Bericht Nr. 60

KlimBo – Klimawandel am Bodensee Ein Interreg IV-Forschungsprojekt von 2011 – 2015 Impressum

Impressum

Titel KlimBo – Klimawandel am Bodensee ∙ Bericht Nr. 60

Herausgeber Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB), Blaue Reihe, Bericht Nr. 60

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Fonds für regionale Entwicklung

Bearbeitung Institut für Seenforschung (ISF) der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Argenweg 50/1, 88085 Langenargen, www.lubw.baden-wuerttemberg.de Tel. 07543/304-0, Fax 07543/304-299, [email protected]

Autoren Gabriel Fink, Michael Fleig, Ulrich Lang, Stefan Mirbach, Roland Schick, Bernd Wahl, Alfred Wüest, Klaus Zintz

Redaktion Bernd Wahl (LUBW) Klaus Zintz

Layout, Lektorat Lorth Gessler Mittelstaedt GmbH, Konstanz, www.LGM.info

Bildnachweis Quellenangaben zu den verwendeten Fotos finden Sie auf Seite 133

Stand Mai 2015, 1. Auflage

Copyright Der Nachdruck ist – auch auszugsweise – nur mit Zustimmung des Herausgebers unter Quellenangabe und Überlassung von Belegexemplaren gestattet. © IGKB 2015

Internet http://www.igkb.org

ISSN 1011-1263 ∙ KlimBo - Klimawandel am Bodensee ∙ Bericht Nr. 60 KlimBo – Klimawandel am Bodensee

Ein Interreg IV-Forschungsprojekt von 2011 – 2015

3 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Zusammenfassung 6

2. Das Forschungsprojekt „Klimawandel am Bodensee“ (KlimBo) 12

3. Klimatische Veränderungen 16

3.1. Die Folgen des Klimawandels 16

3.2. Klimaveränderungen in der Bodenseeregion 17

3.3. Klimamodelle und Szenarien 18

3.3.1. Überprüfung regionaler Klimamodelle auf Veränderungen 18 der Temperatur und Niederschlagsereignisse 3.3.2. Verwendete Szenarien und Methoden 19

4. Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf Wasseraustauschprozesse 22 und die Wasserqualität des Bodensees

4.1. Wie sich Flusswasser im See ausbreitet 22 4.1.1. Messungen und Simulationen an der Bregenzerach 22 4.1.2. Bedeutung der Schwebstoffe für die Einschichtung des Alpenrheins 25 4.1.3. Simulationen zur Flusswasserausbreitung im See bei Hochwasserereignissen 28 4.1.4. Flusswasserausbreitung in einer ausgedehnten Flachwasserzone: 32 Simulationen zur

4.2. Seeinterne Austauschprozesse 36 4.2.1. Einfluss des Windes auf die vertikale Durchmischung 36 4.2.2. Aufenthaltsdauer des Wassers in der Flachwasserzone 39 4.2.3. Horizontale Unterschiede in der winterlichen Auskühlung des Sees 42 4.2.4. Winterliche Auskühlungs- und Durchmischungsprozesse und deren 46 Beitrag zum Tiefenwasseraustausch 4.2.5. Wie häufig erneuert sich das Tiefenwasser? 50

4.3. Wie sich Austausch- und Durchmischungsprozesse auf die 55 Wasserbeschaffenheit auswirken 4.3.1. Spurenstoffe im Bodensee und seinen Zuflüssen 56 4.3.2. Spurenstoff-Simulationen 61 4.3.3. Sauerstoff 68 4.3.4. Phosphat 74 4.3.5. Nitrat 76 4.3.6. Phytoplankton 77 4.3.7. Einfluss von Neozoen auf das Phytoplankton am Beispiel der 78 Dreikantmuschel Dreissena

4 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Inhaltsverzeichnis

5. Risikobewertung klimatischer Einflüsse auf die Trinkwasserversorgung 82 aus dem Bodensee

5.1. Ziele der Literaturstudie 82

5.2. Mögliche Folgen des Klimawandels für Wasserversorgungsunternehmen 82

5.3. Handlungsoptionen und Anpassungsmaßnahmen 86

5.4 Klimaveränderung und Trinkwasser: ein langfristiger Anpassungsprozess 95

6. Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen 96

6.1. Anthropogene Temperaturveränderungen von Gewässern 97 6.1.1. Quellen thermischer Belastung von Gewässern 98 6.1.2. Beispiele der Auswirkung von Wärmenutzungen auf Seen 100 6.1.3. Auswirkungen auf aquatische Biota 102

6.2. Der Wärmehaushalt des Bodensees 105 6.2.1. Das Modell zur Berechnung der Wärmebilanz des Bodensees 105 6.2.2. Das Turbulenzmodell 108

6.3. Auswirkungen einer thermischen Nutzung des Bodensees 109 6.3.1. Simulationen zur Wärmenutzung für den Gesamtsee 109 6.3.2. Temperaturen im Nahfeld 111 6.3.3. Temperaturen im Fernfeld 114

6.4. Schlussfolgerungen und Handlungsanleitungen zur Wärmenutzung 118 6.4.1. Erkenntnisse aus der seeweiten Modellierung 118 6.4.2. Natürliche und künstliche Temperaturvariationen im See 119 6.4.3. Fallbeispiele zur Rückgabe von erwärmtem Kühlwasser 122 6.4.4. Fallbeispiele zur Rückgabe von abgekühltem Seewasser 125 6.4.5. Empfehlungen zur Wärmenutzung 126

7. Bewertung und Ausblick 128

8. Literatur und Referenzen 130

9. Liste der vorhandenen „blauen“ IGKB-Berichte 134

5 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Zusammenfassung

Zusammenfassung der Ergebnisse

Klimafolgen für die Bodenseezuflüsse

Im Fokus stand hier die Frage, wie sehr der Hauptzufluss Alpenrhein zur Erneuerung des Tiefenwassers beitragen kann. Dabei zeigte sich, dass bei Hochwasserereignissen das zufließende Rheinwasser nur selten bis zu den tiefsten See- Der globale Wandel des Klimas zeigt sich deut- regionen in 254 Metern Tiefe vordringt. Da es lich im Anstieg der Temperaturen. Das Jahr 2014 noch sehr unsicher ist, wie der Klimawandel die war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Hochwässer des Alpenrheins verändern wird, meteorologischen Aufzeichnungen. Auch die lässt sich kaum abschätzen, ob oder wie sich die Bodenseeanrainer Deutschland, Österreich und Einschichtung des Rheins und dessen Beitrag zum die Schweiz verzeichneten einen neuen Tempe- Tiefenwasseraustausch verändern werden. raturrekord. Die Erwärmung zeigt sich auch im Bodensee, dessen Oberflächenwasser zwischen Die Trinkwasserversorgung ist nicht gefährdet 1990 und 2014 im Durchschnitt um 0,9 °C wär- mer war als von 1962 bis 1989. Folgen der höhe- Die auf einer Literaturstudie basierende Abschät- ren Temperaturen sind beispielsweise eine Ver- zung der möglichen Folgen des Klimawandels auf schlechterung der winterlichen Durchmischung die Trinkwasserversorgung aus dem Bodensee er- des Sees und somit Veränderungen im Nachschub gab, dass die zu erwartenden Wechselwirkungen von Sauerstoff in die tieferen Wasserschichten. und Prozessabläufe nicht anders als in der Ver- gangenheit sind. Es liegen also bei den Versorgern Interreg-IV-Projekt bereits Erfahrungen vor, wie beispielsweise mit „Klimawandel am Bodensee“ Hochwasserereignissen und Änderungen in der Wasserbeschaffenheit umzugehen ist. Gleichwohl Das Forschungsprojekt „Klimawandel am Boden- wird es als erforderlich erachtet, Anpassungsmaß- see“ (KlimBo) widmete sich in den Jahren 2011 nahmen an die sich verändernden klimatischen bis 2015 mit Literaturstudien, Datenauswertungen, Bedingungen zu treffen. Messkampagnen und Modellberechnungen den möglichen Folgen klimatischer Veränderungen auf Klima und Wasseraustausch den Bodensee. Dabei wurde auch untersucht, wie hydrodynamische Prozesse, die für den Wasser- Für den Transport von Sauerstoff in die tiefen austausch und die Wasserqualität im See von Regionen des Bodensees ist die Auskühlung der Bedeutung sind, von den meteorologischen und oberen Wasserschichten im Herbst und Winter hydrologischen Verhältnissen abhängen. Weiterhin von hoher Bedeutung. Die dadurch angetriebene wurden mögliche Folgen und Risiken des Klima- konvektive Durchmischung, die vor allem wäh- wandels für die Trinkwasserversorgung aufgezeigt rend langer, sehr kalter Perioden dominiert, ist der und bewertet. Außerdem wurde untersucht, wie wichtigste Antrieb für den winterlichen vertikalen sich eine verstärkte thermische Nutzung des Sees Austausch des Tiefenwassers. Allerdings führt der auf das sensible Ökosystem des Bodensees aus- Klimawandel schon jetzt, wie auch in Zukunft wirken könnte. Dies ist wichtig, weil erneuerbare dazu, dass das Zeitfenster für die Durchmischung Energien, wozu auch Umweltwärme zählt, bei der des Sees im Winter kürzer wird und sich der Heizung und Klimatisierung von Gebäuden mit Tiefenwasseraustausch abschwächt. Dies erhöht Hilfe von Wärmepumpen und Wärmetauschern die Gefahr, dass die Sauerstoffkonzentrationen im eine immer größere Rolle spielen werden. Hypolimnion abnehmen. Unterstützt wurde KlimBo vom EU-Interreg-IV- Programm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“.

6 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Zusammenfassung

Flachwasserzonen und Buchten: Was tragen zone durchgeführt. Auch ein Hochwasserereignis sie zur Erneuerung des Tiefenwassers bei? wurde erfasst. Die Modellrechnungen werden durch die Messergebnisse weitgehend bestätigt. Eine weitere Triebkraft für die Erneuerung des Die Ergebnisse zeigen zudem, dass von 2011 bis Tiefenwassers sind kalte Dichteströme. Sie entste- 2014 etwa eine Tonne DMS aus dem See ausge- hen, wenn sich Buchten in der kalten Jahreszeit tragen wurde und die Restbelastung im Jahr 2014 schneller und stärker als der übrige See abkühlen, bei 1,75 Tonnen DMS lag. dem sogenannten Differential Cooling. Dann kann kaltes Wasser höherer Dichte am Seegrund Wie lässt sich der Bodensee thermisch nutzen? entlang Richtung Seemitte strömen. Die Modell- berechnungen ergaben, dass dieser Prozess vor Um die Emission schädlicher Treibhausgase zu allem in mäßig kalten Zeiträumen wichtig ist. reduzieren, wird im Zuge der Energiewende Damit wird dem Differential Cooling im Zuge eine Verringerung des Verbrauchs fossiler Brenn- des Klimawandels eine wachsende Bedeutung stoffe angestrebt. Eine Möglichkeit dazu ist die zukommen. thermische Nutzung von Seen – im Sommer zur Kühlung und im Winter zur Erwärmung von Klimawandel und Nährstoffe Gebäuden. In der Folge wird im Sommer verstärkt erwärmtes und im Winter abgekühltes Wasser in Die klimabedingten Veränderungen der Durchmi- den See zurückgegeben. Die Wirkung dieser Nut- schungsvorgänge beeinflussen die Verteilung von zung auf den Bodensee wurde in Modellberech- Wasserinhaltsstoffen. In den Jahren mit man- nungen abgeschätzt. Bei einer Gesamtnutzung gelnder vertikaler Durchmischung reichert sich von bis zu einem Gigawatt Wärmeentnahme oder verstärkt Phosphat im Hypolimnion an. Kommt Wärmeabgabe ist mit sehr geringen Auswirkun- es dann zu einer guten Durchmischung, ist mit gen zu rechnen. Allerdings sind bei einer thermi- höheren Phosphat-Konzentrationen im Epilimnion schen Nutzung im konkreten Fall wichtige Vorga- und damit auch mit einem verstärkten Phyto- ben zur Entnahme und Rückgabe des thermisch plankton-Wachstum zu rechnen. Eine Erhöhung genutzten Wassers zu beachten, um negative des Phosphoreintrags geht mit einer verstärkten Folgen für das Ökosystem auszuschließen oder Sauerstoffzehrung im Tiefenwasser einher und weitestgehend zu minimieren. sollte daher vermieden werden.

Modellierung von Austauschprozessen

In KlimBo wurden zahlreiche Modellsimulationen durchgeführt, welche die Ausbreitungsvorgänge und Verweilzeiten im See mit Hilfe fiktiver Mar- kierungsstoffe (Tracer) untersuchen. Um die Mo- delle überprüfen zu können, sind reale Messun- gen erforderlich. Daher wurden im Rahmen des Projekts Messkampagnen zu einem geeigneten Spurenstoff durchgeführt. Die Wahl fiel dabei auf DMS (N,N-Dimethylsulfamid), einem Abbaupro- dukt des inzwischen verbotenen Pflanzenschutz- mittels Tolylfluanid. Neben regelmäßigen Messun- gen in 16 Zuflüssen, dem Abfluss bei Konstanz und zwei Tiefenprofilen (Seemitte, Überlinger See), wurde eine Messkampagne in der Flachwasser-

7 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Summary

Summary of Results

Impact of climate on the inflowing rivers of

Here, the focus was on the question as to what extent the Alpine , as the lake’s tribu- tary, can contribute to the renewal of the deep water. It was found that flooding events of the The effects of global climate change are clearly incoming Rhine penetrate to the deepest 254-me- manifested in the increase of temperatures. The ter regions of the lake at infrequent intervals. As it year 2014 was the warmest worldwide since is still uncertain how climate change will impact meteorological recording began. Also the riparian the flooding probability of the , it is countries of Lake Constance, Germany, virtually impossible to assess in detail how the and Switzerland, experienced a new record tem- intrusions of the Rhine and its contribution to the perature. With its surface water being on average exchange of deep water will change in the future. 0.9 °C warmer during the period 1990 to 2014 in comparison with 1962 to 1989, Lake Constance No risk for the supply of drinking water is also affected by global warming. Consequences of these higher temperatures include the weake- The findings of the literature study assessing the ning of deep winter mixing and thus also changes potential consequences of climate change for the in its deep-water oxygen replenishment. supply of drinking water from Lake Constance indicate that the expected interaction and process Interreg IV Project cycles will be no different to those seen in the “Climate Change on Lake Constance” past. The water suppliers have already gained ex- perience in how to handle, for instance, flooding The project “Climate Change on Lake Constance” and changes in water quality. It is nevertheless (KlimBo), running from 2011 to 2015, was dedica- deemed expedient to take measures for adapting ted to investigating and documenting the possible to the changing climatic conditions. impact of climate change on Lake Constance using literature studies, data evaluation, measurement Climate and water exchange campaigns and model simulations. Part of the project included examining how the hydrodyna- The cooling of the lake surface layers in autumn mic processes, vital for the exchange of water and and winter is of key importance for the transport water quality in the lake, are influenced by meteo- of oxygen to the deep regions of Lake Constance. rological and hydrological conditions. The possible The convective mixing is the most important im- consequences and risks of climate change for the petus for the vertical exchange of the deep water drinking water supply were outlined and evaluated. during winter particularly during long cold peri- Also the impact of increased use of thermal energy ods. However, climate change is already now lea- on the sensitive ecosystem of Lake Constance was ding to shorter periods of deep seasonal mixing in estimated. This is important because the use of winter and weakens the deep water exchange and renewable energies, which also include environ- will continue to do so in the future. This enhances mental heat for heating and cooling by using heat the risk of decreasing oxygen concentrations in pumps and heat exchangers, will play a greater the hypolimnion. role in the future.The KlimBo project was suppor- ted by the EU Interreg IV programme “Alpenrhein- Bodensee-Hochrhein”.

8 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Summary

How do shallow water zones and bayscontri- regular measurements in 16 tributaries, the outlet bute to the renewal of deep water? near Constance and two depth profiles (middle of the lake, Lake Überlingen). A flood event was also Cold density currents are additional drivers for monitored. The model calculations were for the deep water renewal. They occur in the cold most part confirmed by the results of the measu- season, when bays cool faster and more than the rements. The findings also indicated that approxi- open waters of the lake causing so-called differen- mately one ton of DMS was discharged from the tial cooling. Cold water of higher density can then lake between 2011 and 2014 and that the remai- flow along the lake bed towards its centre. The ning content of DMS was 1.75 tons in 2014. model calculations indicated that this process is of particular importance during moderately cold How can Lake Constance be utilised periods. Therefore, differential cooling will play thermally? an increasingly important role in the context of climate change. In order to reduce the emissions of harmful green- house gases efforts are being made to cut back Climate change and nutrients the use of fossil fuels as part of the turnaround in energy policy. One possibility is thethermal The climate-related changes of the mixing pro- utilisation of lakes – for cooling buildings in sum- cesses have an impact on the distribution of water mer and for heating in winter. As a result of such constituents. The concentration of phosphate utilisation more heated water is released back into in the hypolimnion increases during periods of the lake during summer and more cooled water inefficient vertical mixing. If these episodes are during winter. The impact on Lake Constance followed by periods of more intense vertical mi- was assessed in model simulations. Only minor xing then higher concentrations of phosphate can effects are expected in the case of an extraction be expected in the epilimnion causing increased or release of up to one gigawatt of heat. However, phytoplankton production. An increase in phos- there are important guidelines to be observed in phorous input goes hand-in-hand with increased any specific case with regard to the withdrawal oxygen consumption in the deep water of the lake and input of the thermally utilized water in order and should therefore be avoided. to exclude or minimise as far as possible the ne- gative consequences for the ecosystem. Modelling of exchange processes

As part of the KlimBo project, numerous model simulations were carried out to examine the distri- bution processes and residence times of the lake water by using fictive tracers. Measurements are, however, necessary in order to test those models. For this reason measurement campaigns based on a suitable trace substance were carried out within the framework of the project. DMS (N,N dimethylsulfamide) was the substance chosen, a degradation product of the pesticide tolylfluanid, whose use has meanwhile been prohibited. A measurement campaign was carried out, which included the shallow water zone in addition to

9 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Résumé

Résumé et résultats

des bâtiments; à l’aide de pompes à chaleur et d’échangeurs thermiques. KlimBo a été soutenu par le programme européen Interreg IV « Alpen- rhein-Bodensee-Hochrhein ».

Conséquences climatiques pour les affluents du lac de Constance Le changement climatique global s’observe très nettement dans l’augmentation des températu- La principale question est de savoir à quel point res. L’année 2014 a été l’année la plus chaude l’affluent principal, le Rhin alpin, peut contribuer au niveau mondial depuis le début des relevés au renouvellement des eaux profondes. On a météorologiques. Les pays limitrophes du lac constaté que lors des crues, l’eau du Rhin pénèt- de Constance, Allemagne, Autriche et Suisse re rarement jusqu’aux zones les plus profondes ont également enregistré un nouveau record de du lac; à 254 m de profondeur. La façon dont le température. Le réchauffement s'observe égale- changement climatique peut modifier les crues du ment sur le lac de Constance; de 1990 à 2015 la Rhin alpin étant encore très incertaine, on ne peut température de l'eau en surface était en moyenne guère estimer comment la stratification du Rhin plus chaude de 0,9 °C que de 1962 à 1989. Les et sa contribution à l’échange des eaux profondes conséquences de cette augmentation de tempéra- vont se modifier. ture sont notamment, la détérioration du mélan- ge hivernal du lac, ainsi que les changements L’approvisionnement en eau potable n’est d'approvisionnement en oxygène dans les cou- pas mis en danger ches d'eaux profondes. Se basant sur diverses études, les effets Projet Interreg IV « Changement climatique potentiels du changement climatique sur sur le lac de Constance » l’approvisionnement en eau potable issue du lac de Constance, montrent que les interactions Le projet de recherche « Changement climatique et processus à venir sont semblables à ceux du sur le lac de Constance » (KlimBo) s'est consacré passé. Les fournisseurs d'eau potable savent de 2011 à 2015 aux effets potentiels du change- également la procédure à suivre en cas de crues ment climatique sur le lac de Constance; à l'aide et de changement de la qualité de l'eau. Il est d'études, d'analyses de données, de campagnes néanmoins nécessaire de prendre des mesures de mesures et de modélisations. Il a également pour s’adapter aux conditions climatiques été analysé à quel point les processus hydrodyna- changeantes. miques sont dépendants des conditions météorolo- giques et hydrologiques - sachant l'importance de Climat et échanges d’eau ce processus pour l'échange de l'eau et la qualité de l'eau dans le lac. Les effets et risques potentiels Le refroidissement des couches d’eau supérieures du changement climatique sur l’approvisionnement en automne et en hiver joue un rôle capital dans en eau potable ont été par ailleurs démontrés et le transport de l’oxygène vers les zones profondes calculés. Il a été également étudié comment une du lac de Constance. Le mélange par convection utilisation thermique accrue du lac pouvait avoir qui s'ensuit - se produisant surtout pendant les des répercutions sur l’écosystème fragile du lac longues et très froide périodes - constitue la force de Constance. Point considérable, car les énergies motrice principale du mélange vertical des eaux renouvelables dont fait également partie la chaleur profondes en hiver. Cependant, le changement de l’environnement, vont jouer un rôle de plus en climatique entraîne et entraînera une réduction plus important dans le chauffage et la climatisation de la période de temps du mélange du lac en

10 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Résumé

hiver et un affaiblissement de l’échange des eaux un produit de dégradation du tolylfluanide - profondes. Ceci augmente le risque d’un déclin aujourd'hui un pesticide interdit. Une campagne de concentration d'oxygène dans l’hypolimnion. de mesures est aussi réalisée dans la zone d'eaux peu profondes - en plus des mesures régulières Eaux peu profondes et baies : qu’apportent- dans les 16 affluents, l'écoulement du lac de elles au renouvellement des eaux profondes? Constance et deux profils de profondeur (centre du lac; Überlinger See). On a également assisté Les courants denses et froids constituent une autre à une crue. Les modélisations sont largement force motrice pour le renouvellement des eaux confirmées par les résultats des mesures. De 2011 profondes. Ils se forment lorsque les baies se ref- à 2014, les résultats démontraient également roidissent de façon plus rapide et plus importante qu'environ 1 tonne de DMS a été évacuée du lac que le reste du lac à la saison froide - phénomène et que la contamination résiduelle était de 1,75 nommé refroidissement différentiel (differential tonne en 2014. cooling). L’eau froide à forte densité peut ainsi affluer du fond du lac vers le milieu. Les modé- Comment l’utilisation thermique du lac de lisations ont montré que ce processus est parti- Constance est-elle possible ? culièrement important dans les périodes de froid modéré. Le refroidissement différentiel sera donc Afin de réduire l’émission des gaz à effet de serre, d’une importance croissante dans le cadre du on aspire dans le cadre du changement énergé- changement climatique. tique à réduire la consommation de combustibles fossiles. L'utilisation thermique des lacs est une Changement climatique et nutriments possibilité; afin de climatiser les bâtiment en été, comme les chauffer en hiver. Ainsi, plus d’eau Les changements des processus de mélange dus réchauffée en été et refroidie en hiver est renvo- au climat, influencent la répartition des substan- yée dans le lac. Ces effets ont été évalués sur le ces dans l'eau. Ces dernières années, le phos- lac de Constance grâce à des modélisations. Pour phate s'est accumulé dans l'hypolimnion, suite une utilisation totale allant jusqu’à un gigawatt de au faible mélange vertical. Lorsqu’il y a un bon collecte ou de renvoi de chaleur, les effets estimés mélange, on peut observer une concentration de restent mineurs. Cependant, pour l’utilisation phosphate plus élevée dans l’épilimnion et une thermique dans un cas particulier, des exigen- croissance plus importante du phytoplancton. ces importantes - pour la collecte et le renvoi Une augmentation de l’émission de phosphate de l'eau utilisée - doivent être prises en compte, s’accompagne d’une augmentation de la con- afin d’exclure ou de minimiser les conséquences sommation d’oxygène dans les eaux profondes et néfastes sur l’écosystème. devrait donc être évitée.

Modélisation de processus d’échange

De nombreuses simulations sont réalisées dans le cadre de KlimBo. Celles-ci analysent les proces- sus de propagation et les temps de stagnation dans le lac, à l’aide de marqueurs fictifs (tracer). Des mesures réelles sont nécessaires afin de vérifier ces modélisations. C’est pourquoi dans le cadre du projet, des campagnes de mesures sont réalisées à l'aide d'un traceur approprié. Le choix s’est porté sur le DMS (N,N-Dimethylsulfamide),

11 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimawandel am Bodensee

2. Das Forschungsprojekt „Klimawandel am Bodensee“ (KlimBo)

Der Weltklimarat IPCC veröffentlichte in den Mischungsverhalten des Sees können sich in Jahren 2013 und 2014 den fünften Weltklima- Zukunft auf seine Wasserqualität und – damit bericht (BMUB, 2014; IPCC, 2014). Daraus verbunden – auf seine Nutzung als Trinkwasser- geht hervor, dass die Erwärmung des weltwei- speicher auswirken. Aber auch andere Nutzun- ten Klimasystems eindeutig ist und dass es gen des Sees können in Zukunft verstärkt vom „äußerst wahrscheinlich“ ist (entsprechend Klimawandel betroffen sein, so etwa die Schiff- einer Wahrscheinlichkeit von 95 bis 100 Pro- fahrt wegen der bei Niedrigwasser gefährdeten zent), dass der menschliche Einfluss die Haupt- Zugänge zu Häfen und Anlegestegen. ursache der seit Mitte des 20. Jahrhunderts be- obachteten weltweiten Klimaveränderungen ist. Bereits seit 1998 beschäftigt sich das von Baden-Württemberg und Bayern zusammen Auch am und im Bodensee werden Auswirkun- mit dem Deutschen Wetterdienst ins Leben gen des globalen Klimawandels beobachtet und gerufene Projekt „Klimaveränderung und es sind in Zukunft noch deutlichere Verände- Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“ mit rungen zu erwarten. Milde Winter, heiße Som- den Folgen des Klimawandels auch für den mer, extreme Starkniederschläge und andere Bodensee (KLIWA, 2007). So zeichnet sich hier Wettersituationen sowie starke Schwankungen nicht nur ein deutlicher Anstieg der Luft- und des Wasserspiegels bleiben nicht ohne Folgen Wassertemperaturen ab (Abb. 1), sondern auch auf die hydrodynamischen Verhältnisse im See. eine zunehmend seltenere bzw. unvollständige Insbesondere Änderungen im Schichtung- und Durchmischung des Wasserkörpers (Abb. 2).

12 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimawandel am Bodensee

Mehrfach hat die Internationale Gewässer- Teilprojekte von KlimBo schutzkommission für den Bodensee (IGKB) da- rauf hingewiesen, dass im Zuge des Klimawan- Im Zuge des Forschungsvorhabens KlimBo dels solche und andere Veränderungen im See sollte vor allem abgeschätzt werden, welche zu erwarten sind, unter anderem im Faktenblatt Auswirkungen die vielfältigen Facetten des „Phosphor im Bodensee“ (IGKB, 2013). Klimawandels auf die limnologischen Verhält- nisse im See haben. Zu den näher untersuchten Für den vorsorgenden Gewässerschutz ist es Aspekten zählen: wichtig, den klimabedingten Wandel des Sees und hier insbesondere die limnologischen • die jahreszeitliche Entwicklung der Zusammenhänge der bereits beobachteten Ver- Schichtung im Bodensee und, damit änderungen zu verstehen. Auf diesen Erkennt- verbunden, die vertikalen Mischungs- nissen aufbauend lassen sich dann zukünftige verhältnisse im See. Entwicklungen und ihre Auswirkungen besser abschätzen. Wichtig ist auch, aus den gewon- • die Erneuerung des Tiefenwassers, die nenen Erkenntnissen Anpassungsstrategien und Entwicklung der Sauerstoffverhältnisse Maßnahmenoptionen zu erarbeiten und diese am Seegrund und der vertikale Trans- den zuständigen Behörden der Anrainerstaa- port von Stoffen, wie zum Beispiel der ten für künftig zu treffende Entscheidungen als Nährstoff Phosphor. Handlungshilfen an die Hand zu geben. • der Wasseraustausch zwischen den unter- Als weiterer Aspekt kommt die Bedeutung des schiedlichen Wasserkörpern des Sees. Bodensees als Wärme- und Kältereservoir hin- zu, welche im Zuge der Bemühungen, durch • die Entwicklung von Strömen mit trübem, die Nutzung regenerativer Energien die weitere schwebstoffbeladenem Wasser, die Klimaerwärmung zu bremsen, in Zukunft an vor allem von den Alpenzuflüssen Bedeutung gewinnen dürfte. Der See könnte im Rhein und Bregenzerach nach Hoch- Winter mit Hilfe von Wärmepumpen verstärkt wasserereignissen in den See fließen. zur Beheizung und im Sommer durch Wärme- tauscher zur Kühlung von Gebäuden genutzt • die Prozesse, die sich im Zuge der Klima- werden. Dies ist allerdings nur möglich, wenn erwärmung in der Flachwasserzone das komplexe und hochsensible Ökosystem verändern, und die Wechselwirkungen des Sees nicht negativ beeinflusst wird und zwischen Flachwasserzone und andere Nutzungen – vor allem die Gewinnung übrigem See. von Trinkwasser – nicht beeinträchtigt werden (IGKB, 2014). • der Wärmehaushalt im See und seine mögliche Beeinflussung durch die Zu all diesen, mit dem Klimawandel eng Nutzung des Bodensees als Wärme- verknüpften Themen, will das Projekt „Klima- quelle im Winter sowie als Kältequelle wandel am Bodensee“, kurz KlimBo, einen im Sommer. wichtigen Beitrag leisten. Unter Federführung des Instituts für Seenforschung wurden in sechs Teilprojekten von 2012 bis Ende 2014 die viel- fältigen Auswirkungen der Klimaveränderung auf den See erforscht. Gefördert wurde das Vor- haben als Interreg-IV-Projekt von der EU sowie von der Schweiz.

13 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimawandel am Bodensee

Abb. 1: Verlauf der Temperaturen der Luft und des Oberflächenwassers im Bodensee von 1962 – 2014. Mittelwert der Wassertemperaturen: 1962 – 1989: 10,9 °C, 1990 – 2014: 11,8 °C; also Anstieg um +0,9 °C. Mittelwert der Lufttemperaturen: 1962 – 1989: 9,0 °C, 1990 – 2014: 10,1 °C; also Anstieg um +1,1 °C. Der lineare Trend der Wassertemperaturen beträgt für die Jahresmittelwerte von 1962 – 2014 +0,03 °C/Jahr.

Diese Fragestellungen wurden im Rahmen von • Teilprojekt 2 sechs Teilprojekten angegangen, die von folgen- Risikobewertung klimatischer Einflüsse den Institutionen bearbeitet wurden: auf die Trinkwassergewinnung. Bearbeiter: BWV • Eidgenössische Anstalt für Wasserver- sorgung, Abwasserreinigung und Gewäs- • Teilprojekt 3 serschutz, Dübendorf, Schweiz (EAWAG) Modelluntersuchungen zu Klimaeinflüs- sen auf Wasseraustauschprozesse und • Ingenieurgesellschaft Prof. Kobus und Wasserqualität. Bearbeiter: kup Partner GmbH, Stuttgart (kup) • Teilprojekt 4 • Technologiezentrum Wasser, Modelluntersuchungen zum Wärmehaus- Karlsruhe (TZW) halt und zu Auswirkungen von Wärme- nutzungen im Bodensee. • Zweckverband Bearbeiter: EAWAG Bodensee-Wasserversorgung (BWV) • Teilprojekt 5 Die Themen der Teilprojekte lauteten: Messkampagnen zur Analyse langfristiger Wasseraustauschprozesse. • Teilprojekt 1 Bearbeiter: TZW Einfluss der klimatischen und hydrolo- gischen Entwicklungen im Einzugsgebiet • Teilprojekt 6 auf den Bodensee. Bearbeiter: EAWAG Modellierung hydrodynamischer Prozesse in der Flachwasserzone. Bearbeiter: kup

Koordiniert wurde KlimBo vom Institut für Seenforschung (ISF, Langenargen) der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW, Karlsruhe).

14 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimawandel am Bodensee

Abb. 2: Die winterliche vertikale Durchmischung des Bodensees hat sich in den letzten 5 Jahrzehnten tendenziell verschlechtert: Die Stärke der Durchmischung wurde durch den winterlichen Abbau der vertikalen Konzentra- tionsunterschiede des Phosphats abgeschätzt und als dimensionsloser Kennwert quantifiziert (KLIWA, 2007). Unsicherheiten in der Aussagekraft des Durchmischungskennwerts ergeben sich durch andere Prozesse, welche die Konzentrationsverteilung beeinflussen, wie beispielsweise Abbau- und Rücklösungsprozesse oder Flusswassereinträge.

Methoden • Simulationsrechnungen mit Hilfe verschiedener Computermodelle. Als Zur Bearbeitung des Projekts kam eine breite Datengrundlage für die Computer- Palette an wissenschaftlichen Werkzeugen modelle wurden einerseits umfassende zum Einsatz. Dazu zählten: Messdaten und andererseits Szenarien- zeitreihen verwendet, die Klima- • Literaturstudien zu den Aussagen von modellen entstammen oder mit Hilfe Klimamodellen, zur Wärmebelastung und eines Wettergenerators oder anderen thermischen Nutzung von Gewässern statistischen Ansätzen erzeugt wurden. und zu den Folgen der Klimaänderung Mit Hilfe virtueller Tracer (Markierungs- auf die Trinkwassernutzung. stoffe) wurden Ausbreitungs- und Trans- portvorgänge im See untersucht. • Auswertung vorhandener Messdaten, wie Hierbei wurde auch die Verteilung des etwa zur Meteorologie und Hydrologie real gemessenen Tracers (DMS, s.o.) sowie zu hydrophysikalischen, -chemi- nachgebildet. schen und -biologischen Parametern in Zuflüssen und im Bodensee.

• Durchführung und Auswertung von Messkampagnen. Beispielsweise wurde zur Untersuchung von Austausch- und Durchmischungsprozessen der im Boden- see und den Zuflüssen vorhandene Spurenstoff N,N-Dimethylsulfamid (DMS) als Tracer (Markierungsstoffe) gemessen.

15 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimatische Veränderungen

3. Klimatische Veränderungen

3.1. Die Folgen des Klimawandels

Veränderungen im Klimasystem der Erde zeigen Diese Veränderungen haben vielfältige Auswirkun- sich deutlich in der weltweiten Erwärmung im gen auf terrestrische und aquatische Ökosysteme. 20. und 21. Jahrhundert. In IPCC (2014), bzw. BMUB (2014), werden als erkennbare Anzei- Die zentrale Frage „Wie entwickelt sich das chen und Folgen des Klimawandels aufgeführt: globale Klima durch den weiteren Anstieg der anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen • die Zunahme der Temperaturen in der und welche Folgen sind zukünftig zu erwarten“ Atmosphäre mit einem Temperaturanstieg ist nicht einfach zu beantworten. Der Weltkli- der Land- und Ozean-Oberflächen von marat hat dazu eine ganze Reihe von Szenarien +0,85 Grad zwischen 1880 und 2012; untersucht, die von strengem Klimaschutz bis zu ungebremsten Emissionen reichen und bis • ein Anstieg des mittleren globalen zum Ende dieses Jahrhunderts einen Anstieg der Meeresspiegels um 19 cm im Zeitraum mittleren globalen Temperatur der Erdoberflä- 1901 bis 2010; che um 0,9 bis 5,4 °C gegenüber vorindustriel- len Bedingungen erwarten lassen (IPCC, 2014). • ein Rückgang der Schnee- und Eis- Die Temperaturzunahme fällt jedoch regional bedeckung, wozu insbesondere die sehr unterschiedlich aus. Darüber hinaus ist Gletscher gehören; auch mit einer Veränderung der Intensität und Häufung an Naturkatastrophen und Extrem- • eine Änderung der Niederschlags- wetterereignissen wie länger anhaltenden verteilung in einigen Regionen; Hitzewellen und der Zunahme von Stark- und Extremniederschlägen zu rechnen (MunichRe, • Regionale Veränderungen vieler 2009; UBA, 2011). extremer Wetter- und Klimaereignisse, wie etwa ein Rückgang kalter Temperatur- Der IPCC betont aber selbst, dass die Szenarien extreme, eine Zunahme heißer über die künftigen Emissionen von Treibhaus- Temperaturextreme und häufigere gasen – und damit zur Erhöhung der Tempera- extreme Niederschläge. turen – stark variieren, weil niemand weiß, wie die weltweite sozio-ökonomische Entwicklung aussehen wird und wie stark künftige Maßnah- men regulierend eingreifen werden.

16 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimatische Veränderungen

3.2. Klimaveränderungen in der Bodenseeregion

Am Bodensee sind die mittleren Lufttempe- werden. Der dadurch resultierende jährliche raturen in den letzten Jahrzehnen deutlich Schmelzwasserabfluss spielt – bezogen auf die gestiegen (Abb. 1 Kapitel 2). Die beiden Ver- mittlere jährliche Wasserzuführung zum gleichsperioden 1962 bis 1989 und 1990 bis Bodensee von ca. 11,5 Mrd. m³/a – jedoch eine 2014 unterscheiden sich um 1,1 °C. Auch das untergeordnete Rolle. Seewasser hat sich deutlich erwärmt. Oberflä- chennah waren die Temperaturen im zweiten Vielmehr ist aufgrund der Niederschläge, die Zeitraum im Durchschnitt um 0,9 °C wärmer. zukünftig auch im Winterhalbjahr vermehrt als Der Temperaturanstieg im Tiefenwasser fällt Regen auftreten und in geringerem Maße als mit 0,2 °C merklich schwächer aus, ist jedoch Schnee im Einzugsgebiet gespeichert werden, ebenfalls deutlich nachweisbar. mit einer im Sommerhalbjahr verringerten Was- serführung der Bodenseezuflüsse aus den Alpen Messdaten der Station St. Gallen (Meteo- zu rechnen. Im Herbst und Winter dagegen Schweiz) in Abb. 3, die im Rahmen des Pro- nehmen die Zuflussmengen zu. In den letzten jektes KlimBo ausgewertet wurden, zeigen, Jahrzehnten zeichnete sich diese Entwicklung dass die Globalstrahlung am Bodensee für die bereits in Veränderungen der mittleren saiso- Periode von 1984 bis 2011 im jährlichen Mittel nalen Wasserstandsverläufe des Bodensees ab um etwa 6,4 W/(m² Jahr) zugenommen hat. Im (KLIWA, 2007). jahreszeitlichen Verlauf ist diese Zunahme vor allem auf einen Anstieg im Sommer zurück- In Simulationen mit regionalen Klimamodellen zuführen. Ein Teil dieser Veränderung ist einer zum Klimaparameter Niederschlag (LUBW, Abnahme von Aerosolen in der Atmosphäre 2013) zeichnet sich in Baden-Württemberg im und der Luftverschmutzung im Allgemeinen zu Winterhalbjahr tendenziell eine Zunahme der verdanken. Niederschläge ab und für den Sommer eine Abnahme. In der mittleren Niederschlagsmenge Bei einer weiteren Erwärmung des Klimas im sind damit in Zukunft kaum Änderungen zu alpinen Einzugsgebiet des Bodensees ist zu erwarten. Dies gilt auch für die Kennzahlen der erwarten, dass bis zur zweiten Hälfte des 21. Windgeschwindigkeit. Die Unsicherheit bei die- Jahrhunderts die heute noch vorhandenen Glet- sen Prognosen wird jedoch als hoch angesehen. scher mit einem gespeicherten Wasservolumen von ca. 10 Mrd. m³ weitgehend verschwinden

a a

a

Abb. 3 (a) Gemessener Trend der Globalstrahlung (Jahresmittel) bei der Station St Gallen für die Periode 1984 bis 2011. (b) Jahreszeitlicher Trend dG/dt der täglichen Globalstrahlung (Glättung über 60 Tage). Abbildung aus Fink et al. (2014a).

17 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimatische Veränderungen

3.3. Klimamodelle und Szenarien

3.3.1. Überprüfung regionaler Klimamodelle auf Veränderungen der Temperatur und Niederschlagsereignisse

Globale Klimamodelle, sogenannte general regionen (MeteoSwiss, 2011) und für die Jahres- circulation models (GCM), verwenden häufig zeiten Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer Szenarien für weltweite Treibhausgasemissio- (JJA) und Herbst (SON) sowie der Vergleich die- nen. Regionale Klimamodelle wiederum bilden ser Werte mit den entsprechenden Mittelwerten diese weltumspannenden Klimawerte lokal ab, in der Referenzperiode 1980 bis 2009 erlauben die mit GCMs berechnet wurden und anschlie- die Bewertung der Klimaveränderungen im ßend auf regionaler Ebene gedeutet werden. Einzugsgebiet des Bodensees. Für die relevante Regionale Mittelwerte der Lufttemperatur und Region der Nordost-Schweiz werden die nach- des Niederschlages für die Schweizer Klima- folgend skizzierten Veränderungen erwartet.

Abb. 4: Temperaturänderungen für das mittlere Klima-Szenario (A1B) für die Nordost-Schweiz im vereinfachten CH2011-Temperaturszenario für die vier Jahreszeiten Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON), basierend auf den CH2011-Daten. Die Klimaperioden sind hier definiert als die Zeiträume 2020 bis 2049 (Mittel: 2035), 2045 bis 2074 (2060) und 2070 bis 2099 (2085). Die Temperaturveränderungen sind relativ zur Referenzperiode 1980 bis 2009.

Abb. 5: Prozentuale Veränderung der Niederschlagsmenge für das Szenario A1B für die Nordost-Schweiz im verein- fachten CH2011-Niederschlagsszenario für die vier Jahreszeiten Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON). Die Klimaperioden sind wie in Abb. 1 gewählt. Die Werte beziehen sich auf die mittlere saisonale Niederschlagsmenge in der Referenzperiode 1980 bis 2009.

18 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimatische Veränderungen

Temperaturänderung 3.3.2. Verwendete Szenarien und Methoden Die in der Abb. 4 zusammengefasste Tempera- turentwicklung bis zum Ende des 21. Jahrhun- Die Grundlage für die modelltechnischen derts wurde für einen mittleren CO2 Ausstoß Untersuchungen zu den Auswirkungen klima- berechnet. Für das Einzugsgebiet des Alpen- tischer Änderungen auf den Bodensee sind rheins wird für die nächsten 25 Jahre eine Tem- verschiedene Klimaszenarien, die aus unter- peraturerhöhung von ca. 1,1 °C erwartet. Diese schiedlichen Klimamodellen und Modellket- nimmt bis Ende des Jahrhunderts auf über 3 °C ten resultieren. Diese werden im Folgenden zu. Die Unterschiede zwischen den Jahreszei- vorgestellt und die Methodik bei der Erstellung ten sind gering. Doch zeigt sich für das gesamte der Randbedingungen für die Seenmodelle aus Jahrhundert, dass die Erwärmung im Frühling diesen Szenarien näher skizziert. eher unterdurchschnittlich und im Sommer eher überdurchschnittlich verlaufen wird. Verwendete Klimaszenarien

Niederschlagsänderung Im 5. Bericht des IPCC (2014) wird auf der Basis einer umfassenden Analyse von zahlrei- Auch die in der Abb. 5 zusammengefasste chen Klimamodell- und Szenarienstudien mit Niederschlagsentwicklung bis zum Ende des einem Anstieg der mittleren globalen Lufttem- 21. Jahrhunderts wurde für einen mittleren CO2 peratur um 0,3 – 4,8 °C gerechnet. Die Zahlen Ausstoss berechnet. Die Abb. 5 zeigt für den beziehen sich auf die Differenz zwischen den gleichen Zeitraum und für die gleiche Auftei- Mittelwerten der Zeiträume 1986 – 2005 und lung der Jahreszeiten den Änderungsfaktor des 2081 – 2100. Die klimatischen Veränderungen Niederschlags im Einzugsgebiet des Alpen- werden allerdings nicht überall gleichmäßig rheins. Während in den nächsten 25 Jahren auftreten, sondern zeitlich und räumlich vari- keine feststellbaren Veränderungen zu befürch- ieren. Aussagen über Klimaänderungen in der ten sind, erwartet man am Ende des Jahrhun- Bodenseeregion wurden unter Federführung der derts eine deutliche Verringerung des Nieder- ETH Zürich und MeteoSchweiz untersucht und schlags im Sommer (-20 %). Ansonsten wird sind in MeteoSwiss (2011) beschrieben. Dabei davon ausgegangen, dass sich im gesamten 21. werden einerseits mit statistischen Methoden Jahrhundert die Niederschläge für die anderen regionale Szenarien ermittelt, und andererseits Jahreszeiten nicht wesentlich verändern. mit Hilfe von Modellketten aus globalen und

Abb. 6: Prognostizierte Temperaturänderungen in Güttingen für die Jahre 2035, 2060 und 2085 im Vergleich zur Referenzperiode 1980 – 2009; Projektionen mit verschiedenen Modellketten (Daten: MeteoSwiss, 2011).

19 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimatische Veränderungen

regionalen Klimamodellen lokale Veränderun- Eng verbunden mit dem Klimawandel sind die gen für einzelne Klimastationen ermittelt. In den hydrologischen Verhältnisse im Einzugsgebiet Modellketten wurden vier globale Klimamodel- des Bodensees. So wird der Einfluss der Schnee- le (ECHAM5, HadCM3, BCM, ARPEGE) sowie schmelze auf das Abflussregime der Boden- acht regionale Klimamodelle (RCA, CCLM, Had- seezuflüsse abnehmen. In MeteoSwiss (2011) CM3Q0, REMO, HIRHAM, RACMO, REGCM3, wird vermutet, dass Starkregenereignisse, die ALADIN) verwendet. Insgesamt wurden zehn bisher vor allem im Sommer vorkommen, in Kombinationen ausgewertet. Das zugrunde Zukunft auch im Winter auftreten können. Im liegende Emissionsszenario ist in allen Fällen Projekt KLIWA wird für Baden-Württemberg im A1B, das ein starkes zukünftiges Wirtschafts- Winter eine Zunahme des Niederschlags und wachstum, eine bis zur Mitte des Jahrhunderts im Sommer eine leichte Abnahme prognosti- zunehmende und danach abnehmende Welt- ziert (KLIWA, 2005). Für Hochwasserereignisse bevölkerung sowie die Entwicklung von neuen werden erhöhte Abflüsse erwartet. und effizienten Technologien zur Verringerung der Treibhausgasemissionen annimmt. Anwendung des Wettergenerators VG

Für die Klimastation Güttingen am Südufer Im nächsten Schritt wurden aus den vorge- des Bodensees wurden in MeteoSwiss (2011) stellten Projektionen zu den Klimaänderungen jeweils typische Jahresgänge der Lufttempe- realistische Ganglinien auf Tagesbasis für den raturveränderung für die drei Zeiträume 2021 Zeitraum von 2011 – 2085 erstellt, die dem – 2050, 2045 – 2074 und 2070 – 2099 im Seenmodell als meteorologische Randbedin- Vergleich zur Referenzperiode 1980 – 2009 gungen vorgegeben werden. Dazu wurde der ermittelt. Abb. 6 zeigt diese Änderungen für die von Schlabing et al. (2014) entwickelte, sto- drei Zeiträume jeweils für zehn Modellketten, chastische Wettergenerator VG verwendet. sowie die mittlere Änderung. Sowohl der Jahres- gang der Änderung als auch der Betrag variieren Der Wettergenerator VG benötigt als Eingabe stark in Abhängigkeit der verwendeten Modelle. meteorologische Messdaten der betrachteten Messstation über einen längeren Zeitraum. Für die in diesem Bericht durchgeführten Anhand dieser Daten charakterisiert der Wetter- Modellstudien wurden die Modellketten generator das Wetter dieser Station in Form von SMHI_HadCM3Q3_RCA (im Folgenden als statistischen Kenngrößen (Kreuz- und Autokor- SHR bezeichnet) und CNRM_ARPEGE_ALADIN relation). Im nächsten Schritt werden in einem (im Folgenden als CAA bezeichnet) sowie der autoregressiven Prozess künstliche meteorolo- Mittelwert verwendet. Die Modellketten SHR gische Zeitreihen erzeugt, die dieselben statis- und CAA wurden ausgewählt, da sie sich bei tischen Kenngrößen aufweisen wie die gemes- ähnlichem Mittelwert deutlich im Jahresgang senen Daten. Um nun die oben beschriebenen unterscheiden. CAA zeigt ausgeprägte jahres- Klimaszenarien zu erzeugen, kann dem Wetter- zeitliche Schwankungen der Temperaturerhö- generator eine Veränderung des Mittelwerts der hung mit einem Maximum im Sommer, SHR Lufttemperatur vorgegeben werden. Außerdem dagegen weist eine relativ hohe Erwärmung im kann auch die klimatische Variabilität verändert Winter auf. Neben der durch den Klimawandel werden. Die klimatische Variabilität wird be- bedingten Veränderung der Mittelwerte meteo- stimmt, indem von der vorgegeben Messreihe rologischer Größen gibt es auch Hinweise auf diejenigen Episoden ermittelt werden, in denen eine Veränderung deren Variabilität. Wie Schär die Temperatur höher oder niedriger war als der et al. (2004) sowohl anhand von Messdaten aus langjährige Mittelwert für den jeweiligen Tag im der Vergangenheit als auch anhand von Szena- Jahr. Die Standardabweichung der Abweichung riensimulationen aufzeigen, vergrößert sich die vom Mittelwert sowie der Mittelwert der Streuung der Lufttemperatur durch den Klima- Dauer dieser Episoden bestimmen die klimati- wandel, was zum Beispiel zu einem häufigeren sche Variabilität. Auftreten von Hitzewellen führt.

20 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Klimatische Veränderungen

Als Referenzzeitraum für die Eingangsdaten interpoliert. Dies ergibt den idealisierten Tem- wurden die Jahre 1980 – 2009 gewählt. Der peraturverlauf der Szenarien (Abb. 7). Diese Zeitraum von 30 Jahren entspricht dem Refe- Daten wurden dem Wettergenerator vorgegeben, renzzeitraum der Szenarien zur Klimaände- der realistische Ganglinien mit der Charakteris- rung in der Schweiz (MeteoSwiss, 2011). Die tik der Daten der Messstation Konstanz erzeugt verwendeten Messdaten stammen von der und dabei die klimatisch bedingte Temperatur- vom Deutschen Wetterdienst (DWD) betriebe- änderung des jeweiligen Jahres und Tages be- nen Messstation Konstanz. Von dieser Station rücksichtigt. Zusätzlich wurden Ganglinien mit liegen nahezu lückenlos Stundenwerte der für einer veränderten klimatischen Variabilität von das Seenmodell benötigten meteorologischen 4,0 °C / 10,0 Tage erzeugt. Abb. 8 zeigt exem- Messwerte vor. Die klimatische Variabilität in plarisch für den Zeitraum von 2010 – 2020 die den Temperaturmessdaten des Referenzzeit- so generierten Lufttemperaturen im Mittelwert- raums beträgt 2,33 °C / 5,4 Tage. Zur Erzeugung Szenario mit und ohne veränderte Variabilität. der meteorologischen Parameter für die Jahre Die größere Schwankungsbreite sowie deren 2011 – 2085 wurden die veränderten Jahres- längere Dauer bei veränderter Variabilität sind gänge der Lufttemperatur für die Jahre 2035, deutlich erkennbar. Die im Mittel ansteigenden 2060 und 2085 der drei oben beschriebenen Lufttemperaturen sind aufgrund des relativ Klimaszenarien verwendet. Für die übrigen kurzen Zeitraums nicht zu identifizieren. Jahre wurden die Temperaturänderungen linear

Abb. 7:

Idealisierte Temperatur- verläufe der verwendeten Szenarien.

Abb. 8:

Mit dem Wetterge- nerator generierte Ganglinien der Lufttemperatur im Mittelwert- Szenario mit und ohne veränderter Variabilität (Tages- mittelwerte).

21 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

4. Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf Wasseraustauschprozesse und die Wasserqualität des Bodensees

4.1. Wie sich Flusswasser im See ausbreitet

In diesem Kapitel soll die Ausbreitung von werden. Beispielhaft werden die Bregenzerach, Flusswasser im Bodensee anhand von der Alpenrhein und die Schussen betrachtet. Messungen und Simulationen untersucht

4.1.1. Messungen und Simulationen an der Bregenzerach

Im Rahmen von KlimBo wurde im April 2012 Abb. 10 zeigt die Messwerte an der Verankerung vor der Mündung der Bregenzerach in den im Jahr 2012 als Tagesmittelwerte zusammen mit Bodensee eine Messverankerung ausgebracht. dem Abfluss und der Schwebstoffkonzentration Diese misst die Wassertemperaturen in den der Bregenzerach. Zu Beginn der Messung im Tiefen 6, 9, 14, 19, 24 und 29 m in zeitlichen April liegen nur sehr schwach geschichtete Ver- Abständen von einer Minute. Im Folgenden hältnisse vor. Ab Ende April nehmen die Tempe- werden die Messergebnisse dieser Veranke- raturen in den geringen Wassertiefen deutlich zu rung aus dem Jahr 2012 analysiert und mit den und die Schichtung stabilisiert sich. Mitte Mai ist Ergebnissen aus Modellrechnungen verglichen. ein kurzzeitiger Anstieg auch in größeren Was- Die Position der Verankerung ist in Abb. 9 sertiefen zu erkennen, der keinem Hochwasser- dargestellt. ereignis in der Bregenzerach zuzuordnen ist.

Abb. 9: Position der Messverankerung im Jahr 2012 vor der Mündung der Bregenzerach im Bodensee.

22 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 10: Gemessene Wassertemperaturen an der Messverankerung (oben) und Abfluss sowie Schwebstoff- konzentration der Bregenzerach (unten, Quelle: HDV) im Jahr 2012 (Tagesmittelwerte).

Vielmehr scheint es sich dabei um die Schwingungen von ca. 3 bis 4 Tagen lässt als Auswirkungen eines Windereignisses zu Ursache auf die seeweite interne Kelvinwelle handeln. In Bregenz am Sporthafen werden schließen (Appt et al., 2004). Ende November in diesem Zeitraum Windgeschwindigkeiten haben sich die Temperaturen in allen Wasser- von über 7 m/s aus nördlichen Richtungen tiefen im Profil homogenisiert. registriert. Dadurch wird warmes Oberflächen- wasser aus der Bregenzer Bucht ans südliche Abb. 11 zeigt die berechneten Anteile von Ufer getrieben und die Sprungschicht sinkt Zuflusswasser aus der Bregenzerach an der dementsprechend ab. Anstiege der Wassertem- Messverankerung sowie die Einschichtungstiefe, peraturen in den sohlnahen Wassertiefen sind die als Tiefe des maximalen Anteils an Zufluss- allerdings auch während Hochwasserereignis- wasser definiert wurde, für den Zeitraum von sen zu erkennen. Schwebstoffbeladenes und April bis Dezember 2012. Der entscheidende damit schwereres Wasser aus der Bregenzerach Parameter für die Einschichtungstiefe ist im breitet sich dabei entlang der Seesohle aus. Dies Allgemeinen die Wassertemperatur der Bregen- ist z. B. während der Ereignisse am 4. Juni und zerach. Diese ist meistens etwas geringer als die am 26. August 2012 der Fall (schwarze Pfeile in Temperaturen im Epilimnion des Sees, weshalb Abb. 10). Ab Ende August nehmen die oberflä- sich das Wasser der Bregenzerach im Bereich chennahen Temperaturen ab, die Sprungschicht der Sprungschicht einschichtet. Ausnahmen sinkt ab und führt in größeren Wassertiefen zu davon bildet das schwere, schwebstoffbeladene einem leichten Anstieg der Temperaturen. Die Flusswasser während Hochwasserereignissen, Temperaturschichtung wird damit schwächer. das sich entlang der Seesohle ausbreitet. Im September bis Anfang Oktober sind periodische Schwankungen in allen Wasser- Diese sohlnahen Dichteströme während Hoch- tiefen zu erkennen, die zu Änderungen von bis wasserereignissen sind auch anhand der Tem- zu 4 °C führen. Die Periodendauer der peraturmessdaten erkennbar. Abb. 12 zeigt die

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 23 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

gemessenen Wassertemperaturen während des kommt es dagegen während dem Ereignis zu Hochwasserereignisses vom 04. Juni 2012 in einem starken Anstieg der Wassertemperaturen 6 m und in 29 m Wassertiefe gemeinsam mit von ca. 6 °C auf 16 °C. Dieser Effekt wird auch den Simulationsergebnissen. Bei der oberflä- vom Modell nachgebildet, allerdings ist hier die chennahen Messung sind praktisch keine Verän- Temperaturänderung nicht ganz so ausgeprägt derungen der Wassertemperatur zu erkennen. wie in der Messung. Bei der sohlnahen Position in 29 m Wassertiefe

Abb. 11: Anteile des Zuflusswassers der Bregenzerach (Farbskala) im Profil an der Messverankerung sowie Tiefe des Maximalwerts (schwarz) im Jahr 2012.

Abb. 12: Gemessene und berechnete Wassertemperaturen in 6 m und 29 m Wassertiefe an der Messverankerung im Juni 2012.

24 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Mündungsbereiche des Alpenrheins (links) und der Bregenzerach (rechts).

4.1.2. Bedeutung der Schwebstoffe für die Einschichtung des Alpenrheins

Schwebstoffe in Zuflüssen sind von mehrfacher solcher Abtauchereignisse wie auch die Menge Bedeutung für Seen. Neben Temperatur und an Wasser und die Tiefe, in die sie vordringen, gelösten Stoffen bestimmen sie die Dichte des hängt von der Häufigkeit und Stärke der Hoch- Zustromes und somit die vertikale Verteilung wasserereignisse im Alpenrhein ab. Klimatische des Flusswassers im See. Insbesondere bei Veränderungen, wie sie in den letzten Jahr- Hochwasser taucht das Flusswasser in den See zehnten beobachtet wurden, verändern auch ab und dringt als Dichtestrom entlang des See- die hydrologischen Vorgänge in den Einzugs- grunds in die Tiefe vor. Durch Einmischung von gebieten. So werden in den Alpen deutliche Seewasser und Sedimentation der Schwebstoffe Umverteilungen des Abflusses erwartet (Mid- verringert sich der Dichteunterschied zwischen delkoop et al., 2001). Vor diesem Hintergrund Seewasser und Dichtestrom. Das Absinken des stellt sich die Frage, wie der Klimawandel die Dichtestroms endet in einer Gleichgewichts- Häufigkeit von Tiefenwassererneuerungen tiefe oder bei der maximal möglichen Tiefe. Bei durch Zuflüsse im Bodensee, insbesondere diesem Prozess wird sauerstoffreiches Wasser durch den Alpenrhein, verändern wird. Welche der Zuflüsse in die entsprechende Seetiefe ein- Folgen haben die klimatischen Veränderungen getragen. Die Bedeutung für die Wasserqualität im Einzugsgebiet für den Partikeltransport bzw. des Sees liegt vor allem in der Erneuerung des die Sedimentfrachten in den Bodensee? Tiefenwassers. Sauerstoff (Lambert et al., 1984) und auch Wärme (Wüest et al., 1988) gelangen Hier wollen die vorliegenden Untersuchungen durch diesen Prozess, unabhängig von der win- vor allem zeigen, wie die Auswirkungen des terlichen Zirkulation, in große Tiefen. Klimawandels auf die Einschichtungen von Zuflusswasser in den Bodensee durch den Für den Bodensee ist vor allem der Alpenrhein Alpenrhein abgeschätzt werden können. Die als größter Zufluss von Bedeutung. Die Zahl Studie wurde in folgende Schritte gegliedert:

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 25 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

• Für verschiedene Abflussszenarien, die den. Zur Kalibrierung wurden Messungen der verschiedenen Auswirkungen des Schwebstoffkonzentration verwendet. Zwischen Klimawandels entsprechen, wurden Juni 2012 und Oktober 2013 wurde hierzu täg- synthetische Zeitreihen generiert. lich in Diepoldsau (Rietbrücke) dem Alpenrhein eine Wasserprobe entnommen. Da die Kalibrie- • Anschließend wurden für diese Abfluss- rung und Validierung sehr erfolgreich verliefen, zeitreihen die entsprechenden Zeitrei- wurden mit den synthetischen Zeitreihen für hen der Schwebstoffkonzentration die Abflussszenarien entsprechende Zeitreihen berechnet und die Schwebstofffrachten der Schwebstoffkonzentration ermittelt. für verschiedene Auswirkungen klima- tischer Veränderungen bestimmt. Häufigkeit von Tiefenwasserein- schichtung und deren Veränderung • Schließlich wurden für diese Szenarien von Abfluss und Schwebstoffkonzentra- Um die Abtauchwahrscheinlichkeit bestimmen tion die Statistiken der Abtauchwahr- zu können, wurde ein physikalisches Modell scheinlichkeiten und des Tiefenwasser- entwickelt, das die genannten Prozesse nachbil- austausches berechnet. det. Für einen gegebenen Zufluss mit entspre- chender Schwebstoffkonzentration und Tempe- Wie die hydrologischen Zeitreihen ratur berechnet das Modell die Tiefenschicht, bis in welche der Dichtestrom maximal vordringt generiert werden und dabei Sauerstoff einträgt. Auch die vertikale Temperaturverteilung im See wird für die Dich- In der Hydrologie werden seit den frühen teberechnung berücksichtigt. Mit den Szenarien 1960er Jahren autoregressive Modelle ver- des Zuflusses und der Schwebstoffkonzentra- wendet, um synthetische Abflusszeitreihen zu tion konnte so für jeden Tag der synthetischen generieren (Salas et al., 1980). In der vorliegen- Zuflusszeitreihen berechnet werden, ob und wie den Studie wurden Zeitreihen für den Abfluss tief der Alpenrhein in den See eindringt. generiert, deren statistischen Eigenschaften der gemessenen Zeitreihe gleichen. Abb. 13 zeigt Die Analyse zeigt, dass bei einer aktuellen den Vergleich von gemessenem Abfluss und Zuflussstatistik ein Abtauchen bis in die tiefste synthetischer Zeitreihe. Beide haben statistisch Stelle in 254 m Tiefe einen Zufluss (Tagesmittel) identische Eigenschaften. Für die Berechnungen von mehr als 1000 m³/s benötigt. Gleichzeitig der tiefen Einschichtungen für verschiedene müssen die Schwebstoffkonzentrationen im Zu- Klimaszenarien kann die Abflussstatistik entspre- fluss höher sein als 1450 mg/L. Generell hängt chend verändert werden (zum Beispiel verän- die maximale Eindringtiefe vom Abfluss, von derter saisonaler Verlauf, Maximalwerte oder der Schwebstoffkonzentration, von der Tempe- Ereignisdauer). ratur des Rheinwassers und von der Jahreszeit ab. Die Statistik der Abtauchwahrscheinlichkeit Zur Berechnung der Schwebstofffracht wird für zeigt, dass im Mittel alle 3,6 Jahre der Alpen- jeden AbflussQ die entsprechende Schweb- rhein bis in die tiefste Stelle (254 m) vordringt. stoffkonzentration SSC benötigt. Hier wurde ein Wenn sich die Hochwasserwahrscheinlichkeit Ansatz verwendet, der die Verfügbarkeit und erhöht, dann kommen Einschichtungen bis in Speicherung von Sedimenten im Einzugsgebiet die tiefsten Wasserschichten ebenfalls häufiger berücksichtigt (Fink & Wüest, 2014). Abb. 14 vor. Umgekehrt sinkt die Abtauchwahrschein- zeigt, dass insbesondere bei Hochwasserereig- lichkeit, wenn Hochwasserereignisse seltener nissen die Messwerte sehr gut reproduziert wer- auftreten und schwächer ausgeprägt sind.

26 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Damit sich die Abtauchwahrscheinlichkeit Das meiste Rheinwasser schichtet sich während wahrnehmbar verändert, ist jedoch eine deutli- des mittleren, normalen Abflusses in der Nähe che Veränderung im Hochwasserregime erfor- der Oberfläche des Sees ein und tauscht in der derlich, welche in diesem Maße gemäß den Schicht von 0 - 25 m jährlich im Mittel 36% Klimaszenarien nach CH2011 für den Alpen- des Wassers aus. Auch in 225 m bis 254 m Tiefe rhein nicht zu erwarten ist. erneuert der Rhein während der Hochwasserer- eignisse in einem Jahr 27% des Tiefenwassers. Eine Veränderung der Abfluss-Saisonalität Allerdings sind die Volumen der unteren Was- bewirkt eine deutliche Veränderung der Ab- serschichten topographiebedingt deutlich klei- tauchwahrscheinlichkeit. Bei mehr Abfluss im ner in Relation zum Zuflussvolumen und die Winter und reduziertem Abfluss im Sommer Austauschraten schwanken erheblich um diesen sowie einer Verschiebung des Jahresmaximums Mittelwert von 27%. Nimmt die Hochwasser- vom Juni in den Mai treten Ereignisse mit einer häufigkeit extrem ab, dann ist dies vergleichbar großen Eintauchtiefe seltener auf. mit einer veränderten saisonalen Verteilung des Abflusses.

Abb 13: Vergleich der gemessenen Durchflüsse des Alpenrheins am Pegel Diepoldsau (schwarze Linie) im Zeitraum 1984 bis 2013 mit synthetisch generierten Durchflüssen (blaue Linie). Beide Zeitreihen haben statistisch identische Eigenschaften.

Abb 14:

Vergleich der gemessenen Schweb- stoffkonzentrationen (schwarz) mit den berechneten Werten (blau) des Alpenrheins am Pegel Diepoldsau im Zeitraum Juni 2012 bis Oktober 2013. Während bei Durchflüssen bis etwa 500 m³/s die Berechnungen nur näherungsweise die gemessenen Schwebstoffkonzentrationen wieder- geben, stimmen diese im Durchfluss- bereich > 500 m³/s sehr gut überein.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 27 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Schlussfolgerungen Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die Hochwasserwahrscheinlichkeit im Die Ergebnisse für den Istzustand der Hochwas- Einzugsgebiet des Alpenrheins leicht abnehmen serstatistik und des Einschichtungsverhaltens wird. Daher werden die Abtauchereignisse in werden als zuverlässig angesehen, da sie auf Tiefen > 200 m und somit die Tiefenwasser- aktuellen Messungen basieren. Die zukünftige erneuerung durch den Alpenrhein (zu Gunsten Hochwasserstatistik ist naturgemäß ungewiss. von Tiefen 140 m bis 200 m) seltener statt- Durch verschiedene, begründete Szenarien finden. Auch die Sedimentfracht wird leicht wurde in dieser Studie versucht, ein breites zurückgehen. Spektrum dessen abzudecken, was an künftiger Veränderung möglich ist. In der Vergangenheit Die Ergebnisse der Studie können in drei haben wahrscheinlich großräumige atmos- Punkten zusammengefasst werden: phärische Zirkulationsstrukturen Perioden mit häufigen und Perioden mit weniger häufigen • Zunehmende Hochwasserhäufigkeiten Hochwasserereignissen verursacht (Jacobeit et erhöhen die Häufigkeiten einer Tiefen- al., 2003; Glur et al., 2013). Solche komplexen wassererneuerung durch Zuflüsse und Prozesse sind wohl der Grund, warum aktuell umgekehrt. keine klaren Trendmuster in den Hochwasser- zeitreihen zu erkennen sind (Svensson et al., • Eine Veränderung des saisonalen Verlau- 2005; Kundzewicz et al., 2005) und warum es fes des Abflusses, wie er durch den Regionen mit zunehmenden und Regionen mit Klimawandel verursacht wird, verrin- abnehmenden Häufigkeiten gibt. Solange diese gert die Häufigkeiten von Einschichtun- verursachenden Prozesse nicht verstanden gen in Wasserschichten von mehr als werden, liegt die Annahme , dass wir uns 200 m Tiefe. zum einen aktuell in einer Periode mit häufigen Hochwasserereignissen befinden und zum an- • Große Veränderungen im Hochwasser- deren, dass der erwartete Anstieg der globalen regime sind nicht wahrscheinlich. Lufttemperatur zu einer Abnahme der Hoch- Veränderungen im saisonalen Verlauf wasserhäufigkeiten im Alpenrhein führt (Glur et sind hingegen wahrscheinlich. Daher al., 2013). Modellsimulationen für das zukünf- ist in den nächsten Jahrzehnten mit tige Klima in den Alpen können noch keine einer leichten Abnahme der Häufigkeit verlässlichen Ergebnisse liefern. Die Modelle von tiefen Abtauchereignissen – und liefern jedoch die mittleren Abflussverhältnisse dem damit verbundenen Sauerstoffein- und deren mögliche zukünftigen Veränderun- trag – zu rechnen. gen (siehe Kapitel 3).

4.1.3. Simulationen zur Flusswasserausbreitung im See bei Hochwasserereignissen

Flusswasser, das mit hohen Sedimentkonzen- Hochwasserereignisse am Alpenrhein regel- trationen beladen ist, kann beim Eintritt in den mäßig zum Vordringen des Flusswassers entlang See einen Dichtestrom ausbilden und entlang des Seebodens ins Tiefenwasser, den sogenann- der Seesohle in tiefere Wassertiefen vordrin- ten Underflows. Im Folgenden soll anhand gen. Wie tief dieser Dichtestrom vordringt, ist von Simulationen aufgezeigt werden, welchen abhängig vom Impuls und Dichteunterschied Beitrag diese Ereignisse auf die Tiefenwasser- zwischen Seewasser und Flusswasser. Maßgeb- erneuerung des Bodensees leisten und welchen liche Parameter des Zustroms sind also dessen Einfluss die genannten Parameter des Zustroms Abfluss, Wassertemperatur und Schwebstoff- haben. konzentration. Am Bodensee kommt es durch

28 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Für die Modelluntersuchungen wurde das Ergebnisse Hochwasserereignis im Alpenrhein vom 4. Juni 2012 mit einem Spitzenabfluss von über Abb. 16 zeigt die Temperaturen am Seeboden 1400 m³/s ausgewählt. Der gemessene Abfluss etwa einen Tag nach dem Spitzenabfluss. Die und die mit Hilfe von Messdaten abgeleitete drei Verankerungen, an denen Messdaten zur Schwebstoffkonzentration sind in Abb. 15 Wassertemperatur vorliegen, sind als farbige dargestellt. Punkte eingezeichnet. Der Dichtestrom erreicht die Verankerungen WH und HI vor Wasserburg Um die Tiefenwassererneuerung zu quantifizie- und Langenargen, jedoch nicht den tiefsten ren, wurden zwei Markierungsstoffe im Modell Punkt des Sees (FU). Dieses Verhalten wird eingesetzt: Ein Tracer markiert das Wasser der auch von den Temperaturmessungen an den Zuflüsse Alpenrhein und Bregenzerach, der Verankerungen bestätigt. Abb. 17 zeigt den andere markiert das Wasser, das sich zu Beginn Vergleich der gemessenen und berechneten der Simulation in den obersten 20 m befindet Wassertemperaturen an der Verankerung WH („epilimnisches Wasser“). vor Wasserburg. Der Zeitpunkt und die Höhe des Anstiegs bei WH werden vom Modell exakt erfasst. Beim Profil FU ist sowohl bei der Messung als auch bei der Rechnung kein Temperaturanstieg zu erkennen.

Abb. 15: Abfluss und Schwebstoffkonzentration im Alpenrhein (Lustenau bzw. Diepoldsau) im Juni 2012.

50

40

30

20

10

km 10 20 30 40 50 60 Abb. 16: Simulierte Temperaturverteilung am Seeboden nach dem Hochwasser im Juni 2012.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 29 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Wertet man die Anteile von epilimnischem Wasser und Wasser aus den Zuflüssen nach 4,5 Tagen aus, so sieht man, dass das Wasser aus Epilimnion und Zuflüssen eine Tiefe von etwa 200 m erreicht (siehe Abb 18). In 100 m Tiefe betragen die beiden Anteile zusammen etwa 1,5%. Dabei ist der Anteil an epilimnischem Wasser deutlich größer als der des Zufluss- wassers. Der Dichtestrom aus dem Alpenrhein „reißt“ somit das epilimnische Wasser mit in die Tiefe, was den Tiefenwasseraustausch deutlich verstärkt.

In weiteren, fiktiven Modellszenarien wurde untersucht, welchen Einfluss die Größe des Hochwasserereignisses sowie die einzelnen Parameter Abfluss, Schwebstoffgehalt und Wassertemperatur auf den Tiefenwasser- Abb. 18: Anteil von Wasser aus den Zuflüssen und dem Epilimnion, Mittelwert in allen Tiefen, 8. Juni austausch haben. 2012 22:00 Uhr.

Das Hochwasserereignis vom Juni 2012 besitzt eine Jährlichkeit von ca. zwei Jahren. Angelehnt an dieses Ereignis wurden die Abflüsse und Schwebstoffkonzentrationen zweier Hochwas- Weitere Szenarien mit dem Abfluss des Juni- serereignisse mit Jährlichkeiten von vier und Hochwassers und veränderten Schwebstoff- acht Jahren erstellt (Abb. 19) und ein weiteres konzentrationen (75 %, 125 % und 150 %) Szenario mit einer Jährlichkeit von acht Jahren, sowie veränderten Wassertemperaturen wurden aber unveränderter Schwebstoffkonzentration. ebenfalls untersucht.

Abb. 17: Berechnete und gemessene Wassertemperatur an den Verankerungen WH (siehe Abb. 16).

30 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 20 zeigt für die einzelnen Szenarien den (a). Wenn nur der Abfluss erhöht wird und die Anteil an Fluss- und Epilimnionwasser unter- Konzentration der Schwebstoffe und halb 200 m Tiefe nach dem Hochwasserereig- damit auch die Dichte des Flusswassers kon- nis. Bei erhöhter Jährlichkeit steigt der Tiefen- stant bleiben, dann erhöht sich die Tiefen- wasseraustausch etwa linear mit dem Anstieg wassererneuerung trotzdem deutlich, wenn von Abfluss und Schwebstoffkonzentration an auch nicht ganz so stark wie im anderen Fall.

Abb. 19: Gemessener und erhöhter Abfluss im Alpenrhein und die entsprechenden berechneten Schwebstoffkonzentrationen.

Abb. 20: Austausch des Wassers unterhalb 200 m Tiefe durch Oberflächenwasser bei (a) verschiedenen Hochwasser- abflüssen, (b) verschiedenen Schwebstoffkonzentrationen und (c) verschiedenen Wassertemperaturen.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 31 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Bei gleichbleibendem Abfluss und variierter Maß als Abfluss und Schwebstoffkonzentration Schwebstoffkonzentration erreicht der Dich- (Abb. 20 c). Das Szenario mit einer Tempera- testrom mit einer reduzierten Schwebstoff- tur von 10,4 °C stellt das unveränderte Juni- konzentration und cmax von 5536 mg/l das Hochwasser dar. Eine Absenkung der Wasser- Tiefenwasser nicht (Abb. 20 b). Bei höheren temperatur verstärkt den Tiefenwasseraustausch. Konzentrationen steigt die ausgetauschte Da allerdings der Einfluss der geringeren Wassermenge linear mit der Schwebstoffkon- Wassertemperatur auf die Dichte des Rhein- zentration an. Eine Veränderung der Wasser- wassers deutlich geringer ist als der der ver- temperatur beeinflusst ebenfalls den Tiefenwas- änderten Schwebstoffkonzentrationen, ist die seraustausch, allerdings in einem geringeren Austauschrate ebenfalls geringer.

4.1.4. Flusswasserausbreitung in einer ausgedehnten Flachwasserzone: Simulationen zur Schussen

Simulationszeiträume

Es wurden vier Zeiträume ausgewählt, in denen tigten meteorologischen und hydrologischen für die jeweilige Jahreszeit typische Prozesse Randbedingungen wurden aus Messdaten der aufgezeigt werden. Die im Seenmodell benö- jeweiligen Zeiträume erstellt.

Abb. 21: Horizontale Ausbreitung des Zuflusswassers aus der Schussen zu verschiedenen Jahreszeiten, Mittelwert über den jeweiligen Simulationszeitraum. Der blaue Punkt gibt die Lage des Profils von Abb. 23 wieder.

32 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

• Frühjahr: Typische Prozesse im Frühjahr Simulationsergebnisse: Ausbreitung sind der Beginn der Entwicklung der des Zuflusswassers thermischen Schichtung, die jedoch anfangs noch sehr labil ist und daher Die horizontale Ausbreitung des Wassers aus von Schlechtwetterperioden und Stark- der Schussen wird stark durch den Wasser- winden wieder zerstört werden kann. Die stand beeinflusst. Abb. 21 zeigt die Anteile des Wassertemperatur in der Schussen ent- Schussenwassers im See anhand der über den spricht in etwa der Temperatur an der Simulationszeitraum gemittelten, vertikalen Seeoberfläche. Als Simulationszeitraum Maximalwerte zu jedem Zeitpunkt. Bei hohem wurde der April 2011 gewählt. Seewasserstand im Sommer durchmischt sich das Flusswasser schnell mit dem Seewasser und • Sommer: Im Sommer liegt im Bodensee breitet sich in alle Richtungen aus. Im Frühjahr eine stabile thermische Schichtung vor. und Herbst ist der Wasserstand im See nied- An der Oberfläche ist das Wasser meist riger. Dann sind trockenliegende Gebiete im mehr als 20 °C warm. In der Schussen Mündungsbereich zu erkennen, zwischen de- liegen die Temperaturen leicht unter nen sich das Flusswasser zunächst eher unver- den Seetemperaturen. Der Wasserstand mischt ausbreitet. Im Winter schließlich ist der ist im Sommer am höchsten, er liegt Wasserstand im See so niedrig, dass der Fluss Anfang Juli durchschnittlich 1,1 m über erst etwa 100 m weiter im See mündet. Zudem dem langjährigen Mittelwert. Im gewähl- ist im Winter die Temperatur des Flusswassers ten Simulationszeitraum im Juni 2012 lag im Mündungsbereich meist geringer als die des der Pegel Konstanz mit maximal 471 cm Seewassers im Freiwasser. Dies führt zu kalten sogar 1,6 m über dem langjährigen Dichteströmen am Seegrund, die Flusswasser Mittelwert von 311 cm. in größere Tiefen transportieren (Abb. 22), das heißt das Flusswasser sinkt an der Seesohle ab • Herbst: In dieser Jahreszeit treten oftmals und vermischt sich nach der Haldenkante mit Stürme auf, vor allem aus westlichen dem Freiwasser. Richtungen, die zur Abkühlung des See- wassers und zur Durchmischung der obe- Die vertikale Einschichtung des Flusswassers ren bis mittleren Schichten des Sees bei- wird von der thermischen Schichtung im Mün- tragen. Die thermische Schichtung im dungsbereich bestimmt. Abb. 23 zeigt exempla- See besteht noch, allerdings liegt die risch für den Sommer- und Winterzeitraum die Sprungschicht deutlich tiefer als im Wassertemperatur und den Anteil an Schussen- Sommer. Die Wassertemperatur der wasser. Schussen ist etwas geringer als die Tempe- ratur im Epilimnion. Der Simulationszeit- Die Lage des Profils ist in Abb. 21 durch die raum liegt im November 2009. blauen Punkte markiert. Bei geschichteten Ver- hältnissen, wie sie im Frühjahr- und Sommer- • Winter: Gegen Ende des Winters ver- zeitraum auftreten, schichtet sich das Wasser schwindet die thermische Schichtung. oberhalb der Sprungschicht ein. Direkt nach Die Flachwasserzone kühlt aufgrund dem Hochwasser am 13. Juni liegt die Ein- ihrer geringeren Tiefe schneller ab als schichtungstiefe aufgrund der geringeren Was- der Rest des Sees, es kommt zu sertemperaturen der Schussen im unteren Teil Dichteströmen aufgrund von Diffe- des Epilimnions, im restlichen Zeitraum eher rential Cooling. Die Temperatur der im oberen. Im Winter liegt keine thermische Schussen entspricht in etwa der Tem- Schichtung mehr vor. Das Flusswasser ist in der peratur an der Seeoberfläche. Der gesamten Wassersäule zu finden, allerdings nur gewählte Simulationszeitraum liegt im zu manchen Zeitpunkten. Februar 2009.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 33 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 22: Absinkendes Flusswasser (Dichtestrom) am 07.02.2009 um 20 Uhr: Tracerkonzentration (links) und Wassertemperatur (rechts) am Seegrund.

Abb. 23: Berechnete Wassertemperatur (oben) und vertikale Einschichtung des Zuflusswassers aus der Schussen (unten) im Sommer (rechts) und im Winter (links). Position der Beobachtungsstelle: Siehe Abb. 21.

34 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Aufgrund der höheren vertikalen Durchmi- Neben dem jahreszeitlich bedingten Einfluss schung sind die maximalen Anteile des Zufluss- aufgrund der vorherrschenden Temperatur- wassers geringer als im Sommer. Ähnliches gilt verhältnisse üben weitere, meist kurzfristigere für das gewählte Profil auch im Herbstzeitraum, Faktoren einen Einfluss auf die Ausbreitung des da dort die Sprungschicht bereits in Wassertie- Schussenwassers aus. fen von 30 m oder mehr abgesunken ist.

Abb. 24: Horizontale Ausbreitung des Schussenwassers: ca. Mittelwasser (links, 12. Juni 2012 12 Uhr, 15 m³/s) und Hochwasser (13. Juni 2012 8 Uhr, 48 m³/s).

Abb. 25. Ausbreitung des Schussenwassers bei ruhigem Wetter am 07.11. um 20 Uhr (links) und bei Starkwind am 04.11.2009 um 18 Uhr mit Strömungsvektoren.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 35 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

So ist bei Hochwasser eine weitere Ausbrei- ausbreitet, sorgt bei starkem Westwind die tung in Richtung Freiwasser zu beobachten, Strömung dafür, dass das Flusswasser in Ufer- auf Grund der größeren Wassermenge und des nähe bleibt. Aus den Strömungspfeilen in Abb. größeren Impulses der Flusswasserfahne (Abb. 25 rechts ist deutlich zu erkennen, dass auf 24). Eine entscheidende Rolle spielen auch die Grund des Westwindes das Schussenwasser ans vorherrschenden Windverhältnisse (Abb. 25). nördliche Ufer gedrückt wird und damit fast Während sich die Flusswasserfahne bei ausschließlich im Flachwasserbereich verbleibt. ruhigem Wetter auch in Richtung Freiwasser

4.2. Seeinterne Austauschprozesse

Im Jahr 1999 fegte der Orkan "Lothar" über den Bodensee hinweg. Sturmleuchte in Friedrichshafen.

4.2.1. Einfluss des Windes auf die vertikale Durchmischung

Wind über dem See führt zu einem Impuls- Um den Einfluss einzelner Windereignisse auf eintrag und steuert somit maßgeblich die ober- die vertikale Durchmischung und den Tiefen- flächennahen Strömungsverhältnisse. Dadurch wasseraustausch zu quantifizieren, wurden entstehende Turbulenzen treiben auch den ver- Simulationen mit einem gemessenen Stark- tikalen Wasseraustausch an. Bei geschichteten windereignis vom November 2008 unter Verhältnissen verursacht Wind interne Wellen, verschiedenen herbstlichen und winterlichen deren Energie aufgrund von Sohlreibung und Temperaturverhältnissen im See durchgeführt. Brechung ebenfalls in Turbulenz umgewandelt Um den nicht vom Wind beeinflussten verti- wird. Außerdem verstärkt Wind die Wärme- kalen Austausch einzuschätzen, wurden übertragung zwischen Atmosphäre und dieselben Szenarien auch ohne Wind simuliert. Wasseroberfläche. Die Ausbreitung verschiedener Wasserkörper

36 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

wurde in den Berechnungen hierbei durch • Profil 1: 17. November 2008 virtuelle Markierungsstoffe (Tracer) untersucht. (aus Online-Modell)

Randbedingungen • Profil 2: 30. November 2009 (Messung ISF) Aus den Messwerten der Windstationen rund um den See wurde ein linear interpoliertes, • Profil 3: 07. Januar 2013 (Messung ISF) zweidimensionales Windfeld über dem See erstellt, das für die Simulationen verwendet • Profil 4: 07. Januar 2008 (Messung ISF) wurde. Vom 20. bis zum 25. November 2008 kam der Wind aus südwestlichen bis westlichen • Profil 5: 11. Januar 2010 (Messung ISF) Richtungen. Die höchsten Geschwindigkeiten wurden mit 16 m/s am 21. November in Fried- • Profil 6: 02. Februar 2009 (Messung ISF) richshafen gemessen (Abb. 26). Die übrigen meteorologischen und hydrologischen Rand- Ein konservativer Markierungsstoff wurde in bedingungen wurden ebenfalls Messwerten den obersten 20 m mit der Anfangskonzen- entnommen. tration 100 eingesetzt. Im weiteren Verlauf der Simulation gibt die Markierungsstoffkonzentra- Anfangsbedingungen tion in einer gewissen Tiefe dann den Prozent- satz an epilimnischem Wasser in dieser Tiefe an. Die sechs verschiedenen Anfangstemperatur- profile (Abb. 27), die zur Simulation des Wind- Ergebnisse ereignisses verwendet wurden, entsprechen realen Verhältnissen. Profil 1 wurde den Ergeb- Abb. 28 zeigt links die Tiefenprofile des epilim- nissen des im Rahmen von BodenseeOnline nischen Wassers nach den Simulationen ohne (www.bodenseeonline.de) betriebenen Seen- Wind, rechts die mit Wind. Dargestellt ist der modells am entsprechenden Tag entnommen. Mittelwert über den gesamten See in der jewei- Die übrigen stammen aus Messungen des ISF. ligen Tiefe. Die waagrechte, grün gestrichelte Linie bei 20 m Tiefe stellt die Grenze des mar- kierten Wassers zu Beginn der Simulation dar.

Abb. 26: Windmesswerte in Bregenz (Sporthafen) und Friedrichshafen, November 2008.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 37 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

In den Simulationen ohne Wind hat sich das bei allen Temperaturverhältnissen wesentlich markierte Wasser durch turbulente Durch- zum vertikalen Austausch bei. Bei annähernd mischung bis in die Tiefe der Thermokline ungeschichteten Verhältnissen (Profil 6) sorgt er ausgebreitet. Im Fall von Profil 4, wo im An- für einen fast homogenen, vertikalen Austausch fangstemperaturprofil mehrere Stufen erkennbar der Wasserschichten. Ein vollständiger vertika- sind, breitet sich der Markierungsstoff bis zur ler Austausch findet allerdings selbst bei sehr obersten Sprungschicht in etwa 85 m Tiefe aus. schwachen Schichtungsverhältnissen nicht statt. In der Simulation mit Anfangsprofil 6 (unge- Somit kommt dem Wind hinsichtlich der Tiefen- schichtete Verhältnisse) breitet sich der Tracer wassererneuerung eine unterstützende, aber kei- auch ohne Wind schon bis 215 m Tiefe aus. Der ne dominierende Rolle zu. Ausnahmen hiervon vertikale Austausch wird hierbei in erster Linie können seltene, überdurchschnittlich windstarke durch konvektive Abkühlungsprozesse angetrie- Wintermonate bilden (Roßknecht et al., 2007). ben. Wie Abb. 28 rechts zeigt, trägt der Wind

Abb. 27:

Verschiedene Anfangstemperaturprofile, die für die Simulation des Windereignisses verwendet wurden.

Abb. 28: Anteile epilimnischen Wassers am Ende der Simulation im Tiefenprofil bei verschiedenen anfänglichen Tempe- raturverhältnissen im See ohne Wind (links) und mit Wind (rechts). Die waagrechte, grün gestrichelte Linie bei 20 m Tiefe stellt die Grenze des markierten Wassers zu Beginn der Simulation dar.

38 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

4.2.2. Aufenthaltsdauer des Wassers in der Flachwasserzone

Der Austausch zwischen litoralem und pela- (11., 13., 15. und 17. Juni, jeweils 00:00 Uhr) gialem Wasser lässt sich mit Hilfe von Aufent- die Flachwasserzone markieren (Abb. 30). haltszeiten des Wassers in der Flachwasserzone quantifizieren. Dazu werden im Modell die Abb. 31 zeigt den zeitlichen Verlauf der Kon- entsprechenden Flachwasserzonen mit einem zentration der verschiedenen Markierungsstoffe konservativen, d. h. nicht abbaubaren, Markie- im markierten Bereich der Flachwasserzone. rungsstoff belegt. Aufgrund von Vermischungs- Der Mittelwert der Konzentration nimmt in prozessen mit pelagischem Wasser und in Mün- etwa exponentiell ab. Je geringer die Tracerkon- dungsbereichen auch mit Flusswasser nimmt zentration ist, desto geringer ist der Anteil an diese Konzentration im Laufe der Simulation ab. Wasser, das bereits zum Markierungszeitpunkt Aus der zeitlichen Entwicklung der Tracerkon- in der Flachwasserzone war. Das markierte zentration kann die Aufenthaltszeit des Wassers Wasser hat sich im Freiwasser ausgebreitet und in der Flachwasserzone abgeleitet werden. in der Flachwasserzone befindet sich nun auch Wasser aus dem Freiwasser des Sees sowie von Entsprechend diesem Vorgehen wurden mit den Zuflüssen. dem Modell die Aufenthaltszeiten des Wassers in der Flachwasserzone vor dem Eriskircher Um die Aufenthaltszeit des Wassers in der Flach- Ried und der Schussenmündung bestimmt. wasserzone qualitativ abzuschätzen, kann eine Abb. 29 zeigt den Bereich, der im Modell mit Halbwertszeit für das Wasser im markierten einem Markierungsstoff belegt wurde. Da die Bereich bestimmt werden. Diese gibt an, in wel- Aufenthaltszeit in der Flachwasserzone von chem Zeitraum die Hälfte des Wassers im mar- Bedingungen wie Meteorologie und Abflussvo- kierten Bereich ausgetauscht wurde. Dazu wird lumen der Zuflüsse abhängt, wurden vier Tracer eine entsprechende Exponentialfunktion an die verwendet, die zu verschiedenen Zeitpunkten Kurven der Mittelwerte aus Abb. 31 angepasst.

Abb. 29: Markierter Bereich in der Flachwasserzone vor dem Eriskircher Ried und der Schussenmündung. (Kartengrundlage: LGL).

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 39 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

So ergeben sich für die vier Markierungszeit- am 13. Juni markiert wurde. Auch der vor dem punkte Halbwertszeiten von 1,11 (11.06.), 0,95 Hochwasserereignis zugegebene Tracer zeigt (13.06.), 1,65 (15.06.) und 1,74 Tagen (17.06.). eine relativ kurze Aufenthaltszeit. Am längsten Es lässt sich eine deutliche Abhängigkeit der verbleibt der zuletzt zugegebene Tracer in der Halbwertszeiten vom Abfluss der Schussen erken- Flachwasserzone. Nach dem 17. Juni liegen die nen. Die kürzeste Verweildauer hat das Wasser, Abflüsse in der Schussen fast durchgehend unter das kurz vor dem Spitzenabfluss des Hochwassers 10 m³/s.

Abb. 30: Abfluss (schwarze Linie) in der Schussen und Zeitpunkte (farbige Linien), zu denen die Flachwasserzone markiert wurde.

Abb. 31: Konzentrationsverlauf der Tracer für die 4 Markierungszeitpunkte (Abb. 2): Mittelwert (durchgezogene Linien) und Maximalwert (gestrichelte Linien) des markierten Bereichs.

Abb. 32: Markiertes Wasser in der Flachwasserzone: 1 h (links) und 36 h (rechts) nach Zugabe des Markierungsstoffes.

40 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 33: Räumliche Verteilung der Halbwertszeit des Wassers in der Flachwasserzone. Zu den Punkten A und B: siehe Text.

Abb. 34: Mengenanteile von Wasser aus der Schussen, der Flachwasserzone und dem Freiwasser nahe der Schussen- mündung (Punkt A, oben) und im Norden des Eriskircher Rieds (Punkt B, unten).

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 41 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Die Aufenthaltszeit des Wassers in der Flach- vom Schussenwasser verdrängt. Im Laufe der wasserzone ist lokal unterschiedlich. Abb. 32 Simulation liegt hier je nach Seeströmung zeigt den am 11. Juni zugegebenen Tracer 1 h abwechselnd Seewasser oder Schussenwasser und 36 h nach Zugabe. Die Konzentration vor. Die Halbwertszeit beträgt an dieser Stelle nimmt am stärksten ab im direkten Umfeld der 0,8 Tage. Am Punkt B, relativ dicht am Ufer Schussenmündung. Die höchsten Konzentra- und weiter entfernt von der Schussenmündung, tionen sind in den flachsten Bereichen ufernah spielt das Wasser aus der Schussen nur eine zu finden. Dies führt zu räumlichen Unterschie- untergeordnete Rolle. Das Wasser der Flach- den in der Aufenthaltszeit (Abb. 33). Vor der wasserzone wird hier nach und nach durch Mündung der Schussen am Punkt A wird das pelagisches Wasser verdrängt. Die Halbwerts- ursprünglich vorhandene Wasser relativ schnell zeit beträgt 3,2 Tage (Abb. 34).

Die Schussenmündung zwischen Eriskirch und Langenargen.

4.2.3. Horizontale Unterschiede in der winterlichen Auskühlung des Sees

Mit dem Begriff Differential Cooling wird das Je nach vorherrschenden Temperaturverhält- unterschiedliche Abkühlungsverhalten von nissen im See sowie den Lufttemperaturen im oberflächennahem Wasser im Freiwasser und Winter kommt dem Differential Cooling im in der Flachwasserzone beschrieben. Während Bodensee eine signifikante Rolle beim Tiefen- winterlicher Kälteperioden kühlt das Wasser an wasseraustausch zu, wie anhand von Profil- der Oberfläche ab und gewinnt an Dichte. Im messungen gezeigt werden konnte (Roßknecht Freiwasser entsteht vertikale Konvektion, bei et al., 2007). Im Folgenden soll nun mit Hilfe der sich kälteres, absinkendes Wasser durch eines hydrodynamischen Modells untersucht wärmeres, aufsteigendes Wasser austauscht. werden, welchen Einfluss diese beiden Faktoren Im Flachwasser ist diese vertikale Konvektion auf das Auftreten von Differential Cooling besit- aufgrund der geringen Tiefe beschränkt, was zu zen. Dazu wurden im Modell Flachwasserzo- geringeren Wassertemperaturen in der Flach- nen unterschiedlicher Ausdehnung (Bregenzer wasserzone im Vergleich zum Freiwasser führt. Bucht, Rheindelta, Schussen, Seefelder Bucht Das kältere, schwerere Wasser der Flachwas- bei Unteruhldingen und Steinach bei Arbon, serzone sinkt nun entlang der Seesohle ab und siehe Abb. 35) mit einem Markierungsstoff kann so zu einem Austausch des Tiefenwassers belegt, dessen Konzentration über den Simu- beitragen. lationszeitraum konstant gehalten wurde. Es wurden mehrere Modellrechnungen durchge-

42 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

führt, wobei jeweils verschiedene anfängliche Erste Voraussetzung für ein Auftreten von Temperaturverhältnisse im See sowie sehr kalte Differential Cooling ist eine schnellere Abküh- bis milde winterliche Wetterlagen abgedeckt lung des Wassers in der Flachwasserzone als im wurden. Auf diese Weise sollte die Bandbreite Freiwasser. Abb. 36 zeigt zwei Simulationen zur der winterlichen Verhältnisse, wie sie heute Abkühlung des oberflächennahen Wassers im sowie in Zukunft unter klimatisch veränderten Freiwasser und in den genannten fünf verschie- Bedingungen stattfinden, repräsentiert werden. denen Flachwasserzonen nach einer Simula- tionsdauer von fünf Tagen.

Abb. 35: Im Modell mit einem Markierungsstoff belegte Flachwasserzonen.

Abb. 36: Abkühlung des Wassers an der Seeoberfläche im Freiwasser und in verschiedenen Flachwasserzonen nach fünf Tagen.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 43 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 37: Abkühlung des Wassers an der Seeoberfläche im Freiwasser und in verschiedenen Flachwasserzonen nach fünf Tagen bei wärmeren Temperaturverhältnissen im See.

Die Berechnungen begannen mit typisch win- turdifferenz zwischen Freiwasser und Flachwas- terlichen Wassertemperaturen. Dabei wurden in serzonen deutlich größer als bei milden. Ganz einem Fall eine verhältnismäßig kalte – und im besonders trifft dies auf die Flachwasserzone anderen Fall eine milde winterliche Wetterlage des Rheindeltas zu, was sowohl an der großen – wie sie für die Zukunft als wahrscheinlicher Ausdehnung als auch an den vom See teilweise angesehen wird – zu Grunde gelegt. Bei kalten abgetrennten Bereichen (Fußacher Bucht) liegt. Verhältnissen ist erwartungsgemäß die Tempera-

Abb. 38: Maximale Absinktiefe des in verschiedenen Flachwasserzonen markierten Wassers bei verschiedenen Szenarien.

44 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 39: Anteil des in den Flachwasserzonen markierten Wassers an der Seesohle nach fünf Tagen Simulationsdauer bei erwärmtem See und kaltem Winter.

Bei Verwendung wärmerer, anfänglicher Tempe- am größten. Unter diesen Umständen kommt raturverhältnisse im See, wie sie bei den prog- dem Differential Cooling also eine stärkere nostizierten Temperaturänderungen um das Jahr Bedeutung hinsichtlich der Austauschprozesse 2080 auftreten könnten, sind die Unterschiede zu. Auffällig ist die relativ konstante Absinktiefe zwischen der Abkühlung des Freiwassers und von 61-63 m bei allen Szenarien in der Bregen- der Flachwasserzone nach fünf Tagen Simula- zer Bucht. Grund hierfür sind die Wassertiefen tionsdauer bei Verwendung derselben Wetter- in der Bregenzer Bucht, die maximal 60-65 m lagen deutlich größer (Abb. 37). Grund hierfür betragen. ist die größere Temperaturdifferenz zwischen Lufttemperatur und anfänglicher, oberflächen- Die Flachwasserzone Rheindelta weist beim naher Wassertemperatur. Dies weist darauf Szenario mit erwärmtem See und kaltem Winter hin, dass Differential Cooling unter klimatisch mit Abstand die größten Absinktiefen auf. Wie veränderten Bedingungen eine verstärkte Rolle bereits gezeigt, findet dort aufgrund der Lage spielen könnte. und Ausdehnung eine größere Abkühlung statt als in den anderen Flachwasserzonen. Das Inwieweit die beobachteten Temperaturunter- Absinken des Dichtestroms wird zusätzlich schiede zwischen Freiwasser und Flachwas- durch die Morphologie der Seesohle in diesem serzonen tatsächlich zu einem Absinken des Bereich begünstigt. Das Wasser des Rheins hat kälteren Wassers führen, soll anhand der ma- im See vor dessen ehemaliger Mündung eine ximalen Absinktiefe des in den verschiedenen tiefe, steil abfallende Rinne gebildet, in der nun Flachwasserzonen markierten Wassers nach der Dichtestrom, geschützt vor horizontaler der Simulationsdauer von fünf Tagen aufgezeigt Durchmischung mit dem Seewasser, absinkt. werden (Abb. 38). Tatsächlich ist die Absinktiefe Dieser Dichtestrom ist gut anhand der Anteile mit Ausnahme der Bregenzer Bucht bei allen des markierten Wassers aus den Flachwasser- Flachwasserzonen bei erwärmten Temperatur- zonen vor der alten Rheinmündung zu verhältnissen im See sowie kalten Wetterlagen erkennen (Abb. 39).

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 45 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

4.2.4. Winterliche Auskühlungs- und Durchmischungsprozesse und deren Beitrag zum Tiefenwasseraustausch

Neben dem Einfluss von Wind und Hochwas- • Pelagisches Epilimnion bis 10 m Wasser- serereignissen üben weitere Prozesse einen tiefe. Das pelagische Epilimnion wurde Einfluss auf die Tiefenwassererneuerung aus. hier definiert als Bereich mit Wasser- In erster Linie zu nennen ist hier die konvekti- tiefen größer 20 m, ausgenommen die ve Abkühlung. Dabei sinkt oberflächennahes, Bregenzer Bucht abgekühltes Wasser ab, im Gegenzug steigt wärmeres Wasser aus der Tiefe auf und es • Flachwasserzone bis 20 m Wassertiefe kommt zu einer vertikalen Durchmischung. Des Weiteren trägt Differential Cooling zum Tiefen- Die Tracer werden in den genannten Bereichen wasseraustausch bei (siehe auch Kap. 4.2.3). während der gesamten Simulation auf einer Konzentration von 100 festgehalten. Dadurch Um den Beitrag verschiedener Abkühlungs- wird z. B. alles Wasser, das sich irgendwann prozesse im See zur winterlichen Tiefenwasser- innerhalb der Simulation in der Flachwasserzo- erneuerung zu quantifizieren, wurde der Winter ne befunden hat, als solches markiert, und nicht 2011/2012 unter Verwendung verschiedener nur das, welches sich am Anfang der Simula- Tracer simuliert. Der Winter war zunächst eher tion dort befunden hat. mild. Eine erste Kältephase mit Lufttemperatu- ren von bis zu -5 °C an mehreren Tagen nach- Ergebnisse einander trat vom 14. bis 18. Januar ein. Eine zweite, starke Kältephase mit Temperaturen von Vor der ersten Kältephase dringt Wasser aus der bis zu -14 °C trat vom 1. bis 13. Februar ein Flachwasserzone und der Bregenzer Bucht bis (Abb. 40). in etwa 80 m Tiefe vor (Abb. 41 links). Während der ersten Kältephase im Januar findet Differen- Vier konservative Tracer wurden verwendet, tial Cooling statt. Eine besondere Rolle spielt welche die folgenden Bereiche markieren: hierbei die Bregenzer Bucht, die als Ganzes schneller auskühlt als der Rest des Bodensees • Bregenzer Bucht und große Dichteströme verursachen kann. Abb. 42 zeigt in dreidimensionaler Darstellung • Gesamtes Epilimnion einen Schnitt durch den See auf Höhe von bis 20 m Wassertiefe Wasserburg mit Blick in die Bregenzer Bucht am 22.02.2012 um 12:00 Uhr.

Abb. 40: Gemessene Lufttemperatur in Konstanz im Winter 2011/2012 (Quelle: DWD).

46 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 41: Tiefenprofile der Anteile von Wasser aus Bregenzer Bucht (BB) und Flachwasserzone (FWZ) vor (links) und nach (rechts) der ersten Kältephase.

Bregenz

Lindau ➞

Bregenz

Abb. 42: Dichteströmung auf Grund von Differential Cooling im Bereich der Bregenzer Bucht. Dreidimensionaler Ausschnitt durch den See am 22.02.2012 um 12:00 Uhr; Bereiche mit mehr als 50% Anteil Wasser aus der Bregenzer Bucht sind braun dargestellt.

Abb. 43: Tiefenprofile der Anteile von Wasser aus Bregenzer Bucht (BB), Flachwasserzone (FWZ) und Epilimnion nach der zweiten Kältephase; rechts vergrößerte Darstellung des Bereichs 0-10%.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 47 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Bereiche mit über 50% Wasser aus der Bre- ist als epilimnisches Wasser markiert, hat sich genzer Bucht sind braun dargestellt. Deutlich also zu irgendeinem Zeitpunkt der Simulation erkennbar ist ein Strom, der sich aus der Bre- in 0 bis 20 m Tiefe befunden. Das Wasser aus genzer Bucht sohlnah in Richtung Seemitte be- der Flachwasserzone spielt dabei mit weniger wegt. Allerdings wird der Effekt in diesem Fall als 2% nur noch eine untergeordnete Rolle. von einem starken Westwind verstärkt, der das Oberflächenwasser im Ostteil des Sees nach Auch bei klimatischen Änderungen werden unten drückt. Ende Januar ist Wasser aus der in Zukunft winterliche Abkühlungsprozesse Flachwasserzone und der Bregenzer Bucht bis eine entscheidende Rolle bei der Tiefenwasser- in 150 m Tiefe vorgedrungen (Abb. 41 rechts). erneuerung spielen. Um die Prozesse genauer untersuchen zu können, wurde ein Winter mit Abb. 43 zeigt, dass am Ende der zweiten Kälte- Vollzirkulation aus einer der Langzeit-Klima- phase eine vollständige Durchmischung statt- simulationen herausgegriffen und simuliert gefunden hat. Fast das gesamte Wasser im See (Winter 2084/2085, siehe Kap. 4.2.5).

Abb. 44: Wassertemperatur am Profil Seemitte vom 22. Januar bis 21. Februar 2085.

Abb. 45: Sauerstoffkonzentrationen am Profil Seemitte im Winter 2084/2085.

48 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 46: Wasseranteile aus unterschiedlichen Bereichen am Profil Seemitte im Winter 2084/85. Das Wasser aus dem "gesamten Epilimnion" (A) und aus der "Flachwasserzone" (C) wurde für die Schicht 0 – 20 m markiert, das Wasser des pelagischen Epilimnions (B) für die Schicht 0 – 10 m. In der Bregenzer Bucht (D) wurde der gesamte Tiefenbereich markiert.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 49 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Dieser Winter ist für heutige Verhältnisse relativ Allerdings ist die Konzentration an Wasser aus mild, die Monatsmittelwerte der Lufttemperatur dem pelagischen Epilimnion (Abb. 46 b) ganz liegen um einige Grad höher als die heutigen, unten geringer als z. B. in 100 bis 150 m Tiefe. langjährigen Monatsmittelwerte. Wie in der Anfang Februar erscheint Wasser aus der Flach- Simulation des Winters 2011/2012 wurden wasserzone (Abb. 46 c), in das Mitte Februar konservative numerische Tracer eingesetzt, um zusätzlich Wasser aus der Bregenzer Bucht Austauschprozesse sichtbar zu machen. einmischt (Abb. 46 d).

Abb. 44 zeigt das berechnete Temperaturprofil Im Vergleich zum Tiefenwasseraustausch im am tiefsten Punkt. Hier wird deutlich, dass die Winter 2011/2012, der in erster Linie durch Abkühlung an der Seesohle durch laterale Pro- konvektive Abkühlung angetrieben wurde, zesse bedingt ist. Am 31.01. beträgt die Tempe- dominiert beim Klimaszenario vom Winter ratur in allen Tiefen etwa 6,1 °C. Die vertikalen 2084/2085 das Differential Cooling. Dieser Unterschiede betragen weniger als 0,1 °C. An- Prozess könnte in Zukunft an Bedeutung gewin- fang Februar taucht an der Sohle Wasser auf, das nen, da aufgrund der höheren Wassertempera- mit einer Temperatur von etwa 5,8 °C kälter ist turen im See größere Dichteunterschiede bei als das in den darüber liegenden Schichten. Das entsprechend kühlen Lufttemperaturen entste- kältere Wasser in den tiefsten Schichten hat auch hen. Zudem ist aufgrund der Nichtlinearität eine höhere Sauerstoffkonzentration (Abb. 45). der Temperatur-Dichte-Beziehung der Dichte- unterschied bei gleichbleibender Temperatur- Die Tracer-Profile in Abb. 46 geben Aufschluss differenz bei höheren Temperaturen größer als über die Herkunft dieses Wassers: Ab Ende im Bereich um die 4 °C. Januar ist in allen Tiefen epilimnisches Wasser aus den obersten 20 m zu finden (Abb. 46 a).

4.2.5. Wie häufig erneuert sich das Tiefenwasser?

Wie im vorherigen Abschnitt gezeigt wurde, Modellaufbau kann sich unter klimatisch veränderten Bedin- gungen die Bedeutung einzelner Austausch- Für die Langzeitsimulationen wurde ein grobes prozesse verschieben. Es stellt sich nun die Modellgitter mit einer Modellzellengröße von Frage, wie sich die Wassertemperaturen im See 1200 m x 2500 m verwendet (Abb. 47). Als unter dem Einfluss des Klimawandels langfristig Anfangsbedingungen wurden Messdaten und verändern und wie dies die Dichteschichtung 53 Tiefschichten vom 11. Januar 2010 am Mess- beeinflusst, beispielsweise durch ungleiche Än- profil Fischbach-Uttwil verwendet (Temperatur, derung der Temperaturen im Epi- und Hypolim- Salinität, gelöster Sauerstoff, Nitrat, Phosphat). nion oder Verschiebung der Lage des Metalim- Als meteorologische Randbedingungen dienen nions. Auch eine Abschätzung des zukünftigen die drei in Kap. 3.3.2 vorgestellten Klimasze- Auftretens und der Häufigkeit von Wintern mit narien (Tab. 1). Für jedes dieser drei Szenarien Vollzirkulation ist von großem Interesse. Um wurden mit dem Wettergenerator vier Realisa- diese Fragen zu klären, wurden Langzeitsimu- tionen erstellt: zwei mit unveränderten Varia- lationen über den Zeitraum der Jahre 2010 bis bilität und zwei mit erhöhter Variabilität (Be- 2085 durchgeführt. Dabei wurden die für die zeichner vari). Niederschlagsdaten werden vom Bodenseeregion prognostizierten Änderungen Wettergenerator (Kap. 3.3.2) nicht generiert, der Lufttemperatur berücksichtigt. weshalb Messwerte aus dem Zeitraum 2000 bis 2010 wiederholt hintereinander verwendet wurden. Dasselbe gilt auch für die Zuflüsse (Abfluss, Temperatur, Wasserqualitätsparameter).

50 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Klimaszenario Bezeichner Bemerkung

Mittelwert avg Mittelwert der Jahresgänge verschiedener Modellketten

SMHI HadCM3Q3 RCA hr Relativ hohe Erwärmung im Winter

Ausgeprägte jahreszeitliche Schwankungen CNRM ARPEGE ALADIN aa der Temperaturerhöhungen mit starker Erwär- mung im Sommer

Tab. 1 Übersicht der für die Langzeitsimulationen verwendeten Klimaszenarien.

Abb. 47: Modellnetz für die Langzeitsimulationen mit einer Zellgröße von 1200 m x 2500 m.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 51 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Ergebnisse stärker erwärmt als die tieferen Wasserschich- ten, deren Veränderungen sich kaum unter- Das Seewasser erwärmt sich in fast allen scheiden. Das Epilimnion erwärmt sich in 75 Simulationen in allen Tiefenstufen, allerdings Jahren um 1,6 – 2,4 °C. Die darunter liegenden unterschiedlich stark. Abb. 48 zeigt den Schichten erwärmen sich um bis zu 1,5 °C. Verlauf der Wassertemperaturen in verschie- Ursache hierfür ist, dass der zusätzliche Wärme- denen Tiefenstufen im Zeitraum 2010 bis 2085 eintrag durch die Klimaänderungen nur sehr bei Verwendung des Klimaszenarios avg 1. Abb. langsam in tiefere Wasserschichten transportiert 49 zeigt die mittlere Erwärmung verschiedener wird. Zusätzlich bewirken kalte Winter mit Tiefenschichten des Zeitraums 2070 bis 2085 Vollzirkulation eine sprunghafte Abnahme der im Vergleich zum Referenzzeitraum 2000 bis Temperaturen, was zum typischen, sägezahnar- 2010 bei allen ausgewerteten Klimaszenarien. tigen Verlauf der Temperaturen im Tiefenwasser Auffällig ist, dass sich das Epilimnion deutlich führt. Dies ist auch der Grund, wieso bei den

Abb. 48: Berechnete Wassertemperaturen am Profil Fischbach-Uttwil in verschiedenen Tiefenstufen beim Klimaszenario avg 1.

52 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 49: Berechnete Erhöhung der Wassertemperatur in verschiedenen Tiefenstufen bei verschiedenen Klimaszenarien (Mittelwert 2070 bis 2085 minus Referenzzeitraum 2000 – 2010).

Abb. 50: Berechnete Schichtungsverhältnisse und die mittlere Tiefe der Thermokline im Zeitraum 15. August – 15. Oktober über die Jahre 2000 – 2010.

Szenarien mit erhöhter Variabilität die Än- Variabilität gar zu einer zukünftigen Abnahme derungen im Hypolimnion deutlich geringer der Temperaturen im Hypolimnion. Dies liegt sind als mit unveränderter Variabilität. Kalte daran, dass bei den aa-Szenarien die stärkste Winter „setzen“ die Temperatur im Hypolimni- Erwärmung im Sommer während geschichteter on wieder zurück auf einen geringeren Wert. Verhältnisse stattfindet. Dies zeigt sich auch bei Beim Szenario aa kommt es bei veränderter den aa-Szenarien mit unveränderter Variabilität.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 53 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 51: Tiefe des Metalimnions und Temperatur des Epilimnions, jeweils Mittelwerte über den Zeitraum 15. August – 15. Oktober aller Klimaszenarien.

Abb. 52: Anzahl der Vollzirkulationen bei den verschiedenen Klimaszenarien in 15-Jahres-Zeiträumen.

Bei spätsommerlich-herbstlichen Verhältnissen sowie die über den Zeitraum gemittelte Tiefe befindet sich die Thermokline (Schicht mit der Thermokline im Zeitraum 15. August bis 15. maximalem vertikalem Temperaturgradienten) Oktober. Die mittlere Temperatur im Epilimni- heute üblicherweise in 10 – 15 m Tiefe. on, also oberhalb der Thermokline, beträgt in Abb. 50 zeigt die berechneten Temperatur- diesem Zeitraum 9 °C. Abb. 51 zeigt die Tiefe verhältnisse der Jahre 2000 bis 2010 im Profil des Metalimnions und die mittlere

54 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Wassertemperatur im Epilimnion, gemittelt Um dies zu überprüfen, wurde gezählt, wie oft über alle Szenarien. Dargestellt ist für jedes Jahr innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren eine der Mittelwert über den Zeitraum 15. August Vollzirkulation stattfand. Eine Vollzirkulation ist bis 15. Oktober. Die mittlere Temperatur im hierbei definiert als ein Winter, bei dem an der Epilimnion nimmt von etwa 19 °C auf etwa tiefsten Stelle (Profil Fischbach-Uttwil) ein Ver- 22 – 23 °C zu. Die Tiefe der Thermokline bleibt schwinden der vertikalen Sauerstoffgradienten im selben Bereich wie 2000 bis 2010 (10 – 15 auftritt. Ausgewertet wurden die fünf 15-Jahres- m), zeigt aber einen leichten Trend hin zu einer Zeiträume 2010 – 2024, 2025 – 2039, 2040 geringeren Wassertiefe. Ursache hierfür dürfte – 2054, 2055 – 2069 und 2070 – 2084. Abb. 52 die länger anhaltende Temperaturschichtung zeigt die Auswertung für alle Szenarien. Die und das damit verbundene, spätere Absinken Ergebnisse streuen stark, aber die abnehmende der Sprungschicht sein. Tendenz ist deutlich zu erkennen. Während der See im Zeitraum 2010 – 2024 im Mittel der 10 Die unterschiedliche Erwärmung von Oberflä- Szenarien 7 bis 8 mal durchmischt, findet dies che und Tiefenwasser führt zu einer verstärkten zwischen 2070 und 2084 nur noch 5 bis 6 mal Stabilität der Schichtung. Aufgrund der zukünf- statt. Eine Ausnahme hiervon bilden aus oben tig milderen Winter und der damit verbundenen erwähnten Gründen die Simulationen des Kli- abgeschwächten Auskühlung des Sees ist zu er- maszenarios aa, die keine eindeutige Abnahme warten, dass Vollzirkulationen seltener werden. der Durchmischungsereignisse aufweisen.

4.3. Wie sich Austausch- und Durchmischungsprozesse auf die Wasserbeschaffenheit auswirken

Die Austausch- und Durchmischungsprozesse wurde. Für die Überprüfung der Modellierung im See haben einen großen Einfluss auf die ist es unerlässlich, die Prozesse im Bodensee Wasserbeschaffenheit und die ökologischen mit möglichst mehrjährigen Messprogrammen Prozesse im See. Diese Vorgänge können sich zu erfassen. Hierfür wurden die Konzentratio- im Zuge des Klimawandels ändern, was mit nen geeigneter Parameter über einen längeren Hilfe von Modelluntersuchungen untersucht Zeitraum und in seiner Tiefenverteilung verfolgt.

Luftbild des Bodensees aus östlicher Richtung.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 55 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

4.3.1. Spurenstoffe im Bodensee und seinen Zuflüssen

Messprogramm Bregenzerach, , , Goldach, , Lippbach, Lustenauer Zur Untersuchung der Austausch- und Durch- Kanal, Radolfzeller Ach, , Schussen, mischungsprozesse des Bodensees wurde im Seefelder Ach, Steinach, Stockacher Ach) sowie Projektzeitraum ein mehrjähriges Messpro- dem Ausfluss bei Konstanz von Juli 2011 bis gramm durchgeführt (Fleig & Schick, 2015). Juni 2014 in etwa quartalsweise gemessen. Als geeigneter Tracer (siehe Kapitel 2) für diese Zeitgleich wurden Tiefenprofile in der Mitte des Prozesse wurde N,N-Dimethylsulfamid (DMS) Bodensees (zwischen Fischbach und Uttwil) ausgewählt. Dieser Stoff ist das persistente und und in der Mitte des Überlinger Sees sowie im mobile Abbauprodukt (Metabolit) des Fungizids Nahbereich der Schussen beprobt. Tolylfluanid, das im Obst-, Wein- und Hopfen- anbau eingesetzt wurde. Seit 30.11.2010 ist Daneben sollte das Verhalten von DMS bei der Einsatz von Tolylfluanid EU-weit verboten. Extremereignissen erfasst werden. DMS ist im Wasser stabil und lagert sich nicht In einer Phase mit Niedrigwasser wurde vom an Feststoffpartikeln an. Die Konzentrationen 12. bis 29. März 2012 in der Friedrichshafener im Bodensee und in seinen Zuflüssen sind ana- Bucht eine intensive Untersuchungsreihe durch- lytisch gut erfassbar. Nach dem Verbot ist mit geführt, um zu klären, wie sich DMS-haltiges einem stetigen Rückgang der Konzentrationen Wasser der Zuflüsse Schussen und Rotach in zu rechnen. der Flachwasserzone verteilt. Dazu wurden Proben sowohl entlang der Flachwasserzone In einer Langzeituntersuchung wurden routine- als auch vom Zustrom in Richtung Freiwasser- mäßig die DMS-Konzentrationen in sechzehn bereich entnommen (Abb. 53). Zuflüssen (Alpenrhein, , ,

Abb. 53: Lage der Probenahmestellen. Links: Gesamtsee. Rechts: Probenahmestellen bei der Messkampagne im März 2012 vor der Rotach und der Schussen (Kartengrundlage: LGL).

56 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

1,2 120 Schussen Rotach Brunnisach 1,0 Lipbach 100 Seefelder Ach Q [m³/s]

in µg/L 0,8 80 onen 0,6 60 onzantrat i K 0,4 40 asserführung in m³/s W DMS - 0,2 20

0,0 0

Abb. 54: DMS-Konzentrationen in fünf stärker belasteten Zuflüssen am Nordufer des Bodensees sowie beispielhaft der Abfluss Q der Schussen.

3,0 Schussen

Rotach 2,5 Seefelder Ach

mg/ s 2,0 n

porte i 1,5 s n a r T - 1,0 DM S

0,5

0,0

Abb. 55: DMS-Transporte und Abfluss in drei stärker belasteten Zuflüssen am Nordufer des Bodensees. Um die langfristige Entwicklung darzustellen, wurden die hochwasserbeeinflussten Werte vom 11.6.2013 herausgenommen.

Schussen Rotach Brunnisach Lipbach Seefelder Ach c T c T c T c T c T [µg/L] [mg/s] [µg/L] [mg/s] [µg/L] [mg/s] [µg/L] [mg/s] [µg/L] [mg/s] 2007/08 0,80 8,96 1,90 4,04 2,35 - 0,90 - 0,76 2,56 2013/14 0,13 1,08 0,33 0,47 0,36 - 0,16 - 0,19 0,63 Restgehalt 16 % 12 % 17 % 12 % 15 % - 17 % - 25 % 24 %

Tab. 2: Mittelwerte der DMS-Konzentrationen c und DMS-Frachten T zu Beginn und Ende der Projektlaufzeit in stärker belasteten Zuflüssen am Nordufer des Bodensees.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 57 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Im Juni 2013 wurde zudem im Rahmen der Rückgang der DMS-Konzentrationen über die Langzeituntersuchung ein Hochwasserereignis Projektlaufzeit zu beobachten. erfasst, weil die Routineprobe vom 11.6.2013 in die Phase eines stark ansteigenden Hoch- In Abb. 55 zeigen die Transporte von Schus- wassers unmittelbar vor dem Scheitelpunkt fiel. sen und Rotach ebenfalls einen Rückgang der DMS-Belastungen an (Darstellung ohne hoch- Zum Vergleich wurden in die Betrachtungen wasserbeeinflusste Werte vom 11.6.2013). Für auch Daten der Arbeitsgemeinschaft Wasser- die Seefelder Ach ist ein Rückgang aus den werke Bodensee-Rhein (AWBR) vom 4.7.2007 bisherigen Daten nicht abzuleiten. aufgenommen, die ebenfalls am Scheitelpunkt eines Hochwassers gemessen wurden. Zudem Der Rückgang der Konzentrationen und Frach- wurden weitere Daten der AWBR aus den ten von DMS an den Flussmündungen wurde Jahren 2007 und 2008 zu Vergleichen herange- durch Vergleich der AWBR-Messdaten vom zogen. 4.7.2007 und 10.3.2008 mit dem letzten Jahr des KlimBo-Projekts (19.9.2013, 3.12.2013, Ergebnisse der Langzeitbeobachtung 5.3.2014, 5.6.2014) bilanziert (Tabelle 2).

Die Ergebnisse (Abb. 54) zeigen, dass trotz des In und Überlinger See wurden Tie- Anwendungsverbotes von Tolylfluanid weiter- fenprofile von der Oberfläche bis in Nähe des hin DMS über die Zuflüsse am nördlichen Ufer Seegrundes entnommen. Um die Veränderung eingetragen wird. Die Herkunft dieser DMS- der DMS-Konzentrationen zwischen Beginn Mengen wurde im Rahmen dieses Projektes und Ende des Messzeitraums zu veranschauli- nicht geklärt. Die DMS-Frachten der Zuflüsse chen, sind in Abb. 56 exemplarisch die ver- Schussen, Rotach und Seefelder Ach konnten tikalen DMS-Messprofile im Zeitraum vom bilanziert werden; für Lipbach und Brunnisach 6.3.2012 bis 27.9.2012 (Anfangsphase) sowie fehlen die zugehörigen Abflüsse. Deutlich vom 28.11.2013 bis 4.6.2014 (Endphase) für erkennbar ist der Einfluss des Hochwassers im zwei Messstellen (Seemitte des Obersees und Juni 2013 auf die DMS-Konzentrationen in den Überlingersee) wiedergegeben. Gut erkennbar Zuflüssen mit deutlich niedrigeren Konzentra- ist der Rückgang der DMS-Konzentrationen an tionen. Tendenziell ist in allen Gewässern ein beiden Messstellen, der mit etwa einem Drittel

0 0

-50 -20 m in m

in -100 -40 iefe T - iefe T -

-150 06.03.12 -60 06.03.12

Obersee 19.06.12 19.06.12

27.09.12 Überlingersee 24.09.12 -200 28.11.13 -80 28.11.13 06.03.14 06.03.14 04.06.14 04.06.14 -250 -100 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 DMS-Konzentration in µg/L DMS-Konzentration in µg/L

Abb. 56: DMS-Konzentrationen für die beiden Zeiträume vom 6.3.2012 bis 27.9.2012 sowie vom 28.11.2013 bis 4.6.2014 in Tiefenprofilen bei der Seemitte des Obersees (links) und im Überlinger Sees (rechts).

58 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

der Belastung abgeschätzt werden kann. Die In beiden Fällen wurden stark erhöhte Frachten langfristige Entwicklung der DMS-Konzentra- (Tab. 3) sowie 2013 ein leichter Rückgang der tionen im Freiwasserbereich des Sees ist auch Konzentrationen (vgl. Abb. 54) beobachtet. in den Messwerten der Seewasserwerke (Kap. 4.3.2. Abb. 53) zusammen mit Ergebnissen aus Für die Fracht wird ‚<‘ angegeben, wenn eine Modellberechnungen dargestellt. Frachtberechnung nicht möglich ist. Mehr als die Hälfte der ermittelten Konzentrationen Niedrigwasserperiode März 2012 liegen unterhalb der Bestimmungsgrenze.

Während der Niedrigwasserperiode im März Die Wassermenge, die in den regenreichen 2012 liegen die DMS-Konzentrationen in der Monaten Mai und Juni 2013 zusätzlich dem Rotach bei 0,5 – 0,65 µg/l und bei der Schus- See zu- und abgeführt wurde, kann mit ca. sen im Bereich 0,14 – 0,2 µg/l, während sie in 0,91 Mrd. m³ abgeschätzt werden. Dies ent- der Seemitte des Obersees bei 0,06 µg/l liegen spricht in etwa 8 % des Jahresdurchflusses. (Abb. 56). Die Konzentrationen an der Rotach Dieser „Spülprozess“ hat zu einer entsprechen- (Abb. 57 oben) zeigen, dass sich die Fluss- den Reduzierung des DMS-Gehalts im gesam- wasserfahne anfänglich in Richtung östliche ten See beigetragen: An den Messstellen in Flachwasserzone (Messstelle R4) ausbreitet. Ab Seemitte des Obersees und des Überlinger Sees 14. März ist das Flusswasser bei der mittleren gingen die DMS-Konzentrationen im Mittel um Messstelle (R3) nachweisbar. Bei der westlichen ca. 0,01 µg/L längerfristig zurück. Messstelle (R1) kommt im Messzeitraum kein Flusswasser an, was die deutlich niedrigeren Veränderung der DMS-Mengen im DMS-Konzentrationen um 0,06 µg/l anzeigen. Bodensee Im Flachwasserbereich vor der Schussen ist die Die Tiefenprofile der DMS-Messungen (Abb. Unterscheidung zwischen Fluss- und Seewasser 56) erlauben, dass für die näherungsweise Be- auf Grund der geringeren Konzentrationsun- rechnung des DMS-Gehaltes im Bodensee eine terschiede schwieriger (Abb. 57 unten). Die weitgehende Gleichverteilung der Konzentra- meisten Messwerte sind jedoch merklich höher tionen angenommen werden kann. Zugrunde als im Freiwasser und zeigen damit eine Fluss- gelegt wurde das Wasservolumen des Boden- wasserbelastung an. Auch die weit vorgelagerte sees mit ca. 50 Mrd. m³. Die mittlere Konzen- Messstelle S6, die bereits an der Abbruch- tration zum Projektbeginn betrug damit kante der Flachwasserzone gelegen ist, zeigt ca. 0,054 µg/L und verringerte sich zum nur am 13. März niedrige Werte wie im Projektende auf 0,035 µg/L. Somit reduziert Freiwasser an. Im südlichen Bereich (S7/S8) sich der DMS-Gehalt des Bodensees von sind die DMS-Konzentrationen meist weniger anfänglich ca. 2,74 t um ca. ein Drittel auf belastet und zeigen, dass sich das Flusswasser mittlerweile ca. 1,75 t. dorthin weniger ausbreitet. Am 19./20.3.2012 zeigen die höheren DMS-Werte jedoch auch Zum Zeitpunkt der AWBR-Untersuchungen dort eine stärkeres Einmischen der Flusswasser- 2007/2008 wurden über die zehn abfluss- fahne an. stärksten Zuflüsse insgesamt 10,4 mg/s DMS in den Bodensee eingetragen. Gleichzeitig Hochwasserereignis Juni 2013 verließen 13,7 mg/s den See über den Ausfluss. Zum Ende der KlimBo-Untersuchungen im Jahr Die Routineprobe vom 11.6.2013 fiel in die 2014 betrug der Zustrom an DMS in diesen Phase eines stark ansteigenden Hochwassers Zuflüssen 2,8 mg/s und der Austrag im Aus- unmittelbar vor dem Scheitelpunkt. Hiermit strom 11 mg/s. Dies belegt einen deutlichen vergleichbar ist die AWBR-Probenserie vom Austrag von DMS aus dem See. 4.7.2007 am Scheitelpunkt eines Hochwassers.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 59 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

T [mg/s] 04.07.2007 11.06.2013 Projektende

Steinach 0,08 0,11 0,04

Salmsach 0,16 0,08 0,01

Argen 5,67 < 0,44

Schussen 13,44 6,23 1,08

Rotach 6,53 2,62 0,47

Seefelder Ach 3,9 1,73 0,63

Stockacher Ach 0,48 0,32 0,36

Radolfzeller Ach 0,29 0,13 0,16

Tab. 3 DMS-Frachten T in ausgewählten Zuflüssen während der beobachteten Hochwasserereignisse im Vergleich zu den Frachten am Projektende. Für die Fracht wird ‚<’ angegeben, wenn eine Frachtberechnung nicht möglich ist. Mehr als die Hälfte der ermittelten Konzentrationen liegen unterhalb der Bestimmungsgrenze.

1,0 N,N-Dimethylsulfamid Flachwasser, R1 Rotach Mündung, R2 Flachwasser, R3 0,8 Flachwasser, R4

0,6 µg/L in

0,4 Konzentration

0,2

0,0 12.3. 13.3. 14.3. 15.3. 16.3. 17.3. 18.3. 19.3. 20.3. 21.3. 22.3. 23.3. 24.3. 25.3. 26.3. 27.3. 28.3. 29.3.

0,35 Schussen Mündung, S3 N,N-Dimethylsulfamid Flachwasser, Mittelwert S4/S5 0,30 Abbruchkante, S6 Flachwasser, Mittelwert S1/S2 Flachwasser, Mittelwert S7/S8 0,25 µg/L

in 0,20

0,15 Konzentration

0,10

0,05

0,00 12.3. 13.3. 14.3. 15.3. 16.3. 17.3. 18.3. 19.3. 20.3. 21.3. 22.3. 23.3. 24.3. 25.3. 26.3. 27.3. 28.3. 29.3.

Abb. 57: DMS-Konzentrationen in Rotach (oben) und Schussen (unten) mit jeweils vorgelagerter Flachwasserzone während der Intensivmesskampagne vom 12. bis 29. März 2012. Stationen vgl. Abb. 53.

60 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

4.3.2. Spurenstoff-Simulationen

Langzeit-Simulation 2007 – 2014 Am 4.7.2007 und am 10.3.2008 wurden durch die AWBR DMS-Konzentrationen in 16 Boden- Eine Simulation zur Nachbildung der langfristi- see-Zuflüssen gemessen. Am 28.4.2009 wurde gen Entwicklung der Konzentration von Dime- im Auftrag der IGKB eine Spurenstoff-Messkam- thylsulfamid (DMS) im Bodensee wurde für die pagne in den Bodensee-Zuflüssen durchgeführt. Jahre 2007 – 2014 auf Basis des im Kap. 4.2.5 Im Rahmen von KlimBo wurde in den Jahren beschriebenen groben Modellnetzes durchge- 2011 – 2014 an insgesamt 13 Terminen DMS- führt. In dieser Simulation wird der Spurenstoff Konzentrationen in den Zuflüssen gemessen DMS durch einen konservativen numerischen (siehe Kap. 4.3.1). Anhand dieser gemessenen Tracer dargestellt. Die berechnete Tracerkon- DMS-Konzentrationen wurden mit Hilfe der zentration entspricht dabei der DMS-Konzentra- Tagesmittelwerte der Abflüsse an den jeweiligen tion in ng/l. Tagen DMS-Frachten für jeden Zufluss ermittelt. Aus diesen Frachten wiederum werden mit Hilfe Die Anfangs- und Randbedingungen für diese der gemessenen Abflussganglinien Konzentra- Simulation werden aus Messdaten der Arbeits- tionsganglinien berechnet. Dieses Vorgehen ba- gemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein siert auf der Annahme, dass durch jeden Zufluss (AWBR) und des Technologiezentrum Wasser eine einigermaßen konstante DMS-Fracht in den (TZW) ermittelt. See transportiert wird, und daher die Konzent- ration bei höherem Abfluss geringer ist als bei Die ersten vorliegenden DMS-Messungen im niedrigerem. In den Zuflüssen Rotach, Schus- Seewasser sind Daten der Seewasserwerke aus sen, Argen, Leiblach, Alter Rhein und Steinach dem Jahr 2007. Gemessen wurde die DMS-Kon- ist ein abnehmender Trend zu beobachten. Für zentration im Rohwasser, das in 40 – 60 m Tiefe diese Gewässer wurden daher die Frachten für entnommen wird. jedes Jahr einzeln berechnet. Für die Jahre ohne Messung wurden die Frachten des nächsten Die Simulation startet im März 2007. Aus den darauffolgenden Jahres mit Messung verwendet. an den Seewasserwerken gemessenen Werten Für die übrigen Zuflüsse (Alpenrhein, Bregenze- wird durch Mittelung ein Wert für den Simula- rach, Dornbirnerach, Goldach, , tionsbeginn ermittelt, der als einheitliche An- und Salmsacher Aach wurde fangsbedingung für den ganzen See verwendet jeweils eine konstante Fracht über den gesamten wird. Der Wert beträgt 90 ng/l. Simulationszeitraum angenommen.

Abb. 58: Berechnete DMS-Konzentration (seeweiter Mittelwert), Messungen an der Entnahme der BWV in 60 m Tiefe und Mittelwert der an den übrigen Seewasserwerken (SWW) gemessenen Werte.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 61 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 59: Berechnetes Profil der DMS-Konzentration bei der Seemittestation zwischen Fischbach und Uttwil.

Die berechnete mittlere DMS-Konzentration Einfluss des Alpenrheins: Sowohl im Sommer im gesamten See (Abb. 58) nimmt im Laufe des (Beispiel 14.8.2008) als auch im Winter (Bei- Simulationszeitraums (7,5 Jahre) von 90 ng/l spiel 6.3.2012) ist die Konzentration im östli- auf 44 ng/l ab. Die Abnahme erfolgt vor allem chen Seeteil geringer. Die höchsten Konzentra- im Sommer, wenn die Zu- und Abflussvolumi- tionen sind in der Friedrichshafener Bucht zu na höher sind. Diese Werte entsprechen einer finden. Abnahme des Gesamtinhalts im Bodensee von 4,5 t auf 2,2 t DMS bei Annahme eines Was- An der Seemitte-Messstelle Fischbach-Uttwil servolumens von 50 Mrd. m³. Verglichen mit wurde die DMS-Konzentration in verschiede- dem Messzeitraum von 2012 – 2014 (vgl. Kap. nen Tiefen gemessen (Abb. 61). In allen Tiefen 4.3.1) haben die berechneten Werte von 3,6 ist ein abnehmender Trend zu beobachten, der t (Messung 2,74 t) auf 2,2 t (1,75 t) abgenom- vom Modell nachgebildet wird. Oberflächen- men. Die gemessenen Werte liegen also in der nah sind die jahreszeitlichen Schwankungen gleichen Größenordnung, die Abnahme um sowohl in der Messung als auch in der Rech- etwas mehr als ein Drittel ist bei Rechnung und nung ausgeprägter als in den Tiefen größer 100 Messung fast identisch. Der Ein- und Austrag m. Neben der Durchmischung, die im Win- wird somit vom Modell sehr gut abgebildet. terhalbjahr DMS-haltigeres Wasser nach oben transportiert, dürfte dies auch an der Wasser- Die berechnete vertikale Verteilung des Spu- führung des Alpenrheins liegen. Dieser führt renstoffs in Seemitte am Profil Fischbach-Uttwil im Winter weniger Wasser und trägt damit mit (Abb. 59) zeigt einen deutlichen Jahresgang: seinen geringen DMS-Konzentrationen weni- Während geschichteter Verhältnisse im Sommer ger zur Verdünnung der DMS-Konzentration geht im Epilimnion die Konzentration zurück, bei. Im Sommer führt der erhöhte Zufluss des da die größten Zuflüsse (Alpenrhein, Bregen- Alpenrheins dahingegen zu fallenden DMS- zerach) nur sehr geringe DMS-Konzentrationen Konzentrationen in den oberen Schichten des bringen und daher verdünnend wirken. Im Bodensees. Winter wird dann durch vertikale Mischung die Konzentration in der gesamten Wassersäule Im Wasser, das bei Konstanz durch den See- angeglichen. rhein den Bodensee (Abb. 62) verlässt, sind die Konzentrationen ähnlich wie die oberflächen- Auch die horizontale Verteilung der DMS-Kon- nahen Konzentrationen in der Seemitte. zentration (Abb. 60) zeigt den verdünnenden

62 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 60: Berechnete DMS-Konzentration an der Seeoberfläche am 14.8.2008 (links) und 6.3.2012 (rechts).

Abb. 61: DMS-Konzentrationen an der Seemitte-Messstelle in Messung und Rechnung.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 63 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 62: DMS-Konzentration in Messung und Rechnung am Ausfluss in Konstanz.

Simulation der Messkampagne 2012 näherungsweise ungeschichtete Verhältnis- März 2012 se im See vorlagen, wird jeweils ein konstanter Wert für den gesamten See angenommen. Die Simulation der Messkampagne im Flachwasserbereich der Friedrichshafener Bucht Die Simulationsergebnisse zeigen deutlich im März 2012 wurde auf einem lokal auf erhöhte Spurenstoffkonzentrationen im 50 m x 50 m verfeinerten Modellnetz durch- Bereich der Mündungen der Zuflüsse Rotach geführt. Dabei wurde nicht nur DMS berück- und Schussen (Abb. 63). sichtigt, sondern es wurden auch die Spuren- stoffe 4-Methylbenzotriazol, 5-Methylbenzo- Der Vergleich der berechneten Ganglinien an triazol, Acesulfam und Benzotriazol, die bei den 3 Messpunkten vor der Rotachmündung den Untersuchungen von der AWBR zusätzlich (Abb. 64) zeigt, dass die Seeströmung das Was- gemessen wurden, in die Betrachtungen mit ser aus der Rotach meist nach Süden Richtung aufgenommen. Messstelle 3 verdriftet. An der Messstelle 1 (Friedrichshafen Hafenturm) liegt in etwa die Der Simulationszeitraum umfasst den 1. bis Hintergrundkonzentration vor, die im gesamten 30. März 2012. Genauso wie in der Langzeit- See zu finden ist. Dies kann auch in den Simulation werden die Spurenstoffe durch Messungen so beobachtet werden. konservative Tracer dargestellt. Die Spurenstoff- konzentrationen in den Zuflüssen wurden im Bei den Messungen an der Schussenmündung Simulationszeitraum an neun Terminen gemes- wurden die höchsten Konzentrationen auf den sen. Mit Hilfe der Tagesmittelwerte wurde für Messpunkten von der Mündung in Richtung jeden Messtermin eine Fracht ermittelt. Diese Freiwasser gemessen. Ebenfalls erhöhte Werte Frachten wurden interpoliert und mit Hilfe der der beiden analysierten Spurenstoffen konnten gemessenen Abflüsse in kontinuierliche Kon- ufernah südlich der Mündung festgestellt wer- zentrationsganglinien umgerechnet. den. Dies spricht für ein ufernahes Abdriften des Schussenwassers in Richtung Süden. Anfangskonzentrationen im See waren die am 6.3.2012 bei der Seemitte am Profil Fischbach- Uttwil gemessenen Werte. Da Anfang März

64 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 63: Gemessene (Punkte mit Messwerten) und berechnete (s. Farbskala) Konzentrationen von Acesulfam (links) und DMS (rechts). Alle Konzentrationen in ng/l.

Abb. 64: Gemessene und berechnete DMS-Konzentrationen im Bereich der Rotach-Mündung.

Tracersimulationen zur Ausbreitung 1200 m x 2500 m, nur Obersee). Der Simula- und Aufenthaltsdauer von tionszeitraum umfasst die Jahre 2000 – 2009. Spurenstoffen im See Jeweils für ein Jahr wird das Zuflusswasser mit Anhand von Tracersimulationen soll ermittelt einem Tracer markiert (Eintragsphase). In den werden, wie sich über einzelne Zuflüsse einge- folgenden Jahren kann der Austrag des Tracers tragene Stoffe im See verteilen, und wie lange aus dem See verfolgt werden (Austragspha- es dauert, bis sie wieder ausgetragen worden se). Um den Einfluss von Meteorologie und sind. Dies wird am Beispiel der Zuflüsse Schus- Hydrologie abschätzen zu können, wird dies sen und Stockacher Aach durchgeführt. Die jeweils für mehrere Jahre durchgeführt. Die Schussen wurde ausgewählt, da sie überdurch- Tracerkonzentrationen im Zufluss sind jeweils schnittlich viele Schadstoffe in den See bringt, konstant. Die Prozentwerte in der Auswertung die Stockacher Aach aufgrund der Lage ihrer der Tracerkonzentrationen im See können daher Mündung am Ende des Überlinger Sees. als Prozent der Stoffkonzentration im Zufluss verstanden werden. Diese Tracersimulationen werden mit Hilfe des in Kap. 4.2.5 beschriebenen Modellaufbaus Im Gegensatz zu den beiden oben beschriebe- durchgeführt (grobes Modellnetz: nen Simulationen werden in dieser Simulation

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 65 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

keine Messdaten nachgebildet, sondern An- Bucht zu finden. Der Tracer aus der Stockacher nahmen getroffen, die theoretische und allge- Aach dagegen befindet sich hauptsächlich meinere Aussagen über die Ausbreitung und im Überlinger See (Abb. 68). Das tiefe Hypo- die Aufenthaltsdauer von Spurenstoffen im See limnion des Hauptbeckens wurde noch nicht erlauben. Die vertikale Verteilung von Stoffen, erreicht. die durch die Zuflüsse in den See eingetragen werden, verändert sich mit der Zeit und ist von Der seeweite Mittelwert der Tracerkonzentra- der thermischen Schichtung beeinflusst. tion (Abb. 69) ist am Ende der Eintragsphase am höchsten. Der absolute Wert unterschei- Abb. 65 zeigt die Konzentration von dem im Jahr det sich von Jahr zu Jahr in Abhängigkeit von 2000 durch die Schussen eingetragenen Tracer den hydrologischen Bedingungen. Im ersten am Profil Seemitte über die nächsten 10 Jahre. Jahr der Austragsphase geht die Konzentration Während der Eintragsphase ist die Konzentration relativ schnell zurück, da die Konzentrationen im Epilimnion am höchsten. Im nächsten Jahr im Epilimnion noch am höchsten sind. In den sind die höchsten Konzentrationen in darauf folgenden Jahren ist der Tracer ziemlich 50 – 100 m Tiefe zu finden, was an der un- gleichmäßig über die Wassersäule verteilt. Jetzt vollständigen Durchmischung im Winter nimmt die Tracerkonzentration etwas langsa- 2000/2001 liegt. Ab dem 2. Jahr der Aus- mer ab. Die Halbwertszeit, die sich aus einer tragsphase ist die Konzentration im gesamten an die Tracerkonzentrationskurve angepass- Hypolimnion annähernd gleich und geht jeden ten Exponentialfunktion ergibt, unterscheidet Winter etwas weiter zurück. Während der sich sowohl zwischen den Zuflüssen als auch Schichtungsperiode sind die Konzentrationen zwischen den Jahren. Bei beiden Zuflüssen im Epilimnion geringer als im Hypolimnion. geht die Konzentration des im ersten Jahr der In den Jahren 2007 und 2008 ist auch weiter Simulation (2000) eingetragenen Tracers am unten ein leichter Konzentrationsgradient mit schnellsten zurück. Dies liegt daran, dass im höheren Werten im Tiefenwasser zu erkennen, darauf folgenden Jahr (2001) die Abfluss- da sich in den vorausgegangenen Wintern der volumina der Zuflüsse überdurchschnittlich See nicht vollständig durchmischt hat. hoch waren, und dadurch ein relativer hoher Anteil des Seewassers ausgetauscht wurde. Die Konzentration des im Jahr 2000 durch die Stockacher Aach eingetragenen Tracers am Trotz der Lage am Ende des Überlinger Sees Profil Seemitte (Abb. 66) verhält sich ähnlich, werden die Tracer aus der Stockacher Aach allerdings sind hier die Werte deutlich gerin- schneller aus dem See ausgetragen als die aus ger, da der Zufluss geringer ist. Dadurch ist in der Schussen. Dies liegt daran, dass die der Eintragsphase und im ersten Jahr der Aus- Schussen-Tracer sich stärker auch ins tiefe tragsphase im tiefen Hypolimnion des Haupt- Hypolimnion ausbreiten, wohingegen die beckens noch kein Wasser aus dem Zufluss zu Tracer aus der Stockacher Aach länger in den finden (Konzentration < 0.01 %). Während der oberen Schichten bleiben. Austragsphase unterschreitet der Tracer gegenüber der Schussen früher den Wird die Aufenthaltszeit des Seewassers mit Schwellenwert von 0,01 %, zunächst im Hilfe eines zu Beginn der Simulation vollstän- Sommer im Epilimnion und dann zunehmend dig durchmischten Tracers ermittelt, so ergibt in der Gesamtwassersäule. sich eine mittlere Halbwertszeit von 4,9 Jahren. Die von der Schussen eingetragenen Tracer Zu Beginn der Austragsphase befindet sich der halten sich also etwas länger im See auf als das Tracer aus der Schussen (Abb. 67) vor allem im Seewasser im Durchschnitt. Die Tracer aus der Epilimnion des Hauptbeckens. Die höchsten Stockacher Aach haben eine etwas Konzentrationen sind in der Friedrichshafener kürzere Aufenthaltszeit im See.

66 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 65: Die dargestellten Simulationsergebnisse zeigen bei der Seemitte die vertikale Verteilung des Anteils an Wasser, das im Jahr 2000 durch die Schussen in den See eingetragen wurde und danach durch Austausch und Durch- mischung allmählich wieder verschwindet.

Abb. 66: Die dargestellten Simulationsergebnisse zeigen bei der Seemitte die vertikale Verteilung des Anteils an Wasser, das im Jahr 2000 durch die Stockacher Aach in den See eingetragen wurde und danach durch Austausch und Durchmischung allmählich wieder verschwindet.

Abb. 67: Simulationsrechnung zur Verteilung des im Jahr 2000 durch die Schussen eingetragenen Wassers im See am 21. Januar 2001: links: Maximalwert über die Tiefe, rechts: Längsschnitt durch den See.

Abb. 68: Simulationsrechnung zur Verteilung des im Jahr 2000 durch die Stockacher Aach eingetragenen Wassers im See am 21. Januar 2001: links: Maximalwert über die Tiefe, rechts: Längsschnitt durch den See.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 67 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 69:

Austrag der Tracer aus dem See. Dargestellt ist die Entwicklung der seeweiten Mittelwerte der Konzentrati- onen von Tracern, die in unterschied- lichen Jahre (2000 bis 2004) über die Schussen bzw. die Stockacher Aach in den See eingetragen wurden. Die rechnerischen Halbwertszeiten nach Ende des Tracereintrags betragen für die Schussen (bzw. Stockacher Aach) im Jahr 2000: 5,0 (3,7), 2001: 5,4 (4,8), 2002: 5,7 (4,9), 2003: 5,8 (4,8) und 2004: 5,9 (4,8) Jahre.

4.3.3. Sauerstoff

Vergleich mit Messdaten 2000 – 2010 in einer Tiefe von etwa 10 – 40 m. In der Pro- fildarstellung der Messdaten ist es deutlich zu Um Sauerstoffverhältnisse im Bodensee nachbil- erkennen (Abb. 70). Im berechneten Sauerstoff- den zu können, wurde das Seenmodell mit dem profil (Abb. 71) hingegen ist das Sauerstoffmi- Wasserqualitätsmodell CAEDYM gekoppelt (Hip- nimum zu weit oben zu finden: Hier sind die sey et al., 2007). Dieses Modell wurde im Rah- Konzentrationen im Epilimnion geringer. Dies men des Forschungsprojekts Bodensee-Online liegt möglicherweise an den angenommenen auf den Bodensee angepasst, parametrisiert und Sinkgeschwindigkeiten von Phytoplankton und verifiziert (Lang et al., 2008; Rinke & Rothhaupt, partikulärem organischen Material. Für wei- 2008; Eder et al., 2008). Im Rahmen von KlimBo tergehende Betrachtungen könnte hier durch wurde anhand der Messdaten im Zeitraum 2000 Kalibrierung eine Verbesserung erzielt werden. – 2010 die Parametrisierung des ökologischen Der Vergleich von gemessenen und berechneten Modells weiterentwickelt. Die Sauerstoffkonzen- Sauerstoffkonzentrationen in Abb. 72 zeigt, dass trationen im See (Abb. 70 und Abb. 72) werden sowohl der Jahresgang als auch die absoluten oberflächennah vom Austausch mit der Atmo- Konzentrationen in den vier verschiedenen Tie- sphäre und der Sauerstoffproduktion durch das fen vom Modell gut wiedergegeben werden. Die Phytoplankton dominiert. Weiter unten wird der niedrigen Konzentrationen, die im Herbst in 50 Sauerstoffgehalt von den vertikalen Austausch- m Tiefe in Zusammenhang mit dem metalimni- prozessen und der Zehrung durch Abbauprozes- schen Sauerstoffminimum auftreten, sind im Mo- se bestimmt. Dadurch nimmt die Sauerstoffkon- dell nicht in dieser Ausprägung vorhanden. Und zentration mit zunehmender Tiefe generell ab. auch die minimalen Sauerstoffwerte in etwa 250 Eine Ausnahme stellt das sogenannte metalimni- m Tiefe werden teilweise nur unzureichend wie- sche Sauerstoffminimum dar. Das metalimnische dergegeben. Ursache hierfür ist, dass das räum- Sauerstoffminimum tritt im Simulationszeit raum liche Modellgitter zu grob aufgelöst ist, um die jedes Jahr zwischen Juli und November auf, kleinskaligen Zehrungs- und Mischungsprozesse

68 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

im Bereich des Seebodens abbilden zu können. deutlich auf Grund der Durchmischung ab. Vergleicht man hingegen die gemessenen und Zudem ist die Variabilität in den früheren Jah- berechneten Sauerstoffkonzentrationen tiefen- ren mit höherer Trophie stärker gegenüber dem gemittelt von 200 – 250 m, so wird auch bei den späteren, meso- bis oligotrophen Zeitraum von Minimalwerten eine deutlich bessere Anpassung 1995 bis 2011. Der typische Jahresgang der Un- erreicht (Abb. 73). Um auch bei den Prognose- terschiede zwischen den Sauerstoffkonzentratio- simulationen zur Klimaerwärmung eine Aussage nen in diesem Zeitraum ist zusammen mit einer zu den minimalen Sauerstoffwerte machen zu Anpassungsfunktion in Abb. 74b dargestellt. können, wurden die von 200 – 250 m tiefenge- Diese Anpassungsfunktion wird in den Klimasze- mittelten Messwerte mit jenen verglichen, die narien verwendet, um vom berechneten, tiefen- bei der tiefsten Stelle des Sees in etwa 1 m über gemittelten Wert die Sauerstoffkonzentrationen Grund gemessen wurden (Abb. 74a). Dabei an der tiefsten Stelle etwa 1 m über der Seesohle zeigt sich ein deutlicher Jahresgang mit größeren abzuschätzen. Wie Abb. 74b entnommen wer- Unterschieden zwischen den gemittelten - den kann, beträgt die Genauigkeit der Funktion stoffkonzentrationen und den Sauerstoffkonzent- ca. 0,5 mg/l. Diese Vorgehensweise gilt natürlich rationen nahe der Seesohle. Diese Unterschiede nur unter der Annahme, dass die Nährstoffver- sind nur im Spätsommer bzw. Herbst besonders hältnisse im See in Zukunft jenen von 1995 – ausgeprägt und sinken im Winter bzw. Frühjahr 2011 ähnlich sind.

Abb. 70: Gemessene Sauerstoffkonzentrationen bei der Seemitte des Bodensee-Obersees (Quelle Messdaten: IGKB).

Abb. 71: Berechnete Sauerstoffkonzentrationen bei der Seemitte des Bodensee-Obersees.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 69 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 72: Vergleich der gemessenen und mit dem ökologischen Modell berechneten O2-Konzentrationen in verschiedenen Tiefen (Quelle Messdaten: IGKB).

Abb. 73: Vergleich der gemessenen und mit dem ökologischen Modell berechneten O2-Konzentrationen, tiefengemittelt von 200 – 250 m.

70 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 74: Differenz zwischen den tiefengemittelten (200 – 250 m) und den in rund 250 m Tiefe (etwa 1 m über Seegrund) erhobenen Messwerten der Sauerstoffkonzentration a) im Zeitraum von 1975 bis 2011 und b) im Jahresverlauf mit angepasster Funktion (Daten von 1995 bis 2011).

Klimaszenarien Längere Zeiträume ohne vollständige Durch- mischung bedeuten längere Zeiträume der In den Szenariensimulationen zur Klimaer- Sauerstoffzehrung im Tiefenwasser. Abb. 75 wärmung geht die Sauerstoffkonzentration im zeigt exemplarisch den Verlauf der Sauerstoff- Tiefenwasser tendenziell zurück. Dies hat zwei konzentration im Tiefenwasser an der Seesohle Gründe: Erstens werden die Durchmischungs- (Abschätzung für etwa 250 m) für die beiden ereignisse, bei denen sauerstoffreiches Wasser Klimaszenarien avg1 und hr2 mit veränderter von der Oberfläche in die Tiefe gelangen kann, Variabilität (vgl. Kap. 4.2.5). Im Szenario avg1 seltener, und zweitens finden die Durchmi- werden 1 m über der Seesohle in rund 250 schungen teilweise bei höheren Wassertempe- m Tiefe Minimalwerte von knapp über 4 mg/l raturen statt. Da die Sättigungskonzentration erreicht. Das Klimaszenario hr2 mit verän- von Sauerstoff in Wasser bei höheren Tempera- derter Variabilität führt im Vergleich zu allen turen geringer ist als bei tiefen Temperaturen, Szenarien zu den geringsten Sauerstoffwerten ist damit auch während einer Vollzirkulation nach 2050. Durch das häufige Ausbleiben der die Sauerstoffkonzentration geringer. Während Vollzirkulation erreicht die Sauerstoffkonzentra- heute die Sauerstoffkonzentration im Tiefen- tion am Seeboden Werte von 2 bis 4 mg/l. Für wasser während einer Vollzirkulation auf etwa dieses Szenario sind in Abb. 76 die Sauerstoff- 11 mg/l ansteigt, erreicht sie gegen Ende der konzentrationen im Profil Bodensee-Obersee Szenariensimulationen, also im Zeitraum 2075 dargestellt. Hier sind die Zeiträume mit ausblei- – 2085, häufig nur noch Werte von etwa 9 – 10 bender Durchmischung und geringen Sauer- mg/l. Deutlich größer ist jedoch der Einfluss der stoffkonzentrationen im Hypolimnion deutlich Durchmischungsereignisse. zu erkennen.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 71 Auswirkungen der klimatischen Veränderungen

Abb. 75: Sauerstoffkonzentration bei der Seemitte des Bodensee-Obersees in rund 250 m (Abschätzung, etwa 1 m über Seegrund) bei den Klimaszenarien avg 1 und hr2 mit veränderter Variabilität.

Abb. 76: Berechnete Sauerstoffkonzentrationen im Profil Seemitte Bodensee-Obersee beim Klimaszenario hr2 mit veränderter Variabilität.

Szenarien mit erhöhtem P-Input Durch die erhöhte Primärproduktion und die damit verbundene Photosynthese steigt zum Um den Einfluss eines erhöhten Phosphorein- einen zeitweise die Sauerstoffkonzentration im trags auf die Verhältnisse im See zu untersu- Epilimnion an. Zum anderen führen Atmungs- chen, wurden die Klimasimulationen zusätzlich und Abbauprozesse des Phytoplanktons zu ei- mit höherem Phosphateintrag durchgeführt. nem verstärkten Sauerstoffverbrauch. Dies wirkt Dieser wurde so erhöht, dass sich im See eine sich insbesondere auf die Konzentrationen im mittlere Orthophosphatphosphorkonzentration Tiefenwasser aus. Die Sauerstoffmittelwerte in von ca. 6 bis 10 μg/l einstellt (vgl. Kap. 4.3.4). rund 250 m sinken im Vergleich zum Szenario Alle übrigen Parameter und Eingangsdaten mit unverändertem Phosphoreintrag um ca. 1,5 wurden nicht verändert. Die höheren Phosphat- mg/l ab (Abb. 77). Die Sauerstoffkonzentrationen konzentrationen im See üben indirekt einen in rund 250 m Tiefe wurden über die Funktion Einfluss auf die Sauerstoffkonzentrationen aus. aus Abb. 74 ermittelt.

72 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Auswirkungen der klimatischen Veränderungen

Entsprechend Abb. 74 ist davon auszugehen, weiteren Absinken der Sauerstoffwerte führt. In dass die mit der Funktion beschriebene Dif- diesem Fall können sauerstofffreie Verhältnisse ferenz insbesondere in der Vergangenheit mit an der Seesohle erreicht werden. höheren Phosphorgehalten im See zeitweise deutlich größer war. Nach den Messwerten Abb. 78 zeigt die Sauerstoffkonzentrationen im wurden bis zu 3 mg/l niedrigere Sauerstoffkon- Klimaszenario hr2 mit veränderter Variabilität zentrationen an der Seesohle im Vergleich zur im Profil Bodensee-Obersee. Auch hier lässt mittleren Sauerstoffkonzentration zwischen 200 sich im Vergleich zur Situation mit unveränder- und 250 m festgestellt. Für das Szenario mit er- tem Phosphateintrag insbesondere im Hypo- höhtem Phosphoreintrag würde dies bedeuten, limnion eine deutlich Verringerung der Sauer- dass unter Berücksichtigung dieser Bandbreite stoffkonzentrationen ausmachen. Bei erhöhtem bei klimatisch veränderten Verhältnissen sehr Phosphateintrag ist damit zu rechnen, dass sich geringe Sauerstoffkonzentrationen auftreten ähnlich sauerstoffarme Verhältnisse wie in den können. Eine verstärkte Rücklösung von Phos- 1970er-Jahren ergeben, die zu einer Phosphor- phor wird deshalb wahrscheinlich, die wieder- rücklösung und damit weitergehenden Eutro- um die Primärproduktion steigert und zu einem phierung führen.

Abb. 77: Sauerstoffkonzentration bei der Seemitte des Bodensee-Obersees in rund 250 m (Abschätzung, etwa 1 m über Seegrund) mit erhöhtem Phosphateintrag bei den Klimaszenarien avg1 und hr2 mit veränderter Variabilität.

Abb. 78: Berechnete Sauerstoffkonzentrationen im Profil Seemitte Bodensee-Obersee beim Klimaszenario hr2 mit verän- derter Variabilität und erhöhtem Orthophosphateintrag.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 73 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

4.3.4. Phosphat

Phosphor ist im Bodensee ein beschränkender die Konzentration einen deutlichen Jahresgang: Faktor für das Wachstum des Phytoplanktons Im Winter wird Phosphat aus den tieferen und damit für die Produktivität im See. Schichten nach oben gemischt. Während der Pflanzenverfügbar ist er in erster Linie als Schichtungsphase wird das Phosphat im Epi-

Orthophosphatphosphor (PO4-P). limnion von den Algen aufgenommen. Sohlnah in 250 m Tiefe ist es umgekehrt: Hier sinkt die Konzentration bei Durchmischungsereignissen Vergleich mit Messdaten 2000 – 2010 und steigt während geschichteter Verhältnisse langsam wieder an. Abb. 79 vergleicht die gemessenen und berech- neten PO4-P-Konzentrationen in 5, 50, 150 und 250 m Tiefe. In den oberen Schichten zeigt

Abb. 79: Vergleich der berechneten und simulierten PO4-P-Konzentrationen in verschiedenen Tiefen (Quelle Messdaten: IGKB).

74 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Klimaszenarien Ein erhöhter Phosphateintrag führt daher nicht zu einer entsprechend erhöhten Konzentration Eine winterliche Vollzirkulation bringt nicht nur im See, sondern zu einem deutlich geringeren sauerstoffreiches Wasser in die Tiefe, sondern Anstieg. Abb. 81 zeigt den seeweiten Mittelwert auch nährstoffreiches Wasser an die Oberflä- der Phosphatkonzentration im Klimaszenario che. Folgen mehrere Winter ohne Vollzirkula- hr2 mit und ohne erhöhten Phosphoreintrag. tion aufeinander, so geht die Phosphatkonzen- Durch den erhöhten Eintrag kommt es im See tration im Epilimnion zurück, während sich im innerhalb der ersten Jahre zu einem Anstieg der

Tiefenwasser Phosphat anreichert. Abb. 80 zeigt PO4-P-Konzentrationen auf 6 bis 10 µg/l. Dies die PO4-P-Konzentration im "Epilimnion" (hier: entspricht etwa den Verhältnissen im Jahr 2001

0 – 20 m) und im "tiefen Hypolimnion" (hier: mit durchschnittlich etwa 7 µg/l PO4-P und 12 200 – 250 m) der Klimasimulation im Zeitraum µg/l Gesamtphosphor. Wie im Klimaszenario

2010 – 2075 bei Verwendung des Klimaszena- ohne erhöhten Eintrag steigt die PO4-P Kon- rios hr2 mit veränderter Variabilität. Die Kon- zentration im weiteren Verlauf auf Grund der zentrationen sind im Tiefenwasser fast durch- abnehmenden Durchmischungshäufigkeit noch weg höher als im Epilimnion. In Jahren mit etwas an, so dass die mittlere Konzentration vollständiger Durchmischung berühren sich die zwischen 8 und 12 µg/l schwankt. Abb. 82 zeigt Linien. Bei den Konzentrationen im Hypolim- die berechnete Entwicklung der Konzentratio- nion ist ein ansteigender Trend zu beobachten, nen im Epi- und Hypolimnion beim Szenario während im Epilimnion sich gegen Ende des mit erhöhtem Phosphateintrag. Im Sommer Simulationszeitraums Jahre mit sehr geringen gehen die Konzentrationen im Epilimnion wie Konzentrationen häufen. beim Szenario ohne erhöhten Eintrag auf null zurück, im Winter steigen sie dagegen im Ver- Szenarien mit erhöhtem P-Input gleich zur Situation mit unverändertem Phos- phateintrag stärker an. Im Hypolimnion nehmen Da in dem Szenario mit erhöhtem P-Input das die Konzentrationen im Laufe der Zeit zu. Dies zusätzliche Phosphat über die Zuflüsse ein- bedeutet, dass sich das zusätzlich eingetragene getragen wird und somit direkt ins Epilimnion Phosphat hauptsächlich im Hypolimnion akku- gelangt, steht es für die Primärproduktion un- muliert und damit langfristig nur bedingt dem mittelbar zur Verfügung und wird während der Algenwachstum zur Verfügung steht. Frühjahr- und Sommermonate aufgenommen.

Abb. 80: Orthophosphatphosphorkonzentrationen bei der Seemitte des Bodensee-Obersees in Epilimnion und Hypolimnion im Klimaszenario hr2 mit veränderter Variabilität.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 75 Auswirkungen der klimatischen Veränderungen

Abb. 81: Seeweite Mittelwerte der Orthophosphatphosphorkonzentration im Klimaszenario hr2 mit veränderter Variabilität bei unverändertem und erhöhtem Phosphateintrag.

Abb. 82: Orthophosphatphosphorkonzentration bei der Seemitte des Bodensee-Obersees in Epilimnion und Hypolimnion im Klimaszenario hr2 mit veränderter Variabilität und erhöhtem Phosphateintrag.

4.3.5. Nitrat

Stickstoff, der für die Pflanzen vor allem als Vergleich mit Messdaten 2000 – 2010

Nitratstickstoff (NO3-N) verfügbar ist, ist genau- so wie Phosphor ein Nährstoff für das Wachs- Abb. 83 zeigt die gemessene und berechnete tum des Phytoplanktons. Allerdings ist die Nitratkonzentration in verschiedenen Tiefen. Nitratkonzentration im Bodensee im Verhältnis Die Nitratkonzentration in 5 m Tiefe hat einen zur Phosphatkonzentration so hoch, dass die deutlichen Jahresgang, da beim Algenwachstum Produktivität des Sees davon weitgehend unab- Nitrat verbraucht wird. Weiter unten ist die Ni- hängig ist. Über die Prozesse Nitrifikation und tratkonzentration das ganze Jahr relativ kons-

Denitrifikation ist der Stickstoffkreislauf und tant. Die gemessenen NO3-N-Konzentrationen damit die Nitratkonzentration mit der Sauer- zeigen keinen Trend. Sie betragen über den stoffzehrung und konzentration verknüpft. gesamten Simulationszeitraum etwa 1000 μg/l.

76 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Auswirkungen der klimatischen Veränderungen

Abb. 83: Vergleich der berechneten und simulierten NO3-N-Konzentrationen in verschiedenen Tiefen (Quelle Messdaten: IGKB).

4.3.6. Phytoplankton

Das Phytoplankton beginnt jeweils mit einset- Vergleich mit Messdaten 2000 – 2010 zender Schichtung zu wachsen. Dabei spielen natürlich die im Epilimnion vorhandenen Nähr- Zu Beginn der Simulation erreicht die maxima- stoffe eine wichtige Rolle. Hat die winterliche le Chlorophyll-a-Konzentration in den obersten Durchmischung für ausreichend Nährstoffe 20 m in Messung und Simulation maximal Wer- insbesondere Phosphat im Epilimnion geführt, te von 12 μg/l (Abb. 84). Aufgrund der abneh- dann ist auch mit einer verstärkten Primär- menden PO4-Konzentrationen im Epilimnion produktion zu rechnen. Bei über den Winter nehmen auch die Phytoplanktonkonzentration anhaltender Schichtung wird das Algenwachs- im betrachteten Zeitraum von 2000 - 2010 ten- tum früher gehemmt als bei vorangegangener denziell ab. Die Fruhjahrsalgenblüte erreicht im Vollzirkulation. Modell jeweils realistische Werte, wohingegen die Konzentrationen im Sommer fast durchge- hend unterschätzt werden.

Abb. 84:

Vergleich der berechneten und simulierten Chlorophyll- a-Konzentrationen in 0-20m Tiefe (Quelle Messdaten: IGKB).

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 77 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Klimaszenarien Epilimnion höher sind. Aufgrund der längeren Perioden ohne Vollzirkulation und der damit

Abb. 85 zeigt die Chlorophyll-a-Konzentrati- verbundenen, niedrigen PO4-Konzentrationen onen der Klimasimulation im Zeitraum 2010 kommt es in Zukunft verstärkt zu Jahren mit – 2075 bei Verwendung des Klimaszenarios sehr geringem Wachstum des Phytoplanktons. hr2 mit veränderter Variabilität. Den Jahren mit Dies ist z. B. in den Zeiträumen von 2065 – vollständiger Durchmischung im Winter folgt 2068 und von 2072 – 2077 in der in Abb. 85 oft eine besonders hohe Algenkonzentration im gezeigten Klimasimulation der Fall.

Frühjahr, da dann die PO4-Konzentrationen im

Abb. 85: Chlorophyll-a-Konzentration bei der Seemitte des Bodensee-Obersees in 0 – 20 m Tiefe beim Klimaszenario hr2 mit veränderter Variabilität.

4.3.7. Einfluss von Neozoen auf das Phytoplankton am Beispiel der Dreikantmuschel Dreissena

Neu eingewanderte Tierarten (Neozoen) kön- werden können (Ostendorp et al., 2007). Um nen das Ökosystem von Seen nachhaltig be- einen möglichen Einfluss von Neozoen auf einflussen, wie das Beispiel der in den 1960er die Lebensbedingungen im See abschätzen zu Jahren eingewanderten Dreissena zeigt. Es wird können, wurde am Beispiel der Dreissena in erwartet, dass die klimatischen Veränderungen Simulationen in verschiedenen Szenarien der die Ausbreitung von Neozoen begünstigen. Fraßdruck auf das Phytoplankton untersucht. Mit einem Anstieg der Wassertemperaturen steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Die Dreikantmuschel (Dreissena polymorpha), wärmeliebende Neozoen im Bodensee vermeh- auch Zebramuschel genannt, kommt ursprüng- ren können. Außerdem vergrößert sich damit lich aus dem Kaspischen Meer und dem Aral- auch das potentielle Herkunftsgebiet, aus dem see. Im Bodensee wurde sie als invasive Art ausbreitungsfähige Neozoen eingeschleppt zuerst Mitte der 1960er Jahre gefunden.

78 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 86: Angenommene Filtrationsraten pro m² der Dreissena-Muscheln.

ANEBO Verbreitungskarten

Art: Dreissema polymorpha

Stand vom: 1. Aug 2004

Häufigkeiten:

vereinzelt oder Einzelfund (IS = leere Schalen) selten, zerstreut regelmäßig, stellenweise häufig dominant bis massenhaft

Abb. 87: Verbreitung der Dreikantmuschel am Bodensee 2004 (Quelle: INTERREG-Projekt ANEBO – Aquatische Neozoen im Bodensee).

Abb. 88: Verwendetes Modellnetz. Modellzellen mit weniger als 30 m Wassertiefe sind grün dargestellt, wobei die dunkel- grünen Bereiche dominante bis massenhafte Vorkommen der Dreissena kennzeichnen. Der rote Bereich wurde nicht berücksichtigt. Die Dreiecke markieren die Lage der Profile in Seemitte und der Friedrichshafener Bucht.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 79 Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Inzwischen ist sie entlang der gesamten Uferlinie Maximalschätzung mit 10 l/(g·h). Zusammen teilweise massenhaft anzutreffen. Die Verbrei- mit der Abundanz kann so eine Filtrationsrate tung der Art im Bodensee wurde im Rahmen des pro Fläche bestimmt werden (Abb. 86), aus der Interreg-Projekts ANEBO (Aquatische Neozoen ein Faktor ermittelt wird, um den sich die Kon- im Bodensee: LfU, 2005) kartiert und ist in Abb. zentration an Phytoplankton und partikulärem 86 dargestellt. Da die Muschel feste Substrate organischem Material reduziert. bevorzugt, ist sie in ausgeprägten Flachwasser- zonen mit typischerweise sandigen Böden eher Zwei Szenarien mit unterschiedlichen Berei- in geringerer Konzentration zu finden. chen mit Muschelvorkommen wurden definiert. Im ersten Szenario wurde für alle Modellzellen Die Muscheln sind am Substrat angeheftet bis zu 30 m Wassertiefe ein Muschelvorkom- und gewinnen ihre Nahrung durch Filtration men angenommen (Szenario „seeweit“, Abb. des Seewassers. Auf diese Weise verlagern sie 88 hellgrüner und dunkelgrüner Bereich) und organisches Material und Nährstoffe aus dem im zweiten nur in den Bereichen, die in der Freiwasser ins Benthos. ANEBO-Kartierung (Abb. 87) als „dominant bis massenhaft“ klassifiziert sind (Szenario „ane- Die Dreikantmuschel ist eine Nahrungsquel- bo“, Abb. 88 dunkelgrüner Bereich). Kombiniert le für verschiedene Wasservögel (Tafelenten, mit den zwei verschiedenen Filtrationsraten Blesshühner, Reiherenten). Die Vögel überwin- ergeben sich so vier Simulationen. tern am Bodensee und dezimieren in dieser Zeit die Muschelbestände beträchtlich. Damit In den Simulationen mit Berücksichtigung der wird ein Teil der von den Muscheln fixierten Muscheln ist die Chlorophyll-a-Konzentration Nährstoffe dem Ökosystem See entzogen. meist geringer und das Maximum der Frühjahrs- blüte tritt etwas später auf (Abb. 89). Dadurch Anhand von Simulationsrechnungen soll auf- tritt auch die nachfolgende Klarwasserphase gezeigt werden, welchen Einfluss die Bestände etwas später ein, weshalb Ende Mai bis Anfang der Dreikantmuschel auf die Nährstoffe und das Juni die Chlorophyll-a-Konzentrationen in den Phytoplankton im See ausüben. Dazu wurde Simulationen mit Muscheln etwas höher lie- der Zeitraum eines Sommerhalbjahres von gen. Am Profil Seemitte sind die Unterschiede März bis September mit dem Seenmodell nach- der einzelnen Szenarien generell etwas gerin- gebildet. Die meteorologischen und hydrologi- ger als beim seeweiten Mittelwert. Am Profil schen Randbedingungen stammen von Mess- Friedrichshafener Bucht sind die Unterschiede daten. Um die Aktivität der Dreikantmuschel am deutlichsten, da hier in den seeweit-Simu- im Modell abzubilden, wurde ein Abbau der lationen lokal der Einfluss der Muscheln sehr Konzentrationen an Phytoplankton und organi- groß ist. Im Mittel über den gesamten Simula- schem Material in den Bereichen mit Muschel- tionszeitraum reduzieren die Muscheln in den beständen mit Hilfe einer definierten Abbaurate verschiedenen Simulationen die Phytoplankton- berücksichtigt. Diese Abbaurate hängt von der konzentration im gesamten Epilimnion um 7 bis Individuendichte ab und wurde aus Untersu- 29 %. Am Profil Seemitte, in großer Entfernung chungen zur Wachstumsrate der Muscheln im von den Ufergebieten mit Muscheln, beträgt die Sommerhalbjahr abgeleitet, die im Rahmen Reduktion nur maximal 5 %. In der Friedrichs- des Sonderforschungsbereiches SFB 454 des hafener Bucht dagegen werden die Algen im Limnologischen Instituts der Universität Kon- Szenario „seeweit 10l“ um 65 % dezimiert. stanz erhoben wurden. Darüber hinaus fließt in die Abbaurate die Filtrationsrate pro Mu- Abb. 90 zeigt die Ergebnisse der vier Dreissena- schelbiomasse ein (Kryger & Riisgard, 1988). Simulationen im Vergleich zur Simulation ohne Da hier die Abschätzungen etwas auseinander Muscheln, also die durch die Muscheln verur- gehen, wurden zwei Filtrationsraten bestimmt: sachte Reduktion der Algen, im Mittelwert über eine konservative Schätzung mit 3 Liter pro den gesamten Zeitraum. Der Abbau ist am stärks- Muscheltrockengewicht pro Stunde und eine ten im Epilimnion und in der Nähe des Ufers.

80 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Auswirkungen der klimatischen Veränderungen Wasseraustauschprozesse und Wasserqualität

Abb. 89: Chlorophyll-a-Konzentrationen im Epilimnion (Mittelwert 0 – 20 m). Oben: gemittelt über den gesamten See; Mitte: Profil Seemitte; unten: Friedrichshafener Bucht.

Abb. 90: Veränderung der Chlorophyll-a-Konzentration durch Dreissena-Muscheln, gemittelt für die Monate April bis September über den gesamten Simulationszeitraum. Linke Spalte: Mittelwert 0 – 20 m. Rechte Spalte: Längsschnitt Ludwigshafen-Bregenz.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 81 Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

5. Risikobewertung klimatischer Einflüsse auf die Trinkwasserversorgung aus dem Bodensee

5.1. Ziele der Literaturstudie

• im Sinne einer Vulnerabilitätsabschätzung und Risikobewertung die relevanten Störgrößen im System „Trinkwasser- versorgung und Klimawandel“ konkre- tisiert, priorisiert und beurteilt sowie

• integrale Handlungsoptionen und Anpas- sungsmaßnahmen im Hinblick auf die Belange in der Wertschöpfungskette der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung sowie Speicherung erarbeitet.

Quelltopf im Wasserwerk Konstanz. Aufgrund der Vielzahl an Einflussgrößen und deren gegenseitigne Wechselwirkungen ist jedoch eine szenarienbasierte Ableitung von Mit der im Rahmen von KlimBo erarbeiteten Prognosen nur unter großen Unwägbarkeiten Literaturstudie „Risikobewertung klimatischer und Unsicherheiten möglich. Die skizzierten Einflüsse auf die Trinkwasserversorgung aus Überlegungen und Schlussfolgerungen sind dem Bodensee“ (Schick et al., 2013) sollen aus daher als Entscheidungs- und Orientierungshil- Sicht der Trinkwasserversorgung diejenigen fen anzusehen, die aus heutiger Sicht plausibel Auswirkungen und Folgen analysiert werden, erscheinen. Ferner können sie als Diskussions- die sich aus den zu erwartenden klimatischen grundlage in Form von Denkanstößen dazu Veränderungen ergeben. Am Beispiel der See- beitragen, die betroffenen Entscheidungsträger wasserwerke wurden vor allem verstärkt für das Thema Klimaveränderung zu sensibilisieren, sowie die Bereitschaft wecken, • kritische Punkte und Wissensdefizite die bisherige Sicht- und Verhaltensweise identifiziert, ergebnisoffen zu hinterfragen.

5.2. Mögliche Folgen des Klimawandels für Wasserversorgungsunternehmen

Neben den unmittelbaren Auswirkungen und • Unter Berücksichtigung der räumlichen Einflüssen der Klimaveränderung auf die Um- Bodensee-Kompartimente, den jahres- welt und damit auch auf den Bodensee und zeitlich schwankenden Umweltbedin- seine Kompartimente resultieren auch direkt gungen sowie den komplexen see- und indirekt nachweisbare Sekundärfolgen, die internen Strömungsvorgängen ist eine speziell für die Wasserversorgungsunternehmen klimabedingte Änderung der Beschaf- zu berücksichtigen sind. Dazu gehören: fenheit des Bodenseewassers im Ent- nahmebereich der Seewasserwerke in 40 bis 60 m Tiefe nicht auszuschließen.

82 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Risikobewertung der Trinkwasserversorgung Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

• Treffen die zu erwartenden Klimaprojek- Abschätzung der Abgabemenge auch tionen bezüglich der Wasserbilanz zu, sogenannte Wandelprozesse und sind unter Berücksichtigung der Speicher- äußere Einflussfaktoren wie verbrau- kapazität des Bodensees keine Einschrän- cherspezifisches Verhalten, Demogra- kungen für die Seewasserwerke hinsicht- phie, industrielle/wirtschaftliche lich des Wasserangebotes zu erwarten. Entwicklungen, konkurrierende Wassernutzungen, technologische • Das langjährige Wasserangebot im be- Fortschritte, Innovationen, trachteten Trinkwasserversorgungsge- institutionelle und politische Vorgaben biet hängt vor allem von den regionalen sowie Preisentwicklungen zu und örtlichen verfügbaren Wasservor- berücksichtigen. kommen und den saisonalen Einflüssen ab. Es scheint, dass in Abhängigkeit der • Obwohl die Vorhersagen über die in den sich teilweise kleinräumig auswirkenden nächsten Jahrzehnten zur Verfügung Wasserbilanzgrößen und örtlicher Ver- zu stellenden Trinkwassermengen nur hältnisse im Trinkwasserversorgungs- unter Vorbehalt abgeleitet werden gebiet des Bodensees Grund- und Quell- können, deuten alle derzeit vorliegenden wasser weiterhin in ähnlichem Ausmaß Hinweise darauf hin, dass die Wasser- wie heute zur Verfügung steht oder ledig- versorgungsunternehmen am Boden- lich mit moderaten Veränderungen zu see zukünftig eher mit rückläufigen rechnen ist. mittleren Tagesabgabemengen – der Grundlast – und in verstärktem Maße • Der zukünftige Bedarf an Trinkwasser ist mit nicht vorhersehbaren, temporär nicht allein von klimarelevanten Faktoren beschränkten, jedoch ausgeprägten abhängig, vielmehr sind bei einer Spitzenabgaben konfrontiert sind.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 83 Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

• Für die Wassergewinnung aus dem Wärmelastplänen festgeschriebenen Bodensee ist vor allem zu beachten, dass Anforderungen der Kühlwasserentnahme sowohl Hochwasser- als auch Niedrig- zurückzuführen sind. wasserstände bei den Seewasserwerken zu Betriebseinschränkungen von techni- • Im Rahmen von sozio-ökologischen schen und baulichen Anlagenteilen Überlegungen wird deutlich, dass führen können. die langfristige Änderung der Witter- ungsbedingungen auch Effekte auf die • Welche Verfahrenskombinationen sowie menschliche Gesundheit ausübt. So Prozess- und Betriebsbedingungen in können beispielsweise Mitarbeiter als Zukunft anzuwenden sind, ist vorrangig Folge von Unwettern direkt betroffen von der Beschaffenheit des im Hypo- sein, etwa durch Unfälle und den Ein- limnion entnommenen Wassers abhängig. satz als Hilfskräfte. Länger anhaltende In diesem Zusammenhang könnten Wärmebelastungen über einige Tage, vor allem die bei Hochwasserereignissen die durch extreme Hitze, hohe relative resultierenden Einträge an partikulären Luftfeuchtigkeit und geringe Windge- und gelösten Wasserinhaltsstoffen, die schwindigkeiten charakterisiert sind, zu erwartende Änderung der thermischen können zu gesundheitlichen Beein- Schichtungs- bzw. Zirkulationsverhält- trächtigungen wie Flüssigkeitsmangel nisse, die Veränderung des Artenspek- und Hitzeschlag führen. Nicht zuletzt trums an tierischen und pflanzlichen ist bei sensiblen Menschen das Wohl- Organismen sowie die zunehmenden befinden bei Umgebungstemperaturen zivilisatorischen Einflüsse zu langfristigen von über 26 °C und damit das Konzen- Entwicklungen führen, die eine Anpas- trationsvermögen beeinträchtigt sung und Optimierung der bewährten Aufbereitungsverfahren – Partikelabtren- • Die klimabedingten Änderungen ziehen nung, Oxidation, Desinfektion – oder gar auch ökonomische Folgen für die eine Ergänzung durch innovative Techno- Wasserversorgungsunternehmen nach logien wie Adsorption und Membran- sich. Nicht nur die Seewasserwerke filtration erforderlich machen. stehen daher zunehmend vor der Aufgabe, die Folgen extremer Wetter- • Vor diesem Hintergrund einer auch in ereignisse sowie die Auswirkungen der Zukunft bedarfsgerechten Bereitstellung Klimaänderungen in ihren zukünftigen von Strom ist davon auszugehen, dass der Entscheidungen zu berücksichtigen. Nutzungsdruck auf die im Einzugsgebiet Wegen ihrer längeren Umsetzungs- des Bodensees vorhandenen Speicher- und Finanzierungsphase bedürfen kraftwerke weiterhin hoch sein wird. dabei vor allem die investiven Daher ist auch in Zukunft mit einer Maßnahmen einer frühzeitigen und entsprechenden Bewirtschaftung der sorgfältigen Planung. Ferner sind Speicherbecken zu rechnen, die zumeist praktikable Ansätze erforderlich, mit von Mai bis September durch eine Rück- denen offene Fragestellungen zur haltung sowie im November bis Februar Priorisierung und Finanzierung der durch eine verstärkte Abgabe von Wasser jeweiligen Anpassungsmaßnahmen und den damit verbundenen Auswir- ebenso wie Fragestellungen zur Preis- kungen wie tagesrhythmische Feststoffauf- gestaltung beantwortet werden können. wirbelungen gekennzeichnet ist. In Niedrigwasserperioden kann es hingegen zu Einschränkungen und Leistungsminde- rungen bei thermischen Kraftwerken an Flüssen kommen, die auf die in den

84 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Risikobewertung der Trinkwasserversorgung Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

Wie die Ergebnisse der durchgeführten als kritisch einzustufen. Es ist davon auszuge- Systemanalyse zeigen, sind deutliche Einflüs- hen, dass neben der Wasserbeschaffenheit und se der klimabedingten Veränderungen auf die den technischen Komponenten – Gewinnung, einzelnen Bereiche der Trinkwasserversorgung Aufbereitung, Verteilung und Speicherung von zu erkennen. Es liegen jedoch bislang keine Trinkwasser sowie der Energieversorgung – Hinweise vor, die darauf hindeuten, dass durch auch sozio-ökonomische Belange auf die zu erwartenden Auswirkungen und Folgen anthropogene Wandelprozesse und klima- des Klimawandels ein akuter und dringender bedingte Veränderungen teilweise empfindlich Handlungsbedarf erforderlich wäre. Keine der reagieren. In Einzelfällen sind unter anderem „Schlüsselkomponenten“ innerhalb der Wert- materielle Schäden in beträchtlichem Ausmaß schöpfungskette „Trinkwasserversorgung“ ist nicht auszuschließen. im Sinne der Vulnerabilität bzw. des Risikos

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 85 Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

5.3. Handlungsoptionen und Anpassungsmaßnahmen

Seit der internationalen Anerkennung des globa- scher, demographischer, technologischer und len Klimawandels als grundlegende Herausfor- politischer Rahmenbedingungen auch dann derung der Menschheit im Jahre 1990 steht die einen Mehrwert aufweisen, wenn die prognos- Erarbeitung von Maßnahmen zur Verringerung tizierten Entwicklungen des zukünftigen Klimas der deutlich sichtbaren Auswirkungen und Fol- nicht oder nur in geringerer Ausprägung mit gen innerhalb der Staatengemeinschaften zu- den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstim- nehmend im Fokus. Als Teil der auf Vorsorge und men. Ferner können solche praktikablen Hand- Nachhaltigkeit ausgerichteten Umweltschutz- lungsoptionen auch dazu beitragen, die durch programme stützt sich die Klimapolitik dabei zivilisatorische Einflüsse bedingte Vulnerabilität auf zwei integrativ zu betrachtende Eckpunkte: der betroffenen Komponenten in aquatischen einerseits die Prävention und aktive Verringerung Ökosystemen zu verringern. der Treibhausgasemissionen (Mitigation) und andererseits die Anpassung (Adaptation). Dabei Um über die bisherigen Anstrengungen am sind die Anpassungsstrategien als dynamische Bodensee hinaus die betroffenen Entschei- Prozesse anzulegen, die an aktuelle Veränderun- dungsträger der Wasserwirtschaft und aller gen und damit an neue Anforderungen jederzeit Wasserversorgungsunternehmen zu ermutigen, flexibel angepasst werden können. Es erweist sich aktiv in die derzeit laufenden Diskussio- sich hierbei als vorteilhaft, am Vorsorgegrund- nen einzubringen, sind nachfolgend im Sinne satz orientierte pragmatische Lösungsansätze zu von Orientierungshilfen Möglichkeiten auf- verfolgen. Daher sollten sogenannte no- oder gezeigt, die es erlauben sollen, Chancen und low-regret-Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt Systemresilienzen frühzeitig zu erkennen, den werden, die unter Berücksichtigung ökonomi- Vulnerabilitäten der betroffenen Komponenten

86 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Risikobewertung der Trinkwasserversorgung Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

in aquatischen Ökosystemen entgegenzuwirken rums, unerwünschte Stoffeinträge oder zuneh- sowie den daraus resultierenden Klimarisiken menden Schädlingsdruck agieren zu können, und Folgeschäden durch verantwortungsvolle sind daher die zukünftigen Entwicklungen in Planungen vorzubeugen. den aquatischen Ökosystemen verstärkt zu beobachten, zu analysieren und zu beurteilen. Vorsorgender Gewässerschutz Grundlage hierfür bilden zielgerichtete Moni- toring-Programme, in denen der biologische, Der vorsorgende Gewässerschutz und der nach- mikrobiologische und physikalisch-chemische haltige Umgang mit der Ressource Wasser ist Parameterumfang, die Untersuchungshäufigkeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der die Wasserwerke im Rahmen ihrer Verbands- und Gremienarbeit seit langem ihren Beitrag leisten. Es wird vorgeschlagen, unter Federführung der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) sowie des wissenschaftli- chen Beirates der Arbeitsgemeinschaft Wasser- werke Bodensee-Rhein (AWBR) einen ständigen Projektkreis „Klima“ einzurichten.

Die im System Klimawandel und Trinkwasser- versorgung resultierenden Wechselwirkungen sind äußerst komplex. Um beispielsweise frühzeitig auf mögliche Änderungen des bio- logischen und mikrobiologischen Artenspekt-

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 87 Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

Quelltopf im Wasserwerk der Bodensee-Wasserversorgung. sowie die Probenahmestellen den zukünftigen Qualitätssicherung – Überwachung Anforderungen stets anzupassen sind. der Wasserbeschaffenheit

Im Zuge des Klimawandels wird sich unter In der Praxis der Trinkwasserversorgung hat anderem der Anstieg der Wassertemperaturen die Qualitätssicherung seit jeher einen hohen im Bodensee verstärkt mit der Folge stabilerer Stellenwert eingenommen. Dabei stand und Schichtungsverhältnisse, unzureichendem Tie- steht aus gesetzlicher Sicht die Überwachung fenwasseraustausch und abnehmender Sauer- des abgegebenen Trinkwassers im Vordergrund. stoffkonzentration am Seegrund fortsetzen. Vor Für Deutschland sind beispielsweise die ak- dem Hintergrund der bereits zu beobachtenden tuellen Anforderungen an die Beschaffenheit und der zu erwartenden Auswirkungen dürfen von Trinkwasser in der Trinkwasser-Verordnung daher die erreichten Erfolge im Gewässerschutz (TrinkwV 2001, in der Fassung vom 5.12.2012) nicht durch Initiativen gefährdet werden, die festgelegt. Um auch zukünftig unter den zu beispielsweise auf eine Erhöhung der Phosphat- erwartenden Klimaentwicklungen und den konzentrationen im Bodensee drängen. zunehmenden wirtschaftlichen Zwängen eine einwandfreie hygienische Wasserbeschaffenheit Aufgrund der zu erwartenden Zunahme der gewährleisten zu können, wird jedoch eine thermischen Nutzung des Bodenseewassers darüber hinausgehende systematische Betrach- zu Kühl- und Heizzwecken (siehe Kap. 6) sind tungsweise – ausgehend vom Rohwasser über zwischen den Anrainerstaaten einheitliche die Gewinnung und Aufbereitung bis hin zur Standards und Regelungen zum Wärmelastma- Verteilung und Speicherung – als zielführend nagement sowie der zulässigen Veränderungen erachtet. Daher wird empfohlen, die Qualitäts- im Einleitungsbereich sowie im Gesamtsystem sicherung nicht nur auf produktbezogene, son- aufzustellen und abzustimmen. dern – wie in der schweizerischen Lebensmit-

88 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Risikobewertung der Trinkwasserversorgung Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

telgesetzgebung vorgeschrieben und von vielen Versorgungssicherheit: Wasserversorgern bereits praktiziert – verstärkt Technische Belange der Gewinnung, auf prozessorientierte Kontrollen im Sinne Aufbereitung, Verteilung und des HACCP-Konzeptes (Hazard Analysis and Speicherung von Trinkwasser Critical Control Point) auszurichten. In enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Um Schäden an den Gewinnungsanlagen, zuständigen Behörde können hiermit auch vor Brunnen und Quellfassungen im Hinblick auf dem Hintergrund des Klimawandels Schwach- die erwartete Zunahme von Extremsituationen stellen und kritische Punkte in allen Bereichen zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren, der Wasserversorgung frühzeitig identifiziert, im sollten bestehende Hochwasservorhersagemo- Sinne einer Gefährdungsanalyse bewertet und, delle sowie bodensee- und zuflussspezifische falls erforderlich, geeignete Gegenmaßnahmen Strömungs- und Grundwassermodelle – zum eingeleitet werden. Beispiel BodenseeOnline – weiterentwickelt werden. Dabei sollten wasserwerksrelevante Zukünftiger Wasserbedarf Parameter berücksichtigt werden und die Warn- und Alarmdienste dahingehend angepasst Im Zusammenhang mit der Abschätzung des werden, dass die Wasserversorgungsunterneh- künftigen Bedarfs an Trinkwasser sind ent- men direkt in die Meldekette mit ein-gebunden sprechende Prognosen und Trendanalysen zu werden. erstellen, die neben den zukünftigen meteoro- logischen Entwicklungen auch die genannten Die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen Wandelprozesse berücksichtigen. Demzufolge im Alpenrheintal erfordern entsprechende sind bereits vorhandene Vorhersagemodelle Vorsorgestrategien bei den Seewasserwerken. weiterzuentwickeln bzw. die GIS-basierten Neben baulichen Maßnahmen wie der Errich- Rohrnetzberechnungen an die zukünftigen An- tung von Schutzwällen gegen Überflutungen forderungen einer bedarfsgerechten Auslastung sowie den hochwasserdichten Ausbau gefähr- des Speichervolumens anzupassen. deter Hochbauten, technischer Anlagen und Anfahrtswege ist es auch erforderlich, betrieb- Insbesondere bei überregionalen Wasserver- liche und managementbasierte Prozessabläufe sorgungsunternehmen sind in Zukunft erhöhte zu optimieren. Dazu zählen ein einzugsgebiets- Spitzenabgaben bei gleichzeitig verringerter bezogenes Hochwassermanagement, eine län- Grundlast zu erwarten. Individuelle Entschei- derübergreifende Hochwasservorhersage, die dungen zur Anpassung der Versorgungsstruktu- frühzeitige Information und Kontaktaufnahme ren an einen sich möglicherweise zeitlich und zu Behörden, die Erarbeitung interner Anwei- räumlich ändernden Trinkwasserbedarf sind sungen zum Verhalten bei Hochwasser sowie sorgsam abzuwägen. Zum Beispiel steht einem die Abstimmung mit externen Hilfskräften zur aus hygienischen Gründen womöglich gebo- Schadensbegrenzung. tenen Rückbau – etwa ein geringer Rohrquer- schnitt – ein klimabedingtes ausreichend dimen- Hinsichtlich der Wassergewinnung sind geeig- sioniertes Leitungssystem sowie die Vorhaltung nete Strategien und technische Lösungsansätze ausreichender Speicherkapazitäten zum Beispiel zu erarbeiten, um auch bei ungünstigen Ver- in Form von Hochbehältern entgegen. hältnissen wie zeitweisen Niedrigwasserstän- den, langfristig sinkendem Wasservordruck oder der Absenkung des Grundwasserspiegels im Trinkwasserversorgungsgebiet eine sichere und zuverlässige Wasserentnahme gewährleisten zu können. Um einer möglichen Begrenzung der Förderleistung sowie möglichen Kavitationser- scheinungen entgegen wirken zu können, sind beispielsweise eine Verringerung des Abstandes

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 89 Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

Altes Wasserwerk Konstanz.

zwischen der Pumpe und dem Wasserspiegel, Bedeutung zu. Da klimabedingt nicht vollstän- eine Anpassung der Entnahmeleitungen bzw. dig auszuschließen ist, dass sich die Beschaf- der Pumpenschaufelräder oder zusätzliche fenheit des Bodenseewassers etwa im Hinblick Maßnahmen zur Drucksteigerung denkbar. Die auf mikrobiologische Auffälligkeiten, erhöhte Wasserentnahme kann möglicherweise auch Feststoffanteile und anthropogene Spurenstoffe dadurch beeinträchtigt werden, dass jederzeit ändert, können als mögliche Gegenmaßnah- und unabhängig vom Klimawandel bislang me die bewährten Aufbereitungsstufen opti- nicht heimische Organismen (Neozoen und miert werden. Dazu zählen die Anpassung der Neophyten) in den Bodensee eingeschleppt Betriebsbedingungen zur Filtration und Filter- werden können, deren Verhalten im Ökosys- spülung oder der Zugabemenge von Flockungs- tem Bodensee noch unbekannt ist – Stichwort oder Desinfektionsmittel. Auch eine Ergänzung Quagga-Muschel. In entsprechenden For- durch innovative Technologien wie Membran- schungsprojekten sind daher ohne Zeitverzug filtration, Aktivkohle oder sogenannte advanced weitergehende Erkenntnisse zu erarbeiten und oxidation processes kann in Erwägung gezogen regulatorisch wie auch technisch umsetzbare werden. Präventionsmaßnahmen aufzuzeigen. Um die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhal- Bei den Seewasserwerken werden seit langem ten, sind alle relevanten technischen Anlagen effiziente, gut aufeinander abgestimmte Aufbe- zur Gewinnung und Aufbereitung möglichst reitungsstufen eingesetzt, um sicherzustellen, redundant auszulegen. Das Verteilsystem ist auf dass ein hygienisch einwandfreies Trinkwasser eine entsprechende Vernetzung der Transport- abgegeben wird. Im Rahmen dieses Multi- leitungen sowie auf Verbundmöglichkeiten für Barrieren-Systems kommt neben den Desin- Notfälle auszurichten. Zusätzliche Sicherheit fektionsmaßnahmen vor allem den Verfahren bietet ein zweites Standbein, also Lösungen mit zur Abtrennung von Partikeln eine besondere mehreren Bezugsquellen.

90 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Risikobewertung der Trinkwasserversorgung Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

Wasserrohrverlegung im letzten Jahrhundert.

Um Betriebsstörungen und Schäden an der • Bei der Verteilung und Speicherung des Infrastruktur zu vermeiden oder wenigstens zu Trinkwassers sind der Austausch defek- minimieren, sind langfristig die begonnenen ter und korrodierter Leitungen, die Instandhaltungs-, Sanierungs- und Wartungs- Minimierung von Wasserverlusten, die konzepte für alle technischen Anlagen sowie Vermeidung von Kondenswasserbildung die Ersatz- und Ertüchtigungsmaßnahmen für in Hochbehältern, das Aufstellen von alle Hochbauten fortzuführen. Dies betrifft alle Luftentfeuchtern, systematisch durchge- Bereiche der Wasserversorgung: führte Rohrnetzinspektionen und -spülungen, die Ausrichtung des Verteil- • Bei der Wassergewinnung sind zum systems hinsichtlich der Notfallvorsor- Beispiel die regelmäßige Reinigung der ge, die Schaffung von Verbundmöglich- Entnahmevorrichtungen und keiten, der Einbau von strategisch rele- Pumpenrevisionen erforderlich. vanten Pumpwerken und Verschluss- organen sowie die Vorhaltung ausrei- • Hinsichtlich der Wasseraufbereitung chender Desinfektionskapazitäten und empfehlen sich die Überprüfung der die Schaffung von Möglichkeiten zur Verfahrenstechnologien sowie der Ausbau Nachdesinfektion zu nennen. bzw. der Austausch der Kühlung beson- ders schützenswerter Pumpen, Maschi- nen, Aggregate und Schaltschränke.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 91 Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

Energie- und Stromversorgung Solche außergewöhnlichen Vorkommnisse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie zwar verhält- Wegen möglicher klimabedingter Engpässe bei nismäßig selten eintreten, dann jedoch vielfach der Energieversorgung ist neben redundanten mit einem hohen Schadenspotenzial verbunden Lösungsansätzen wie netzunabhängigen Mehr- sind. facheinspeisungen ein ausgewogener Ausbau stationärer bzw. eine entsprechende Vorhal- Insbesondere im Zusammenhang mit den sich tung mobiler Notstromaggregate anzuraten. ändernden Rahmenbedingungen des Klima- Im Rahmen der Klimaschutzmaßnahmen sind wandels und den zukünftig verstärkt zu erwar- die zukünftigen Belange der Wasserversorgung tenden extremen Wetterereignissen wird emp- zunehmend an der Senkung des Energiever- fohlen, die vorhandenen Vorsorgepläne und brauchs, der Steigerung der Energieeffizienz Organisationsmaßnahmen zu aktualisieren und und der Verringerung der CO2-Emissionen ein entsprechendes Katastrophen- und Notfall- auszurichten. Dies betrifft das Energiemanage- management aufzubauen. Dieses sollte an die ment sowie die Bereitstellung von Strom aus hierarchische Organisationsstruktur der zustän- regenerativen Energiequellen wie Wasserkraft, digen Behörden für den Katastrophenschutz Windenergie und solare Strahlung. und der Einsatzkräfte zur Schadensabwehr, also Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst Monitoring und Forschung angelehnt sein. Dabei sind frühzeitig entspre- chende Kontakte mit den zuständigen Behör- Um den durch den Klimawandel bedingten den, wissenschaftlichen Institutionen sowie zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden, mit Kollegen von befreundeten Wasserversor- reichen betrieblich-technische Maßnahmen gungsunternehmen sicherzustellen, da für eine alleine nicht aus. Vielmehr bedarf es auch erfolgreiche Bewältigung einer Krise eine gute praxisorientierter Monitoring-, Forschungs- und Vernetzung und eine vertrauensvolle Zusam- Entwicklungsprojekte, die in Kooperation mit menarbeit ausschlaggebend sind. den zuständigen Behörden und wissenschaft- lichen Institutionen durchzuführen sind. Hier Mit dem Aufbau eines Krisenmanagements sollten die Wasserwerke ihr Know-how ver- lassen sich zwar Unfälle, Sabotageakte oder stärkt einbringen sowie bei der Erarbeitung von Naturkatastrophen nicht verhindern. Doch als Vorsorgemaßnahmen aktiv mitwirken. Instrument der temporären Unternehmenssteu- erung dient es dazu, die Handlungsfähigkeit Katastrophen- und des Wasserversorgungsunternehmens auch bei Notfallmanagement außergewöhnlichen Vorkommnissen durch fundierte, sachgerechte und transparente Ent- Trinkwasserversorgungssysteme sind Infrastruk- scheidungen soweit wie möglich aufrecht zu tureinrichtungen mit existenzieller Bedeutung. erhalten. Im betrieblichen Alltag sind hinsichtlich der Trinkwasserversorgung keine Einschränkungen Präventive Kommunikationsstrategie, zu erwarten. Das gleichzeitige Auftreten mehre- Zusammenarbeit mit Dritten rer Störungen oder die Verkettung ungünstiger Umstände können jedoch zu unvorhersehba- Die Anpassung der natürlichen und gesell- ren Ausnahmesituationen führen, in der die schaftlichen Systeme an den Klimawandel ist vorhandenen üblichen Betriebsmittel und/oder durch eine Vielzahl an Herausforderungen Organisationsstrukturen zu deren Beherrschung gekennzeichnet, die oftmals nicht einfach zu nicht mehr ausreichen. Als Beispiele sind hier lösen sind. Daher ist im Rahmen einer Erfolg der Personalausfall bei Epidemien und Pande- versprechenden Vorgehensweise eine frühzei- mie, das Versagen von Anlagenteilen, intentio- tige und gezielte Bewusstseinsbildung in Form nale Gefahren sowie Großschadensereignisse eines breit angelegten Kommunikations- und und Naturkatastrophen zu nennen. Dialogprozesses, ein kooperatives Miteinander

92 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Risikobewertung der Trinkwasserversorgung Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Hinsichtlich der vorgeschlagenen Handlungs- politischen Entscheidungsträgern, Wissenschaft, erfordernisse und Präventionsmaßnahmen sind Praxis und Öffentlichkeit unerlässlich. Dabei in Zukunft investive und organisationsbasierte sind unter Nutzung der vorhandenen wasser- Mehrkosten zu erwarten. Finanzierungsmodel- werksinternen und externen Informationsmög- le, die weiterhin eine faire und sozialverträg- lichkeiten sowie der Einbeziehung aller heute liche Kostenverteilung gewährleisten, sind zu zur Verfügung stehenden Medien – Intranet, entwickeln. Internet, Soziale Netzwerke, Diskussionsforen, Workshops, Kolloquien, Veröffentlichungen, Da die Wasserversorgung unter anderem durch Presse, Rundfunk und Fernsehen – Strukturen eine aufwendige Infrastruktur und durch lan- zu schaffen, die auf den Grundgedanken einer ge Nutzungsdauer der technischen Anlagen präventiven Kommunikationsstrategie und eines gekennzeichnet ist, sind in einem Abwägungs- interaktiven Austausches von Wissen aufbauen. prozess ökonomische Aspekte in Form einer entsprechenden Kosten-Nutzung-Analyse Sozio-ökonomische Aspekte zu bewerten. Während bei einer klassischen Vorgehensweise diejenige Handlungsoption Um die zukünftigen Aufgaben der Wasserver- ausgewählt wird, die unter Berücksichtigung sorgungsunternehmen insbesondere in Zeiten direkter Kosten und Nutzen entweder das beste starken Wasserverbrauchs sowie im Not- und Gesamtergebnis (Effektivität) erbringt oder mit Katastrophenfall erfüllen zu können, bedarf Blick auf die eingesetzten Mittel die beste Ren- es weiterhin qualifizierter Mitarbeiter/innen in tabilität (Effizienz) verspricht, werden bei einer ausreichender Anzahl. Entsprechende Ausbil- erweiterten Kosten-Nutzen-Analyse auch indi- dungen sowie regelmäßige Schulungen und rekte Kostenkomponenten mit berücksichtigt. Fortbildungen sichern die fachlichen und Dazu zählen zum Beispiel Folgekosten durch sozialen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnis- Schädigung der Umwelt, Erhalt der Biodiversität se. Motivierte und zufriedene Mitarbeiter/innen und Maßnahmen zur Verbesserung der Lebens- mit ausreichender Wissensbasis sind einer der qualität. wichtigsten Erfolgsfaktoren. Wegen ihrer längeren Umsetzungs- und Finan- Zur Minimierung von klimabedingten Einflüs- zierungsphase bedürfen vor allem die vermö- sen wie beispielsweise Hitzewellen, die zu gensplanrelevanten Aktivitäten einer frühzei- nachteiligen Beeinträchtigungen der mensch- tigen und sorgfältigen Planung. Da außerdem lichen Gesundheit und des Wohlbefindens eine Zunahme von Wetterextremen – verbun- führen können, sind geeignete Anpassungen den mit Elementarschäden größeren Ausmaßes hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des – nicht auszuschließen ist, wird daher zusätz- Arbeitsplatzes vorzusehen. Dazu zählen flexi- lich empfohlen, den bestehenden Versiche- ble Zeiteinteilung, Lockerung der Kleiderord- rungsschutz zu überprüfen und gegebenenfalls nung, Wärmedämmung von Gebäuden sowie hinsichtlich der zu erwartenden Rahmenbedin- Installation von Klimaanlagen und Ventilatoren gungen anzupassen. Versicherungsgesellschaf- in Fahrzeugen und Büroräumen. ten sind derzeit dabei, entsprechende Produkte zu generieren. Für den Fall, dass große Teile der Mitarbeiter- schaft krankheitsbedingt ausfallen, sind die Rechtlicher Ordnungsrahmen vorhandenen Infektionsschutzmaßnahmen sowie Not- und Störfallpläne (beispielsweise Für die Anpassung an den Klimawandel gibt abteilungs- und bereichsinterne oder unter- es kein allgemeingültiges Handlungsmuster. nehmensübergreifende Aushilfemöglichkeiten) Dafür sind die Umweltauswirkungen und die zu aktualisieren, fortzuschreiben und konse- Folgen für die Wasserversorgungsunternehmen quent umzusetzen. regional zu unterschiedlich, etwa die Beschaf- fenheit des Rohwassers oder die Sicherheit der

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 93 Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

Anlagen. Anpassungsbedarf und Handlungs- der Bewässerungsbedarf der Landwirtschaft möglichkeiten ergeben sich aus den jeweiligen versus der Trinkwasserversorgung. Um die Res- naturräumlichen Bedingungen und den Wech- sourcenverfügbarkeit gewährleisten zu können, selwirkungen mit anderen Prozessen im Zuge ist darauf hinzuwirken, dass durch Rechts- des Klimawandels. Nicht zuletzt sind es auch grundlagen der Trinkwasserversorgung und der die rechtlichen und politischen Rahmenbe- Sicherung der Stromversorgung zu Hochver- dingungen, welche die Gestaltungsspielräume brauchszeiten Vorrang eingeräumt wird. eines Wasserversorgers definieren. Ziel muss es sein, im regulatorischen Bereich allen Tenden- Vor dem Hintergrund einer auch in Zukunft zen und Entwicklungen entgegenzuwirken, gesicherten Trinkwasserversorgung sind die ak- bei denen eine Benachteiligung der Trinkwas- tuellen gesetzlichen Vorgaben sowie das Leitbild serversorgung nicht auszuschließen ist. Neben „Wasserversorgung in Baden-Württemberg“ ge- raumordnerischen und wasserwirtschaftlichen meinsam mit allen betroffenen Akteuren – also Planungen sind auch technische Überlegungen Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Verbände und mit einzubeziehen. Wassernutzer – den zukünftigen Rahmenbedin- gungen anzupassen. Die Bedeutung der jewei- Insbesondere in länger anhaltenden Hitze- ligen Versorgungssysteme Fernwasser, Gruppen- und Trockenperioden können konkurrierende wasser und Ortswasser sind dabei entsprechend Nutzungen der örtlich und regional begrenzten zu berücksichtigen. Ziel ist es, intelligente und Wasservorkommen zur Verknappung des zukunftsorientierte Wasserversorgungskonzepte Wasserangebotes führen. Ein Beispiel ist und Verbundlösungen zu entwickeln.

94 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Risikobewertung der Trinkwasserversorgung Risikobewertung der Trinkwasserversorgung

5.4. Klimaveränderung und Trinkwasser: ein langfristiger Anpassungsprozess

Die Wechselwirkungen und Prozessabläufe, Dabei gilt es, in Abhängigkeit von den politi- die aus den zu erwartenden klimatischen schen, sozialen und finanziellen Gestaltungs- Veränderungen im Einzugs- und Trinkwasser- möglichkeiten sowie den standortspezifischen versorgungsgebiet des Bodensees resultieren, Rahmenbedingungen Bewährtes zu erhalten erfordern und mit Augenmaß in den nächsten Jahren und Jahrzehnten fortzuentwickeln. Als Grundlage • in langfristigen Planungs- und hierfür dienen: Investitionszeiträumen von mehr als 50 Jahren zu denken, • das Leitbild eines vorsorgenden und nachhaltigen Gewässerschutzes, • mit sich spontan oder langsam ändernden Rahmenbedingungen umzugehen und • die regelmäßige Überwachung des Wassers in allen Komponenten der • in allen Bereichen der Wertschöpfungs- Wertschöpfungskette Trinkwasser- kette „Ressource, Gewinnung, Aufberei- versorgung, tung, Verteilung und Speicherung“ Entscheidungen unter Unsicherheiten • der Einsatz bewährter wie auch innovati- zu treffen. ver Techniken zur Gewinnung, Aufbe- reitung, Verteilung und Speicherung Wie die Überlegungen der Vulnerabilitäts- einschließlich der Instandhaltung der abschätzung und Risikomanagement gezeigt entsprechenden Anlagen, haben, ist ein deutlicher Einfluss der zu er- wartenden Klimaentwicklungen auf die Trink- • die Förderung von entsprechenden wasserversorgung zu erkennen. Bislang lassen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sich jedoch keine Hinweise ableiten, die auf und die aktive Teilnahme an solchen einen akuten und dringenden Handlungsbedarf Projekten sowie hindeuten. Dennoch ist eine vorausschauende, aktive und sachliche Auseinandersetzung mit • eine vorausschauende ökonomische dem Thema Klimawandel erforderlich, wobei Vorgehensweise. entsprechende Anpassungsstrategien und Hand- lungsoptionen ausgearbeitet werden müssen. Darüber hinaus sind bei der Entwicklung von Strategien und bei den Planungen zur zukünfti- gen Trinkwasser-Versorgungsstruktur die bisher noch nicht berücksichtigten Auswirkungen des Klimawandels und der anthropogenen Anpas- sungsprozesse daran sowie die zunehmende Beeinträchtigung der aquatischen Systeme durch unerwünschte Stoffeinträge zu integrieren.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 95 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6. Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Der See speichert große Mengen an Wärme. Hier macht der dampfende See dies eindrücklich sichtbar.

Die thermischen Verhältnisse im Bodensee Bodensees. Auch für die Fragestellung, wie bestimmen die biologischen Vorgänge im See stark ein See thermisch genutzt werden kann, in unterschiedlicher Weise. Neben der direkten ohne sein Ökosystem zu gefährden, ist es Bedeutung der Temperatur für die Organismen, wichtig zu wissen, wie sich solche Nutzungen werden die biologischen Abläufe auch indirekt auf die Temperaturverhältnisse in stehenden durch temperaturabhängige chemische und Gewässern auswirken. physikalische Vorgänge gesteuert. Der Einfluss der Temperatur auf die Dichte des Wassers Im dritten Teilbericht des 5. Sachstandsberichts bestimmt den saisonalen Verlauf der Schichtung hat sich der Weltklimarat mit der Minderung und ist somit maßgeblich für den vertikalen des Klimawandels befasst (BMUB, 2014; IPCC, Stoffaustausch. Das Ökosystem des Bodensees 2014). Darin wird darauf hingewiesen, dass als ist folglich in hohem Maße von den meteoro- geeignete Klimaschutzmaßnahmen auf logischen Verhältnissen abhängig, welche die Verbraucherseite Energieeinsparungen sowie Temperaturverteilung im Bodensee vorrangig der Einsatz kohlenstoffarmer Energieträger im bestimmen. Kenntnisse über die Wärmeaus- Vordergrund stehen. Ausdrücklich wird dabei tauschprozesse und Wärmebilanz sind daher im Hinblick auf den Gebäudebereich neben eine wichtige Grundlage bei der Untersuchung der energetischen Sanierung und der Einfüh- von Klimaeinflüssen auf das Ökosystem des rung von Energieeffizienzstandards für Neu-

96 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

bauten auch auf die Nutzung fortschrittlicher See zurückgeleitet. Bei der indirekten Küh- Technologien hingewiesen, um den Endener- lung entziehen Wärmepumpensysteme in der gieverbrauch bis zum Jahr 2050 zu stabilisieren warmen Jahreshälfte Wärme aus den Gebäu- bzw. zu senken. den und geben diese an das Seewasser ab. Die Wärmemengen, die an großen Seen wie den Zu diesen Technologien zählen auch Wärme- Great Lakes in Nordamerika in der Summe von pumpen, welche zur Heizung von Gebäuden Kern- und Kohlekraftwerken direkt abgege- eingesetzt werden. Als Wärmequelle kann ben werden, können mehrere Gigawatt (GW) dabei das Wasser von Seen dienen. Der Ertrag betragen. Die Wärmenutzung sollte deshalb an thermischer Energie ist dabei üblicherweise die Temperaturen nur in einem akzeptablen zwei- bis fünfmal so hoch wie die aufgebrach- Ausmaß verändern. te elektrische Energie, die für den Betrieb von Wärmepumpen notwendig ist (Lund et al., Auch wenn ein See nicht durch Wärmenutzung 2004). Somit kann insgesamt Energie gespart belastet wird, so betrifft der Klimawandel alle und damit ein Beitrag zur Minderung der CO2- Gewässer. Seit mehreren Jahrzehnten steigt Emissionen geleistet werden. die globale Durchschnittstemperatur der Luft. Hierdurch kommt es auch zu steigenden Für eine hohe Effizienz solcher Wärmepum- Wassertemperaturen in Seen. penanlagen werden Wärmequellen einer mög- lichst konstanten Temperatur und einer hohen Die Folgen des Klimawandels und der Wär- Wärmekapazität benötigt. Bei großen Seen wie meentnahme durch Wärmepumpen sowie dem Bodensee liegen die Temperaturen unter- die Bewahrung eines funktionierenden und halb der warmen Oberflächenschicht, die sich ursprünglichen Ökosystems müssen in einem während des Sommers ausbildet, relativ nachhaltigen Managementkonzept gesamthaft konstant und sinken aufgrund der Dichte- betrachtet werden. In diesem Rahmen stellt anomalie des Wassers selten unter 4 °C ab. sich die Frage, in welchem Ausmaß die Nut- Zusätzlich ist die Wärmekapazität von Wasser zung des Wärme- und Kälteinhalts des Boden- mit 4,2 kJ/(°C kg) sehr hoch. sees zur Heizung und Kühlung von Gebäuden möglich ist, ohne das Ökosystem und somit Seen können auch zur Kühlung von Gebäuden auch die Wasserqualität zu gefährden. Wo lie- oder Industrieanlagen genutzt werden. Sie stel- gen die Grenzen? Wie schränkt der Klimawan- len dann Wärmesenken dar, das heißt, kaltes del die Möglichkeiten ein? Diesen Fragen wird Wasser wird direkt oder indirekt zur Kühlung in diesem Kapitel nachgegangen. entnommen, erwärmt und anschließend in den

6.1. Anthropogene Temperaturveränderungen in Gewässern

Veränderungen der Wassertemperatur sind von etwa durch die Verschlechterung der Rohwas- großer Bedeutung, da sie viele Prozesse – phy- serqualität bei der Trinkwasserversorgung oder sikalische, chemische und ökologische – in durch Verluste bei der Fischerei. In einer Lite- Gewässern beeinflussen. So verändert zum raturstudie des KlimBo-Projekts (Hunziker & Beispiel die Temperatur die Dichteschichtung in Wüest, 2011) wurden Untersuchungen zu den Seen oder den Sauerstoffgehalt in Flüssen und wichtigsten anthropogenen Quellen thermischer biochemische Prozesse verlaufen gemäß der Belastung, die dazugehörigen Auswirkungen auf Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel bei die Wassertemperatur und beobachtete Reaktio- einer Temperaturerhöhung von 10 °C doppelt nen in den betreffenden Gewässern ausgewertet so schnell. Negative Effekte von Wärmebelas- (z.B. Frutiger, 2004; Kirillin, 2010; Meier et al., tungen können auf den Menschen zurückfallen, 2003; Prats et al., 2010; Richter et al., 1979).

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 97 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6.1.1. Quellen thermischer Belastung von Gewässern

Der Einfluss menschlicher Tätigkeiten auf die Auswirkungen von Stauseen auf die Wasser- Wassertemperaturen von Gewässern ist häufig temperatur können sich je nach ausströmender durch folgende Faktoren bedingt: Wassermenge und je nach dem lokalen Klima und der Menge an flussabwärts zuströmendem • der Veränderung der Abflüsse und der Wasser über mehrere hundert Kilometer hinzie- Ufervegetation (Beschattung der Gewässer), hen. Der Schwall-Sunk-Betrieb zur Strompro- duktion kann zu starken Temperaturänderungen • dem Betrieb von Stauseen und in kurzer Zeit führen und zum wichtigsten Ein- Kraftwerken sowie flussfaktor auf die täglichen Temperaturschwan- kungen werden. Wenn die Wasserentnahme an • der Abgabe von thermisch verändertem der Wasseroberfläche des Speichers erfolgt, so Wasser (vor allem Kühlwasser). führt dies meist zu einer Erhöhung der Sommer- temperatur flussabwärts, wobei Erwärmungen Diese Einflüsse überlagern sich bei mehreren von bis zu ~5 °C beobachtet wurden. Nutzungen, wodurch sich diese sowohl verstär- ken als auch verringern können. Die thermi- Beschattung durch Ufervegetation schen Beeinträchtigungen können dabei direkt, also durch das Einleiten von Wärme, oder Lokale meteorologische Faktoren bestimmen indirekt durch Veränderungen in den Einzugs- die Temperatur der Gewässer am meisten. In gebieten erfolgen. Flüssen ist die kurzwellige Einstrahlung der wichtigste Beitrag im Wärmehaushalt. Deshalb Abfluss in Fließgewässern hat die Beschattung von Flüssen, meist durch Auenbewaldung, großen Einfluss auf das Tem- Veränderungen der Flusswasserführung werden peraturregime. Dies ist vor allem im Sommer hauptsächlich durch den Betrieb von Stau- bei großer solarer Einstrahlung der Fall. Der seen und das Umleiten von Flüssen etwa für Effekt ist besonders bei kleineren Wasserläufen Bewässerungszwecke verursacht. Reduzierte mit geringer Wassertiefe ausgeprägt. Während Abflussmengen erhöhen aufgrund der kleineren die jährliche Durchschnittstemperatur nur leicht Wassertiefe die Schwankungen und Extrem- erhöht wird, bewirkt die Rodung von Auen- werte der Temperatur sowie die Sensibilität wäldern teilweise massiv erhöhte Maximaltem- eines Flusses auf weitere temperaturrelevante peraturen. In den dokumentierten Beispielen Einflussfaktoren. Werden die Abflussmengen werden die Temperaturmaxima typischerweise erhöht, treten die gegenteiligen Effekte ein. um ~4 °C angehoben, in extremen Fällen um bis zu ~13 °C. Saisonale, wie auch tägliche Stauseen Temperaturamplituden nehmen zu. Zudem tritt eine zeitliche Verschiebung des saisonalen Der Abfluss von Tiefenwasser aus einem Stau- Temperaturverlaufes auf mit früheren jährli- see reduziert die saisonalen Temperaturschwan- cher Maximaltemperaturen. Je nach Gewässer kungen der betroffenen unterliegenden Flüsse. haben Veränderungen der Beschattung durch Im Sommer wird die Wassertemperatur kühler, Auenwälder bereits in kurzen Flussabschnitten während sie im Winter wärmer wird. In Alpen- – schon ab 100 m – einen deutlichen Einfluss flüssen unterhalb von Speicherseen können bei- auf die Wassertemperatur. In vielen Flussläufen spielsweise die täglichen Maximaltemperaturen werden so regelmässig besonders für Salmoni- im Sommer und Winter um ~6 °C reduziert den kritische Maximaltemperaturen erreicht. respektive um ~4 °C erhöht werden (Toffolon Deshalb wird die Aufforstung von Auenwäldern et al., 2010; Zolezzi et al. 2011). Zudem treten oft als Maßnahme zum Schutz temperatursensi- die höchsten Wassertemperaturen im Jahres- bler aquatischer Organismen vorgeschlagen. verlauf um mehrere Wochen verspätet auf. Die

98 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Thermisch belastete Abflüsse bei entsprechender Einlasstechnik verringert werden. Bei vielen Studien zu Kühlwasserein- Thermisch belastetes Wasser wird meistens in leitungen in Flüsse war es schwierig, deutliche Flüssen, teilweise aber auch in Seen eingeleitet. Veränderungen der aquatischen Ökosysteme Die häufigsten Kühlwasserrückgaben stam- nachzuweisen, obwohl die Wassertemperaturen men von stromproduzierenden thermischen teilweise massiv erhöht wurden. Kraftwerken, die mit fossilen oder nuklearen Brennstoffen betrieben werden. Künftig könnte Klimawandel auch der Betrieb von Wärmepumpen vermehrt thermisch veränderte Abflüsse erzeugen. Das Die großflächigste thermische Belastung wird Ausmaß der Temperaturänderung des Wasser- durch den Klimawandel verursacht. Dieser körpers ist vom Temperaturunterschied zwi- beeinflusst die Gewässertemperaturen haupt- schen eingeleitetem Wasser und Umgebungs- sächlich auf zwei Arten: Zum einen wird der wasser, der Menge des eingeleiteten Wassers Wärmefluss zwischen Atmosphäre und Wasser- und dem momentanen Abfluss abhängig. Im körper verändert. Zum anderen beinträchtigen Gegensatz zu den anderen anthropogenen die modifizierten Niederschlagsmuster die Temperaturveränderungen kann sich der Effekt Abflussregime der Zuflüsse. Generell verursacht auf die Wassertemperatur sehr lokal im betref- der Klimawandel eine Erhöhung der Wasser- fenden Gewässer auswirken und zu starken temperaturen und verstärkt damit die thermi- Temperaturgradienten führen. Die Temperatur sche Belastung der aquatischen Ökosysteme des thermisch veränderten Wassers gleicht sich besonders in den Sommermonaten. In diversen in einem Fluss mit zunehmender Distanz zur Gewässern sind schon heute die oberen thermi- Quelle durch Vermischung und durch Wärme- schen Grenzwerte für aquatische Organismen austausch mit der Umgebung an die natürlich erreicht, insbesondere jene von Salmoniden. vorherrschende Temperatur an. Wenn Kühlwas- Daher könnten bisherige lokale anthropogene ser in ein großes Wasservolumen eingeleitet Veränderungen der Wassertemperatur unter wird, wie z.B. in Seen, kann die Temperatur- künftigen klimatischen Bedingungen zu differenz zwischen Umgebungswasser und problematischen Maximaltemperaturen führen. eingeleitetem Wasser durch gute Vermischung

Auwald an der Argen.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 99 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Blick über den St. Moritzersee.

6.1.2. Beispiele der Auswirkung von Wärmenutzungen auf Seen

Wärmeeinleitung in den Bielersee der zugefügten Wärme im Sommer an die Atmosphäre ab. Die verbleibenden 88 bis Der 430 m ü. M. hoch gelegene Bielersee ist 98 % von 820 MW führen im Mittel zu einer ein ungefähr 15 km langer und maximal etwa Erwärmung des Bielersees um ~0,4 °C bei 4 km breiter See im Kanton Bern mit einer einem mittleren Jahresabfluss von 176 m³/s. Fläche von 39,3 km² und einer maximalen Tiefe Die jahreszeitliche und vertikale Veränderung von 74 m. Die wichtigsten Zuflüsse sind die im Bielersee ist Gegenstand laufender Unter- (Hagneckkanal), der Zihlkanal und die suchungen. Da das Wasser der Aare aufgrund Bäche Twannbach und Schüss. Das Kernkraft- seiner Dichte in der Regel oberflächig in den werk Mühleberg (KKM) liegt an der Aare etwa See einströmt, wird die Wärme nicht über den 20 km stromaufwärts des Bielersees. Es wurde gesamten Seekörper verteilt, sondern verändert 1972 in Betrieb genommen und liefert eine lediglich den Wärmeinhalt des Epilimnions. Nettoleistung von 373 MW. Mit einem Siede- wasserreaktor wird jährlich eine Energiemenge Wärmeentzug im St. Moritzersee von ~2,6 GWh produziert und maximal 820 MW an die Aare abgegeben. Zur Kühlung wird Im Engadin (Kanton Graubünden, Schweiz) liegt Wasser aus der Aare entnommen (11,6 m³/s) der 0,78 km² große Sankt Moritzersee auf 1768 und mit einer maximalen Temperaturerhöhung m ü. M. Er ist maximal 44 m tief mit einer per- von 15 °C wieder eingeleitet. manenten Dichteschichtung des Tiefenwassers (Schmid & Dorji, 2008). Der gipshaltige Zufluss Auf der Fließstrecke vom Kraftwerk Mühleberg Ovel dal Mulin verursacht während des Winters bis zur Mündung in den Bielersee gibt der Fluss eine kontinuierliche Zunahme des Salzgehalts. 12 % der Wärme im Winter und 2 % Daraus resultiert eine entsprechende, stabile

100 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Salzschichtung über die gesamte Tiefe. Im Win- der Einleitung auf das Tiefenprofil der Tempera- ter hat die Wassertemperatur nur in den obers- tur im Winterhalbjahr abzuschätzen. Es wurde ten Metern einen wesentlichen Einfluss auf die mit einer Einleitung von 45 L/s (Mittelwert) Dichte. Zur Beheizung eines großen Hotels, Wasser mit einer Temperatur von 1 °C und einer Schule und einer Doppelturnhalle sowie einem Salzgehalt von 0,18 ‰, verteilt über die von zwei Mehrfamilienhäusern wurde eine Tiefe zwischen 37 und 31 m, gerechnet. Zum Wärmepumpe mit einer Wärmeleistung von Vergleich wurden die gleichen Simulationen 1,2 MW installiert. Hierzu werden aus 10 m mit einem drei- und zehnmal so hohen Eintrag Tiefe, 2 m über Seegrund und etwa 50 Meter durchgeführt. vom Ufer entfernt bis zu 67 L/s (Maximalwert) Seewasser entnommen. Das um 1 °C abgekühl- Im Verlauf des Winters bildet sich eine rund te Wasser wird am Seegrund wieder eingeleitet. 15 m mächtige Schicht aus, welche gemischt ist und etwa 0,25 °C kühler als das Umge- Die Anlage wird in den Monaten Dezember bis bungswasser wird. Diese Temperaturänderung April rund 22 Stunden pro Tag betrieben. Im bewegt sich im Bereich der Variabilität, welche Sommerhalbjahr beträgt die totale Betriebsdau- im Januar 2006 beobachtet wurde. Sie wird als er 2000 Stunden bei einer variablen täglichen unbedenklich angesehen. Bei einem dreimal Betriebsdauer zwischen 6 und 15 Stunden. Ob höheren Eintrag wird diese Schicht 23 m dick die Anlage einen Einfluss auf die Eisbildung hat und die Temperatur nimmt um fast 0,5 °C ab. und ob die stabile Salzschichtung durch die Ein- Beim zehnmal höheren Eintrag von 450 L/s leitung des abgekühlten Wassers gefährdet ist, wird das ganze Tiefenwasser durchmischt und wurde anhand von Modellrechnungen bewertet. um nahezu 1 °C abgekühlt. Durch den aufwärts gerichteten Transport von Tiefenwasser würde Das Simulationsprogramm von Goudsmit et al. dann auch ein beträchtlicher Wärmefluss in die (2002) wurde verwendet, um die Auswirkungen Oberflächenschicht gelangen und

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 101 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

möglicherweise die Eisdecke beeinflussen. überschritten wäre, wenn er wärmemäßig zehn- Daraus lässt sich schließen, dass die Kapazität mal stärker als heute genutzt würde. des Sankt Moritzersees als Wärmequelle sicher

6.1.3. Auswirkungen auf aquatische Biota

Temperatureffekte bei aquatischen Organismen Sommer können bei Überschreiten von Tempe- werden unterteilt in letale Effekte, Kontroll- raturgrenzwerten letale Folgen haben oder die effekte (wie beispielsweise die Beeinflussung betroffenen Organismen physiologisch von Wachstum, Metabolismus oder Fortpflan- beeinträchtigen. Erhöhte Wintertemperaturen zung) sowie direktive Effekte (zum Beispiel Ver- hingegen führen oft zur Ausdehnung der Ve- änderungen im Verhalten oder der Migration). getationsperiode, der Steigerung der Primär- Jede Art hat einen Temperaturbereich für opti- produktion und größerer Aktivität aquatischer males Wachstum – ein sogenanntes thermisch- Organismen. In kalten Gewässern führt eine finales Präferendum – sowie einen thermischen Erwärmung oft zur Zunahme der Diversität Toleranzbereich. Letzterer nimmt generell mit und der Anzahl an aquatischen Organismen, steigender Entwicklung des Organismus ab. wobei Kaltwasserspezies benachteiligt werden. Zudem vergrößern steigende Wassertempera- Fische sind daher die temperatursensibelsten turen die Wahrscheinlichkeit für Parasiten- und aquatischen Lebewesen. Außerhalb des ther- Pilzerkrankungen. Werden beispielsweise 15 °C mischen Toleranzbereiches ist das Überleben während einer längeren Zeitperiode (ca. zwei zeitlich beschränkt möglich, sofern ein letaler Wochen) überschritten, erhöht sich die Gefahr Grenzwert nicht überschritten wird. Neben der eines Ausbruches der Proliferativen Nieren- genetischen Veranlagung ist auch die Akklima- krankheit bei Salmoniden massiv. Diese Krank- tisierungstemperatur – bei Fischen ist sie meist heit ist einer der Gründe für den Fischrückgang schneller als 1 °C in 24 Stunden) – für den in Schweizer Gewässern. thermischen Toleranzbereich eines Individuums entscheidend. Diverse weitere Faktoren wie Die Auswirkungen rascher Temperaturände- Wasserverschmutzung oder parasitäre Erkran- rungen, wie sie häufig durch den Schwall- und kungen können die thermischen Grenzwerte Sunk-Betrieb von Reservoiren verursacht von Individuen verringern. Mobile aquatische werden, sind wenig erforscht. Die wenigen Organismen suchen ihr thermisches Präferen- vorhandenen Studien zeigen, dass die rasche dum, wenn in einem Gewässer Regionen Temperaturänderung zu erhöhtem Driften unterschiedlicher Temperatur zur Verfügung ste- von Invertebraten führt und sich damit die hen. Je naturbelassener ein Gewässer ist, desto Zusammensetzung der aquatischen eher ist dies der Fall. Solche thermischen Ökosysteme verändern kann. Rückzugsorte sind für Fische während sommer- licher Maximaltemperaturen oft überlebens- Um die Auswirkungen von thermischen Belas- wichtig. tungen auf aquatische Ökosysteme abzuschät- zen, muss bekannt sein, welche Aspekte des Temperaturgradienten, die der Mensch bei- Temperaturregimes sich wie stark verändern. spielsweise durch thermisch belastete Abflüsse Diese Veränderungen unterscheiden sich stark verursacht, machen sich oftmals mobile aqua- zwischen den unterschiedlichen Quellen der tische Organismen – hauptsächlich Fische – zu thermischen Belastung (Tab. 4). Ebenso sind nutzen, um eine möglichst optimale Körpertem- die Reaktionen der aquatischen Ökosysteme je peratur aufrecht zu erhalten. Dafür suchen oder nach Ausprägung der Temperaturveränderungen meiden sie beispielsweise Kühlwasserauslasse, völlig unterschiedlich. Veränderungen der Was- abhängig von der Jahres- und Tageszeit sowie sertemperatur im Winter sind dabei weniger ihrem Entwicklungsstand. Erwärmungen im kritisch als im Sommer, da im Sommer bereits

102 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Der Seesaibling. geringe Erwärmungen letale oder stark nachtei- Einfacher als die Definition von maximal tole- lige Folgen auf Organismen haben können. rierbaren Temperaturänderungen ist die Bestim- mung von Maximaltemperaturen, die in einem Wenn nur eine geringe Fläche des Wasserkör- bestimmten Gewässer nicht überschritten pers betroffen wird, ist eher mit Verhaltensän- werden sollten. Ab ~21 °C nehmen die mögli- derungen mobiler Organismen zu rechnen als chen Auswirkungen einer Temperaturerhöhung mit Veränderungen des ganzen Ökosystems. zu. 28 °C sollten hierzulande auf keinen Fall Organismen in verbauten oder verschmutzten überschritten werden. Die thermischen Grenz- Gewässern werden sensibler auf Temperaturän- werte der temperatursensibelsten Fische eines derungen reagieren als solche in naturbelasse- betroffenen Wasserkörpers können auch eine nen Gewässern, da schlechte Wasserqualität als gute Orientierungshilfe zur Bestimmung von Stressfaktor die Temperaturtoleranz beeinflusst Ober- und Untergrenzen von Temperaturen dar- und das Fehlen von thermischen Zufluchtsor- stellen. Beobachtete Auswirkungen bestimmter ten verhindern kann, dass die Tiere erfolgreich Temperaturveränderungen auf aquatische Öko- sommerliche Maximaltemperaturen überstehen systeme fallen aufgrund der hohen Komplexität können. Thermisch belastete Gewässer wei- und der vielen Einflussfaktoren sehr variabel sen neben dem Temperaturunterschied zum aus. Deshalb ist die Festlegung einer fundierten Umgebungswasser oft auch andere veränderte Größe der akzeptablen Temperaturänderungen chemische und physikalische Eigenschaften auf, schwer vorzunehmen. wie zum Beispiel geringere Sauerstoffgehalte oder Verunreinigungen. Solche Effekte und die Die schweizerische Gesetzgebung lässt in Einflüsse der Temperatur beeinflussen sich oft Fließgewässern maximale Temperaturerhöhun- gegenseitig und sollten berücksichtigt werden. gen von 3 °C und 1,5 °C in Forellengewässern bis zu einem oberen Temperaturgrenzwert von 25 °C zu. Erwärmungen ab 28 °C sollten

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 103 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

hingegen strikt vermieden werden. In Seen sind eine Annäherung an frühere Temperaturregimes die Folgen von thermischer Beeinträchtigung bedeuten, da ein Großteil der Gewässer in den deutlich ausgeprägter. Deshalb sollte eine groß- vergangenen Jahrzehnten bereits deutlich er- flächige Temperaturerhöhung um 1 °C nicht wärmt wurde (IPCC, 2007; Schneider & Hook, überschritten werden, auch wenn dieser Wert 2010). Fixe Temperaturgrenzwerte sind aber gesetzlich nicht vorgegeben ist. Eine thermi- unter den Autoren der untersuchten Literatur sche Belastung durch Abkühlung ist generell umstritten, und die darin empfohlenen Grenz- weniger problematisch als Erwärmungen. Eine werte müssten auf jeden Fall an die lokalen Verringerung der Wassertemperaturen könnte Bedingungen angepasst werden.

Quelle der thermischen Belastungen

Reduktion der Stausee mit Stausee mit Reduktion der Thermisch Abflussmenge Tiefenwasser- Wasserauslass Beschattung von belastete in Flüssen Auslass an Oberfläche Flüssen Zuflüsse

Durchschnittliche + ○ bis - - + + + bis +++ Jahrestemperatur

Sommertemperatur ++ - - - ++ ++ + bis +++

Wintertemperatur - - ++ ○ ○ + bis +++

Maximaltemperatur +++ - - - + +++ + bis +++

Minimaltemperatur - - - ++ ○ ○ + bis +++

Tägliche Amplitude +++ º/+ - +++ - der Temperatur

Rate der täglichen + +++ + + ○ Temperaturänderung

Zeitliche Verschiebung der jährlichen Max / ○ ++ ○ - - ○ Min-Temperaturen

Tab. 4: Bedeutung einzelner thermischer Beeinträchtigungen für das Temperaturregime von Fließgewässern. Wenn bei Abflussmenge und Beschattung anstelle einer Reduktion eine Erhöhung erfolgt, treten gegenteilige Effekte ein. +, ++ und +++ bedeuten geringe, mittlere und starke Erhöhung, während -, - - und - - - für entsprechende Verringerungen stehen. Bei zeitlicher Verschiebung bedeuten Pluszeichen ein verspätetes und Minuszeichen ein verfrühtes Auftreten im Jahresablauf. ○ bedeutet keine signifikante Änderung.

104 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6.2. Der Wärmehaushalt des Bodensees

Im Rahmen des Projektes KlimBo wurde ein weiteren Schritt wurden damit verschiedene Modell zum Wärmehaushalt und Wärmetrans- Wärmenutzungsszenarien „durchgespielt“. Das port entwickelt, welches erlaubt, die Wärme- Modell besteht aus zwei Teilen, dem Modell bilanz des Bodensees bezüglich ihrer verschie- Bodenseewärmebilanz BWB und einem Turbu- denen Einflussfaktoren zu untersuchen und lenzmodell. deren Veränderungen aufzuzeigen. In einem

6.2.1. Das Modell zur Berechnung der Wärmebilanz des Bodensees

Im Modell Bodenseewärmebilanz (BWB), wer- HV ist der Wärmeverlust durch Verdunstung, den die Wärmeflüsse zwischen dem Bodensee bzw. der Wärmegewinn durch Kondensation. und seiner Umgebung nachgebildet. Der See Der fühlbare Wärmeübertrag HC zwischen ist hierbei auf die Zu- und Abflüsse thermischer Wasser und Atmosphäre, unterstützt durch Energie reduziert (Schema Abb. 91). Interne Wind und Luftturbulenzen, ist neben der Ver- Wärmestrukturen werden nicht betrachtet. Die dunstungswärme der zweite, nicht aus Strah- Wärmebilanz H eines Sees lautet: lung bestehende Beitrag in der Bilanzgleichung. Zuflüsse und Abflüsse entziehen dem See

H = HS +HA + HW +HV + HC + HF Wärme oder führen dem See Wärme zu. In der Bilanzgleichung wird dieser Wärmeaustausch

HS ist der Anteil der kurzwelligen solaren Strah- durch die Komponente HF berücksichtigt. lung, der nicht an der Wasseroberfläche reflek- Die Wärmeflüsse durch die Wasser-Sediment- tiert wird, sondern in den oberen Wasserschich- Grenzschicht sind hingegen sehr klein und kön- ten absorbiert wird. HA ist die langwellige nen vernachlässigt werden. Die Berechnung der Wärmestrahlung (Infrarotstrahlung) der Atmo- einzelnen Glieder der Wärmebilanzgleichung sphäre. Je höher die Lufttemperatur, Luftfeuchte erfolgt mit physikalisch begründeten Gleich- und Wolkenbedeckung, desto höher ist deren ungen, die in zahlreichen Studien empirisch

Abstrahlung. HW ist die Energie, die das Wasser geeicht und erfolgreich getestet wurden durch langwellige Strahlung abgibt. (Fink et al., 2014a).

Hs HA HW HV HC

HF

Abb. 91: Energieflüsse durch die Wasser-Luft-Grenzschicht. Dabei ist HS die in den Wasserkörper eindringende solare Einstrahlung, HA die langwellige Einstrahlung, HW die langwellige Abstrahlung, HV der latente Wärmefluss (Evaporation und Kondensation) und HC der konvektive Wärmefluss. die Komponente HF bezeichnet den Wärmeeintrag oder -austrag durch Zu- und Abflüsse.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 105 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Mit dem Modell BWB können die Wärme- die dominierende langwellige Wärmestrahlung flüsse am Bodensee detailliert in ihrem mitt- der Atmosphäre, die im Mittel im Sommer 373 leren Verhalten untersucht werden. Abb. 92 W/m² beträgt. Je höher Luftfeuchtigkeit und zeigt die berechneten, mittleren Jahresgänge Lufttemperatur sowie die nächtliche Wolkenbe- der Wärmeflüsse in den Jahren 1984 bis 2011. deckung, sind, desto mehr wird der See durch Die Strahlungsprozesse dominieren: Die vom die atmosphärische Einstrahlung erwärmt. Die Wasser absorbierte solare Strahlung zeigt im Wärmeeinträge werden überwiegend durch mittleren Verlauf im Juni ein Maximum bei 216 Wärmeabstrahlung ausgeglichen, welche im W/m² (Abb. 92). Dieser Wärmeeintrag durch Sommer (August) im Mittel etwa 412 W/m² und kurzwellige Strahlung ist etwas schwächer als im Winter (Februar) 328 W/m² (Abb. 92) beträgt.

V

Abb. 92: Mittlere Jahresverläufe der Wärmeflüsse des Bodensees im Zeitraum 1984 bis 2011. a) Kurzwellige Einstrah-

lung HS , b) Absorption langwelliger, von der Atmosphäre abgegebener Strahlung HA , c) Wärmeabstrahlung

des Wasserkörpers HA , d) latenter Wärmeaustausch (Verdunstung und Kondensation) HV , e) fühlbarer Wärme-

austausch HC und f) Wärmeeintrag und -austrag HF durch Zu- bzw. Ausfluss.

106 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Die Abkühlung im Winter wird im Wesent- der Wärmeflüsse im Beobachtungszeitraum lichen durch die Wärmeabstrahlung bewirkt. durchgeführt mit dem Ziel, die Prozesse zu Neben dem dominierenden Einfluss der Ein- bestimmen, die für die Wassertemperaturver- und Abstrahlung auf die Wärmeflüsse spielt der änderungen in den vergangenen Jahrzehnten latente Wärmefluss (Verdunstung und Kon- verantwortlich sind. Demnach kann die Erwär- densation), der fühlbare Wärmeaustausch und mung des Wassers primär auf eine erhöhte so- der Wärmetransport durch Wasserzufluss und lare Einstrahlung und eine erhöhte Wärmestrah- -abfluss eine kleinere, aber dennoch wichtige lung der Atmosphäre zurückgeführt werden. Rolle: Durch Verdunstung gehen dem See im Mittel 43 W/m² verloren (Abb. 92). Der Energie- Wie die Tabelle Tab. 5 zeigt, ergibt sich hier- verlust durch den fühlbaren Wärmeaustausch bei folgendes Bild: Die Solarstrahlung und die

HC beträgt im Mittel 15 W/m² und ist im Winter Abstrahlung der Atmosphäre haben um ins- am größten (40 W/m²). Der Wärmeeintrag oder gesamt 0,46 W/(m² Jahr) zugenommen. Diese Wärmeentzug durch Wasserzuflüsse und -ab- zusätzliche Wärmeeinstrahlung wird kompen- flüsse findet punktuell statt und ist am Boden- siert durch eine erhöhte Abstrahlung und eine see deutlich bemerkbar: Im April erwärmt der erhöhte Verdunstung von 0,51 W/(m² Jahr). Alle Alpenrhein den Bodensee kurzfristig schwach. anderen Trends sind statistisch nicht aussage- In den nachfolgenden Monaten kühlt dieser kräftig. Daraus lässt sich erkennen, dass sich Zufluss hauptsächlich mit einem mittleren Wär- mit dem Anstieg der Oberflächentemperatur meentzug von bis zu 25 W/m² (Juli) den See ab. des Bodensees im betrachteten Zeitraum von 1984 bis 2011 vier der Wärmeflusskomponen- Neben der mittleren Wärmebilanzbetrach- ten intensiviert haben. tung wurde eine Analyse der Veränderungen

Zeitlicher Trend [W m-2 a-1] Wärmefluss Jahresmittel [W m-2] mit Standardabweichung

HS 116,2 0,21 ± 0,13

HA 313,2 0,25* ± 0,11

HW -363,5 -0,24* ± 0,06

HV -42,6 -0,27* ± 0,12

HC -14,6 0,03 ± 0,075

HF -9,2 0,01 ± 0,048 H (gesamt) -0,6 -0,01 ± 0,18

* Signifikanter Trend: Mann-Kendall-Test mit Signifikanz Niveauα = 0,05

Tab. 5: Zusammenfassung der mittleren Wärmeflüsse für den Bodensee für die Periode 1984 bis 2011. HS ist die ab- sorbierte Globalstrahlung, HA ist die absorbierte langwellige Einstrahlung, HW ist die langwellige Abstrahlung, HV bezeichnet den latente Wärmefluss (Verdunstung und Kondensation) und HC ist der konvektive Wärme- fluss. Die Komponente HF bezeichnet den Wärmeeintrag oder -austrag durch Zu- und Abflüsse.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 107 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6.2.2. Das Turbulenzmodell

Für die Berechnung des turbulenten Wärme- 1 m mächtigen, horizontalen Schichten. Dies transports innerhalb des Wasserkörpers, der setzt voraus, dass horizontale Strömungen im Temperaturverteilung und der Dichteschichtung Vergleich zu vertikalen Bewegungen vernach- dient ein sogenanntes k-ε-Modell. Die Vertei- lässigbar sind. Die Berechnungen erfolgen für lung und Entwicklung von turbulenter kineti- Zeitschritte von 10 Minuten. scher Energie (k) und deren Dissipationsrate (ε) bestimmt den Transport und die Verteilung von Die Modellvalidierung bestätigte die Prognose- thermischer Energie. Je turbulenter das Wasser fähigkeit des Modells. Hierbei wurden zunächst ist, umso höher ist der Transport von thermischer Modellparameter für den Zeitraum 1984-1997 Energie. Turbulenz ohne weitere Produktion angepasst, indem die Abweichungen zwischen klingt ab und wandelt sich schließlich in thermi- gemessenen und berechneten Wassertempera- sche Energie um (Dissipation). Die Produktion turprofilen (Seemitte) minimiert wurden. Die turbulenter kinetischer Energie wird im Mo- Güte der Modellanpassung wurde dann durch dell nachgebildet. Durch die Implementierung den Vergleich von berechneten und gemesse- dieser Prozesse ermöglicht das Modell sowohl nen Wassertemperaturprofilen des Zeitraumes die Beschreibung der Temperaturentwicklung im 1998 bis 2011 bestimmt. Abb. 93 zeigt den Tiefenwasserbereich als auch die Berechnung Vergleich der gemessenen und berechneten der Dichteschichtung (Goudsmit et al., 2002). Wassertemperaturen und damit die gute Prog- Die Berechnung der Turbulenz- und Wärme- nosefähigkeit des Modells. Die Abweichungen transporte erfolgt vertikal (eindimensional) in sind meist sehr gering.

Abb. 93: Validierung des k-ε-Modells für den Bodensee mit gemessenen Wassertemperaturen aus dem Zeitraum 1998 bis 2011.

108 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6.3. Auswirkungen einer thermischen Nutzung des Bodensees 6.3.1. Simulationen zur Wärmenutzung für den Gesamtsee

Die in der Validierung bestätigte Prognosefähig- zwischen 1 GW (= 2,1 W/m²) Wärmeent- keit erlaubt nun die Anwendung des Modells zug und 2,1 GW (= 4,4 W/m²) Wärmeeintrag zur Simulation der Auswirkung von Wärmenut- variiert. Hierbei schwankte die Wasserentnah- zungen auf Wärmebilanz, Dichteschichtung me zwischen 1,25 m³/s und 10 m³/s, und ΔT und Tiefenwasseraustausch. Hierzu wurde eine zwischen einer Abkühlung auf 0 °C und einer Sensitivitätsstudie durchgeführt und die Reakti- Erwärmung um 10 °C. Aus den Kombinationen on von Wassertemperatur, Schichtungsverhalten von Q, ΔT und den in Abb. 94 dargestellten und Tiefenmischung auf verschiedene Wärme- Entnahmedesigns ergaben sich 216 Kombi- nutzungsszenarien untersucht. Variiert wurden nationen. Der Bodensee wurde mit der Me- die Entnahme- und Rückgabetiefen, die Entnah- teorologie von 1984 bis 2011 für diese Wär- memenge sowie die Temperaturveränderung menutzungsszenarien berechnet. Aus diesen des entnommenen und wieder eingeleiteten Szenarienrechnungen resultierte ein umfassen- Wassers. Abb. 94 zeigt verschiedene Kombina- des Bild der Veränderungen der physikalischen tionen für die Wasserentnahme und Rückleittie- Eigenschaften innerhalb eines längeren Zeit- fen, die untersucht wurden. Die Energiemenge, raumes. Die Rechnungen erlaubten zudem die die sich aus der Entnahmemenge Q, der Tem- Definition eines Wärmenutzungsszenarios mit peraturveränderung ΔT und der spezifischen den geringsten Auswirkungen. Wärmekapazität des Wassers ergibt, wurde

d1 d4

0 m 0 m -45 m

d2 d5

0 m

-45 m -45 m

d3 d6 0 m 0 m

-254 m -254 m

Abb. 94: Szenarien der thermischen Nutzung (d1 - d6) mit unterschiedlichen Entnahme- und Rückgabetiefen.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 109 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Im genannten Wärmenutzungsbereich (Wärme- peratur bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um entzug bis 1 GW und Eintrag bis 2,1 GW) sind ~3 °C gegenüber heute (Kapitel 3.3). Dies führt die Veränderungen sehr gering. Insbesondere zu einer deutlichen Erhöhung der langwelligen sind die Auswirkungen bei der Entnahme und Einstrahlung. Hinzu kommen höhere Energie- Rückgabe in der obersten Wasserschicht klein. einträge durch steigende Globalstrahlungswerte Abb. 95 zeigt die mittlere Oberflächenwasser- (Kapitel 3.2). Ein Vergleich der Wärmenut- temperatur bei verschiedenen Wärmenutzungs- zung mit den Effekten des Klimawandels wird szenarien. Aus diesen Rechnungen erst möglich, wenn man die Wärmenutzung leitet sich die grobe Annäherung ab, dass je erheblich ausweitet. Hierzu wurde für eine GW Wärmezufuhr im Jahresmittel die Ober- Entnahme und Rückgabe im Epilimnion die flächentemperatur um ~0,1 °C höher liegt. Bei Wärmenutzung zwischen 20 GW (= 42,4 W/ den extremsten Szenarien kann eine Verände- m²) Wärmeentzug und 40 GW (= 84,7 W/m²) rung der Länge der saisonalen Stagnationspha- Wärmeeintrag variiert. Zusätzlich wurde ein se um wenige Tage beobachtet werden. Eine Emissionsszenario A1B mit den entsprechen- schwächere Tiefenmischung durch Wärmenut- den klimatischen Veränderungen berücksichtigt zung ist nicht festzustellen. (MeteoSwiss, 2011). Abb. 96 zeigt die Reaktion der Wärmenutzungen ohne Klimawandel (Basis Laut einer Studie des Bundesamtes für Meteo- ist die Meteorologie im Zeitraum 1984 bis rologie und Klimatologie MeteoSchweiz (Me- 2011) und mit verändertem Klima für verschie- teoSwiss, 2011) erhöht sich am Bodensee im dene Zeitabschnitte des 21. Jahrhunderts. moderaten Szenario A1B die mittlere Lufttem- Der Vergleich zeigt, dass bei einem

Abb. 95: Mittlerer Oberflächenwassertemperatur (Tsurface,mean ) des Bodensees bei verschiedenen Wärmenutzungsszenarien. d1 bis d6 entsprechen unterschiedlichen Szenarien für die Entnahme- und Rückgabetiefe (siehe Abb. 94). Die grauen Kreuze repräsentieren die Werte von ΔT (hier dT) und Q, für welche die Berechnungen durchgeführt wurden. Der Pfeil an der Temperaturskala markiert den Mittelwert im Zeitraum 1984 -2011. Diese Abbildung ist entnommen aus Fink et al. (2014b).

110 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

A1B-Szenario die klimatisch bedingten Effekte des Wärmeentzugs auf bis zu 20 GW im Laufe auf den See am Ende des 21. Jahrhunderts ei- des 21. Jahrhunderts kompensiert werden (Abb. nem Wärmeeintrag von ~40 GW durch Wär- 96b). Diese Berechnungen unterliegen diversen menutzungsanlagen entsprechen. Umgekehrt Annahmen wie z.B. eine vollständige horizon- würden die Auswirkungen des Klimawandels tale, homogene Verteilung von eingeleitetem auf die mittlere Temperatur in den obersten 20 Wasser. m Wassertiefe durch einen schrittweisen Anstieg

Abb. 96: Mittlere Wassertemperaturen (a) an der Wasseroberfläche, (b) in 0 bis 20 m Tiefe, (c) in 254 m Tiefe und (d) in 20 bis 254 m Tiefe bei Wärmenutzungsszenarien zwischen 20 GW Wärmeentzug und 40 GW Wärmeeintrag im Epilimnion (Szenario d1, Abb. 94) beim gemessenen Klima im Zeitraum 1984 – 2011 (dicke Linie) und bei verändertem Klima (IPCC-Szenario A1B). Diese Abbildung ist entnommen aus Fink et al. (2014b).

6.3.2. Temperaturen im Nahfeld

Neben der Abschätzung des seeweiten Poten- Abb. 97 zeigt die auf unterschiedlichen zeit- tials zur Wärmenutzung und der sich daraus lichen und räumlichen Skalen auftretenden ergebenden Auswirkungen sind bei der Planung Ausbreitungs- und Durchmischungsprozesse und Realisierung konkreter Wärmenutzungsan- thermischer Rückgaben. Es lässt sich eine Ein- lagen auch die lokal entstehenden Änderungen teilung in drei verschiedene Bereiche treffen. Im der Temperatur- und Strömungsverhältnisse im Nahfeld liegt eine Strahlströmung vor, die zum See von Interesse. Das wichtigste Ziel dabei ist einen durch den Impuls sowie den Auftrieb des es, Auswirkungen auf nahegelegene Flach- Rückgabewassers und zum anderen durch die wasserzonen, Trinkwasserentnahmen und konstruktiven Eigenschaften der Rückgabelei- lokale Schichtungsverhältnisse zu vermeiden tung geprägt ist. Durch geschickte Wahl dieser bzw. zu minimieren. Eigenschaften, wie Leitungsdurchmesser und

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 111 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Neigungswinkel, lässt sich die Durchmischung Im daran anschließenden Bereich des Fernfelds mit dem Seewasser und so der Abbau der wird das Rückgabewasser passiv mit der See- Temperaturdifferenzen maximieren. In dieser strömung abtransportiert, wobei sich die Durch- Hinsicht kommt dem Nahfeld eine wichtige mischung auf wesentlich größeren räumlichen Bedeutung zu, da hier der Großteil der Durch- und zeitlichen Skalen abspielt (siehe Kap. 6.3.3.). mischung stattfindet und diese entsprechend gesteuert werden kann. Zudem treten diese Pro- Um die Auswirkungen von thermischen Rückga- zesse auf kleinen räumlichen (ca. 5 bis 20 m) ben im Nahfeld zu begrenzen, können verschie- und zeitlichen (< 1 Minute) Skalen auf. dene Kriterien angesetzt werden. So sollte die Rückgabetemperatur so eingegrenzt werden, Im Übergangsbereich zwischen Nah- und dass diese die natürlich auftretenden Seetem- Fernfeld bricht die Strahlströmung ab. Dies ge- peraturen nicht überschreitet. Zudem ist die schieht oftmals, wenn ein Hindernis oder eine Definition einer sogenannten Mischungszone Grenzschicht erreicht wird. Ein solches Hin- sinnvoll, bei der ein bestimmter Bereich um die dernis kann zum Beispiel die Wasseroberfläche Rückgabe festgelegt wird, an dessen Rand be- oder die Seesohle sein. Bei geschichteten Tem- stimmte Grenzwerte eingehalten werden müs- peraturverhältnissen wirkt die Thermokline als sen. Abb. 98 zeigt dies schematisch mit einer eine interne Grenzschicht, welche die Strahl- vorgeschlagenen Mischungszone von horizontal strömung abbricht und zu einer Einschichtung 20 m und vertikal 10 m, in der Temperaturdiffe- des Rückgabewassers führt. renzen von über 1 °C abgebaut sein müssen.

Abb. 97: Räumliche und zeitliche Skalen der Durchmischungsprozesse thermischer Rückgaben (nach Fischer et al., 1979; Doneker & Jirka, 1990).

112 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Die Auswirkungen im Nahfeld einer thermi- Temperaturdifferenzen sind die Zeiträume mit schen Rückgabe lassen sich messtechnisch in Temperaturschichtung, da an der meist flache- der Regel nur mit hohem Aufwand erfassen. ren Rückgabeposition die Seewassertempera- Einfacher ist die Verwendung eines Strahlmo- turen höher als an der Entnahmeposition und dells, um die Auswirkungen einer thermischen somit die Temperaturdifferenzen zum Rück- Nutzung zu quantifizieren und die Einhaltung gabewasser geringer sind. Daher ist die darge- der Mischungszone für eine thermische Nut- stellte Situation im jahreszeitlichen Verlauf als zung zu gewährleisten. „Worst Case“ anzusehen. Während in horizon- taler Richtung die Bedingungen der Mischungs- Das Modell prognostiziert die dreidimensio- zone bei allen Rückgabezuständen eingehalten nale Ausbreitung und Durchmischung einer werden können, gilt dies in vertikaler Richtung Strahlströmung aus einem Auslassrohr bei bei geringen Durchflüssen bzw. großen unterschiedlichen Strömungs- und Tempera- Leitungsdurchmessern nicht. Entscheidend ist turverhältnissen im See. Die mathematische hier also, dass das Rückgabewasser genügend Grundlage beruht auf den von Jirka (2003) Impuls im Vergleich zum Auftrieb aufweist, und Hutter & Hofer (1978) beschriebenen um eine rasche Durchmischung mit dem See- Modellen. wasser gewährleisten zu können. Dies kann mit der sogenannten densimetrischen Froude-Zahl Abb. 99 zeigt die berechneten Abstände, bei quantifiziert werden, die definiert ist mit welchen in vertikaler oder horizontaler Rich- u0 tung eine Temperaturdifferenz zwischen wär- Fr = ρSee – ρTherm merem Rückgabewasser und Umgebungswasser gD ρref von 1 °C unterschritten wird, für das Beispiel einer horizontalen Rückgabe des Wassers bei Dabei bezeichnen u0 die Strahlgeschwindigkeit einer thermischen Nutzung von 2 MW und am Auslass, ρSee, ρTherm, bzw. ρref die Dichten unterschiedlichen Leitungsdurchmessern. Die des See- und Rückgabewassers sowie eine Situation repräsentiert typisch winterliche Ver- Referenzdichte, g die Erdbeschleunigung und hältnisse mit einer ungeschichteten Wassersäule D den Rohrdurchmesser am Auslass. Um eine und einer Wassertemperatur von 5 °C. Dies be- hohe initiale Durchmischung zu gewährleisten, deutet, dass die Seewassertemperaturen an der sollte dieser Wert bei mindestens 10 liegen. Die Entnahme- und Rückgabeposition unabhängig Punkte in Abb. 99 zeigen die Bedingungen an, von deren Tiefe immer 5 °C betragen. Generell bei denen eine Froude-Zahl von 10 vorliegt. unkritischer hinsichtlich der entstehenden Die Bereiche mit durchgezogenen Linien liegen darüber.

Abb. 98:

Schematische Darstellung der Rückgabe thermisch genutzten Wassers mit Konzept der Mischungszone.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 113 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Abb. 99: Abstände x und z von der Rückgabestelle von thermisch genutztem Wasser bei einer konstanten Leistung von 2 MW in horizontaler (links) und vertikaler (rechts) Richtung bis zum Erreichen von ΔT < 1 °C bei ungeschich- teten Verhältnissen mit einer einheitlichen Seetemperatur von 5 °C. Die Punkte zeigen die Bedingungen an, bei denen eine Froude-Zahl von 10 vorliegt. Die Bereiche mit durchgezogenen Linien liegen darüber. Die mit DN bezeichneten Werte geben unterschiedliche Rohrdurchmesser am Auslass in mm an.

6.3.3. Temperaturen im Fernfeld

Bei der thermischen Nutzung von Seewasser zu Abb. 100 zeigt einen Vergleich der Temperatur- Kühlzwecken wird dem See kaltes Wasser aus profile an der an der Seemitte des Bodensee- tiefen, kühlen Schichten entnommen, erwärmt Obersees mit und ohne thermische Nutzung und wieder zugegeben. Hierbei wird der Wär- nach 200 Tagen Simulation. Im Tiefenbereich meinhalt des Sees erhöht sowie die thermische zwischen 20 und 40 m ist eine deutliche Schichtung verändert, wenn auch bei einer ein- Erwärmung erkennbar. Die größte Tempera- zelnen Anlage meist nur sehr gering und lokal turänderung ist zu diesem Zeitpunkt in ca. 30 begrenzt. Um diesen Effekt, der beispielsweise m Tiefe zu finden. für Trinkwasserentnahmen Bedeutung haben könnte, zu quantifizieren, wurden verschiedene Der Verlauf der Temperaturen und deren Ände- Modellrechnungen durchgeführt. rung im Vergleich zur Simulation ohne thermi- sche Nutzung sind exemplarisch für die Tiefe Um die insgesamt im See zu erwartenden Ver- von 30 m in Abb. 101 dargestellt. Während des änderungen auf die Schichtungsverhältnisse zu Sommers bei geschichteten Verhältnissen wird quantifizieren, wurde das dreidimensionale, der See durch die thermische Nutzung aufge- seeweite Modell ELCOM verwendet (Hodges & wärmt, da sich das thermisch genutzte Wasser Dallimore, 2012). Dieses Modell wurde im Rah- unterhalb des Epilimnions einschichtet. Inner- men des Forschungsprojekts BodenseeOnline auf halb von acht Monaten wächst die Differenz den Bodensee angepasst (Lang et al., 2008; Eder zur Simulation ohne Nutzung auf ca. 0,3 °C et al., 2008). Grundlage des Modellszenarios ist an. Der Anstieg verläuft bis Anfang November eine thermische Nutzung mit einer zugeführten nahezu linear. Mit Rückgang der thermischen Wärmeleistung von 0,84 GW. Bei diesem Prin- Schichtung im Winter erreicht das erwärmte zipmodell wird im Konstanzer Trichter in 60 m Wasser auch die Wasseroberfläche, was einen Tiefe eine Entnahme mit 100 m³/s angesetzt und Austrag der zusätzlich eingetragenen Wärme das Wasser, um 1 °C erwärmt, in der Bregenzer über die Seeoberfläche sowie einen Abstrom Bucht in 40 m Wassertiefe zurückgegeben. über den Ausfluss ermöglicht. Somit geht im

114 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Laufe des Winters die Temperaturdifferenz an eingeleitetem Wasser 1 % nicht mehr über- wieder zurück, obwohl die thermische Nutzung schreitet. Damit soll der Abstand von der Rück- in der Simulation anhält. Die Erwärmung des gabe definiert werden, bei dem kurzfristige, gesamten Sees beträgt im Mittel über das Jahr größere Temperaturschwankungen aufgrund der ca. 0,05 °C. Ausbreitungsfahne des Rückgabewassers aus- geschlossen werden können. Im Modell wird Weitere Modellrechnungen wurden durchge- dazu das Rückgabewasser mit einem virtuellen führt, um die Ausbreitung des thermisch genutz- Tracer belegt. Bei dieser Vorgehensweise wer- ten Wassers im Fernfeld zu quantifizieren und den die Ergebnisse auf lange Sicht durch eine somit etwaige Auswirkungen in der weiteren Anreicherung des Markierungsstoffs verfälscht, Umgebung der Wasserrückgabestelle abschät- bei den verwendeten Simulationszeiträumen zen zu können. Dies ist relevant im Hinblick von wenigen Wochen spielt dieser Effekt aber auf eventuell nahegelegene sensible Bereiche, keine Rolle. Die Ausbreitung des Wassers er- wie Flachwasserzonen oder Trinkwasserent- folgt hierbei mit der Seeströmung und ist daher nahmen. Ziel der Modellrechnungen ist es, die abhängig vom gewählten Zeitraum und von der Entfernung zu identifizieren, in der der Anteil Lage der Rückgabestelle.

Abb. 100: Berechnete Temperaturprofile von 0 – 70 m Tiefe an der Seemitte des Bodensee-Obersees mit und ohne thermische Nutzung nach 200 Tagen.

Abb. 101: Mittlere Temperatur des Bodensee-Obersees in 30 m Tiefe mit und ohne thermische Nutzung.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 115 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Exemplarisch wurden zwei Rückgabestellen 1 fast nur nach Südosten, in Zeitraum 2 etwas ausgesucht: vor der Arboner und vor der mehr auch nach Nordwesten. In Zeitraum 2 Friedrichshafener Bucht (Abb. 102). Für jede findet zusätzlich noch eine geringe Ausbreitung dieser Rückgabestellen wurden Szenarien für quer zum Ufer statt, sowohl in die Arboner thermische Nutzungen mit unterschiedlichen Bucht hinein als auch in Richtung Freiwasser. Leistungen berechnet. Dazu wurde der Durch- fluss entsprechend variiert, während die Tempe- Dieselbe Auswertung wurde auch für die raturänderung des genutzten Wassers stets 1 °C Modellrechnungen mit der Rückgabestelle betrug. Da der Dichteeinfluss des Rückgabewas- Friedrichshafen erstellt (Abb. 104b). Es zeigt sers im Modell vernachlässigt wurde, gelten die sich, dass in der Friedrichshafener Bucht andere Ergebnisse sowohl für einen Entzug als auch für Strömungsmuster vorliegen. Die horizontale eine Abgabe von Wärme. Ausbreitung in Zeitraum 1 erfolgt nicht nur ufer- parallel, sondern auch in Richtung Freiwasser. In Der Simulationszeitraum umfasst den 20. Februar Zeitraum 2 ist die Fahne deutlich kleiner. bis 13. März 2013. Die erste Woche (20. bis 27. Februar) dient als Vorlaufzeit für das Modell. Die maximale Ausbreitung des thermisch Vom 27. Februar bis 6. März erfolgt die Zugabe genutzten Wassers innerhalb einer bestimmten von thermisch genutztem Wasser im Modell Zeitspanne hängt also von der Seeströmung und (Zeitraum 1). Am 7. März werden die Tracerkon- damit vom Standort und den meteorologischen zentrationen im See auf 0 gesetzt, und die Zu- Bedingungen ab, sowie vom genutzten Wasser- gabe beginnt von neuem (Zeitraum 2). Abb. 103 volumen. Abb. 105 zeigen das Maximum und zeigt die berechnete thermische Schichtung an den zeitlichen Mittelwert der Entfernung der der Rückgabestelle vor Arbon. Zu Beginn liegen 1 %-Linie von den beiden Rückgabestellen in ungeschichtete Verhältnisse vor. Im Zeitraum 2 beiden Zeiträumen bei verschiedenen Leistun- bildet sich auf Grund der meteorologischen Ver- gen. Es zeigt sich, dass bei zeitlicher Mittelung hältnisse eine schwache thermische Schichtung über den Zeitraum die Abstände der 1 %-Linie aus mit maximalen Temperaturdifferenzen von bei beiden Rückgabestellen fast identisch sind. weniger als 1 °C. Beim zweiten Zeitraum gilt dies auch für die Maximalwerte, beim ersten sind die Abstände Abb. 104a zeigt für die Rückgabestelle bei bei Friedrichshafen etwas höher. Die maximale Arbon die maximale horizontale Ausbreitung Entfernung von der Rückgabe innerhalb von 7 des thermisch genutzten Wassers innerhalb von Tagen, in der eine Konzentration an thermisch sieben Tagen anhand der 1 %-Linie in beiden genutztem Wasser von 1 % oder mehr auftrat, Zeiträumen. In beiden Zeiträumen findet die war in allen hier untersuchten Simulationen 3,9 Ausbreitung eher uferparallel statt, in Zeitraum km bei einer thermischen Nutzung von 3600 l/s

Abb. 102:

Lage der Rück- gabestellen (schwarze Punk- te) vor Arbon und Friedrichshafen. Isolinien der Tiefendarstellung in 25 m-Schritten.

116 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

(15 MW). Bei stabilen Strömungsverhältnissen bereits angesprochen, spielt die Anreicherung verändert sich dieser Wert nach etwa fünf Tagen des Rückgabewassers im See bei den betrachte- nicht mehr. Es ist daher davon auszugehen, dass ten Zeiträumen von einigen Wochen keine Rolle dann die maximale Ausbreitung erreicht ist und und ist daher für den hier untersuchten, direkten dieser Wert auch bei längerer Simulationszeit Einfluss der Rückgabefahne nicht relevant. nicht mehr signifikant größer wird. Wie oben

Abb. 103:

Simuliertes Temperaturprofil an der Rückgabestelle vor Arbon.

a)

Abb. 104: b) Maximale horizontale Ausbreitung von 1 % des thermisch genutzten Wassers in- nerhalb von sieben Tagen bei verschiede- nen Nutzlasten in Zeitraum 1 (links, 27. Februar bis 6. März 2013) und Zeitraum 2 (rechts, 7. März bis 13. März 2013) bei den Rückgabestellen a) Arbon und b) Friedrichshafen; die Zahlen in der Legen- de bezeichnen die maximale Entfernung der 1 %-Linie von der Rückgabestelle.

Abb. 105:

Maximum und zeitlicher Mittelwert der Entfernung der 1 %-Linie von den Rückgabestel- len Arbon und Friedrichshafen bei verschiedenen Leistungen im Zeitraum 1 (Abb. 104) 27. Februar bis 6. März 2013 und Zeitraum 2 (Abb. 105) 7. März bis 13. März 2013.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 117 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6.4. Schlussfolgerungen und Handlungsanleitungen zur Wärmenutzung

Die thermische Nutzung von Seen soll der Veränderungen: im Nahfeld, im Fernfeld sowie Reduzierung des Verbrauchs nicht erneuerbarer im gesamten See (siehe Kap. 6.3.) – und dies Energien und der Kohlendioxidemissionen die- je für die beiden jahreszeitlich getrennten Nut- nen. Dabei geht es sowohl um den Wärmeent- zungen Kühlung im Sommer und Wärmeentzug zug aus Seen im Winter für die Beheizung von im Winter. Ziel dieses Kapitels ist es, Hand- Gebäuden als auch um die Kühlung von Ge- lungsanleitungen zu geben, die eine schonende bäuden und Anlagen. In diesem Kapitel werden Wärmenutzung ermöglichen, und gleichzeitig Untersuchungsergebnisse zu den dreidimensio- Hilfestellung bei der Interpretation der Richtli- nalen Veränderungen der Dichteschichtung und nien (IGKB, 2014) zu geben. Damit sollen die der Temperaturverteilung, welche sich als Folge Rahmenbedingungen und kritischen Faktoren der thermischen Nutzung ergeben, zusammen- evaluiert werden, damit mittel- bis langfristig gefasst und bewertet. das Wärmepotential möglichst nachhaltig und im Einklang mit den gesetzlichen Gewässer- Bei der Wärmenutzung aus Seen gibt es grund- schutzbestimmungen und den ökologischen sätzlich drei verschiedene Problembereiche der Vorgaben genutzt werden kann.

6.4.1. Erkenntnis aus der seeweiten Modellierung

Aus den eindimensionalen Modellrechnun- meisten realistischen Tiefen allerdings gen von Fink et al (2014b) ergeben sich erste lediglich ±1 Tag pro ±GW Schlussfolgerungen für die Nutzung des Boden- Wärmeleistung. sees sowohl als Wärmequelle für Wärmepum- pen im Winter und als Wärmesenke bei der Ab- • Auch die Dauer der sommerlichen gabe von Kühlwasser (vorwiegend im Sommer). Dichteschichtung ändert sich geringfü- Diese betreffen das Seevolumen als Ganzes. gig um maximal 1 Woche pro GW bei Als Orientierung für die folgenden Abschätzun- ungünstigster Wahl der Tiefen. Für die gen soll ±1 Gigawatt (GW) für Wärmeentzug meisten realistischen Tiefen der Was- und Kühlung betrachtet werden. Bei größeren serentnahme und -rückgabe ändert sich oder kleineren Energieflüssen vergrößern bzw. die Dauer jedoch nur um wenige Tage verkleinern sich die Eingriffe entsprechend. Für pro ±GW. ±1 GW ergeben sich folgende Änderungen für den Bodensee: • Alles in allem lässt sich der Schluss ziehen, dass sich die vertikale Struktur • Die Oberflächentemperatur verändert des Sees bei dieser Wärmeleistung sich um ±0,07 bis ±0,09 °C pro ±GW, je kaum wahrnehmbar verändert. nachdem ob Wärme zugeführt (+) oder entzogen wird (-). • Im Vergleich zu dieser realistischen Wärmenutzung sind die Effekte der • Das Einsetzen der sommerlichen Klimaveränderungen weitaus größer. Dichteschichtung im Frühling erfolgt Der Effekt der klimatischen Erwärmung, später, wenn Wärme entzogen wird, und wie sie zu Ende des Jahrhunderts erwar- beginnt früher, wenn warmes Kühlwasser tet wird, entspricht in etwa einer Wär- eingeleitet wird. Die zeitliche Verschie- menutzung von bis zu 40 GW Wärme. bung hängt sehr stark von der Tiefe der Entnahme und Rückgabe des thermisch genutzten Wassers ab. Sie beträgt für die

118 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

In einem zweiten Schritt wird im Folgenden im Hinblick auf die lokalen Veränderungen der Bodensee als dreidimensionaler Körper und die daraus abgeleiteten Randbedingungen betrachtet. Dabei werden Schlussfolgerungen gezogen.

6.4.2. Natürliche und künstliche Temperaturvariationen im See

Für die Beurteilung der Wärmenutzung ist der Interne Wellen Ort der Wasserrückgabe von entscheidender und natürlicher Ausgleich Bedeutung. Kritisch für die lokale und regionale Beeinflussung ist die morphologische Situation, Die Wasserentnahmen und -rückgaben be- insbesondere ob das Wasser in eine enge Bucht finden sich in festen Tiefen relativ zu den oder sogar in eine Bucht hinter einer Schwel- „beweglichen“ Wasserschichten der Seen. le eingeleitet wird. In diesem Fall ist lokal mit Das bedeutet, dass sich die Wasserschichten deutlich größeren Temperaturänderungen zu aufgrund von internen Wellen und internen rechnen. Erfolgt die Rückgabe jedoch in das Beckenschwingungen, den Seiches, relativ zu offene zusammenhängende Wasservolumen, den Rohröffnungen auf und ab bewegen und so sind die Auswirkungen beckenweit und sich somit die Temperatur im gefassten Wasser nicht lokal. Auch bei großen offenen Buchten laufend verändert (Abb. 106; Appt et al., 2004). kann der Wasserkörper als zusammenhängend Umgekehrt schichtet sich das Rückgabewasser betrachtet werden und Dichteunterschiede auf- kontinuierlich in andere Wasserschichten ein, grund von Temperaturdifferenzen zwischen den die sich frei auf und ab bewegen können. Die Buchten und den offenen Seebecken gleichen Größe der Temperaturschwankungen im ange- sich aus. Diese Unterscheidung ist im Folgen- saugten Wasser hängt deshalb von der Tiefe und den wichtig, weshalb zwischen beckenweiten dem Entnahmeort ab und beträgt typischerweise und lokalen Effekten unterschieden wird. ~1 oC, was kein Problem für die Regelung im Kühlwasserkreislauf und bei den Wärmepum- pen darstellt.

Abb. 106: Windinduzierte Auslenkungen der Oberflächenschicht im Überlingersee am 10. November 2001. Kurzfristig reichte die Oberflächenschicht – die zu diesem Zeitpunkt 15 m Mächtigkeit aufwies – bis in 85 m Tiefe. (Messkampagne: Appt & Stumpp, 2001).

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 119 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Der Effekt von internen Wellen und von (Oberfläche ~12 °C im Vergleich zu ~22 °C im Beckenschwingungen ist der laterale Aus- Sommer); zweitens ist zu diesem Zeitpunkt der gleich von Dichteunterschieden. Wird durch Temperaturgradient in der Sprungschicht die Einleitung von kühlerem oder wärmerem noch deutlich ausgeprägt und drittens treten Rückgabewasser die Dichte lokal verändert, im Herbst erfahrungsgemäß starke Winde auf, so führt dies zu lateralen Dichteunterschieden die bekannten Herbststürme. Diese drei Fak- und somit zu Druckunterschieden, die letztlich toren können in Kombination kurzfristig zu zu Druckgradienten führen, welche die Aus- sehr großen Temperaturschwankungen von gleichsströmungen und/oder interne Wellen mehreren °C führen. Beispielsweise nahm im erzeugen. Diese induzierten Ausgleichströmun- Genfersee, als Folge von starken Westwinden, gen und internen Wellen sind für den Bodensee am 16. Oktober 2014 bei der Wasserfassung aber um ein Vielfaches geringer als windin- der Universität Lausanne / EPFL in 68 m Tiefe duzierte Strömungen. Auch wenn die Details innerhalb von Stunden die Temperatur von ~7 komplex sind, ist wichtig festzustellen, dass °C auf 14,3 °C zu. Am Bodensee lassen sich sich die Temperaturunterschiede in einem offe- diese extremen Temperaturschwankungen nen, zusammenhängenden Wasserkörper nicht infolge von Windereignissen qan der Entnahme akkumulieren und durch diese Prozesse aus- des Seewasserwerks Nonnenhorn beobachten. geglichen werden. Wie rasch sich ein solcher Durch Westwindereignisse, wie z.B. im De- Ausgleich vollzieht, wird später erläutert. zember 2011, stieg die Wassertemperatur in 60 m Tiefe um 3 °C an (Abb. 107). Das durch das Extreme Temperaturschwankungen Westwindereignis in den Ostteil des Bodensees im November verdriftete warme Oberflächenwasser führte nach dem Windereignis infolge des Druckaus- Die größten Temperaturschwankungen treten gleichs zu einer internen Wellenbewegung, die im Herbst und hier typischerweise im Novem- im östlichen Seeteil in Sipplingen ~24 Stunden ber auf. Hierfür gibt es drei Gründe: Erstens ist später die Temperatur in 60 m Tiefe um ~1 °C dann die Stabilität der gesamten Wassersäule ansteigen ließ. bereits deutlich schwächer als im Sommer

Abb. 107: Gemessene Wassertemperaturen vom 3. – 15.12.2011 in 60 m Tiefe (linke Skala) bei der Entnahme des Seewasserwerks Nonnenhorn (blau) und in Sipplingen (grün). Die Windgeschwindigkeit in Konstanz (grau) ist auf der rechten Skala angegeben.

120 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Differentielle Abkühlung und Flachwasserbereich bei Friedrichshafen am 15. differentielle Erwärmung Juni 2014. Wind aus nördlicher Richtung führt dazu, dass Oberflächenwasser nach Süden Laterale Temperaturunterschiede treten in Seen transportiert wird. Durch den Wasseraustausch natürlicherweise auf. Es gibt zwei wichtige kommt es am Nordufer zum Aufstieg von Prozesse: Erstens verschieben Winde das Ober- kaltem Wasser (Upwelling). flächenwasser in lateraler Richtung. Die Ufer beschränken diese seitlichen Strömungen und lenken das bewegte Wasser in die Tiefe (Down- welling). Zur Kompensation steigt Wasser am andern Ende der Brandung aus der Tiefe auf (Upwelling). Dadurch treten an der Oberfläche tiefere (Upwelling) und höhere (Downwelling) Temperaturen nebeneinander auf (Abb. 108).

Der zweite Mechanismus ergibt sich durch lateral inhomogene Erwärmung und Abkühlung des Wassers. Beispielsweise ändert sich in einer Flachwasserzone – aufgrund der geringeren Wassertiefe – die Temperatur rascher, auch dann, wenn die Wärmeflüsse überall gleich groß und auch gleich groß wie im benachbar- ten tieferen Wasser sind. Auch diese natürlichen Temperaturgradienten werden durch interne Wellen und Ausgleichsströmungen in Schran- ken gehalten. Mittels dreidimensionaler Model- lierung lässt sich die zeitliche und räumliche Dynamik der Temperaturen an der Seeoberflä- Abb. 108: che des Bodensees analysieren. Das einer Mo- Oberflächentemperaturen des Baikalsee am 16. Septem- dellberechnung entnommene Beispiel in Abb. ber 1999. Grüne Bereiche zeigen kalte Upwelling-Zonen 109 zeigt eine Zone von Upwelling im an. (Troitskaya et al., 2014).

Abb. 109:

Verteilung der berechneten Oberflächentemperatur im Bodensee mit nördlichem Upwelling im Bereich der Flachwasserzo- nen, induziert durch nördliche Winde mit Geschwindigkeiten von 3 bis 5 m/s am 15.6.2014 (oben) sowie Ganglinie der berechneten Wassertemperatur in der Flachwasserzone vor Friedrichshafen (unten). Mo- dellergebnisse BodenseeOnline (www.bodenseeonline.de).

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 121 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6.4.3. Fallbeispiele zur Rückgabe von erwärmtem Kühlwasser

Erhöhte Temperatur im Nahfeld ist durch die Temperatur im Rückgabewasser bestimmt. In diesem Volumen kann die Forde- Kühlwasser ist bei der Einleitung ins Tiefenwas- rung nach einer Temperaturänderung von < 1 ser wärmer als das Umgebungswasser, weil es °C nicht erfüllt werden. Bei der Einschichtung bei der Kühlung Wärme aufgenommen hat und des Rückgabewassers sind die Temperaturdif- somit leichter ist als das empfangende Umge- ferenzen jedoch abgebaut. Ein Beispiel für die bungswasser. Dadurch entsteht ein aufsteigender Strahlbahnen bei einer thermischen Nutzung Schleier (Plume). Wie weit dieser Wasserschleier von 6 MW und die Entfernung, bei der sich das aufsteigt und in welcher Tiefe schlussendlich das Rückgabewasser so vermischt hat, dass sich Rückgabewasser sich einschichtet, hängt einer- dieses weniger als 1 °C vom Umgebungswasser seits von der Dichteschichtung ab und anderseits unterscheidet, ist in Abb. 110 dargestellt. vom Volumenstrom und der Temperaturdifferenz zur Umgebung. Die Strahlbahn des Schleiers Offenes Seebecken hängt von der konkreten Situation ab und kann mit den mathematischen Grundlagen von Jirka Wenn das Rückgabewasser in ein Wasservolu- (2003) sowie Hutter & Hofer (1978) berechnet men eingeleitet wird, das nicht durch Schwel- werden. Für die hier vorliegenden Berechnun- len vom Hauptbecken des Sees abgetrennt ist, gen wurde dieser Ansatz in einem numerischen kann sich das Rückgabewasser über das gesam- Modell implementiert (Kap. 6.3.2., Abb. 98). te Volumen des offenen Seebeckens ausbreiten. Die Modellanwendung mit Beispielen ist in Im Bodensee, wo die Zeitskala für die horizon- Lang et al. (2013) dokumentiert (Abb. 110 und tale Vermischung wenige Wochen bis wenige Abb. 111). Monate beträgt, kann somit die Temperaturän- derung durch das empfangende Volumen (rele- Die Temperatur im Nahfeld (weniger als 20 vantes Volumen) und die thermische Leistung m horizontale Distanz; Kap. 6.3.2., Abb. 98) berechnet werden:

Abb. 110: Verlauf der Strahlbahnen bei unterschiedlichen Schichtungsverhältnissen, bei einer Nutzung von 6 MW und Temperaturerhöhung um 7,5 °C bei Rückgabe in 30 m Tiefe. Der schwarze Punkt markiert die Entfernung, bei der der Temperaturunterschied zwischen Strahltemperatur und Umgebungswasser < 1 °C ist. (Lang et al., 2013).

122 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

ΔT = Wärmemenge über betrachtete Saison / über den gesamten Bodensee mehrere Monate (relevantes Volumen x 4,2 106 J m-3 °C m) bis ein Jahr. Trotz dieser langen Zeitskala kön- nen sich lokal keine großen Temperaturdifferen- Gemäß der Handhabung in der Schweiz soll ΔT zen halten, weil diese ansonsten durch dichte- ~1 °C nicht überschreiten. Im Sinne der Nach- induzierte Strömungen ausgeglichen würden. haltigkeit ist es jedoch sinnvoll, nur einen Teil dieses maximalen Wertes zu nutzen. Seebuchten mit beschränktem Austausch Selbstverständlich ergeben sich immer hori- zontale Temperaturgradienten, weil sich das Da die wichtigsten Strömungen in Ufernähe Rückgabewasser nur mit einer endlichen Ge- parallel zum Ufer verlaufen, können sich bei schwindigkeit mit dem Rest des Seevolumens Buchten mit beschränkter Öffnung, also be- vermischt. Die Zeit, die erforderlich ist, um eine schränktem Austausch mit dem offenen See- Temperaturdifferenz über eine gewisse Distanz becken, Rückströmungen entwickeln, sodass zu vermischen, hängt über kurze Zeiträume Wasser in der Bucht eine interne Kreisströmung (Tage, vgl. Kap. 6.3.3) von der horizontalen bildet. Damit kann das Wasser sehr lange lokal Diffusivität ab (Peeters et al. 1996). Über län- verbleiben. Diese geometrische Konstellation gere Zeiträume (Monate) ist die Dispersion im ist für Kühlwasserrückgaben zu vermeiden. Wesentlichen durch die beckenumfassenden Schwieriger zu beurteilen sind halboffene Strömungen gegeben. Da typische Strömungs- Buchten, in die uferparallele Strömungen teil- geschwindigkeiten nur wenige cm/s betragen, weise eindringen. In solchen Buchten kann der ist die Zeitskala der horizontalen Vermischung Austausch reduziert sein.

Abb. 111: Beispiel der Temperatur in einem Rückgabeschleier im Vertikalschnitt: Erwärmung des Seewassers um 5 °C, Leitungsdurchmesser von 500 mm und Durchflüssen von 120 L/s (links) und 240 L/s (rechts) bei Verwendung des mittleren (obere Reihe) und initialen (untere Reihe) Temperaturprofils. (Lang et al., 2013).

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 123 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

Dies ist jedoch als deutlich unproblematischer Seebuchten mit Schwelle anzusehen als Rückströmungen. Ein Beispiel für eine halboffene Bucht ist die Vidy Bay im Noch kritischer ist die Konstellation, wenn die Genfersee mit einer Aufenthaltszeit von 50 bis Kühlwasserrückgabe in einer Bucht erfolgt, die 100 Stunden (Razmi et al., 2014). Ein Beispiel durch eine Schwelle vom See abgetrennt ist. für die Temperaturänderung in der Bregenzer In diesem Fall wird sich die Wassertempera- Bucht, wo sich Temperaturdifferenzen länger tur im Volumen unterhalb der Schwelle rasch verändern, weshalb diese Situation zu vermei- halten können, ist in Abb. 112 dargestellt. den ist. Erst wenn die Temperaturdifferenz auf die Schwellenhöhe diffundiert ist, entsteht ein Ableitung von Kühlwasser in den Dichte- und somit ein Druckgradient über der Seeabfluss Schwelle und der Austausch mit dem offenen Seebecken setzt ein. Wenn große Wärmemengen zurückgegeben werden müssen, nimmt entsprechend die Vertikale Verschiebung der Temperatur im Rückgabewasser deutlich zu. Temperaturzonen durch die Falls die wärmeerzeugende Infrastruktur in der klimatische Erwärmung Nähe des Ausflusses liegt wie in Städten an See- ausflüssen – zum Beispiel Zürich, Luzern oder In den meisten Seen unserer Breiten haben sich Genf – , kann das Kühlwasser in den Abfluss in den letzten Jahrzehnten die Temperaturen um zurückgegeben werden. Es ist jedoch darauf zu typischerweise 0,04 oC/Jahr in der Oberflächen- achten, dass das Rückgabewasser insbesondere schicht und um 0,01 oC/Jahr im Tiefenwasser im Sommer nicht wärmer ist als das Wasser des erwärmt. Beispiele sind der Genfer-, Zürich-, Ausflusses. Bei großen Wassermengen, die dem Vierwaldstätter- und Bodensee. Im Zuge dieser See entnommen werden, kommt es zu einer klimabedingten Erwärmung verschieben sich Absenkung der Sprungschicht. Auch dieser die Zonen für die Entnahme und Rückgabe des Effekt sollte begrenzt werden. thermisch genutzten Wassers in die Tiefe.

Abb. 112: Beispiel für die laterale Temperaturänderung für eine Kühlwasserrückgabe von 2,5 MW (links) und 5 MW (rechts) in der Bregenzer Bucht (Kartengrundlage: LGL).

124 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6.4.4. Fallbeispiele zur Rückgabe von abgekühltem Seewasser

Tiefere Temperaturen im Nahfeld Im Winter vermischt sich zudem die Oberflä- chenschicht durch die natürliche Konvektion. Das von einer Wärmepumpe thermisch genutz- Daher können kaum Temperaturdifferenzen zur te Wasser ist im Vergleich zum Entnahmewasser Umgebung entstehen, weshalb die Rückgabe abgekühlt. Falls es noch wärmer als 4 °C ist, als unproblematisch angesehen wird – mit den wird es nach der Rückgabe absinken, und falls beschriebenen Einschränkungen für Buchten es deutlich kühler als 4 °C ist, kann es aufstei- und Schwellen. In Abb. 113 ist beispielhaft die gen. In jedem Fall aber sind die Temperaturdif- mittlere Temperaturänderung im Vertikalschnitt ferenzen gering, sodass sich das Rückgabewas- für eine thermische Nutzung zu Heizzwecken ser rasch in das Umgebungswasser einmischt. in der Bregenzer Bucht dargestellt.

Abb. 113: Mittelwert der Temperaturänderung im Vertikalschnitt für ungeschichtete Verhältnisse. Die thermische Nutzung hat einen Durchfluss von 400 l/s und eine um 3 °C verringerte Rückgabetemperatur im Vergleich zum Seewasser.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 125 Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

6.4.5. Empfehlungen zur Wärmenutzung

Bei der thermischen Nutzung von Seewasser ist Die Wasserrückgabe sollte nicht in enge Buch- grundsätzlich anzumerken, dass die Abkühlung ten erfolgen oder in Buchten, die durch Schwel- weniger kritisch ist als die Erwärmung. Zum ei- len vom See getrennt sind. nen wirkt sie der zusätzlichen Wärmebelastung durch die Klimaerwärmung entgegen. Zum an- Unkritische Wärmenutzungen deren benachteiligt eine Abkühlung zwar auch gewisse Arten und bevorzugt andere, doch dies Unter den geschilderten Voraussetzungen führt insgesamt kaum zu kritischen Auswirkun- werden thermische Nutzungen als unkritisch gen, wie das bei einer Erwärmung der Fall sein betrachtet, wenn die folgenden Bedingungen kann. Daraus und aus den dargelegten ein- und erfüllt sind: dreidimensionalen Modellierungen lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ziehen, die • Die Erwärmung in der empfangenden sich gleichzeitig auch als Handlungsanleitun- Tiefenzone ist nur gering, zum Beispiel gen eignen. weniger als 0,1 °C während der gesamten Dauer der sommerlichen Voraussetzungen, die grundsätzlich Dichteschichtung). Als alternatives erfüllt sein müssen Kriterium kann auch die eingetragene Wärme pro Seefläche betrachtet wer- Die Tiefenzone, die für das Wasserrückgabe- den, wobei ein Wärmefluss von volumen vorgesehen ist, muss klar definiert sein. weniger als 2 W/m2 oder 1 GW für Ein typisches Volumen kann – abhängig vom den gesamten Bodensee als unkritisch konkreten See – beispielsweise 20 bis 40 m Tiefe angesehen wird. umfassen. Beim Festlegen dieser Tiefenzone sind mögliche Auswirkungen auf andere • Die Abkühlung in der empfangenden bestehende oder geplante Nutzungen zu Tiefenzone ist nur gering, zum Beispiel berücksichtigen. Zum Beispiel ist es sinnvoll, weniger als 0,1 °C. die Rückgabezone nicht mit der Zone zur Trinkwasserentnahme zu überlappen. Kritische und nicht zu empfehlende Wärmenutzungen Auch das Volumen des Nahfeldes – eine 10 m horizontale Ausdehnung – sollte klar definiert Wärmenutzungen sind nicht zu empfehlen, sein, da hier die merklichen Temperaturunter- falls die oben genannten Voraussetzungen nicht schiede von mehr als einem Grad zum Umge- erfüllt sind und zudem spezifisch die folgenden bungswasser abgebaut werden. kritischen Bedingungen herrschen:

Die Wasserrückgabe sollte einen vernünftigen • Die Erwärmung wäre in der empfangen- Abstand zur nächsten Trinkwasserfassung oder den Tiefenzone außerhalb des Nah- anderen sensitiven Nutzungen einhalten. Beim bereichs größer als 1 °C. Festlegen des Abstandes soll die Technik des Wasserkreislaufes berücksichtigt werden. Bei • Die Rückgabe erfolgt in eine enge Bucht, vollständiger Trennung und bei entsprechender in welcher der Wasseraustausch so Vorsorge für den Fall einer Havarie ist ein ver- gering ist, dass es lokal oder sogar gleichsweise kurzer Abstand akzeptabel, da im regional zu Temperaturänderungen Seewasserkreislauf die Zusammensetzung des kommt, die 1 °C übersteigen. Wassers nicht verändert wird.

126 KlimBo – Klimawandel am Bodensee Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen Wärmehaushalt und Wärmenutzung von Seen

• Die Rückgabe erfolgt in ein Seevolumen, das in einer Bucht hinter einer Schwelle gefangen ist und Temperatur und Schich- tung deshalb wesentlich verändert würden.

• Der See ist so flach, dass das Rückgabe- wasser im Sommer die Temperatur der Oberflächenschicht verändert. Im Winter kann eine solche Rückgabe akzeptiert werden, falls die Temperaturänderung kleiner als 1 °C ist und keine Dichte- schichtung an der Oberfläche erzeugt wird.

• Die Zuleitungen würden durch Schutz- gebiete (zum Beispiel Naturschutzge- biete, Fischlaichgebiete, archäologische Denkmäler) führen oder die Wasserrück- gabe in der Nähe solcher Gebiete erfolgen.

• Es sind Sicherheitsaspekte zum Beispiel in Hinblick auf Tauchreviere, Schwimm- bäder oder Eisbedeckung betroffen.

Kritische Wärmenutzungen, die im Detail abzuklären sind

Wärmenutzungen sind als kritisch anzusehen und sollten im Detail abgeklärt werden, falls sie unter die oben genannten Kriterien fallen und die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:

• Ein See wird durch mehrere Wärme- nutzungen beeinflusst; dann sind für die Beurteilung einer zusätzlichen Nutzung die gesamten Auswirkungen aller Nutzungen relevant. Dies ist insbeson- dere dann der Fall, wenn die Rückgabe mit mehreren anderen Rückgaben interferiert und die thermische Beein- flussung größer als 0,1 °C ist.

• Die Temperatur und Schichtung werden nicht maßgeblich verändert, obwohl die Rückgabe in eine Bucht mit Schwelle erfolgt.

KlimBo – Klimawandel am Bodensee 127 Bewertung und Ausblick

7 Bewertung und Ausblick

Die aktuellen klimatischen Entwicklungen Mit der vermehrten thermischen Nutzung soll stellen den Gewässerschutz vor neue Heraus- der Verbrauch nicht-regenerativer Energien forderungen, für die Wissensgrundlagen und verringert werden. Damit diese Nutzung auch Entscheidungshilfen geschaffen werden müssen. mit den Zielen des Gewässerschutzes vereinbar Im Projekt KlimBo wurden daher zahlreiche ist, muss gewährleistet sein, dass sich hieraus Themen bearbeitet, die sich mit den Auswir- keine wesentliche Beeinträchtigung für den See kungen der klimatischen Entwicklungen auf den und sein Ökosystem ergibt. Dies macht eine Bodensee vor dem Hintergrund anthropogener vorsorgende Abschätzung der Auswirkungen Einflüsse befassen. erforderlich, der eine Analyse der Anlagen und eine wachsame Beobachtung der künftigen Die hier bearbeiteten Themen liegen schwer- Entwicklung zugrunde liegt. Daher sollten punktmäßig im Bereich hydrophysikalischer künftige Anlagen in einem Anlagen-Kataster Vorgänge, befassen sich aber auch mit hydro- erfasst werden, wobei es wichtig ist, auch die chemischen und biologischen Entwicklungen Effizienz der Anlagen sowie die Auswirkungen im Ökosystem des Bodensees. Darüber hinaus von Betriebs-, Wartungs- und Reinigungs- befasste sich das Projekt mit den Möglichkeiten vorgängen zu bewerten. und Grenzen einer thermischen Nutzung von Seen sowie den Risiken der Klimaveränderung Die durchgeführten Analysen zu den Schweb- für die Trinkwassergewinnung und -versorgung. stoff- oder Schadstoffkonzentrationen in den Zuflüssen und im Bodensee sowie zur Fluss- Im Rahmen einer Literaturauswertung wurde wasserausbreitung verbessern die Kenntnisse aufgezeigt, welche Auswirkungen thermische über die Transport- und Austauschprozesse im Belastungen und extreme Temperaturverhält- Bodensee und deren Auswirkungen auf die nisse auf Pflanzen und Tiere haben können und Wasserqualität und die Trinkwassergewinnung. welche Grenz- und Schwellwerte hierbei rele- Um klimabedingte Veränderungen besser vant sind. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse abschätzen zu können, sind unter anderem werden künftig auf den Bodensee und dessen belastbarere Prognosen für die Entwicklung Lebensgemeinschaften übertragen und durch der hydrologischen Verhältnisse im Einzugs- weitere Untersuchungen zu ergänzen sein. gebiet wünschenswert. Zudem sollte in Zukunft untersucht werden, ob neben den klimatischen Am Beispiel der Dreikantmuschel wurden Veränderungen auch gewässerbauliche Maß- Auswirkungen der Verbreitung von Neobiota nahmen eine Rolle für den Schwebstofftransport untersucht. Da eine klimatisch begünstigte spielen können und ob sich der Partikeltransport Ausbreitung von Neobiota zu erheblichen durch den Rückgang von Gletschern und Veränderungen im Ökosystem von Seen führen Permafrostgebieten verändert? kann, werden künftige Untersuchungen sich vertieft mit diesem Thema befassen müssen. Mit Hilfe hydrodynamischer und ökologischer Modelle konnte im Rahmen von KlimBo abge- Thermische Belastungen, die sich aus der schätzt werden, wie sich künftig der Austausch Nutzung von Seen für Kühl- oder Heizzwecke des Tiefenwassers des Bodensees entwickeln ergeben können, wurden für den Bodensee mit wird. Mit der Berechnung der zu erwartenden Hilfe von Modellberechnungen abgeschätzt Sauerstoffverhältnisse in den tiefen Seebereichen und im Kontext der klimatischen Veränderungen für unterschiedliche Temperatur- und Nähstoff- des Wärmehaushalts des Bodensees bewertet. verhältnisse wurde ein wichtiges Thema für Eine Zunahme der thermischen Nutzung des den Gewässerschutz des Bodensees bearbeitet. Bodensees ist zu erwarten, da die Vorgaben der Von den Veränderungen der Schichtungs- und Bodensee-Richtlinien (IGKB, 2014) diese seit Durchmischungsabläufe sind zahlreiche öko- 2014 in größerem Umfang zulassen. logische Prozesse im See betroffen.

128 KlimBo - Klimawandel am Bodensee Bewertung und Ausblick

Dies führt zu zahlreichen Fragestellungen für Die Untersuchungen im Projekt KlimBo basieren weiterführende Klimafolgenuntersuchungen, auf umfangreichen Messdaten, die in Monito- wie etwa, welche Bedeutung die Veränderungen ringprogrammen wie auch in spezifischen Mess- für die Planktonentwicklung und das Nahrungs- kampagnen erfasst wurden. Mit Hilfe dieser netz haben. Daten und verschiedener Modelle wurden Vorgänge untersucht, die sich im Rahmen der Die Austauschprozesse und Aufenthaltszeiten klimatischen Entwicklungen verändern können in Flachwasserzonen wurden gesondert unter- und hierbei möglicherweise bedeutende Aus- sucht, da sich diese Bereiche des Sees in vieler wirkungen im See haben. Die Belastbarkeit der Hinsicht erheblich vom Freiwasserkörper Ergebnisse hängt von den Modellen und den unterscheiden. In ausgedehnten Flachwasser- darin getroffenen Annahmen ab sowie von den zonen hat die topographisch bedingte vermin- Messdaten, die der Anpassung und Überprüfung derte Ausbreitung des Flusswassers eine hohe der Modelle dienen. Künftige Klimafolgen- Bedeutung für die Wasserqualität in der Flach- untersuchungen für den Bodensee sollten daher wasserzone. Auch die Temperaturverläufe in die modelltechnischen Methoden weiter- Flachwasserzonen unterscheiden sich oftmals entwickeln und die notwendige Messdaten- bedeutend vom Freiwasser. Dies führt unter grundlage verbessern. Letzteres bedeutet einer- anderem zur Bildung von auskühlungsbeding- seits, dass langfristige Monitoringprogramme, ten Dichteströmungen in die tieferen Bereiche die für Klimafolgenuntersuchungen besondere des Sees. Deren Bedeutung für die vertikalen Bedeutung haben, konsequent fortgeführt und seeweiten Austauschprozesse ist noch nicht werden müssen. Andererseits sollten Mess- hinreichend bekannt. Welche Bedeutung die in programme für spezifische Fragestellungen der Flachwasserzone gegenüber dem Freiwasser ergänzende Datengrundlagen schaffen, die sehr viel ausgeprägteren Temperaturschwankun- durch die Langzeituntersuchungen nicht gen und maximalen Temperaturen für die dort abgedeckt sind. lebenden Organismen haben, sollte ebenfalls in Zukunft untersucht werden. Die Fragestellungen, welche die klimatischen Entwicklungen für den Bodensee mit sich Die auf einer Literaturstudie basierende Analyse bringen, erfordern auch künftig eine enge, der Risiken des Klimawandels für die Trinkwasser- grenzüberschreitende Zusammenarbeit der gewinnung aus dem Bodensee zeigt, dass sehr Bodenseeanrainerstaaten Schweiz, Österreich, viele unterschiedliche Faktoren, die für die Deutschland und Liechtenstein. Diese Zusam- Gewinnung und Versorgung mit Trinkwasser menarbeit wurde durch die Förderung des relevant sind, durch die klimatischen Entwick- KlimBo-Projekts im Rahmen des Interreg-IV- lungen beeinflusst werden. Dennoch gibt es Programms erfolgreich unterstützt. nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand keine akute Gefährdung. Um trotz der Unsicher- heiten über die künftigen Entwicklungen eine Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen zur vorsorgenden Absicherung der Trinkwasser- versorgung zu erhalten, wurden Expertenein- schätzungen herangezogen. Neben der Durch- führung sogenannter "no-regret"-Maßnahmen, die unabhängig von der tatsächlichen Entwick- lung der Absicherung der Trinkwasserversorgung dienen, wird es künftig eine vorrangige Aufgabe sein, die klimatischen Veränderungen und deren Auswirkungen zu beobachten, zu bewerten und die bisherigen Erkenntnisse und Empfehlungen entsprechend fortzuschreiben.

KlimBo - Klimawandel am Bodensee 129 Literaturverzeichnis

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Bildquellen

Institut für Seenforschung der LUBW Arktis.de Titelbild, S. 7, 9, 11, 86, 96, 127 S. 85

Lorth Gessler Mittelstaedt iStockphoto LP S. 6, 8, 10, 12, 16, 82, 90 S. 87 oben

Gerhard Kersting BWV Bodensee - Wasserversorgung S. 25, 42 S. 87 unten, 88, 91

Ulrich Schmid 123rf S. 36 S. 94

Manfred Grohe Bernd Wahl S. 55 S. 99

Fotolia S. 83, 100, 101, 103

KlimBo - Klimawandel am Bodensee 133 Bisher erschienene IGKB-Berichte

9. Liste der vorhandenen „blauen“ IGKB-Berichte

Nr. Titel Jahr

1 Zustand und neuere Entwicklung des Bodensees 1963

2 Die Abwasserbelastung der Uferzone des Bodensees 1964

Die Sauerstoffschichtung im tiefen Hypolimnion des Bodensee-Obersees 1963 / 64 mit Berücksichtigung 3 einiger Untersuchungs-ergebnisse aus früheren Jahren 1964

4 Gewässerschutzvorschriften der Bodensee-Anliegerstaaten 1966

5 Die Temperatur- und Sauerstoffverhältnisse des Bodensees in den Jahren 1961 - 1963 1967

6 Untersuchungen zur Feststellung der Ursache für die Verschmutzung des Bodensees 1967

7 Stellungnahme der Sachverständigen zur Frage einer Bodensee-Ringleitung 1967

8 Die Sauerstoffbilanz des Bodensee-Obersees 1967

9 Bodensee-Sedimente 1971

10 Bericht über den Bodensee 1971

Die Berechnung von Frachten gelöster Phosphor- und Stickstoffverbindungen aus Konzentrationsmessungen 11 in Bodenseezuflüssen 1973

12 Die Makrophytenvegetation in der Uferzone des Bodensees 1973

13 Bau- und Investitionsprogramm – Stand der Abwasserbeseitigung 1973

14 Regenentlastungsanlagen, Bemessung und Gestaltung 1973

15 Strömungsverhältnisse im Bodensee-Untersee und der Wasseraustausch zwischen den einzelnen Seebecken 1974

16 Zustand und neuere Entwicklung des Bodensees 1975

17 Die Belastung des Bodensees mit Phosphor-, Stickstoff- und organischen Verbindungen im Seejahr 1971 / 72 1976

18 Die Phytoplanktonentwicklung im Bodensee in den Jahren 1961 - 1963 1976

19 Stand der technischen Möglichkeiten der Phosphorelimination aus kommunalen Abwässern 1977

20 Die Entwicklung des Crustaceenplanktons im Bodensee, Obersee (1962 - 1974) und Rheinsee (1963 - 1973) 1977

21 Die langjährige Entwicklung des Phytoplanktons im Bodensee (1963 - 1973), Teil 1 Untersee 1977

22 Chemismus des Freiwassers des Bodensee-Obersees in den Jahren 1961 - 1974 1979

23 Die langjährige Entwicklung des Phytoplanktons im Bodensee (1965 - 1975), Teil 2 Obersee 1979

Bau- und Investitionsprogramm, Stand der Abwasserbeseitigung im Einzugsgebiet des Bodensee-Obersees und 24 des Untersees Planungszeitraum 1978 - 1985 1981

25 Zum biologischen Zustand des Seebodens des Bodensees in den Jahren 1972 - 1978 1981

26 Die submersen Makrophyten des Bodensees – 1978 im Vergleich mit 1967 1981

Die Veränderungen der submersen Vegetation des Bodensees in ausgewählten Testflächen in den Jahren 27 1967 - 1978 1981 Die Belastung des Bodensees mit Phosphor- und Stickstoffverbindungen und organischem Kohlenstoff im 28 Abflussjahr 1978 / 79 1982

29 Limnologische Auswirkungen der Schifffahrt auf den Bodensee 1982

134 KlimBo - Klimawandel am Bodensee Bisher erschienene IGKB-Berichte Bisher erschienene IGKB-Berichte

30 Die Auswirkungen der Reinhaltemaßnahmen auf die limnologische Entwicklung des Bodensees (Lagebericht) 1982

31 Schadstoffe in Bodensee-Sedimenten 1984

32 Quantitative Mikroanalyse flüchtiger, organischer Verbindungen im Bodenseewasser 1985

Bau- und Investitionsprogramm, Stand der Abwasserbeseitigung im Einzugsgebiet des Bodensee-Obersees und 33 des Untersees, Planungszeitraum 1986 - 1995 1985

34 Die Zukunft der Reinhaltung des Bodensees, weitergehende und vorbeugende Maßnahmen – Denkschrift 1987

35 Zur Bedeutung der Flachwasserzone des Bodensees 1987

36 Die Entwicklung der Radioaktivität im Bodensee nach dem Unfall Tschernobyl 1987

Die Entwicklung des Crustaceen-Planktons im Bodensee-Obersee (1972 - 1985) und Untersee – Gnadensee 37 und Rheinsee – (1974 - 1985) 1987

38 Die Oligochaeten im Bodensee als Indikatoren für die Belastung des Seebodens (1972 - 1978) 1988

39 Die langjährige Entwicklung des Phytoplanktons im Bodensee (1961 - 1986) 1989

Die Belastung des Bodensees mit Phosphor- und Stickstoffverbindungen, organisch gebundenem Kohlenstoff 40 und Borat im Abflussjahr 1985 / 86 1989 Die Entwicklung der NTA- und EDTA-Konzentration im Bodensee und in einigen Bodensee-Zuflüssen von 41 1985 - 1990 1991 Seenphysikalische und limnologische Dokumentation zur Vorstreckung des Alpenrheins in den Bodensee – 42 eine Literaturstudie 1993 Sedimentoberflächen im östlichen Bodensee-Obersee, Sidescan-Untersuchungen im Zusammenhang mit den 43 Auswirkungen der Vorstreckung des Alpenrheins 1992

44 Dynamische Simulation des Bodensee-Obersees und tolerierbare Phosphor-Fracht 1993

45 Methoden zur Abschätzung der Phosphor- und Stickstoffeinträge aus diffusen Quellen in den Bodensee 1996

46 Submerse Makrophyten der Litoralzone des Bodensees 1993 im Vergleich mit 1978 und 1967 1998

47 Zustand des Seebodens 1992 - 1994 Sedimentsinventare - Phosphor – Oligochaeten 1998

48 Langjährige Entwicklung chemischer Parameter im Bodensee-Obersee 1998

Abschätzung des einwohnerbezogenen Nährstoffaustrags aus Regenentlastungen im Einzugsgebiet des Boden- 49 sees 1998

50 Mathematisches Modell des Alpenrhein – Einstroms in den Bodensee 1998

51 Phosphor und Stickstoff aus diffusen Quellen im Einzugsgebiet des Bodensees 1996 / 97 1999

52 Transport wassergefährdender Stoffe im Ufer- und Zuflussbereich des Bodensees 2000

53 Dem Bodensee in den Abflussjahren 1996 und 1997 zugeführte Stofffrachten 2000

54 Tolerierbare Phosphor-Fracht des Bodensee-Obersees. 2. Auflage 2002

55 Limnologische Bewertung der Ufer- und Flachwasserzone des Bodensees 2009

56 Bodensee-Untersuchung-Seeboden 2009

57 Zur Limnologischen Entwicklung des Bodensee-Untersees von 1969 - 2005 2007

58 Submerse Makrophyten des Bodensees – Kartierung in den Jahren 2006 - 2010 2014

Phytoplanktonentwicklung im Bodensee von 1965 - 2007: Einfluss von trophischen und klimatischen 59 Veränderungen 2014

60 KlimBo – Klimawandel am Bodensee 2015

KlimBo - Klimawandel am Bodensee 135 EUROPÄISCHE UNION Europäischer Fonds für regionale Entwicklung