigerung der Aufenthaltsqualität - Positive Bewertung kommerzieller Angebote – dennoch Wunsch nach mehr nicht-kommerziellenR Räumen und Orten mit hoher Aufenthaltsqualität - Breiter Wunsch nach Reduzierung des motorisierten Verkehrs – Verkehrsberuhigung/Entschleunigung - Wunsch nach Verbesserung der Situation für RadfahrerInnen – unterschiedliche InteressenI innerhalb der Gruppe der RadfahrerInnen (schnelles/langsames Radfahren, AnrainerInnen, Zufahrt mit Rad, Kinder mit Rad) A Ergebnisse nach AkteurInnenInnengruppen: Die Mariahilfer Straße ist... H - für Frauen und Männer ein Ort zum Einkaufen und Flanieren - für die Erledigung täglicher Wege von Bedeutung (Wohnen, Arbeiten, Ausbildung, Betreuung) - für ältere Menschen ein Ort zum Spazierengehen und der gesellschaftlichen Teilhabe I - für Jugendliche und junge Erwachsene ein Treffpunkt - für marginalisierte Gruppen Lebensraum L Die wesentlichen heutigen Funktionen der Mariahilfer Straße, die durch die Sozialraumanalyse deutlich wurden, sind das Einkaufen, das Verbringen von Freizeit, sie ist ein transitorischer Ort, ein anonymer Integrationsort und politische Bühne. F

Heutige Qualitäten Die vordergründige Qualität der inneren Mariahilfer Straße liegt im Einkauf. Sie ist eine (auchE architektonisch) attraktive Einkaufsstraße mit langer Tradition von wienweiter und überregionaler Bedeutung. Die interessante und breite Mischung an Angeboten wird positiv eingeschätzt und bedient sowohl die Wohnbevölkerung als auch Personen aus ganz Wien sowie TouristInnen. Viele MenschenR schätzen die breiten Gehsteige und die Bäume, die Gastronomie mit ihren Schanigärten und die Belebtheit der Straße. Die Mariahilfer Straße ist aber auch ein Ort mit urbanem Charakter zum Flanieren und Treffen und wird als klarer Gegenpol zu den Einkaufszentren in und rund um Wien gesehen. Ihr Image als Einkaufsstraße und „Shoppingparadies“ für „gehobenen Massenkonsum“ ist sehr gut und stabil (jung, zeitgeistig, modern und urban). Verkehrstechnisch ist sie öffentlich sehr gut erschlossen, stadtweite Radwege führen bis zu ihren Entrees und sie ist aus der Umgebung gut zu Fuß erreichbar. MitS dem Auto ist ein (langsames) Zufahren möglich, zum Parken stehen ausreichend Garagenplätze in der näheren Umgebung zur Verfügung. Die Qualität der Straße liegt in der Verbindung des Einkaufens mit Urbanität, in der VerbindungT von sehr guten kommerziellen Angeboten mit nicht kommerziellem städtischem Leben – mit Integrationsfunktion für ärmere und ältere Bevölkerungsgruppen - in einem historischen großstädtischen Ambiente.R Konfliktlinien Ein Spannungsfeld zeigt sich im Konflikt kommerzialisierter - nicht kommerzialisierter Raum. Es wird im Platz deutlich, der zum Gehen und zum Aufenthalt auf den Gehsteigen bleibt, in ZusammenhangA mit der hohen FußgängerInnenfrequenz und der teils intensiven Bespielung durch die Gastronomie. Es gibt zu Stoßzeiten nicht ausreichend Platz zum Gehen, Stehenbleiben bzw. sich aufzuhalten und zu wenige öffentliche Bänke. Dies trifft insbesondere Jugendliche und Erwachsene, die nur selten einenS Platz auf einer Bank bekommen, aber auch ältere Menschen, die die Straße aufgrund des mangelnden Angebotes kaum besuchen. Platz für Kinder ist nur beschränkt vorhanden, für Bewegung und Spiel nur außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten. S Eine andere Ebene dieses Konfliktes ist, dass erkennbar arme Menschen und marginalisierteE Gruppen auf

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A der Mariahilfer Straße wenig sichtbar sind. Es gibt Hinweise auf Verdrängung. Punks, Wohnungslose und bettelnde Personen werden von der Polizei immer wieder weggewiesen, solche mit Migrationshintergrund sind davon stärker betroffen. R Das derzeitige Miteinander der Verkehrsarten birgt Konfliktfelder. Der motorisierte Verkehr beeinträchtigt die Aufenthaltsqualität, für FußgängerInnen und beim längeren Aufenthalt (z. B. im Schanigarten) sind die Autos mit ihren Lärm- und Abgasemissionen ein Störfaktor. Aus Sicht der AutofahrerInnen istI das mangelnde Vorwärtskommen durch den tagsüber häufigen stop-and-go Verkehr problematisch. Auch das Miteinander von FußgängerInnen und RadfahrerInnen birgt Konfliktpotential, besonders in den bergab führenden Bereichen, wo schnelles Radfahren als eine Barriere zwischen den beiden StraßenseitenA wirken kann. Auf eine geringe Identifikation mit der Mariahilfer Straße bei Teilen der WohnbevölkerungH als latenten Konflikt gab es mehrfach Hinweise. Die gesamtstädtische und sehr kommerzielle Funktion der Einkaufsstraße für viele Menschen steht im Spannungsverhältnis zu den Ansprüchen der Menschen, die in der Umgebung leben. Schwierig ist, dass die sehr hohe Anonymität, aber auch die hohe DichteI verbunden mit Unübersichtlichkeit von der Wohnbevölkerung teilweise als problematisch erlebt werden. Die Wohnbevölkerung ist jedoch ein wichtiger Faktor für die Verbindung der Einkaufsstraße mit dem Stadtteil und insbesondere für die kontinuierliche BesucherInnenfrequenz der Straße, auch außerhalbL der Geschäftsöffnungszeiten. Zukünftige Qualitäten der Mariahilfer Straße Die Sozialraumanalyse zeigt, dass die dichte Lebendigkeit, die Vielfalt und der BranchenmixF erhal ten bleiben sollten, um weiterhin für einen möglichst breiten Personenkreis attraktiv zu sein und um den urbanen städtischen Charakter beizubehalten. Die Gestaltung der Mariahilfer Straße sollte neu und attraktiv sein um Abwechslung zu bieten. Die Vision ist ein lärmgeminderter und möglichst abgasfreier RaumE mit hoher Aufenthalts- und Nutzungsqualität für FußgängerInnen und RadfahrerInnen auf der gesamten Länge der inneren Mariahilfer Straße. Um die beiden Straßenseiten stärker zu verbinden werden Aspekte der Entschleunigung angeregt mit einer Reduktion des Autoverkehrs und langsamem Radverkehr.R Bei der Aufenthaltsqualität wird immer wieder auf die Wichtigkeit von nicht konsumorientierten, in der Gestaltung vielfältigen Angeboten hingewiesen, die allen AkteurInnengruppen zu Gute kommen. Es sollte sich ein offenes und integratives „gemischtes Bild“ ergeben. S T R A S S E

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A 1. Einleitung R

Die Durchführung der Sozialraumanalyse zur inneren Mariahilfer Straße erfolgte im Sommerhalbjahr 2011 im Vorfeld von neuen Verkehrslösungen. Der Schwerpunkt der Sozialraumanalyse liegt auf einemI kleinräumigen, anwendungsorientierten Ansatz und auf der Abbildung derzeitiger und potenzieller Ansprüche von AkteurInnen. Die Sozialraumanalyse wurde in Abstimmung mit der MA 18 Referat Verkehrsplanung und Mobilitätsstrategien sowie der Stabstelle öffentlicher Raum, soziale ProzesseA und Maßnahmenentwicklung der MA 18 ausgearbeitet. Sie steht auch mit weiteren zeitgleich beauftragten Studien in Zusammenhang: der „Geschäftsstraßenanalyse“ von SOREF (2011) beauftragt durch die MA 18, der Verkehrsuntersuchung von arealConsult (2011) beauftragt durch die MA 46 sowie der Hvon der Wirtschaftskammer Wien beauftragten „Strukturerhebung Lieferverkehr“ von Verkehrsplanung Käfer G.m.b.H. (2011). I Die Karte zeigt das in Abstimmung mit den AuftraggeberInnen festgelegte Untersuchungsgebiet:

Untersuchungsgebiet L F E R

S T R A Quelle:S www.wie n.gv.at

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Die Ziele der Sozialraumanalyse zur inneren Mariahilfer Straße waren: R 1. Konzeption und Durchführung einer Sozialraumanalyse als Diskussionsgrundlage für eine fahrrad- und fußgängerInnenfreundliche Umgestaltung der inneren Mariahilfer Straße im 6. und 7. Wiener Gemeindebezirk I

2. Einfließen der Ergebnisse in die Beauftragungsunterlagen eines Planungsverfahrens zu möglichen neuen Verkehrslösungen zur Mariahilfer Straße A

3. Aufbereitung der Daten als Grundlage für eventuelle Dialogprozesse. H

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A 2. Methodik und Vorgangsweise R

Die Sozialraumanalyse zur inneren Mariahilfer Straße und ihrer Umgebung arbeitete mit einem breiten Mix an Methoden (vgl. Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.) 2010). Die Methoden und die VorgangsweiseI werden im Folgenden kurz dargestellt. Das methodische Vorgehen war durch drei Zugänge gekennzeichnet: Quantitative Daten wurden aus sozialräumlicher Perspektive betrachtet, das gewählte Gebiet auf seine physisch-räumlichen Bedingungen untersucht und schließlich spezifische AkteurInneninteressenA erhoben. Die theoretische Grundlage dazu ist das Verständnis eines relationalen Raumes. Dabei wird die Konstituierung des physischen Raumes in enger Verzahnung mit sozialen Verhältnissen, deren räumlichen Verortungen, sowie dem alltäglichen Handeln von Menschen verstanden (vgl. u. a. Löw 2001; Riege/SchubertH 2002; Kessl/Reutlinger 2007). I 2.1. Analyse der quantitativen Daten und Identifizierung diverser Sozialräume Mit Hilfe bereits vorhandener Unterlagen und Daten zur Mariahilfer Straße, erfolgte eine strukturelle Profilierung des Gebietes. Die Grundlagen umfassten Untersuchungen und GIS-ThemenkartenL zur demographischen Bevölkerungsstruktur der Mariahilfer Straße und der umliegenden Wohngebiete im Naheinzugsbereich sowie Daten zur Gebäudestruktur und zur Mobilität. StrukturmerkmaleF wie Alter, Geschlecht, Bildung, Ethnie/Staatszugehörigkeit und Erwerbstätigkeit der Bevölkerung wurden mit Daten zu Wohnverhältnissen und Daten zum Mobilitätsverhalten in Beziehung gesetzt. Darauf aufbauend wurden Entwicklungen in Bezug auf Veränderungsprozesse identifiziert und AkteurInnengruppen undE deren Interessen unter besonderer Berücksichtigung von Nutzungsansprüchen und -druck benannt. Die Daten wurden auf den physischen Raum bezogen analysiert. Dabei wurde überprüft, ob sich charakteristische Merkmale in der demographischen Zusammensetzung und Entwicklung räumlich stärker eingrenzenR lassen (z. B. höhere AkademikerInnenquote und Prozentsatz von Vollerwerbstätigen in einem Gebiet oder schlechter Gebäudezustand und BewohnerInnen mit geringer sozioökonomischer Absicherung). Dadurch konnten AkteurInnen identifiziert werden und in Bezug zum vorhandenen physischen Raum gesetzt werde n.

2.2. Identifizierung räumlicher Strukturen und AkteuerInnen S Um die räumlichen Strukturen und AkteurInnengruppen für die Sozialraumanalyse präziser benennen zu können, führte das Team strukturierte Stadtteilbegehungen (vgl. Krisch 2009) und Interviews mit Schlüsselpersonen (in Anlehnung an das „Experten-Interview“ nach Flick 2004, S.139ff, bzw.T „Institutionenbefragung“ nach Krisch 2009, S.149ff) durch.

Über elf strukturierte Stadtteilbegehungen im Einzugsbereich der Straße, die an unterschiedlichenR Wochentagen und Tageszeiten durchgeführt wurden, wurden baulich-räumliche Voraussetzungen, aktuelle und potentielle AkteurInnengruppen und Organisationen mit Ansprüchen an den öffentlichen Raum, erhoben. Die Begehungen hatten spezifische Schwerpunktsetzungen und bezogen sich sowohlA auf die innere Mariahifer Straße als auch auf das gesamte Untersuchungsgebiet. Dabei wurden drei Beobachtungsperspektiven eingenommen: physisch-räumliche Qualitäten (bauliche Struktur, Freiraumstruktur und -ausstattung), derzeitige AkteurInnengruppen und deren AktivitätenS (unter Berücksichtigung von erkennbaren äußerlichen Merkmalen) und Organisationen und Einrichtungen. Diese Einrichtungen wurden zusätzlich zu den lokalen Stadtteilbegehungen durch Recherche im Bezirksplan, im Internet sowie im Gespräch mit Schlüsselpersonen erhoben. S

Elf leitfadengestützte Interviews mit Schlüsselpersonen zu ihren Erfahrungen und Anliegen im Gebiet wurden durchgeführt, als Einzelinterviews bzw. in einem Fall als Gruppeninterview. Als SchlüsselpersonenE wurden

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A Personen aus den Bereichen Ökonomie, Tourismus, Bezirkspolitik und Planung zu ihrer Einschätzung der Mariahilfer Straße und deren Bedeutung für die Stadt interviewt, sowie professionell mit derR Straße befasste Personen und Gruppen wie Kaufleute, die Gebietsbetreuung, Polizei und soziale Einrichtungen. Dies diente einer Identifizierung und Differenzierung von AkteurInnen(-gruppen), deren Ansprüche an den Raum und eventueller Nutzungsinteressen und -konflikte. I Aufbauend auf die Analyse der quantitativen Daten, der Begehungen und Interviews wurde eine Definition von Teilstücken nach baulich-räumlichen Gegebenheiten, demographischen Strukturen und Versorgung mit Einrichtungen vorgenommen. A

2.3. Erhebungen von Interessen unterschiedlicher AkteurInnen H Die Sozialraumanalyse legte den Schwerpunkt auf Gruppen, die einerseits Relevanz in Bezug auf den öffentlichen Raum und andererseits wenig öffentliche Vertretung ihrer Interessen haben. Die Auswahl erfolgte aufbauend auf die Ergebnisse der Auswertung der quantitativen Daten, der Stadtteilbegehungen,I der Schlüsselpersoneninterviews und in Absprache mit den AuftraggeberInnen. Die Erhebung von Anliegen und Ansprüchen wurde methodisch an die jeweiligen AkteurInnengruppen angepasst. Der Einsatz der Methoden erfolgte unter gendersensiblen sowie diversitätsorientierten Gesichtspunkten. Die erhobenenL Daten wurden handschriftlich festgehalten (tw. mit Protokollvorlagen), nach Inhalten, Zielgruppen und Orten geordnet und im Forschungsteam im Rahmen eines hermeneutischen Analyseprozesses interpretiert. F Erhoben wurden Ansprüche an den öffentlichen Raum: einerseits breit über die Einschätzungen von unterschiedlichen PassantInnen und andererseits zielgruppenspezifisch (Interessen von älteren Menschen, Kindern, marginalisierten Gruppen). Daraus ergaben sich Hinweise auf Konflikte in Bezug aufE die unterschiedlichen Funktionen der Mariahilfer Straße und in Hinblick auf Aufenthalt und Mobilität. Mit PassantInnen wurden 65 Vor-Ort-Gespräche durchgeführt. Bei dieser Methode (angelehnt an „Leitfadeninterviews“, vgl. Flick 2004, S.117ff; sozialräumlicher Zugang vgl. Riege/SchubertR 2002, S.25ff) werden nicht Gruppen aufgesucht, sondern ausgehend von einem konkreten Ort die Qualitäten bzw. Mängel und Konflikte der Mariahilfer Straße erhoben. Es handelt sich dabei um ein qualitatives Verfahren, das ermöglicht hat, dass Interessenslagen stellvertretend für unterschiedliche (potenzielle) AkteurInnengruppen sichtbar werden. Der Gesprächsleitfaden war halbstrukturiert (vgl. Anhang). Aufgrund der kurzen Gesprächsdauer auf der Straße, wurden zentrale Fragen offen gestellt, insbesondere die Frage nach Qualitäten und Problemen in der Einkaufsstraße. Bei den Gesprächen wurde einerseits daraufS geachtet die Interessen der Wohnbevölkerung aus unterschiedlichen angrenzenden Gebieten zu erfassen, andererseits die Interessen von BesucherInnen der Einkaufstraße, die nicht in der Nähe wohnen. Die Gespräche wurden bewusst offen geführt, um lebensweltliche Interessenslagen gesichert erheben zu können.3T Bei der Auswahl der InterviewpartnerInnen wurde auf eine Streuung in Alter, Wohnort, Geschlecht und - soweit beurteilbar - sozioökonomischem Hintergrund geachtet. R Über je eine begleitete Stadtteilbegehung wurden die Interessen von SchülerInnen und älteren und in der Mobilität eingeschränkten Menschen erhoben. Eine weitere begleitete Stadtteilbegehung wurde mit einem A 3 Insgesamt wurden 30 Interviews mit der Wohnbevölkerung (Bezirke 6., 7. und gürtelnahe Bereiche des 15. Bezirkes) geführt. Die Interviewstandorte lagen im 6. und im gürtelnahen, südlichen 15. Bezirk. Das InterviewgebietS wurde gegenüber dem Bearbeitungsgebiet der SRA derart eingeschränkt, dass mit den vorhandenen Zeitkapazitäten möglichst gut alle verschiedenen Bevölkerungsgruppen erreicht werden konnten. Durch die Erfassung des Wohnbezirkes auf den Fragebögen zeigte sich, dass auch die BewohnerInnen des 7. Bezirkes in ihrer Struktur erreicht wurden. 29 Interviews wurden mit Menschen aus dem restlichen Wien und NÖ und neun mit TouristInnen geführt. Die IntervieS wpartnerInnen aus Wien und NÖ waren überwiegend allein unterwegs, TouristInnen durchwegs zu zweit oder in einer kleinen Gruppe. Von den drei NiederösterreicherInnen stammten zwei aus der direkten Umgebung von Wien, WienerInnen wurden aus fast allen Bezirken angetroffen, die TouristInnen stammten aus Holland, Deutschland, England, Frankreich,E Irak/Kurdistan, Brasilien, Mexico, Kanada und Australien.

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A Polizisten durchgeführt, um mögliche Verdrängungsmechanismen von Marginalisierten erheben zu können. Dabei ging es darum, zu klären, ob bestimmte Gruppen (wie z. B. BettlerInnen) die MariahilferR Straße meiden oder verdrängt werden. Über die begleiteten Stadtteilbegehungen (vgl. begleitete Stadtteilbegehungen in Krisch 2009, S. 88ff) wurden spezifische Sichtweisen der Mariahilfer Straße von Kindern, einer älteren Frau und Streifenpolizisten erhoben, die jeweils bei einem von ihnen häufig begangenen Weg aufI der Mariahilfer Straße begleitet wurden. Durch diese Methode können Verhaltensweisen und Einschätzungen thematisiert werden, die von der Zielgruppe im Gespräch nicht angesprochen werden, weil sie nicht bewusst wahrgenommen werden. Der Fokus der dabei geführten Gespräche war das Interesse an alltagsweltlichenA Herausforderungen in den Zielgruppen.

Um mehr über Ansprüche von Punks zu erfahren, wurden lebensweltliche GruppengesprächeH ( vgl. „Gruppendiskussion“ bei Flick 2004, S. 170; sozialräumlicher Zugang vgl. Riege/Schubert 2002, S. 25ff) zu den alltagsweltlichen Interessen mit Punks geführt. Gefragt wurde nach Qualitäten, Problemen und Konflikten in Bezug auf die Mariahilfer Straße, um dann nach Ansprüchen in Bezug auf den IRaum und die Alltagswelt zu fragen.

Mit der Leiterin der Gruft wurde ein milieu-fokussierendes ExpertInnengespräch (vgl. ExpertInneniL nterviews bei Flick 2004, S. 139ff, bzw. Institutionenbefragung bei Krisch 2009, S. 149ff) geführt, um die Interessen von Wohnungslosen an die Mariahilfer Straße detaillierter benennen zu können. Gefragt wurde, wo sich Wohnungslose aufhalten sowie nach den Qualitäten und Problemen im Bezug auf die StraßeF, unt er Verwendung eines Leitfadens. E 2.4. Analyse Die unterschiedlichen Erhebungen wurden in einem hermeneutischen Diskussionsprozess zusammengeführt und ausgewertet. Dabei wurde Wert darauf gelegt, die vorhandenen sozialräumlichen QualitätenR zu benennen und mögliche Entwicklungsperspektiven und Handlungslinien von Planung und Politik zu umreißen. Die Auswertung erfolgte nach Zielgruppen und Teilräumen. Dabei wurden mehrere Analyseebenen unterschieden:

- Identifizierung bestehender und potenzieller AkteurInneninteressen - Aufzeigen der Rahmenbedingungen für verschiedene Mobilitätsarten und AnsprücheS unterschiedlicher Gruppen, Identifizierung von Konfliktfeldern zwischen unterschiedlichen Verkehrsarten - Untersuchung bestehender und potenzieller Aufenthaltsqualitäten im öffentlichen TRaum in und um die innere Mariahilfer Straße - Aufzeigen von Wechselwirkungen kommerzieller Interessen, touristischer Interessen und nahraumübergreifender und nahraumbezogener BewohnerInneninteressen R - Zuordnung der Interessen zum territorialen Raum – Identifizierung von Teilräumen - Aufzeigen von baulich-räumlichen Potentialen und Handlungspotentialen A 2.5. Darstellung der Ergebnisse für das Dialog- und PlanungsverfahrenS Die Zwischenergebnisse wurden laufend in Kernteamsitzungen zur Planung der inneren Mariahilfer Straße zur Diskussion gestellt und mit den Zwischenergebnissen der anderen Teams in Bezug gesetzt. Aufbauend auf die Erkenntnisse der Sozialraumanalyse wurden Empfehlungen für weitere Schritte formuliert,S für die Planung der inneren Mariahilfer Straße und den Dialogprozess. E

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A 3. Analyse quantitativer Daten zur inneren MariahilferR Straße

Das vorliegende Kapitel dient als Annäherung an das Projektgebiet auf Grundlage einer Analyse sehr heterogenen Datenmaterials: Für Aussagen zur baulichen Situation standen Flächenwidmungspläne,I Pläne zu Eigentumsverhältnissen, Flächen- und Gebäudenutzung, Gebäudezustand und Daten zur Wohnungsqualität der Magistratsabteilungen 21A und 18 zur Verfügung. Um die sozialen Charakteristika für das Gebiet herauszuarbeiten standen Statistiken der GroßzählungA 2001, Daten aus der aktuellen Bevölkerungsevidenz, die „Historische Sozialraumanalyse für das Wiener Stadtgebiet II“ (Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.) 2005) und die „Kleinräumige Bevölkerungsprognose für Wien 2005 bis 2035“ (Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.) 2007) zur Verfügung; ergänzt durchH bereits stark synthetisierte Karten zu den demographischen, ökonomischen und ethnischen Verhältnissen, die dem Werkstattbericht 104 „Soziale Veränderungsprozesse im Stadtraum“ (Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.) 2010) entnommen wurden. I

3.1. Bauliche Gebietscharakteristik L Das Projektgebiet umfasst Teile der Bezirke , , und Rudolfsheim-Fünfhaus, die sich von ihrer historischen Entwicklung deutlich unterscheiden: F Die zum Projektgebiet gehörenden Teile des 1. Bezirkes zeigen die gründerzeitlich geprägte Verbauung des ehemaligen Glacies (sog. Antemuralbebauung; (Stadtentwicklung Wien – MA 18 2005: S.14). Und während die Teile des 6. und 7. Bezirks stark gründerzeitlich überformte barocke Vorstädte/Vororte desE Kleinhandwerks und Weinbaus innerhalb des ehemaligen Linienwalls (heutiger Gürtel) darstellten (Laimgrube, Magdalenengrund, Windmühle, Mariahilf, Gumpendorf, Spittelberg), entstand der projektgebietszugehörige Bereich des 15. Bezirks als Teil eines „äußeren Wachstumsringes“R mit Arbeiterkleinwohnungen in der Gründerzeit neu (vgl. Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.) 2005).

Die größtenteils also gründerzeitlichen Gebäude des Projektgebietes weisen insgesamt eine gute Bausubstanz auf. Lediglich weniger als ein Drittel der Gebäude befinden sich in einem mittleren Zustand, vereinzelt stehen einige wenige in schlechtem Zustand. In den Blöcken begrenzt durch Mariahilfer Straße, Seidengasse, Neubaugürtel und Schottenfeldgasse und um die Luftbad- und Stiegengasse ist der Anteil derS Häuser in mittlerem bzw. schlechtem Zustand etwas höher. Weite Teile des Gebietes wiesen 2001 70 bis über 85% Wohnungen der Kategorie A auf, dagegen lediglich unter 7,4% Wohnungen der Kategorie D. Es gibt jedoch Ausnahmen: Dazu gehören der BlockT begrenzt durch Kopernikusgasse, Gumpendorferstraße und Kaunitzgasse mit über 15% Wohnungen der Kategorie D, gleiches gilt für den Baublock zwischen Zoller-, Mondschein-, Neubau- und Hermanngasse sowie für den Block zwischen Stollgasse, Schottenfeldgasse, Kaiserstraße und entlang des Gürtels. R

Die Eigentumsverhältnisse sind sehr heterogen. In Ringnähe liegt ein deutlicher Schwerpunkt von Gebäuden im Besitz der Republik Österreich, entlang der Mariahilfer Straße ein Schwerpunkt bei juristischenA Personen als Eigentümer. Die Stadt Wien besitzt Grundstücke im gesamten Gebiet (verschiedene öffentliche Einrichtungen, Parkanlagen und Gebäude/Schwerpunkt am Spittelberg), jedoch keine, die direkt an die Mariahilfer Straße angrenzen. Der Großteil der Gebäude liegt in privater Hand. S

Die Erdgeschoßzonen von Gebäuden werden an der Mariahilfer Straße durchgehend durch Handels- und Dienstleistungsbetriebe genutzt. Dies setzt sich auch in den unmittelbar angrenzenden StraßenzügenS fort, vor allem im 7. Bezirk (Stiftgasse, Kirchengasse, Neubaugasse, Zieglergasse, Kaiserstraße/Ostseite). Im 6. Bezirk erscheint die Erdgeschoßnutzung etwas reduzierter. Lediglich vereinzelt gibt es Leerstände von Erdgeschoßlokalen, vor allem abseits der Mariahilfer Straße und der größeren Seitengassen.E Die Daten

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A zeigen, dass sich die historisch bedeutende Nutzung der Erdgeschoßzonen für Handel, Dienstleistung aber auch durch Handwerk und Kleingewerbe (Schuster, Schneider, Installateur,…) bis heute fortsetzt.R

Im 7. Bezirk ist die Gebäudenutzung an der Mariahilfer Straße dem übrigen Projektgebiet sehr ähnlich, d.h. die Gebäude weisen eine relativ starke Nutzung durch Dienstleistung und Handel auf. Im 6. IBezirk (Daten nicht ganz flächendeckend vorhanden) ist die Differenzierung in der Gebäudenutzung zwischen Häusern an der Mariahilfer Straße und den hinteren Reihen stärker als im 7. Bezirk: die Gebäude an der Mariahilfer Straße weisen deutlich weniger Wohnnutzung auf, als die Blöcke dahinter, da mehrgeschoßigeA Kaufhäuser und Büronutzungen dominieren. Dies verdeutlicht auch die geringere Einwohnerdichte (2001) an der Mariahilfer Straße. H 3.2. Soziodemographische Charakteristik Das Untersuchungsgebiet entspricht soziodemographisch gesehen weitgehend dem WienerI Durchschnitt. Weiters gibt es im Projektgebiet keinen deutlich ausgeprägten Bruch zwischen den unterschiedlichen Bezirken (z. B. entlang des Gürtels). Die Bevölkerungsentwicklung wies 2001 – 2005 im gesamten Gebiet eine steigende TendenzL auf – eine Trendumkehr im Vergleich zur Periode 1997 – 2000. In den innenstadtnahen Bereichen und an der Mariahilfer Straße zeigte sich eine weniger starke Zunahme als im übrigen Projektgebiet. Inselhaft gibt es einzelne Baublocks mit leichter Abnahme der Bevölkerung. F

Der Frauenanteil im Projektgebiet (2011) liegt in weiten Teilen etwas über 50%, in Gebäudeblocks mit Einrichtungen für ältere Menschen wächst der Wert über 59%. Blocks mit hoher ArbeitslosigkeitE wie z.B. derjenige begrenzt durch Kaunitz- und Kopernikusgasse weisen einen etwas geringeren Frauenanteil auf. In dem im 15. Bezirk untersuchten Bereich liegt der Frauenanteil um bzw. unter 50%; der Gürtel kann bezogen auf das Untersuchungsgebiet besonders auf Höhe des 7. Bezirkes als Trennung zwischen BereicheR n gesehen werden, die, östlich einen tendenziell über 50%, westlich einen unter 50% liegenden Frauenanteil aufweisen.

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E Frauenanteil in den Bezirken 1, 6, 7 und 15 (Stand April 2011; ohne Maßstab!)

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A Bezüglich der Alterststruktur (2001-2005) fällt auf, dass die Altersgruppe der 0-15-jährigen unterdurchschnittlich vertreten ist, jedoch eine leicht zunehmende Tendenz aufweist. Der RAnteil der älteren Menschen (60+) steigt von einem niedrigen bis mittleren Ausgangsniveau bei durchschnittlichem Wachstum leicht an. Am Spittelberg und an der Liniengasse gibt es einzelne Baublocks mit überdurchschnittlicher Zunahme älterer Menschen, ebenso weisen einzelne Baublöcke viele Hochbetagte auf, was Iauf Einrichtungen für ältere Menschen zurückzuführen ist. Die Gebiete um den Esterhazypark und am Spittelberg sind bezüglich ihrer demographischen Zusammensetzung deutlich heterogener als die übrigen: Baublocks mit höherem Anteil älterer Menschen und kl. Haushalten liegen unmittelbar neben solchen mit jugendlicheAn /mittelgroßen Haushalten und durchschnittlichen Haushalten. Sowohl bei Kindern und Jungendlichen als auch bei den Personen 60+ gibt es eine leicht steigende Tendenz zu verzeichnen, was auch durch die kleinräumigen Prognosen der beiden Bezirke 6 und 7 bis 2020 bestätigt wird (vgl. Stadtentwicklung Wien H– MA 18 (Hrsg.) 2007). 3.3. Sozioökonomische Charakteristik I Der Anteil gut gebildeter Menschen liegt in den Bezirken 6 und 7 mit über 13% AkademikerInnen bzw. über 35% MaturantInnen jenseits des Durchschnitts in Wien, es stellt ein „vorwiegendes Mittelschichtquartier“ dar (Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.) 2005: S. 35). Als Folge liegt in weiten Teilen des ProjektgebietesL die Arbeitslosigkeit unter dem Wiener Durchschnitt. Grundsätzlich steigt im Projektgebiet der Anteil der BewohnerInnen mit guter Bildung und im Vollerwerb vom 15. Bezirk in Richtung Innenstadt an. Ein kleinräumiger Wechsel zwischen BewohnerInnen hohen und geringeren Bildungsgrads ist uFm den Esterhazypark festzustellen. Auch insgesamt zeigt sich eine hohe Heterogenität in Bezug auf Bildungsniveau und Erwerbsarbeit bzw. Arbeitslosigkeit, die baublockweise sehr kleinräumig wechseln kann. Neben Blocks mit BewohnerInnenE mit geringer Bildung, vielen ArbeiterInnen und Arbeitslosen liegen Blocks mit geringer Arbeitslosigkeit und gut gebildeten BewohnerInnen. In ersteren ist eher noch ein höherer Anteil mit Wohnungen der Kategorie D zu finden. In Gürtelnähe sind die Daten des 15. Bezirks den Daten aus den Bezirken 6 und 7 ähnlicheR r als dem übrigen 15. Bezirk.

3.4. Sozioethnische Charakteristik Im westlichen Teil des Untersuchungsgebietes dominieren ÖsterreicherInnen, es gibt eine leichte internationale Prägung. Der östliche Teil in Innenstadtnähe ist ethnisch sehr gemischt und Sum den Esterhazypark heterogener als im übrigen Gebiet. Bei steigender Tendenz der Bevölkerung werden StaatsbürgerInnen anderer Länder (Ex-Jugoslawien, Türkei, Ungarn, Slowenien, Schweiz) weniger. Im 6. Bezirk ist die Situation etwas dynamischer als im 7. Bezirk. Es erfolgt eine inselhafte Zunahme vonT türkische n StaatsbürgerInnen, gleichzeitig gibt es eine inselhafte Abnahme „anderer AusländerInnen“ sowie zwischen 2001 und 2005 eine inselhafte Zunahme der StaatbürgerInnen aus östlichen Nachbarländern.R Der Bereich im 15. Bezirk nördlich des Westbahnhofes verzeichnet eine leichte Zunahme an türkischen StaatsbürgerInnen. Im 7. Bezirk entlang des Gürtels ähnelt die Situation dem 15. Bezirk gesamt – es ist eine leichte türkische und ex-jugoslawische Prägung zu erkennen. Die zum Projektgebiet gehörigen gürtelnahen BereicheA des 15. Bezirks sind in ihrer Charakteristik dem 6. bzw. 7. Bezirk ähnlicher als dem übrigen 15. Bezirk. Insgesamt gesehen steigt im Gebiet um die innere Mariahilfer Straße der Anteil der ÖsterreicherInnen. S S E

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A 3.5 Zusammenfassung R Die analysierten Teile der vier Bezirke zeichnen sich insgesamt durch eine gut gebildete Bevölkerung in gut erhaltenen gründerzeitlich geprägten Stadtteilen aus, ohne großräumige Vernachlässigung in Bezug auf die bauliche Substanz. Unterschiede in den einzelnen behandelten Aspekten treten kleinräumigI (baublockweise) auf, ergeben jedoch keine deutlichen, räumlich sichtbaren Korrelationen. Baulich und sozialräumlich handelt es sich um Gebiete hoher städtischer Dichte, die sich durch ein zumindest leichtes Wachstum der jungen (0-15) und alten (60+) Bevölkerungsgruppen in den nächstenA Jahren noch erhöhen und einen entsprechenden Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum zur Folge haben könnte. H I L F E R

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A 4. Baulich-räumliche Aspekte R

Die Analyse aktueller (u.a. Baualter-, Flächennutzungs-, Stadtplan, etc.) und historischer Karten (u.a. www.wien.gv.at/kulturportal/public/) sowie gezielte Begehungen der inneren Mariahilfer StraßeI und deren Umgebung ermöglichen es, die Straße baulich-räumlich zu charakterisieren.

Die innere Mariahilfer Straße verbindet als die mit Abstand wichtigste Wiener EinkaufsstraßeA (vgl. Stöferle 2011) die Innenstadt mit dem Westbahnhof. Sie ist geprägt durch 4-5 geschoßige Blockrandbebauung aus der Gründerzeit, mit einigen wenigen älteren Gebäuden im Bereich der Barnabitengasse, die etwas weiter in den Straßenquerschnitt hineinreichen. Im 20. und 21. Jahrhundert wurden immer wieder einzelneH Gebäude neu errichtet, in Ergänzung des gründerzeitlichen Rasters (z.B. Stafa, Generali Center, Thalia). Richtung Innenstadt liegen die großen Gebäudekomplexe im Besitz der Republik Österreich (Museumsquartier, Stiftskaserne), stadtauswärts der Westbahnhof im Eigentum der ÖBB. Die Mariahilfer Straße liegt als derenI Verbindungsstraße zwischen mehreren älteren Siedlungskernen (ehemalige Vorstädte: Laimgrube, Magdalenengrund, Windmühle, Mariahilf, Gumpendorf, Spittelberg), das gesamte umgebende Stadtgebiet wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts sehr dicht bebaut. Die umgebenden gründerzeitlichenL Stadtteile – nicht jedoch die Innenstadt – haben einen ausgeprägten Mangel an öffentlichen Freiräumen. Dadurch hat die Geschäftsstraße auch eine Bedeutung als wohnungsnaher Freiraum. Ihr heutiges Erscheinungsbild und ihre Verkehrsorganisation erhielt die Straße im Rahmen einer Neugestaltung im Zuge des U-BahnbausF in den 1990er Jahren.

Räumlich lassen sich verschiedene Abschnitte der Mariahilfer Straße unterscheiden: E Die Entrees vom Ring und Gürtel kommend haben einen aufgeweiteten Straßenquerschnitt und keine durchgängige Allee. Von der Mariahilfer Straße kommend ermöglichen sie den Blick zum Gürtel und Richtung 1. Bezirk, zu den Gebäuden des Kunsthistorischen Museums bzw. zum Westbahnhof und derR Ki rche Maria vom Siege. Vor allem stadtauswärts tritt die Fortführung des Straßenverlaufes optisch zurück. Bei beiden Entrees gibt es jeweils einseitig verkehrsberuhigte Platzbereiche. Der Platz vor dem Museumsquartier grenzt mit einer Schmalseite an die Mariahilfer Straße. Dieser Bereich wirkt leer und undefiniert, provisorisch (z.B. Cartoon-Ausstellung mit Bauzaun, Ausstellung mit kaputten Tafeln). Manchmal spielt ein Straßenmusikant auf dem dafür ausgewiesenen Ort. Der Platz ist offen zur „2-er Linie“, der Autoverkehr ist sehr laut und der Museumsplatz bietet zur Mariahilfer Straße hinS keine Aufenthaltsqualität. Der Christian Broda Platz hingegen ist wie ein eigener Raum mit anderen Dimensionen undT speziellen Angeboten zum Treffen, Verweilen und wegbegleitendem Spielen, am Rande der Geschäftsstraße und als „Vorplatz“ des Westbahnhofes. Die Straßenseiten beider Entrees wirken durch die große Breite, den Autoverkehr und auch durch die Möblierung wie zwei getrennte Räume, nicht wie einladendeR Torsituationen zur Geschäftsstraße. A S S E

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I Entree-Situation der inneren Mariahilfer Straße am Westbahnhof L F E R

Entree-Situation der inneren Mariahilfer Straße beim Museumsquartier S

Die innere Mariahilfer Straße hat zwischen Otto Bauer Gasse und Stiftgasse ihre Mitte. Der Straßenquerschnitt ist etwas enger und Bereiche mit Allee und ohne Bäume (bei U-Bahnstationen,T vor historischen Gebäuden und alten großen Kaufhäusern) wechseln ab. Hier ist das Zentrum mit der größten Dichte an Menschen und Fahrzeugen. Die „PassantInnenbefragung 2008“ (WKW 2010) weist mit den Zählstellen bei Andreas- und Stiftgasse, die in diesem Abschnitt liegen, eine gemittelte PassantInnenfrequenzR von über 40.000 (donnerstags) bzw. 60.000 (samstags) Personen aus. Bei einer Analyse der „Effektiven Nutzfläche für den FußgängerInnenverkehr im öffentlichen Raum“ (Roth 2010) wurden wochentags an Zählstellen in der genannten Mitte stündlich bis zu 3700 Personen registriert. Weiters ist dieserA Bereich durch eine große Vielfalt an kleinen und großen Geschäften unterschiedlicher Branchen, mit einem Schwerpunkt bei Bekleidung und Schuhen charakterisiert. Es gibt viele Engstellen im Gehbereich, wie beispielsweise beim U-Bahneingang Neubaugasse oder vor dem Hotel auf Höhe Nr. 73. Die Mitte der MariahilferS Straße verfügt über zwei Plätze: den Bundesländerplatz bei der Einmündung Amerlingstraße bzw. Neubaugasse und den Platz vor der Mariahilfer Kirche Höhe Barnabitengasse. Der Bundesländerplatz ist durch Fassadenrücksprünge im 6. Bezirk angelegt, heute jedoch wirkt er wie eine große Kreuzung mit mittigen FahrbahnenS und breiteren Eckgehsteigen. Er ist sehr belebt, viele Menschen sind unterwegs, zu Fuß, mit Fahrrädern, Autos, Bussen. Mit seinen vielen Haltestellen, dem öffentlichen WC und einem Platz für Straßenkunst bietet der Platz ein öffentliches Infrastrukturangebot, als Ergänzung des kommerziellen Angebotes, der straßenseitigenE

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A Geschäfte, des Generali-Centers und der Neubaugasse. Der Kirchenplatz wird durch die zurückversetze Lage der Kirche und der sie umgebenden Gebäude gebildet. Er ist mit Ausnahme des kleinen MarktesR direkt an der Mariahilfer Straße wenig belebt und in seinen Erdgeschoßzonen gibt es kaum Geschäfte. Das räumliche Potential der beiden Plätze als Verweilort ist derzeit nicht ausgenutzt. I A H I L

Hohe FußgängerInnenfrequenz und Engstellen auf den Gehsteigen F E R

S

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Bundesländerplatz (links) und Platz vor der Mariahilfer Kirche (rechts) R Entrees und Mitte werden durch die Straßenabschnitte Stumpergasse/Otto Bauer Gasse und Stiftgasse/Museumsquartier verbunden. Die beiden Abschnitte wirken ruhiger: Der erste durch eine größere Straßenbreite, die breiten Gehsteige bieten ausreichend Platz zum Gehen und für Schanigärten.A Der Zweite Abschnitt hat keine U-Bahnaufgänge im Gehsteigbereich und eine deutlich geringere Anzahl an PassantInnen. Die bereits weiter oben genannte Erhebung der effektiven Nutzfläche (Roth 2010) weist an einer Zählstelle in diesem Bereich eine PassantInnenfrequenz von max. 1750 Personen pro Stunde aus. DurchS die geringere Frequenz wirkt dieser Abschnitt nicht so eng. Bei beiden Straßenabschnitten bilden die Bäume ein lichtes Blätterdach, das die beiden Straßenseiten verbindet. Nur vereinzelt gibt es Engstellen. Der Abschnitt Stumpergasse/Otto Bauer Gasse hat eine hohe BesucherInnenfrequenz und ist für die WohnbevölkerungS wichtig für die Nahversorgung. Im Abschnitt Stiftgasse/Museumsquartier ändert sich die Branchenzusammensetzung schrittweise in Richtung gehobener Ansprüche und teurer Produkte (Einrichtungshäuser, Alternativgeschäfte, kleine Markenflagshipstores, schickere Cafes), dieE PassantInnen

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A werden geringer. Räumlich beginnt die Mariahilfer Straße etwas in Richtung Innenstadt zu fallen und krümmt sich, man sieht dadurch weniger weit. Die kleine platzartige Aufweitung bei der Kreuzung WiRndmühlgasse bietet Aufenthaltsqualität durch Sitzmöglichkeiten und Bäume. I A H I

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Ruhigere Abschnitte Höhe Otto Bauer Gasse (links) und Stiftgasse (rechts) F Der öffentliche Straßenraum der Mariahilfer Straße wird durch öffentlich zugängliche Freiräume auf Privatgrundstücken ergänzt. Dazu gehören Passagen (Raimundhof und Schulhof) und Straßenhöfe (Nr. 47, Nr.88A). Zusätzlich gibt es allgemein zugängliche Innenräume der Kaufhäuser. Alle diese RäumeE funktionieren gut als Durchgangs- und Zugangsbereiche, vor allem für potentielle KundInnen. Nur in wenigen Ausnahmenfällen (Generali-Center) bieten sie breitere nicht kommerzielle Verweilangebote. Mehrere Seitengassen sind wichtige Erweiterungsräume der Mariahilfer Straße, mit zusätzlichenR kommerziellen Angeboten im Handel und Gastronomie u. a. Neubaugasse, Stiftgasse, Barbabitengasse und Otto Bauer Gasse.

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S Straßenhof Mariahilfer Straße Nr. 47 (links) und erster Innenhof des Raimundhofes (rechts)

Die Straßenbeleuchtung der Mariahilfer Straße ist nicht auf FußgängerInnen ausgerichtet, Ssondern auf die Fahrbahn. Durch die Höhe der Beleuchtungskörper in den Baumkronen wird die Ausleuchtung zusätzlich eingeschränkt. Nachts sind die Schaufenster sehr hell, dadurch sind die Gehsteigbereiche beleuchtet. E

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A Zusammenfassende Überlegungen Besonders aufgrund der strukturierten Stadtteilbegehungen im Rahmen der baulich-räumlichenR Analyse zeigt sich, dass beim nicht motorisierten Verkehr eine große Dichte und Enge besteht. Die Aufenthaltsqualität auf der Straße, sowohl beim Gehen und Fahren als auch beim Verweilen wird dadurch stark beeinträchtigt. Verstärkt wird dieser Mangel an Raum zusätzlich durch das Fehlen eines ausreichenden FreiraumangebotesI in mehreren angrenzenden Quartieren, vor allem in der westlichen Hälfte des Untersuchungsgebietes. Daher werden im nachfolgenden Plan Freiraumpotentiale aufgezeigt, d.h. Bereiche, wo bei einer künftigen Neuorganisation der Straße, Flächen für qualitativ hochwertige Freiraumangebote zu findenA sind . Als Beispiele sind hier in erster Linie die Abschnitte mit breiteren Straßenquerschnitten (Gürtel bis Otto Bauer Gasse), die Plätze (Bundesländerplatz, Platz vor der Mariahilfer Kirche), Straßenhöfe auf Nr. 47 und 88A sowie die Einmündungsbereiche bei Windmühlgasse und Rahlgasse zu nennen. Eine ZurücknahmeH des motorisierten Verkehrs und eine bessere Verbindung mit dem Straßenfreiraum würden ermöglichen, dass der Bundesländerplatz und der Platz bei der Mariahilfer Kirche zu Freiräumen für den Aufenthalt werden. Auch die Straßenhöfe und die Freiräume im Inneren von Baublocks (Stiftskaserne) könnten in derI Zugänglichkeit und in ihren Angeboten wesentlich verbessert werden. Dafür sind allerdings, da es sich um private, bzw. zu öffentlichen Einrichtungen gehörende Freiräume handelt, Einigungsprozesse mit den Grundeigentümern notwendig. Mittels überlegter Gestaltung und Ausstattung (Sitzgelegenheiten, Brunnen, AngeboteL für wegbegleitendes Spiel, Grün,…) könnten in den genannten Bereichen Orte mit guter Aufenthaltsqualität geschaffen werden. F Eine neue Verkehrslösung und Straßengestaltung bietet die Chance die Mariahilfer Straße als attraktiven, urbanen, öffentlichen Raum für Einkaufende, die Wohnbevölkerung, TouristInnen und marginalisierte Gruppen zu gestalten. E Aus Sicht der Sozialraumanalyse könnten folgende Schwerpunkte gesetzt werden:

 einladende „Torsituationen“ und temporäre Angebote zur Belebung der Entrees R  im mittleren Abschnitt Raum für den FußgängerInnenfluss  zurückgesetzte Aufenthaltsbereiche auf Plätzen, in Straßenhöfen und Passagen  sowie mehr Aufenthaltsangebote für die Wohnbevölkerung zwischen Westbahnhof und Otto Bauer Gasse.

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A 5. Zeitliche Rhythmen R

Begehungen und ExpertInneninterviews belegen in Übereinstimmung mit Erhebungen der Wirtschaftskammer (vgl. Wirtschaftskammer Wien, 2010 S114ff) eine hohe BesucherInnenfrequenzI mit tageszeitlich, wöchentlich und saisonal geprägten Schwankungen. Diese betreffen die Anzahl der BesucherInnen und deren Zusammensetzung. A Vormittags Vor 10.00 Uhr ist es sehr ruhig, viele der Geschäfte öffnen erst um diese Zeit. Auf der Straße halten sich Arbeitende auf (z. B. Warenanlieferung, Reinigung vor dem Geschäftslokal), Kleinkinder in HBegleitung von Frauen sind unterwegs (Begleitung beim Einkauf, mit Kindergruppen) und ältere Frauen (und Männer) erledigen ihre täglichen Wege. Um diese Zeit ist ausreichend Platz für alle da. Am Vormittag ist der Anteil von Gruppen größer, die spezielle, nur am Rande kommerzielle Ansprüche an die Mariahilfer StraßeI haben, nämlich ältere Menschen, AnrainerInnen (z. B. mit Hunden) sowie Eltern mit Kindern. Diese Gruppen sind zwar auch später, z. B. am Nachmittag, auf der Straße, müssen sich dann allerdings den Raum mit den anderen AkteurInnengruppen teilen und sind in der Dichte der NutzerInnen weniger sichtbarL. Langsames Spazieren Gehen und Aufenthalten von älteren Menschen, mit Kindern bzw. von AnrainerInnen haben vormittags im Verhältnis zum Nachmittag sehr viel mehr Platz. Am Samstagvormittag ist die Dichte der AkteurInnen vor Ort größer und vergleichbar mit derF an Nachmittagen: Familien kaufen ein, TouristInnen sind unterwegs. Manchmal spielen Kinder oder läuft einE ErwachsenEr in Sportkleidung auf den Gehsteigen. Fallweise finden Kundgebungen oder Demonstrationen statt. E Der Sonntagvormittag ist sehr ruhig. Nur wenige Menschen halten sich auf der Straße auf.

Nachmittags (bis 20.00) R Nachmittags – zu den Öffnungszeiten der Geschäfte, besonders donnerstags bis samstags – sind viele Menschen auf der Straße. Es dominieren vor allem junge Erwachsene und Jugendliche auf der Mariahilfer Straße und prägen das Image der Straße als jung, international und urban. Die Arbeitenden und die Wohnbevölkerung sind da, aber weniger wahrnehmbar in der Menge der Menschen. Die dichteste Zeit ist der spätere Nachmittag und der frühe Abend. Zu dieser Zeit gibt es nur selten freie Sitzgelegenheiten auf öffentlichen Bänken. Ein Innehalten im Gehfluss ist kaum möglich. Die Taktung des VerkehrsS durch Ampeln erzeugt bei den FußgängerInnen an Kreuzungen große Ansammlungen von Menschen, es wird sehr eng beim Warten und danach beim Gehen auf den Gehsteigen. Tagsüber, besonders zu den StoßzeiteTn zwischen 16.00 und 19.00 Uhr, wirkt die Mariahilfer Straße sehr voll, manchmal auch sehr eng und hektisch. Am Sonntagnachmittag haben die Geschäfte geschlossen, es ist ruhig und es gibt ausreichend Platz. Jugendliche, junge Erwachsene, Familien, ältere Frauen und TouristInnen flanieren oder machenR einen Nachmittagsausflug in die Straße (z. B. zum Eisessen)

Abends/Nachts A Vor allem Erwachsene, insbesondere junge Erwachsene treffen sich und sind in kleineren und größeren Gruppen unterwegs. Die Mariahilfer Straße ist – nach Ladenschluss - weniger Ziel als Durchgangsraum. Ältere Frauen ohne Begleitung und Kinder fehlen. Abends nach 22.00 Uhr und nachts wirkt die MariahilferS Straße angenehm belebt bis ruhig. S E

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A Wetterbedingte und jahreszeitliche Unterschiede Auch die Licht- bzw. Temperaturverhältnisse beeinflussen die Nutzung der Mariahilfer Straße:R in Abhängigkeit vom Wetter (Sonne/Schatten) werden die beiden Straßenseiten unterschiedlich stark genutzt. Besonders im Sommer bei hohen Temperaturen wird die schattige Seite jeweils stärker von den FußgängerInnen frequentiert. I

Bei überraschenden Regengüssen bilden überdachte Passagen und Fassadenrücksprünge im Bereich von Geschäften wichtige Unterstellmöglichkeiten, an denen sich PassantInnen sammeln. SobaldA es die Wetterverhältnisse wieder zulassen, lösen sich diese Menschenansammlungen wieder auf.

Im Jahresverlauf sind der Spätwinter und das zeitige Frühjahr ruhigere Perioden. Von Mai bisH Oktober treten verstärkt TouristInnen auf und im November und Dezember ist das Straßenleben vom Weihnachtsgeschäft geprägt. Die Vorweihnachtszeit ist die intensivste und dichteste Zeit mit der größten Frequenz (eine Expertin dazu: „Da ist die Hölle los“). I L F E R

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A 6. Kommerzielle Angebote und öffentliche EinrichtungenR

Nur wenige der Einrichtungen des sozialen und kulturellen Lebens liegen direkt an der Mariahilfer Straße, der Großteil befindet sich in den dahinterliegenden Baublocks. In der Osthälfte Richtung InnenstadtI liegen zahlreiche Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen, viele davon sind überregional interessante Angebote wie das Museumsquartier oder das Hofmobiliendepot. Die Westhälfte ist durch den Westbahnhof geprägt, mehrere Gesundheitseinrichtungen, Wohn- und Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen Asowie zahlreiche, auch stadtweit bedeutende Sozialeinrichtungen und Bibliotheken. In der Mitte des Untersuchungsgebietes von der Andreas- bzw. Zieglergasse bis zur Kirchengasse überlagern sich die beiden Schwerpunkte, darüber hinaus gibt es in der Mitte zahlreiche Angebote für Jugendliche. H Im gesamten Gebiet – und darüber hinaus – gibt es unterschiedlichste Bildungseinrichtungen, Kirchen und Kindergärten, sowie Angebote von RechtsanwältInnen, ÄrzteInnen, ArchitektenInnen und dem Bereich der Kreativwirtschaft. I L F E R

S T R A

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Werden diese Einrichtungen und Angebote mit den kommerziellen Angeboten der Geschäftsstraße sowie dem Angebot des öffentlichen Verkehrs überlagert, wird deutlich, dass die Straße und ihreS Umgeb ung eine große Dichte an Einrichtungen und Angeboten bietet, mit einem Schwerpunkt im mittleren Teil zwischen Webgasse und Stiftgasse und einem zweiten, kleineren vor allem durch den Verkehr geprägten Schwerpunkt um den Westbahnhof. E

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A 7. AkteurInnen und ihre Ansprüche R Aufgrund der Erhebungen lassen sich verschiedene AkteurInnen im Sozialraum der Mariahilfer Straße unterscheiden, in Bezug auf den Wohn- und Arbeitsort, die sozioökonomische Situation, das Alter, Geschlecht oder die Verkehrsmittelwahl. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass der/die Einzelne gleichzeitigI oder zu verschiedenen Zeitpunkten Teil unterschiedlicher Gruppen von AkteurInnen sein kann, mit jeweils spezifischen Ansprüchen. A

7.1. Lokale Bevölkerung Von den Menschen, die in der unmittelbaren Umgebung wohnen, kommen viele täglich zurH Mariahilfer Straße, manche je nach Alltagswegen auch nur ein bis drei Mal pro Woche. Die Wohnbevölkerung besteht wiederum aus mehreren Gruppen: junge gut gebildete Familien mit Kindern, StudentInnen Iund JungakademikerInnen ohne Kinder, ältere AkademikerInnen, ältere Menschen und sozioökonomisch schwächere Bevölkerung mit erhöhten Ansprüchen an den öffentlichen Raum (v. a. aus dem 15. Bezirk, aber auch aus Teilen des 6. Bezirkes). Das bedeutet, dass einerseits sehr gut gebildete, mobile MenschenL hier leben, diese Menschen halten sich in ihrer direkten Wohnumgebung auf, wenn das Angebot für sie passt. Andererseits binden Kinder, Alter und Armut an die nähere Wohnumgebung, für diese Menschen hat die Mariahilfer Straße als alltäglicher Lebensraum zentrale Bedeutung. F

Als wichtigster Anlass die Mariahilfer Straße aufzusuchen wurden das Einkaufen im Allgemeinen genannt, bei der Wohnbevölkerung kommt das Einkaufen für den täglichen Bedarf dazu. Weitere AnlässeE sind das Spazierengehen, besonders häufig wird es von älteren Menschen genannt. Jugendliche treffen hier FreundInnen. Mehrmals wurden etwas trinken Gehen und Arztbesuche als Anlässe genannt. In manchen Fällen wird die Mariahilfer Straße aber lediglich regelmäßig gequert, z.B. wenn dies im RahmenR der täglichen Wege notwendig ist. Für Kinder ist die Mariahilfer Straße v. a. Durchgangsraum (auf dem Weg zur/von Schule und Hort), selten aber längerer Aufenthaltsort, da sie kaum Angebote und Platz für Spiel und Aufenthalt vorfinden. Zu den Personen(-gruppen), die seltener zum Einkaufen in die innere Mariahilfer Straße gehen, zählen vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund, die auch gern die Lugner City dafür aufsuchen. Für viele im untersuchten Bereich des 15. Bez. ist sicherlich die äußere Mariahilfer Straße die zentrale Einkaufsstraße,S aber auch um Eis zu essen o. ä. Für Jugendliche aus ärmeren Familien oder mit Migrationshintergrund aus dem 6. Bezirk ist die Mariahilfer Straße weniger interessant, sie treffen einander eher in den Parkanlagen im Grätzl. T Für die Wohnbevölkerung ist die gute Erreichbarkeit des vielfältigen Einkaufsangebotes und die Belebtheit der Straße ein noch größerer Vorteil als für die anderen BesucherInnen. Sie schätzen besonders die Sauberkeit der Straße. R Für andere Teile der Wohnbevölkerung wiederum stellt die Mariahilfer Straße einen „exterritorialen Raum“ dar. Aufgrund der gesamtstädtischen Bedeutung der Straße, der hohen Anonymität, aber auch der Unüberschaubarkeit in Bezug auf die AkteurInnen, erleben Teile der Wohnbevölkerung einenA starken Bruch zwischen Wohngebiet und Einkaufsstraße. Diese Dichte und Unüberschaubarkeit, sowie die Dichte des Autoverkehrs werden abgelehnt, weil sie auch Stress verursachen. Andererseits besteht auch das Bedürfnis nach einem Rückzugs- und Ruheraum im Wohngebiet. S Die Meisten kommen zu Fuß auf die Mariahilfer Straße, fallweise zusätzlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Rad oder dem Auto.4 S 4 Besonders BewohnerInnen in Innenstadtnähe verfügen über ein eigenes Auto (1. und 7. Bezirk: 442 KFZ/1000EW), die BewohnerInnen des 15. Bezirkes haben deutlich seltener ein eigenes Fahrzeug (0-271 KFZ/1000EW), in den übrigen Bereichen liegen die Werte dazwischen. Diese Tatsache steht vermutlich im Zusammenhang mit demE verfügbaren Haushaltseinkommen (vgl. Karte: Private PKW pro 1000 EW, KFZ-Statistik 2010).

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A

Zur lokalen Bevölkerung zählen nicht nur die Wohnbevölkerung, sondern auch die hier ErwerbRstätigen und die Geschäftsleute, die täglich in die Mariahilfer Straße kommen. Erwerbstätige sind vor allem in der Früh und am Abend unterwegs auf der Straße, fallweise kaufen sie am Weg etwas ein. RaucherInnen nutzen öfters die Eingangsbereiche als Raucherzonen und manche kommen in der Mittagspause zur Straße, umI in einem der Gastronomiebetriebe zu essen oder kurz draußen zu sitzen (z. B. am Christian Broda Platz). Zu den Ansprüchen der Geschäftsleute, die nicht Schwerpunkt der Sozialraumanalyse waren, gibt die Studie von Stöferle (2011) detailliert Auskunft. Aus sozialräumlicher Perspektive ist es wichtig bei dieserA Gruppe zu differenzieren: zwischen den Ansprüchen von Wirtschaftstreibenden mit kleineren Geschäften oder Gastronomiebetrieben und starker lokaler Verankerung und solchen, die in Filialen von großen Unternehmen angestellt sind. H

Die lokale Bevölkerung hat eine Vielfalt nicht kommerzieller Ansprüche an die Mariahilfer Straße, die jedoch nicht notwendigerweise im Widerspruch zu guten kommerziellen Angeboten stehen müssen,I wenn mehr Platz für FußgängerInnen und RadfahrerInnen sowie bessere Aufenthaltsangebote geschaffen werden. L 7.2. BesucherInnen aus anderen Wiener Bezirken und dem NÖ Umland Menschen aus nicht direkt angrenzenden Teilen Wiens und Niederösterreich besuchen die Mariahilfer Straße und ihre nähere Umgebung zum Einkauf 2 Mal pro Woche bis zu 1 Mal pro Jahr. Einige gehenF auch zu Ärzten hierher. Manche, insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene kommen um FreundInnen zu treffen und zu flanieren, vor allem am späteren Nachmittag und Abend, am Donnerstag, Freitag und Samstag. Entsprechend ihrer Bekanntheit und Bedeutung wird die Mariahilfer Straße von Personen ausE ganz Wien als auch von Personen aus dem Wiener Umland aber auch von AnrainerInnen (ev. etwas weniger) aufgesucht. FlaneurInnen verwenden zu Fuß oder mit dem Auto die Mariahilfer Straße als „Bühne“. Sie sind ein wichtiger Teil des gemischten Publikums der Mariahilfer Straße. R Viele BesucherInnen schätzen die Sitzgelegenheiten als positiven Aspekt der Straße, auch wenn es davon zu wenige gibt. Hauptkritikpunkt ist der Autoverkehr, gefolgt von der Kritik an der zu hohen FußgängerInnendichte. Die BesucherInnen aus Wien und seiner Umgebung fahren großteils mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Mariahilfer Straße, mehrere auch mit dem Rad, nur wenige geben an auch mit dem PKW zur Mariahilfer Straße zu kommen.5 S

7.3. TouristInnen T Die „klassische“ Kombination in Wien für TouristInnen ist Essen, Trinken und Sightseeing. Bezogen auf diese Gruppe ist die Mariahilfer Straße als ergänzendes Shoppingziel wichtig. Manche nutzen dieR Straße auch, weil sie in einem Hotel, einer Pension oder Jugendherberge in der näheren Umgebung wohnen. TouristInnen zeigten sich sehr zufrieden mit der Straße. Positiv werden die Geschäfte gesehen, die Fußgängerbereiche und die Bäume. Wenn Kritik geübt wird, dann am Autoverkehr. A

7.4. Marginalisierte Gruppen S Marginalisierte Gruppen wie Wohnungslose, BettlerInnen und Sexarbeiterinnen befinden sich vermehrt rund um den Westbahnhof. Wohnungslose und Menschen mit viel Tagesfreizeit halten sich immer wieder am Christian-Boda-Platz und im Esterhazypark auf, manche gehen für einige Zeit in die MariahilferS Straße zum

5 Es wurden in der Sozialraumanalyse nicht schwerpunktmäßig AutofahrerInnen auf der Straße befragt. Die Verkehrszählungen weisen jedoch darauf hin, dass der MIV nur einen geringen Anteil am GesamtverkehrsaufkommE en hat (vgl. arealConsult Ziviltechnikergesellschaft m. b. H. 2011)

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A Betteln oder zur Gruft. Auf der Mariahilfer Straße werden sie von der Polizei weggewiesen. Die Einkaufsstraße hat für viele von ihnen Bedeutung als Ort wo sie ihre „KundInnen“ vorfinden. Dies gilt in ähnlicherR Weise für die Gruppe der Punks, für die die Einkaufsstraße aber auch ein wichtiger gesamtstädtischer Treffpunkt und Bühne ist. Grundsätzlich treten Marginalisierte derzeit nicht in großer Anzahl auf (vgl. detaillierter Kapitel 9). I 7.5. Kinder Einkaufend sind vormittags viele Kleinkinder mit Frauen unterwegs, samstags besonders vieleA Familien mit Kindern unterschiedlichen Alters. Häufig sind Kinder mit Fahrzeugen zu sehen: Kinderwägen, Scootern, Skatebords, Rollerblades, Fahrrädern. Zu den Einkaufenden kommen die Mädchen und Buben, die in der Umgebung leben und die Kindergärten, Schulen und Betreuungseinrichtungen besuchen. KinderH sind häufig in Begleitung auf der Mariahilfer Straße: Sie begleiten Erwachsene beim Einkauf oder Erwachsene begleiten sie auf ihren täglichen Wegen. Fallweise sind auch Kinder im Volksschulalter, die in der näheren Umgebung leben, allein unterwegs. Am Wochenende machen Familien aus den umgebenden Bezirken Imanchmal mit ihren Kindern einen Ausflug auf die Innere Mariahilfer Straße z.B. um Eis zu essen. Das Haus des Meeres und die Parks sind ebenso Anziehungspunkte für Familien. Für alle Mädchen und Buben gibt es wenig Spiel- und Bewegungsraum in den wenigen ParkanlagenL der Umgebung und auf der Straße, sei es für ein kurzes wegbegleitendes Spiel zwischen Einkäufen, am Heimweg oder für ein längeres Spielen am späteren Nachmittag. Die wenigen Parkanlagen im Untersuchungsgebiet werden sehr intensiv bespielt. Auf der Mariahilfer Straße bietet vor allem der Christian BrodaF Platz die Möglichkeit für Spiel und Aufenthalt von Kindern, er liegt jedoch am Rande der Einkaufsstraße. Die wenigen privaten Indoor-Spielbereiche für KundInnen in Kaufhäusern sind sehr klein und bieten keinen Ersatz für öffentliche Angebote. An Sonn- und Feiertagen und zeitig in der Früh unter der Woche – wennE die Geschäfte geschlossen haben - bieten die breiten Gehsteige der Mariahilfer Straße Platz für Spiel und Bewegung. Für Kleinkinder und ihre Begleitpersonen sind öffentliche Sitzplätze wichtig zur Nahrungsaufnahme (Stillen, Essen, Trinken) und fallweise um sich gezielt mit den Kindern zu beschäftigen, z. B. wenn sRie weinen .

7.6. Jugendliche Jugendliche sind vor allem am späteren Nachmittag und frühen Abend auf der Mariahilfer Straße anzutreffen. Für viele Jugendliche aus Wien und Niederösterreich, besonders für Mädchen ist die Mariahilfer Straße ein Treffpunkt, ein Ort zum Einkaufen oder auch um die Freizeit zu verbringen. Sie werden durchS das für sie attraktive Angebot angezogen, insbesondere in Nebengassen gibt es Spezialgeschäfte für unterschiedliche Jugendszenen. Häufig bewegen Jugendliche sich in kleinen und größeren Gruppen auf der Straße, gehen ein Stück, stehen kurz an einer Ecke oder an einem U-Bahnaufgang, telefonieren, schauen kurzT in ein Geschäft, ein Café oder Fastfood-Restaurant. Oft sind untertags auch Schulklassen unterwegs. Einen fixen Ort wo sich besonders viele Jugendliche aufhalten gibt es auf der Mariahilfer Straße nicht. R Jungendliche Burschen mit Migrationshintergrund aus der Umgebung (6. Bezirk, 15. Bezirk) meiden hingegen teilweise die Mariahilfer Straße als Aufenthaltsort, da sie sich weder dem allgegenwärtigen Konsum noch den Jugendgruppen aus anderen Bezirken und damit potentiellen Konflikten aussetzen wollen.A Sie bleiben lieber in ihrem Grätzl. Dort befinden sich auch die Jugendeinrichtungen. S S E

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A 7.7. Junge Erwachsene R Die jungen Erwachsenen in kleinen Gruppen sind eine der prägenden Gruppen der Mariahilfer Straße (jung, modern, urban). Sie kaufen ein, sitzen in Schanigärten, flanieren und treffen sich mit anderen auf der Straße. Dies gilt sowohl für junge Frauen als auch junge Männer. Die jungen Erwachsenen sind bis spätI in die Nacht auf der Straße zu sehen. Sie sind zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto auf der Straße unterwegs und kommen aus ganz Wien, aus dem umgebenden Niederösterreich, aus den Bundesländern, den östlichen Nachbarländern oder als TouristInnen aus unterschiedlichsten Ländern der Welt. Diese GruppeA hat unterschiedliche kulturelle Hintergründe, viele sind ÖsterreicherInnen, ein Teil MigrantInnen, die in Wien und Umgebung leben und ein Teil sind Reisende aus unterschiedlichen Ländern. H 7.8. Erwachsene im mittleren Alter Erwachsene sind regelmäßig, zu allen Tageszeiten, auch abends und nachts auf der MariahilferI Straße anzutreffen. Viele legen hier ihre Alltagswege zurück, sie sind mit Aktenkoffer, Einkaufstaschen, Kindern oder Hunden unterwegs. Mehrere arbeiten auch auf der Straße: Lieferanten, BriefträgerInnen, VerkäuferInnen die Waren ausräumen, HandwerkerInnen, ZettelverteilerInnen, ZeitungsverkäuferInnen, PolizistInnen,L Wachdienstpersonal, SozialarbeiterInnen, Begleitpersonen von Kindergartengruppen, Schulklassen oder älteren Menschen. Ein großer Teil der Erwachsenen kauft ein, einige sind mit Kameras auf Sightseeing-Tour, andere mit Gepäck am Weg zum Bahnhof. Viele sind zu Fuß, einige mit dem Fahrrad oder AutoF auf der Straße unterwegs. Erwachsene sind häufig allein, zu zweit oder mit Familie anzutreffen, beim Ausruhen und Sitzen auf öffentlichen Bänken sind sie selten zu sehen. Häufiger sind die Bänke von älteren Menschen und Kleinkindern mit Begleitpersonen belegt. Eine weitere Gruppe die Bänke verstärkt nutzen, Ebesteht vor allem aus weniger zahlungskräftigen Menschen, die sich einen Sitzplatz im Schanigarten nicht leisten können. Kritik, dass es zu wenige Bänke gibt, kam vorrangig von Frauen. Das Fehlen eines Radweges, die vielen Menschen und der zu geringe Platz stören häufiger Frauen, die mangelnde Rücksichtnahme der R VerkehrsteilnehmerInnen und daraus entstehende Konflikte werden als störend häufiger von Männern genannt. Der Autoverkehr wurde von beiden Geschlechtern in gleichem Ausmaß kritisiert. Vor allem Lärm, aber auch Verkehrssicherheit und Staubbelastung wurden als Argumente genannt.

7.9. Ältere Menschen S Die Personengruppe der älteren bzw. gebrechlichen Menschen wird in geringerem Maße wahrgenommen, da deren bevorzugte Nutzungs- und Aufenthaltszeit der Morgen und frühe Vormittag ist (und nurT wenige sie sehen) und sie am frühen Nachmittag in der Masse der NutzerInnen nicht auffallen. Für ältere StädterInnen, insbesondere viele Frauen, ist die Mariahilfer Straße gleichbedeutend mit einem „Tor zur Welt“, über das sie beim Gehen, Sitzen und Einkaufen am städtischen Leben teilhaben können. Viele ältere oderR gebrechliche Menschen bewegen sich langsamer als alle anderen entlang der Geschäftsfassaden. Manche Einrichtungen bieten auch gezielt begleitete Ausflüge für Menschen mit Gehhilfen in Teilabschnitten der Straße und besonders auf der Südseite an, wo die Gehsteige bis zur Mariahilfer Kirche etwas breiter sind.A Qualitäten, die die Mariahilfer Straße für diese Gruppe bietet, sind die Möglichkeit in der Menschenmenge unterzutauchen, ein Grundangebot an zielgruppenspezifischen Geschäften, die Rücksichtnahme der anderen PassantInnen, die Barrierefreiheit der Straße und die Verfügbarkeit von Plätzen zum Ausruhen.S Dies ermöglicht es auch motorisch stark eingeschränkten Menschen, die in der näheren Umgebung leben (auch in Einrichtungen) am Geschehen auf der Straße teilzunehmen. Ein Verdrängungseffekt insofern, dass in der Mobilität eingeschränkte Personen aufgrund der dichten Nutzung der Einkaufstraße diese nichtS nutzen, konnte durch die Sozialraumanalyse nicht bestätigt werden, ist aber trotzdem nicht ganz auszuschließen. E

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A 7.10. Zusammenfassung Junge Erwachsene sind während der Geschäftszeiten bis in die Nacht die prägende GruppeR auf der Mariahilfer Straße, für sie ist sie ein Ort zum Einkauf, Flanieren und ein Treffpunkt. Auch Jugendliche aus Wien und seiner Umgebung kaufen hier ein und treffen sich, etwas weniger gilt dies für Teile der lokalen Jugendlichen. Insbesondere bei sozioökonomisch schlechter gestellten Jugendlichen und BurschenI mit Migrationshintergrund konnten Tendenzen zur Meidung der Mariahilfer Straße festgestellt werden. Für zahlreiche ältere Menschen, insbesondere Frauen, aus der nahen Umgebung ist die weitgehend barrierefreie Straße mit ihren Geschäften, dem abwechslungsreichen Straßenleben und BänkenA ein wichtiger Aufenthaltsort. Der größte Teil der Erwachsenen kommt anlassbezogen, wie zum Einkauf, zur Arbeit oder auf täglichen Wegen auf die Mariahilfer Straße. Für Kinder ist die Straße zu den Öffnungszeiten der Geschäfte vorrangig ein Durchgangsort. H Die Straße ist geprägt durch gute kommerzielle Angebote. Die vielseitigen nicht kommerziellen Ansprüche, vor allem nach mehr Aufenthaltsqualität, finden derzeit wenig Platz. Dies trifft in erster Linie die Wohnbevölkerung – insbesondere Kinder und deren Begleitpersonen, Jugendliche und Erwachsene,I sowie marginalisierte Gruppen. L F E R

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A 8. Verkehrliche Aspekte R 8.1. FußgängerInnen Die Mariahilfer Straße weist eine sehr hohe FußgängerInnenfrequenz auf, die in den letztenI Jah ren noch deutlich gestiegen ist. Die Dichte ist fallweise so hoch, dass sie ein selbstbestimmtes Fortkommen deutlich beeinträchtigt6. Die Barrierefreiheit der Straße ist eine ihrer zentralen Qualitäten, da sehr viele Menschen mit Kinderwägen, unterschiedlichen Gehhilfen und Kinder mit Fahrzeugen wie Scootern u. ä. unterwegsA sind. Der FußgängerInnenstrom wird durch die Ampelschaltungen getaktet. An Kreuzungen bilden sich häufig größere Ansammlungen beim Warten auf die Grünphase und dadurch entstehen dichtere und lockerere Gehsituationen. Auch unterschiedliche Geschwindigkeiten sind daher nur begrenzt möglichH – weder sehr schnelles Gehen, noch sehr langsames Gehen ist bei besonders hoher Dichte leicht möglich. Mehrere Grünphasen verlangen auch ein zügiges Überqueren der Fahrbahn. Besonders nachmittags und in den frühen Abendstunden zu Geschäftsöffnungszeiten und in Teilen mit weniger breitem DurchgangsquerschnittI ist eine sehr hohe Dichte zu beobachten: kurzes Stehenbleiben, Telefonieren, Rauchen oder Essen im Gehen sind dann nur mehr bedingt möglich. Auch das Verweilen vor Auslagen ist teilweise nur sehr schwer möglich. Engere Stellen mit unter 3m Durchgangsbreite gibt es häufig im Bereich von U-BahnausgängenL manchmal auch bei Schanigärten oder fallweise durch Möblierung. Abschnitte mit breiterer Durchgangsbreite werden nur im ganzen freien Querschnitt begangen, wenn sie lange genug sind (z. B. Apotheke „ZurF Kaiserkrone “). Kürzere, breitere Abschnitte, werden nicht zum Durchgehen, sondern eher für kurze Aufenthalte genutzt.

8.2. Radverkehr E RadfahrerInnen sind regelmäßig auf der Mariahilfer Straße zu beobachten, v. a. jüngere Erwachsene und Erwachsene im mittleren Alter, Kinder fallweise auf den Gehsteigen. Es gibt sehr vereinzeltR ältere Jugendliche und keine älteren Menschen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. Frauen und Männer, Mädchen und Buben fahren Rad, viele mit Rucksäcken. Als Gründe von Menschen aller Altersgruppen, warum sie nicht mit dem Rad kommen wird genannt, dass sie beim Radfahren die räumliche Enge mit dem Autoverkehr als zu gefährlich einschätzen. Erwachsene fahren vor allem auf der Fahrbahn, aber immer wieder auch am Gehsteig, wenn Lieferverkehr, parkende Autos oder ein sehr großes Verkehrsaufkommen die Weiterfahrt behindern (am Gehsteig fahren sie in der Regel langsam oder schieben das Rad). Die RadfahrerInnen kommenS sowohl aus der Umgebung, als auch aus anderen Bezirken und aus Niederösterreich. Es gibt ein großes Spektrum an Fahrrädern (Moutainbikes, Rennräder, normale Fahrräder, alte und neue, BMX, …) Der Radverkehr fließt – ähnlich wie der Autoverkehr – eher langsam und stockt zu den Stoßzeiten. Vom BundesländerplatzT stadteinwärts lassen die Ampelschaltungen ein zügiges Vorwärtskommen zu, stadtauswärts weniger, es kommt zu Wartezeiten bei den Ampeln. Das Gleiche gilt stadteinwärts für die Strecke vom Gürtel bis zum Bundesländerplatz. Eigene Radbereiche wie vom Getreidemarkt bis zur Stiftgasse oder ab derR Kaiserstraße Richtung Gürtel bieten RadfahrerInnen mehr Platz, sie fahren hier wesentlich schneller als in Bereichen ohne Radstreifen, breitere, parkende Autos verschmälern jedoch öfters die Spur. A Als Wunsch wird von einigen ein Radweg oder ein Radstreifen genannt bzw. grundsätzlich mehr Platz, um sicherer fahren zu können v. a. auch um mit Kindern mit dem Rad unterwegs sein zu können. Auffällig ist, dass keine/r der Befragten sich über ein zu geringes Tempo beschwert hat oder sich eine BeschleunigungS des Radverkehrs wünscht. S

E vgl. Wirtschaftskammer Wien, 2010: S. 114ff; Roth, Dieter, 2011.

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A Positiv ist die Anbindung der Mariahilfer Straße an das Wiener Radwegenetz. Auf der Straße selbst sind sehr gute Fahrfähigkeiten und eine sehr hohe Aufmerksamkeit gegenüber den anderen VerkehrsteilnehmerInnenR notwendig. Es fällt auf, dass RadfahrerInnen differenzierte Ansprüche haben und unter ihnen Menschen mit größerem Bedürfnis nach sicherem Vorwärtskommen derzeit weitgehend fehlen. Die vorhandenen Radstellplätze sind sehr gut ausgelastet bzw. teilweise sogar überlastet. I

8.3. Motorisierter Verkehr7 A Der motorisierte Verkehr auf der Mariahilfer Straße ist grundsätzlich langsam. Zu vielen Tageszeiten fließt er, besonders am späteren Nachmittag kommt es zu kleineren Staus vor den Ampeln. In querenden Durchfahrtsstraßen wie z.B. der Webgasse, Stumpergasse oder Kaiserstraße ist die FahrgeschwindigkeitH wesentlich schneller. U-Bahnen, Busse, Straßenbahnen und Züge bringen einen großen Teil der Menschen zur/weg von der Straße. Vormittags – außer Sonntags – ist regelmäßig Lieferverkehr zu beobachten. Die Parkplätze entlang der Straße sind gut ausgelastet, es sind auch immer wieder einzelne Ifreie Parkplätze vorhanden. Die öffentlichen Stellplätze in den Straßen unterliegen der Parkraumbewirtschaftung und sind gut ausgelastet, sie werden durch ausreichend kostenpflichtige Garagenplätze ergänzt. L 8.4. Der neue Westbahnhof und die BahnhofCity Wien West Insgesamt soll das Gebiet um den Westbahnhof seine Rolle als Verkehrsknoten beibehalten.F Obwohl ab 2016 die internationalen Verbindungen über den neuen Hauptbahnhof geführt werden, wird der Westbahnhof seine hochrangige Bedeutung für den regionalen Verkehr aber auch den nationalen Fernverkehr beibehalten. Ein Ausbau von Parkmöglichkeiten für Autos, eine überdachte Bike & Ride Anlage und ein SchwerpunktE für E- Mobility sind geplant. Mit der sog. BahnhofCity Wien West entstehen ein neues Einkaufszentrum mit ergänzendem Angebot zur Mariahilfer Straße und für Reisende sowie Büroräume und ein Hotel. Der öffentliche Raum unter dem sogenannten „Wolkenbügel“ soll auch mit temporären AktionenR bespielt werden.

8.5. Zusammenfassung Der FußgängerInnenverkehr ist vor allem nachmittags und in den frühen Abendstunden durchS eine große Dichte und Enge geprägt, positiv ist die weitgehende Barrierefreiheit der Oberflächengestaltung. Die Anbindung der Mariahilfer Straße an das wienweite Radwegnetz ist gut. Ein flüssiges Fortkommen mit dem Fahrrad ist unter Tags meist nur bedingt möglich, insbesondere ältere Menschen schätzen dieT Verkehrssituation als für sie gefährlich ein. Die vorhandenen Radstellplätze sind sehr gut ausgelastet bis überlastet. Der motorisierte Verkehr fließt häufig langsam und ist stark durch Lieferverkehr geprägt. Die Stellplätze auf der Straße sind sehr gut ausgelastet, Garagenplätze sind in der näheren UmgebungR ausreichend vorhanden. Die Erreichbarkeit der Mariahilfer Straße mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist sehr gut. A S S

7 Der motorisierte Verkehr ist nicht Schwerpunkt der Sozialraumanalyse, arealConstult (2011) und VerkehrsplanungE Käfer G.m.b.H. (2011) bearbeiteten diese Bereiche detailliert.

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A 9. Integration und Verdrängung R

Die Mariahilfer Straße hat neben ihrer Geschäftsstraßenfunktion durch die steigende soziale Ungleichheit auch eine gesamtstädtische Bedeutung als Integrationsort (Stadtentwicklung Wien – MA 18I (Hrsg.) 2006). Ihre ökonomische Funktion kann nicht unabhängig von der Integrationsfunktion verstanden werden und beide Funktionen befinden sich im Spannungsfeld zueinander. Aus kommerzieller Perspektive scheinen Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, die Kaufatmosphäre zu stören, wenn sichA z. B. Wohnungslose oder Punks im öffentlichen Raum vor Geschäften aufhalten. Dieser ökonomische Raum aber stellt für manche marginalisierte Gruppen einen Überlebensraum dar. Gerade, weil Menschen die Mariahilfer Straße besuchen, um Geld auszugeben, ist die Straße auch für diejenigen interessant, die übersH Betteln versuchen ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Der dichte ökonomische Raum „innere Mariahilfer Straße“ ermöglicht darüber hinaus ein StückI weit Anonymität. Da sich sehr unterschiedliche Menschen (Milieus und Altersgruppen) auf der Einkaufsstraße aufhalten, entsteht Anonymität und eine Art Schutzfunktion für Menschen, die gesellschaftlich eher ausgegrenzt werden. Sie können sich – sofern sie nicht sehr auffällig aus der Norm fallen undL damit sichtbar werden – einigermaßen ungezwungen im öffentlichen Raum aufhalten. So finden beispielsweise ältere oder arme Menschen einen Raum vor, in dem sie an der Gesellschaft teilnehmen können. Einerseits lässt die öffentliche Zugänglichkeit zu, dass sich unterschiedliche Menschen im kommerziellen RaumF aufhalten, andererseits kann die Integrationsfunktion durch die kommerzielle Funktion erhöht werden, wenn es ausreichend nicht-kommerzielle Räume auf der Einkaufsstraße gibt. E Aus dieser Perspektive betrachtet ist die urbane Vielfalt – ausgedrückt u. a. durch spezielle Lebensstile oder soziale Ungleichheiten – ein immanenter Bestandteil einer modernen urbanen Geschäftsstraße. Die Mariahilfer Straße erfüllt so neben der kommerziellen Funktion eine Integrationsfunktion, Rindem Menschen am Rand der Gesellschaft diesen Raum geschützt nutzen und an der Gesellschaft teilhaben können: über Kontaktmöglichkeiten zwischen den unterschiedlichen Gruppen einer modernen Gesellschaft (zumindest über ein Sehen und Gesehen werden). Ein solcher Integrationsort ermöglicht darüber hinaus marginalisierten Gruppen Zugang zu Geld. Die besondere Qualität der Mariahilfer Straße ist dabei, dass der Verdrängungsdruck aufgrund einer geringeren touristischen Bedeutung schwächer ist (als z. B. auf der Kärntnerstraße) und sich andererseits die Straße in der Mitte der Stadt und in der Mitte derS Gesellschaft befindet. T Die Sozialraumanalyse hat allerdings ergeben, dass marginalisierte auffällige Gruppen eher systematisch verdrängt werden. Während Menschen mit weniger Einkommen die Einkaufsstraße aufgrund ihrer Integrationsfunktion (hier haben nicht-kommerziellen Räume besondere Bedeutung) weitgehendR ungehindert und anonym nutzen können, sind insbesondere BettlerInnen und Punks insoferne von Verdrängung betroffen, als die relativ hohe Polizeipräsenz auf der Straße dazu führt, dass die genannten Gruppen zeitweise beinahe gar nicht auf der Straße zu finden sind. A

Wenn die marginalisierten Gruppen, die sich auf der Mariahilfer Straße aufhalten, differenzierter betrachtet werden, ergeben sich sehr unterschiedliche Interessen und Ansprüche, sowohl innerhalb alsS auch zwischen den Gruppen. Gleichzeitig zeigten sich immer wieder auch überlagernde, ähnliche Interessenslagen und Konfliktfelder. Im Rahmen der Sozialraumanalyse wurden Punks, BettlerInnen und Wohnungslose genauer betrachtet. S

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A 9.1. Punks auf der Marahilfer Straße Obwohl die Mariahilfer Straße historisch einen wichtigen Begegnungsort für Punks darstellt,R zeigten die Beobachtungen und Gespräche, dass diese Gruppe im Zeitraum der vorliegenden Untersuchung von Verdrängung betroffen ist. Diese ist beobachtbar, obwohl eine grundsätzliche Akzeptanz seitens der Polizei und von den Wiener Linien unter Vermittlung der Beratungsstelle axxept besteht, dass sich IPunks auf der Marihahilfer Straße aufhalten. Die Sozialraumanalyse zeigt, dass Punks teilweise eine starke vorbeugende Polizeipräsenz erleben (z. B. dadurch dass zwei PolizistenInnen den „Wanderungen“ der Punks folgen). Gleichzeitig hat diese Gruppe erlebt, dass sie mehrmals andere Plätze zugewiesen bekamen,A von dort aber wieder vertrieben wurde (vom Bundesländerplatz Richtung Christian Broda Platz und von dort wieder Richtung Esterhazypark). Das hat dazu geführt, dass sich Punks immer weniger auf der Mariahilfer Straße aufhalten. Teilweise sind sie in Parks zu finden, oder sie treffen sich gar nicht mehr im öffentlichenH Raum. Punks werden somit in den privaten Raum oder stärker in Wohngebiete (Parks) verdrängt. Die Folge ist, dass deren Interessen und Bedürfnisse unsichtbarer werden, bzw. in einen Wohnbereich verlagert werden. Wenn aber „Punk-sein“ auch als Ausdruck eines urbanen Lebensstils verstanden wird, geht durch Idiese Entwicklung eine spezifische Qualität verloren. Die Sozialraumanalyse zeigt, dass sich nur wenige AnrainerInnen bzw. BesucherInnen von den Punks auf der Mariahilfer Straße tatsächlich gestört fühlen. Manche, insbesondere TouristInnen begrüßen die Anwesenheit der Punks, die manchmal auch als AuskunftspersonenL angesprochen werden. Die Mariahilfer Straße ist für Punks aus mehreren Gründen interessant: Einerseits ist die Einkaufsstraße ein Ort, um Betteln zu können, also um eine ökonomische Absicherung zu erreichen. AndererseitsF dient die Mariahilfer Straße als Ort des Ausdrucks ihrer Kultur. Sie ist Kommunikationsort, Treffpunkt und Schutzraum. Hier können sich Punks, die teilweise über sehr eingeschränkte Zugänge zu privatem Wohnraum verfügen, aufhalten und Freizeit verbringen. Aktuelle Konflikte zwischen Punks und AnrainerInnen bzw.E BesucherInnen der Einkaufsstraße waren im Rahmen der Sozialraumanalyse nicht erkennbar. Punks können im öffentlichen Raum jedoch sehr augenscheinlich werden, wenn sie sich dort länger als andere NutzerInnen, auch gerne in größeren Gruppen, die durchaus 15 und mehr Personen umfassen können, aufhalten (wollen)R. Hundehaltung und charakteristische Kleidung erhöhen noch zusätzlich ihre Auffälligkeit im öffentlichen Raum. Aufgrund dieser Besonderheiten wurden und werden Geschäftstreibende und fallweise AnwohnerInnen aufmerksam, sie bringen Beschwerden ein, auch wenn es kaum direkte Konflikte mit Punks gibt. Mehr Aufenthaltsmöglichkeiten, möglichst in räumlicher Distanz zu den Geschäftsauslagen, würden Punks die Möglichkeit geben, sich ungestörter im öffentlichen Raum aufzuhalten. Konflikten könnte u.a. vorgebeugt werden, indem die Aufenthaltsräume mit Abstand zu den Gebäudefassaden so gewählt werden,S dass sie weniger einsichtig, jedoch auch nicht versteckt sind und somit weniger eine vermeintliche Geschäftsschädigung argumentiert werden kann, sowie genügend Ausweichmöglichkeiten für PassantInnen bestehen. Wenn die Gruppen jedoch zu groß werden, könnte die Auffälligkeit zu einer nachhaltigenT Vertreibung von Punks führen. Aus der Sozialraumanalyse ist zu empfehlen, die Aufenthaltsqualität so zu erhöhen, dass kleinere Gruppen von Punks ihren Platz finden. R 9.2. BettlerInnen A Für BettlerInnen wäre die Mariahilfer Straße ein bedeutender Ort, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Vor allem aufgrund vorbeugender Polizeipräsenz sind BettlerInnen auf der Mariahilfer Straße manchmal gar nicht mehr anzutreffen. BettlerInnen stellen allerdings keine homogene Gruppe dar. Eine DifferenzierungS der Interessen unterschiedlicher Gruppen (osteuropäische BettlerInnen, österreichische Wohnungslose, etc.) erschien in Bezug auf den Sozialraum unerheblich zu sein. Generell für alle kann aber gesagt werden, dass mehr Durchgangs- und Aufenthaltsqualität die Akzeptanz von BettlerInnen erhöhen könnte,S weil sie weniger auffallen und es mehr Ausweichmöglichkeiten für PassantInnen gibt. So könnte die Integrationsfunktion des öffentlich finanzierten städtischen Raumes gestärkt werden, insbesondere für Gruppen, die besonders auf diesen Raum angewiesen sind. E

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9.3. Wohnungslose R Auch Wohnungslose stellen keine homogene Gruppe dar. Die Erhebung hat gezeigt, dass sich auf der Mariahilfer Straße zumindest zwei Gruppen in Bezug auf ihre Ansprüche an den öffentlichenI Raum differenzieren lassen. So haben Wohnungslose, die aus Wien stammen bzw. länger in Wien gelebt haben, wenig Interesse, sich auf der Einkaufsstraße aufzuhalten. Die Angst davor, von früheren ArbeitskollegInnen bzw. Bekannten erkannt zu werden, führt dazu, dass sich diese Wohnungslosen lieber in SeitengassenA als auf der Einkaufsstraße aufhalten wollen. Sie wollen unauffällig bleiben. Wohnungslose, die nicht aus Wien kommen, haben ähnliche Interessen wie BettlerInnen. Sie wollen ihren Lebensunterhalt sichern. Die Einkaufsstraße stellt aber auch einen Schutzraum dar, einen Raum, in dem sie aufgrundH der vielen Menschen, die sich dort aufhalten geschützt sind vor Übergriffen anderer Menschen. Der öffentliche Raum – die Mariahilfer Straße, aber auch Parks, die Donauinsel, der Schedifka Platz etc. – ist für viele Wohnungslose Ersatz für den privaten Raum, quasi ein „Wohnzimmer“, in dem sie ihren Platz haben und woI sie sich zu Hause fühlen. L 9.4. Zusammenfassung Die Einkaufsstraße wird bereits jetzt auch als nicht-kommerzieller Aufenthaltsort von Bevölkerungsgruppen in Anspruch genommen, die stärker auf den öffentlichen Raum angewiesen sind. F Die Sozialraumanalyse zeigt, dass es einerseits differenzierte Ansprüche von Menschen, die von Marginalisierung betroffen sind, gibt. Gerade der öffentliche Raum Mariahilfer Straße böte die Möglichkeit, Gruppen zu integrieren, die an anderen Orten unter einem hohen Verdrängungsdruck leiden.E Empfehlenswert wäre es, Aufenthaltszonen durch entsprechende Raumgliederung so zu definieren und zu gestalten, dass sich kleinere Gruppen im öffentlichen Raum aufhalten und potenzielle Konflikte mit AnrainerInnen und BesucherInnen der Einkaufsstraße minimiert werden können. R

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A 10. Zusammenfassende Ergebnisse R Die wesentlichen heutigen Funktionen der Mariahilfer Straße, die durch die Sozialraumanalyse deutlich wurden, sind das Konsumieren, der Aufenthalt und das Kommunizieren, sie ist ein transitorischer Ort, ein anonymer Integrationsort und politische Bühne. TouristInnen mischen sich mit BesucherInnenI aus ganz Österreich und Wien, sowie den BewohnerInnen der umliegenden Stadtteile. Verschiedenste Milieus kommen auf die Einkaufsstraße. Sie ist somit ein öffentlicher Raum, in dem Sinne, dass alle möglichen Menschen sich hier aufhalten können – im Unterschied zu Einkaufszentren, wo weniger dieA Allgemeinheit den Charakter definiert, als der jeweils private Eigentümer. Auch durch die Verkehrslage wird die Integrationsfunktion der Straße erhöht, weil eben viele Menschen sie leicht erreichen können. Sie hat damit nicht nur eine Integrationsfunktion als öffentlicher Raum, sondern ist Abbild einer modernen,H vielfältigen Stadt, die aber auch definiert ist durch soziale und kulturelle Unterschiede. Sie ist somit ein Ort des Ausdrucks der modernen Stadt und damit auch attraktiv. Im Folgenden werden aufbauend auf die Sozialraumanalyse die heutigen sozialräumlichen QualitätenI der Mariahilfer Straße zum Überblick zusammengestellt und die wesentlichen Konfliktlinien aufgezeigt. L 10.1. Sozialräumliche Qualitäten Die innere Mariahilfer Straße ist in erster Linie ein attraktiver Ort für Einkäufe. Sie ist eine (auch architektonisch) attraktive Einkaufsstraße mit langer Tradition von Wienweiter und überregionalerF Bedeutung. Die interessante und breite Mischung an Angeboten wird positiv eingeschätzt: man bekommt (fast) alles in der Mariahilfer Straße (und ihrer Umgebung). Die Angebote an Geschäften (Flagshipstores, Einzelhandel in Spezialsegmenten, Geschäfte des täglichen Bedarfs,…), Gastronomie und DienstleistungenE (Ärzte, Anwälte, Nachhilfeschulen, Fitnessstudios,…) bedienen sowohl die Wohnbevölkerung als auch Personen aus ganz Wien sowie TouristInnen. Viele Menschen schätzen die breiten Gehsteige und die Bäume, die Gastronomie mit ihren Schanigärten und die Belebtheit der Straße. Die Mariahilfer StraßeR ist ein attraktiver Ort mit urbanem Charakter zum Einkaufen, Flanieren, Treffen und wird als klarer Gegenpol zu den Einkaufszentren in und rund um Wien gesehen. Ihr Image als Einkaufsstraße ist sehr gut und stabil, wobei das Niveau des Angebotes als leistbar und weniger gehoben gilt als das der innerstädtischen Einkaufsstraßen. Die Mariahilfer Straße und ihre BesucherInnen können als jung, zeitgeistig, modern und urban bezeichnet werden. Sie gilt als „Shoppingparadies“ für „gehobenen Massenkonsum“. Nach EinschätzungS von Wiener ExpertInnen hat sie „Weltstadtniveau“. Für TouristInnen ist die Mariahilfer Straße Shoppingziel, als Ergänzung zu den kulturellen und kulinarischen Angeboten der Stadt. Trotz ihres jungen, urbanen Images, ist sie auch ein Raum unterschiedlicher AkteurInnen, der sozioökonomisch ärmeren Bevölkerung ebenso wieT der älteren Menschen.

Neben dem Einkauf bietet die Mariahilfer Straße auch Qualitäten für andere Gruppen: FlaneurInnenR schätzen sie, zu Fuß oder mit dem Auto verwenden sie die Mariahilfer Straße als Bühne. Für junge Menschen, besonders für Mädchen, ist sie ein Treffpunkt und ein Ort um die Freizeit zu verbringen. Für ältere Menschen, insbesondere Frauen, hat sie große Bedeutung als „Tor zur Welt“, um Leute zu beobachtenA und unter Menschen zu sein, allerdings erscheint gerade für diese Personengruppe die gesamte Mariahilfer Straße zu lang, sie bleiben eher in wohnortnahen Abschnitten. Die Mariahilfer Straße und ihre nahe Umgebung ist aber auch Wohn- und Arbeitsort für zahlreiche Menschen. Außerdem finden DemonstrantInnen,S Punks und BettlerInnen hier ihre Bühne bzw. ihre KundInnen. Die hohe Anonymität, die Vielfalt der NutzerInnen und die nicht-kommerzielle Organisation des öffentlichen Raumes ermöglicht es vielen Milieus, sich auf der Straße relativ unauffällig aufzuhalten, was die Straße zu einem guten Integrationsort macht. S

Verkehrstechnisch ist sie öffentlich sehr gut erschlossen, mit U-Bahnen, der Bahn, Straßenbahnen, und Bussen. Stadtweite Radwege führen bis zu ihren Entrees und aus den umliegenden StadtteilenE ist sie gut zu

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A Fuß erreichbar. Auch mit dem Auto ist ein (langsames) Zufahren möglich, zum Parken stehen ausreichend Garagenplätze in der näheren Umgebung zur Verfügung. R

Die Mariahilfer Straße gilt als sicherer Ort: Nach Einschätzung der Polizei gibt es immer wieder Laden- und Taschendiebe, sie halten sich angesichts der hohen BesucherInnenfrequenz im Rahmen. KörperlicheI Auseinandersetzungen kommen in der Mariahilfer Straße nicht häufiger vor als an anderen Orten in Wien. Bezogen auf die hohe Frequenz an FußgängerInnen, RadfahrerInnen und AutofahrerInnen ist auch die Anzahl der Unfälle aus Sicht der Polizei nicht problematisch was durch offizielle Statistiken der MAA 46 – Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten bestätigt wird.

Die Qualität der Straße liegt in der Verbindung des Einkaufens mit Urbanität, in der VerbindungH von sehr guten kommerziellen Angeboten mit nicht-kommerziellem städtischem Leben in einem historischen, großstädtischen Ambiente. I 10.2. Konfliktlinien Die Sozialraumanalyse zeigte einige Konflikte sehr deutlich auf, v. a. Konflikte zwischen unterschiedlichenL Verkehrsarten. Andere Konflikte sind eher latent vorhanden, bzw. durch Verdrängung nicht akut, so dass diese Konflikte oft gar nicht bewusst gesehen und wahrgenommen werden. F Straße als kommerzieller und nicht-kommerzieller Raum Ein Konfliktfeld ist das Spannungsfeld des kommerziellen und des nichtkommerziellen Raumes. Dies zeigt sich im Platz der zum Gehen und zum Aufenthalt auf den Gehsteigen bleibt, in ZusammenhangE mit der hohen FußgängerInnenfrequenz und der teils intensiven Bespielung durch die Gastronomie. Es gibt zu Stoßzeiten nicht ausreichend Platz zum Gehen, Stehenbleiben bzw. sich aufzuhalten und zu wenige öffentliche Bänke. Dies trifft insbesondere Jugendliche und Erwachsene, die nur selten einen Platz auf einer BankR bekommen, aber auch ältere Menschen, die die Straße aufgrund des mangelnden Angebotes weniger besuchen. Platz für Kinder ist nur beschränkt vorhanden, für Bewegung und Spiel nur außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten. Eine andere Ebene dieses Konfliktes ist es, dass erkennbar arme Menschen und marginalisierte Gruppen auf der Mariahilfer Straße wenig anzutreffen sind. Direkte Konflikte zwischen unterschiedlichen AkteurInnengruppen gibt es derzeit in sehr unbedeutendem Maße. Einerseits wird marginalisierten Gruppen Geschäftsschädigung unterstellt, andererseits betrifft dieser Konflikt auch gruppenspezifischesS Aneignungsverhalten – besteht also darin, dass unterschiedliche Lebensstile, Werte und Lebenskulturen aufeinanderstoßen. Die Ergebnisse der Sozialraumanalyse zeigen, dass bestimmte Gruppen von Verdrängung betroffen sind. Punks, Wohnungslose und bettelnde Personen werden von der Polizei immerT wieder weggewiesen, solche mit Migrationshintergrund sind davon stärker betroffen. Ein dritter Aspekt betrifft den Konflikt von kommerziellen Interessen der Geschäftsleute und der Funktion der Mariahilfer Straße als politische Bühne. Demonstrationen – auch solche mit österreichweiterR Bedeutung – finden vor allem an Wochenenden statt. Mehrere Geschäftsleute beklagen, dass sie dadurch weniger Verdienst hätten, jedoch ist gerade die Mariahilfer Straße ein prädestinierter Ort um Aufmerksamkeit für politische Anliegen zu bekommen. A

Miteinander der Verkehrsarten Das derzeitige Miteinander der Verkehrsarten birgt mehrere Konfliktfelder. Der motorisierteS Verkehr beeinträchtigt die Aufenthaltsqualität, für FußgängerInnen und beim längeren Aufenthalt (z. B. im Schanigarten) sind die Autos mit ihren Lärm- und Abgasemissionen ein Störfaktor. Sie bergen auch ein gewisses Gefahrenpotential beim Überqueren von Fahrbahnen. Aus Sicht der AutofahrerInnenS ist das mangelnde Vorwärtskommen durch den tagsüber häufigen stop-and-go Verkehr problematisch, es kommt zum Ausweichen in Straßen der Umgebung. Auch das Miteinander von FußgängerInnen und RadfahrerInnen birgt Konfliktpotenzial, besondersE in den

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A bergab führenden Bereichen und bei eigenen Radfahranlagen, wo schnelles Radfahren als eine Barriere zwischen den beiden Straßenseiten wirken kann. Langsames Radfahren verträgt sich besserR mit dem zu Fuß Gehen.

Identifikation der Wohnbevölkerung mit der Mariahilfer Straße I Auf eine geringe Identifikation mit der Mariahilfer Straße von Teilen der Wohnbevölkerung als latenten Konflikt gab es mehrfach Hinweise. Die gesamtstädtische und sehr kommerzielle Funktion der Einkaufstraße für viele Menschen steht in einem Spannungsverhältnis zu den Ansprüchen der Menschen,A die in ihrer Umgebung leben. Schwierig ist, dass die sehr hohe Anonymität, aber auch die hohe Dichte zu Stoßzeiten und die damit verbundene Unübersichtlichkeit von der Wohnbevölkerung teilweise als problematisch erlebt werden. H I L F E R

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A 11. Empfehlungen R Die Empfehlungen beruhen auf Ergebnissen der Sozialraumanalyse und wurden mit den Ergebnissen der Geschäftsstraßenanalyse abgestimmt. I 11.1. Zukünftige Qualitäten der Mariahilfer Straße Die Mariahilfer Straße ist eine sehr gut in die Stadt integrierte Einkaufsstraße, die ein breit Agefächertes kommerzielles Angebot mit urbanem Leben verknüpft. Die dichte Lebendigkeit, die Vielfalt und der Branchenmix der inneren Mariahilfer Straße sollten erhalten bleiben, um weiterhin für einen möglichst breiten Personenkreis attraktiv zu sein und ihre Funktion als integrativer Stadtraum beizubehaltenH . Sie hat ein sehr gutes Image als junge, urbane und umweltfreundliche Straße, auf das aufgebaut werden kann. Die Gestaltung der Mariahilfer Straße sollte neu und attraktiv sein um Abwechslung zu bieten. Auch schwächere Player wie z. B. Kunst und Kultur sollten gefördert werden. Die Vision ist eine Straße mit keinemI oder wenig Autoverkehr, ein weniger lauter und möglichst abgasfreier Raum mit einem guten Angebot für FußgängerInnen und RadfahrerInnen auf der gesamten Länge der inneren Mariahilfer Straße. Bei der Aufenthaltsqualität wird immer wieder auf die Wichtigkeit von nicht konsumorientierten, inL der Gestaltung vielfältigen Angeboten hingewiesen, die allen AkteurInnengruppen zugute kommen. Vor allem für Jugendliche und für marginalisierte Gruppen wäre eine Raumgliederung dringend nötig, die es ermöglicht sich auf der Straße, aber außerhalb des Gehflusses und direkter GeschäftseingangsbereicheF in Gruppen länger aufzuhalten (z. B. Wechsel von Sichtbeziehungen, Raumgliederung mit Bäumen, verschiedene auch unkonventionelle Sitzplätze, Ausweichmöglichkeiten). Es sollte sich ein offenes und integratives „gemischtes Bild“ ergeben. E

Um die beiden Straßenseiten stärker zu verbinden wird eine Entschleunigung angeregt – mit einer Reduktion des Autoverkehrs und langsamem Radverkehr. Die Mariahilfer Straße könnte als LebensraumR durch eine Gestaltung gewinnen, die ein integriertes Konzept entwickelt, das die Verbindung zwischen Einkaufstraße, umliegenden Straßen und Wohngebieten mitdenkt. Für eine künftig neue Verkehrslösung wird empfohlen den motorisierten Verkehr einzuschränken, er sollte langsam sein und auf einen von Möblierung freigehaltenen Straßenbereich verwiesen werden. Dieser Fahrbereich würde sich auch für die Führung der Buslinien eignen und den RadfahrerInnen das Zufahren auf die Mariahilfer Straße ermöglichenS . Hier ist es wichtig das Spannungsfeld Radverkehr – FußgängerInnen zu berücksichtigt und zu bearbeitet. Für FußgängerInnen ist grundsätzlich die gesamte Breite zugänglich. Es sollte ausreichend breite Bereiche für den Gehfluss in unterschiedlichen Gehgeschwindigkeiten geben, die übergehen in Bereiche für Tden Aufenthalt, mit Platz zum Verweilen für die vielfältigen AkteurInnengruppen. Die Aufenthaltsbereiche der derzeit guten kommerziellen Angebote sollten durch nicht-kommerzielle Angebote in einem etwa ähnlichen Ausmaß ergänzt werden. Bei der Gestaltung ist es wichtig auf Übersichtlichkeit im StraßenquerschnittR zu achten und eine gute Ausleuchtung in der Nacht auch für FußgängerInnen und RadfahrerInnen unabhängig von den Geschäftsauslagen vorzusehen. Es wird empfohlen bei der Planung der Mariahilfer Straße diese in Verbindung mit den (Straßen)Freiräumen der Umgebung zu sehen, besonders dort wo sichA die Querungen befinden. S S E

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A 11.2. Empfehlungen für den Dialog8 Da in der Mariahilfer Straße die Interessenslagen sehr komplex sind und eine breite StreuungR unterschiedlicher AkteurInnen beteiligt ist, wird aus der Perspektive der Sozialraumanalyse empfohlen zu den Verkehrslösungen umfassend zu informieren. Auch die scheinbar homogenen Interessen, z. B. der Wohnbevölkerung unterscheiden sich: So wollen die einen eine weitere Aufwertung der Gastronomie,I andere den Raum für künstlerische, nicht-kommerzielle und alternative Anliegen nutzen. Auch an den Interessen der RadfahrerInnen zeigt sich die Komplexität. So stehen sich hier einerseits unterschiedliche Fortbewegungsgeschwindigkeiten gegenüber, andererseits sollte auch hier zwischen BewohnerInnenA und RadfahrerInnen aus anderen Teilen von Wien differenziert werden. Auch die Wahrung der Interessen der BesucherInnen der Einkaufsstraße bzw. der Minderheiten müsste gewährleistet sein. Die Mariahilfer Straße hat nicht nur eine lokale Bedeutung, sondern auch gesamtstädtische Funktionen, von denenH direkt oder indirekt alle WienerInnen betroffen sind, z. B. als KonsumentInnen oder als VerkehrsteilnehmerInnen. Die Straße ist ein Ort, der auch für den Tourismus nicht unbedeutend ist. Die Integrationsfunktion als gesamtstädtische Aufgabe spricht wiederum Menschen am Rand der Gesellschaft, bzw. MinderheitenI an. Deshalb empfiehlt sich aus der Perspektive der Sozialraumanalyse, dass zur Verkehrslösung eine politische Entscheidung getroffen wird, die die unterschiedlichen Interessen gegeneinander abwägt und in der Folge gut kommuniziert wird. L

Partizipationsprozesse zu weiterführenden Fragestellungen sind denkbar, wie zur Konkretisierung von erweiterten Aufenthaltsräumen oder zur Konkretisierung der Straßengestaltung. Aufgrund Fder schwächeren Identifikation der Wohnbevölkerung mit der Einkaufsstraße wird empfohlen, die Wohnbevölkerung in diese Prozesse stärker einzubeziehen. Durch eine BürgerInnenbeteiligung könnten die differenzierten Interessen der Wohnbevölkerung in ein Raumkonzept besser einfließen und eine höhere IdentifikationE mit der Straße erreicht werden. Bei derart weiterführenden Beteiligungsprozessen sollten aber die Ansprüche anderer Gruppen (z. B. Marginalisierter) nicht vergessen werden und ebenso einfließen. Sollte es zu einer innovativen Verkehrslösung kommen, wäre es wichtig sowohl in der lokalenR und der gesamtstädtischen Öffentlichkeitsarbeit aber auch auf der Mariahilfer Straße selbst längerfristig aktive Informationsarbeit zu leisten.

AkteurInnengruppen9

Lokale Bevölkerung S gebildete Familien mit Kindern, StudentInnen und JungakademikerInnen ohne Kinder, „bürgerliche“ BewohnerInnen mittleren Alters, ältere Menschen, sozioökonomisch schwächere Bevölkerung (Nutzungsdruck auf öffentliche Freiräume u. a. aus 15. Bezirk), Geschäftsleute (Filialisten bzw.T kleine Geschäftsleute) R

8 Sozialraumanalysen können auch die Funktion haben, Empfehlungen für Dialog- bzw. Partizipationsprozesse zu formulieren, da sie es ermöglichen, AkteurInnen und Interessen zu identifizieren. Sie ermöglichen esA Partizipations - bzw. Dialogprozesse systematisch zu planen, da im Vorfeld identifiziert werden kann, welche AkteurInnengruppe mit welchen Methoden und Medien angesprochen werden sollte, welche AkteurInnen welche Unterstützung benötigen, damit deren Interessen auch vertreten sind und welche Konflikte berücksichtigt werden sollten. Sie können auchS bei der Klärung unterstützen, was Gegenstand eines Partizipations- bzw. Dialogprozesses wird. Die exakte Planung in Bezug auf Ziele, den gesamten Planungsprozess, die Zielgruppen, Entscheidungsspielräume etc. ist für den Erfolg von Partizipationsverfahren entscheidend. Ansätze einer exakten Planung lässt beispielsweise eine Checkliste der Berliner Stadtentwicklung erkennen. S (vgl. www.stadtentwicklung.berlin.de/soziale_stadt/partizipation/download/Handbuch_Auszug_Checklisten.pdf)

9 Die AkteurInnengruppen sind thesenartig zusammengefasst. Beim Prozessdesign ist es wichtig auf Eeine ausgewogene Vertretung in Bezug auf Alter, Geschlecht, sozioökonomischen und kulturellen Hintergrund zu achten.

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A BesucherInnen Wien-Bevölkerung, BesucherInnen aus dem umgebenden Niederösterreich, TouristInnen R

Marginalisierte Wohnungslose WienerInnen, zugewanderte Wohnungslose / BettlerInnen, Punks I

RadfahrerInnen AnrainerInnen oder KundInnen der Geschäfte (Zufahrt), Kinder und Jugendliche, schnelle RadfahrerInnenA - Transitroute Mariahilfer Straße H 11.3. Umgestaltungsempfehlungen

Anforderungen an die Mariahilfer Straße I L F E R

S T R A S

S E

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A Die Straße wird attraktiver R - gesamtheitliches Konzept für die innere Mariahilfer Straße - Verbindung der beiden Straßenseiten durch Entschleunigung des Verkehrs - Wechsel von Bereichen zum Durchgehen und Platzsituationen mit AufenthaltsangebotenI - “Portale” für die Eingangsbereiche vom 1. und 15. Bezirk - Einmündungen der Neubaugasse, Nebengeschäftsstraßen sowie Sackgassen und Passagen im 6. und 7. Bezirk als gestaltete und optisch verbindende Übergangsbereiche A - besondere Attraktionen, “Hotspots”, die für die Mariahilfer Straße stehen H Mehr Aufenthaltsqualität für alle - mehrere Angebote für kurzen und längeren Aufenthalt auf der gesamten Länge von rund 1,8 km (ergänzend zum Christian Broda Platz) I - unterschiedliche Aufenthaltsbereiche: verschiedene Sichtbeziehungen, Sonne und Schatten - Sitzplätze zum Ausruhen und Beobachten des Straßenlebens - Platz für temporäre, kulturelle Angebote: z. B. Performance, Straßenmusik, InstallationenL - Aufenthaltsbereiche für kleine Gruppen - differenzierte Sitzangebote: z. B. Bänke für ältere Menschen, unkonventionelle SitzgelegenheitenF - mehrere Angebote für wegbegleitendes Spiel

Gute Übersicht und Orientierung E - fixe und temporäre Möblierung übersichtlich und durchlässig anordnen - innovatives Beleuchtungskonzept und gute Ausleuchtung R - Orientierungshilfen - Infopoints, Beschilderung, apps für Handys Vorrang für FußgängerInnen - mehr Platz zum Gehen durch ein Öffnen der gesamten Straßenbreite - kurzes Stehenbleiben und Gehlinien für Menschen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten sollen möglich sein S - barrierefreie Zugänglichkeit, Blindenleitsystem und Bereiche ohne Fahrverkehr (Autos, Busse, Rad)

Platz für FahrradfahrerInnen T - langsames Fahren auf der gesamten Straßenlänge mit Fahrrädern - mehr Radabstellanlagen R - durchgängige, gesamtstädtische Radroute in einer Parallelgasse

Weniger Autos A - nur Zufahrt für Lieferverkehr und Busse - oder: Beibehaltung der privaten PKW-Zufahrtsmöglichkeit mit reduzierter Fahrgeschwindigkeit und Vorrang für Fuß- und Radverkehr (von vielen Geschäftsleuten favorisiert) S - gut erreichbare Garagenparkplätze für Privatautos S E

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A 12. Literatur und Quellen R

ArealConsult Ziviltechnikergesellschaft m. b. H.: Verkehrsuntersuchung. Attraktivierung der inneren Mariahilfer Straße. Studie im Auftrag der MA 46 Verkehrsorganisation (Stand Aug. 2011). Wien.I

Deinet, Ulrich / Krisch, Richard: Der sozialräumliche Blick in der Jugendarbeit. Methoden und Bausteine zur Konzeptentwicklung und Qualifizierung. Opladen 2002. A

Flick, Uwe: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Hamburg 2004 (2. Aufl.). H Kessl, Fabian / Reutlinger, Christian: Sozialraum. Eine Einführung. Wiesbaden 2007.

Kinz, Maria: Damals in Mariahilf. Wien 1991. I

Krisch, Richard: Sozialräumliche Methodik der Jugendarbeit. Aktivierende Zugänge und praxisleitende Verfahren. Weinheim 2009. L

Leitner, Carola / Hamtil, Kurt: Mariahilf. Wiens 6. Bezirk in alten Fotografien. Mariahilf, Gumpendorf, Magdalenengrund, Windmühle, Laimgrube. Wien 2007 F

Löw, Martina: Raumsoziologie. Frankfurt am Main 2001. E Riege, Marlo. / Schubert, Herbert. (Hrsg.): Sozialraumanalyse. Grundlagen - Methoden - Praxis. Opladen 2002.

Roth, Dieter: Effektive Nutzfläche für den FußgängerInnenverkehr im öffentlichen Raum . StudieR im Rahmen eines Volontariats bei der MA 18. Wien 2011.

Seemann, Helfried / Lunzer, Christian (Hrsg.): Neubau 1880 – 1930 ALBUM. Spittelberg-St.Ulrich - Schottenfeld-Altlerchenfeld. Wien 1992.

Seemann, Helfried / Lunzer, Christian (Hrsg.): Mariahilfer Straße 1880 – 1960 ALBUM. WienS 2005.

Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.): Historische Sozialraumanalyse für das Wiener StadtgebietT II: 1971- 1981-1991-2001. Werkstattbericht Nr. 77. Wien 2005.

Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.): Integration im öffentlichen Raum. WerkstattberichtR Nr. 82. Wien 2006.

Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.): Kleinräumige Bevölkerungsprognose für Wien 2005A-2035. Werkstattbericht Nr. 86. Wien 2007.

Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.): Soziale Veränderungsprozesse im Stadtraum. WienerS Sozialraumanalyse mit Vertiefung in acht ausgewählten Stadtvierteln. Werkstattbericht Nr. 104. Wien 2010.

Stadtentwicklung Wien – MA 18 (Hrsg.): Meidlinger Hauptstraße. Sozialraumanalyse. S Geschäftsstraßenanalyse. Realisierungswettbewerb. Werkstattbericht Nr. 110. Wien 2010.

Stöferle, Friedrich: Mariahilfer Straße. Geschäftsstraßenanalyse. Studie im Auftrag der MA E18 Stabstelle Öffentlicher Raum, soziale Prozesse und Maßnahmenentwicklung (Stand Sept. 2011). Wien

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A

Verkehrsplanung Käfer G.m.b.H.: Mariahilfer Straße: Strukturerhebung Lieferverkehr. StudieR im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien (Stand Sept. 2011). Wien.

Wirtschaftskammer Wien/Abteilung Stadtplanung und Verkehrspolitik: PassantenbefragungI 2008. Ergebnisse einer Befragung von Passanten in den größten Wiener Geschäftsstraßen. Reihe Stadtprofil Band 35. Wien 2010. A Quellen H Kartenmaterial zur Verfügung gestellt vom Magistrat der Stadt Wien MA 18 und MA 21

Wiener Stadtwerke Holding AG (Hrsg.): Bezirkspläne 2010/2011 für den 6. und 7. Bezirk, MaßstabI 1:5000 www.wien.gv.at/stadtplan/ (letzter Zugriff: 24.08.2011) L www.wien.gv.at/kulturportal/public/ (letzter Zugriff: 24.08.2011) www.wien.gv.at/mariahilf/geschichte-kultur/geschichte/altevorstaedte.html (letzter Zugriff:F 24 .08.2011) www.stadtentwicklung.berlin.de/soziale_stadt/partizipation/download/Handbuch_Auszug_Checklisten.pdf (letzter Zugriff: 21.12.2011) E R

S T R A S S E

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A Anhang R I A H I L F E R

S T R A S S E

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