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Texte des RECS #37

Rot dominiert – Funktion und Ausstattung des Weißen Salons im Schloss Cecilienhof während der Potsdamer Konferenz 1945. Betrachtungen anlässlich der Sonderausstellung 2020 – Teil 2

Autor: Jessica Korschanowski (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-) Datum: 28.04.2020

Epochenkategorie: 20. Jahrhundert, 21. Jahrhundert, Zeitgeschichte Sachklassifikation: Architekturgeschichte, Innendekoration Schlagwörter: Architektur, Historische Raumausstattung, Hohenzollern, Innendekoration, Möbelkunst, Potsdam, Potsdamer Konferenz, Provenienz, Raumkunst, Schloss Cecilienhof, Schlösser, Zweiter Weltkrieg

Diesen Artikel zitieren: Jessica Korschanowski: Rot dominiert – Funktion und Ausstattung des Weißen Salons im Schloss Cecilienhof während der Potsdamer Konferenz 1945. Betrachtungen anlässlich der Sonderausstellung 2020 – Teil 2, in: Texte des RECS #37, 28/04/2020, URL: https://recs.hypotheses.org/6014. 31 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Hinweis: Die Sonderausstellung sollte ursprünglich vom 1. Mai bis 1. November 2020 im Schloss Cecilienhof stattfinden. Aufgrund der Covid -19-Pandemie wird die Ausstellung später beginnen und entsprechend bis in das Jahr 2021 verlängert. Anmerkungen dieses Textes verstehen sich bezugnehmend auf den ersten Teil des Beitrags vom 26.02.2020. Die Nummerierung von Seiten, Absatzparagraphen, Anmerkungen und Abbildungen sind hier entsprechend fortlaufend.

Funktion und Einrichtung des Weißen Salons während der Potsdamer Konferenz im Spiegel der gegenwärtig bekannten Schrift- und Bildzeugnisse <27>

Während der Konferenz hatte der Weiße Salon verschiedene Zwecke zu erfüllen. Einerseits verfügten alle drei Delegationen über streng voneinander getrennte Schlossbereiche, die über separate Zugänge von außen zu erreichen waren. Die sowjetische Abordnung unter Stalin gelangte dabei über die dem Weißen Salon nordseitig vorgelagerte Terrasse durch dessen linke Fenstertür ins Innere des Gebäudes.85 Damit fungierte er als Eingangsbereich und diente den sowjetischen Abgeordneten sicherlich auch als informeller Aufenthalts- und Besprechungsraum. Darüber hinaus wurde der Salon von den sowjetischen Gastgebern der Konferenz als Empfangsraum genutzt, die dort beispielweise nach der ersten Plenarsitzung am 17. Juli für alle Delegationen ein Buffet servieren ließen.86

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Somit gehörte er neben der Konferenzhalle zu den wenigen Räumen im Schloss, zu denen allen Teilnehmern – zumindest zeitweilig – Einlass gewährt wurde. Im Gegensatz zur Konferenzhalle, die den repräsentativen Ansprüchen aller drei Siegermächte gerecht werden musste, konnte der Salon dabei allerdings ganz nach den von sowjetischer Seite intendierten Darstellungsabsichten umgestaltet werden. Stalin war sich der politischen Dimension von Kunst und Architektur sehr wohl bewusst und unternahm es geschickt, sie durch gezielte

85 Wie Stefan Gehlen darlegt, wurde die einfache Fenstertür zu diesem Zweck an der Außenfassade repräsentativ ausgestaltet. Vgl. Gehlen: Zur Verortung der Potsdamer Konferenz (wie Anm. 2). 86 Charles L. Mee: Die Teilung der Beute. Die Potsdamer Konferenz 1945, Wien u. a. 1977, S. 102-103.

32 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Förderung und Zensur in seinem Sinne zu lenken und zu instrumentalisieren.87 Allerdings waren die gestalterischen Möglichkeiten in Potsdam aufgrund der Kriegsumstände natürlich äußerst begrenzt, so dass die auf die sowjetischen Räume angewendeten Maßnahmen am ehesten durch Pragmatismus und demonstrativen Verzicht geleitet gewesen zu sein scheinen. Entsprechend erinnern sich sowohl Generalleutnant Antipenko als auch der zuständige Oberbefehlshaber Georgi Schukow, dass es Stalin bei der Vorbereitung der sowjetischen Räume in Schloss Cecilienhof und seiner Residenz in insbesondere auf die Eliminierung allen Anscheins von Luxus ankam.88

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Gleichwohl musste deren Einrichtung Macht ausstrahlen, was vor allem von Antipenko zunächst offensichtlich als Herausforderung betrachtet wurde. Zumindest war es ihm angelegen, später – durchaus agitierend – zu berichten, dass die Vertreter der USA und Großbritanniens auf eine luxuriöse Ausstattung ihrer Räume in Cecilienhof explizit Wert gelegt hätten. Weiter schreibt er: „Mir schien, daß Stalins Räume nicht weniger luxuriös ausgestattet werden sollten. Einiges war schon getan worden. Aber der Vertreter Moskaus, General Wlassik, erklärte, je bescheidener die Ausstattung sei, desto besser. An Stelle des kostbaren Mobiliars, das aus anderen Schlössern herangebracht worden war, sind [daher] einfache Möbel gekommen.“89 Dieses Prinzip scheint am konsequentesten im Arbeitszimmer Stalins umgesetzt worden zu sein, da dort für die Konferenz zwei Sitzmöbelgarnituren platziert wurden, die nachträglich keinem Inventar der umliegenden Schlösser zugeordnet werden können und die auch ihrem Stil nach eher aus bürgerlichen Haushalten herbeigeschafft worden zu sein scheinen (Abb. 12, 13).90 Dass das Personal der rückwärtigen Dienste bei der Neueinrichtung der Schlossräume auch Möbel aus nahegelegenen Potsdamer Villen verwendete, lässt sich immerhin an einer ursprünglich mit schwarzem Leder

87 Vgl. z. B. Matthew Cullerne Bown: Kunst unter Stalin 1924-1956, München 1991 (= Zeit Zeuge Kunst). 88 In Bezug auf die Villa Herpich, in der Stalin während der Konferenz residierte, notierte Schukow später: „Stalin hatte Luxus nie leiden können, und so ließ er nach einem Gang durch die Räume überflüssiges Mobilar [sic] fortschaffen. Zitiert nach Schukow: Erinnerungen und Gedanken (wie Anm. 82), S. 647. 89 Antipenko: In der Hauptrichtung (wie Anm. 83), S. 306. 90 Vgl. auch Anm. 14.

33 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 bezogenen Sitzmöbelgarnitur, die zur Ausstattung des amerikanischen Arbeitszimmers herangezogen wurde (Abb. 14), sicher nachweisen.91

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Weitere schriftlich fixierte Aussagen der beiden Militärs über die Neu- und Umgestaltung des Schlossinterieurs, die hinsichtlich der angeblichen Wünsche aus den USA und Großbritannien allerdings erst durch zusätzliche, eventuell noch existierende Quellen erhärtet werden müssten, bleiben darüber hinaus äußerst vage. Sie informieren in ähnlichem Wortlaut lediglich über den farblichen Eindruck der Interieurs: „Die Amerikaner wollten, dass die Appartements für den Präsidenten und seine nächsten Begleiter hellblau gestaltet würden, die Engländer wünschten sich die Räume für Churchill in Rosa, und für die sowjetische Delegation wurde ein Saal in Weiß gehalten.“92 Die für die holzsichtig vertäfelten Räume der westlichen Alliierten genannten Farben bezogen sich dabei auf die textile Raumausstattung, vor allem auf die Bezugsstoffe der Polstersitzmöbel, die man für das amerikanische Arbeitszimmer weitgehend in Schloss Babelsberg akquiriert und für das britische Arbeitszimmer aus dem entnommen hatte. Die den sowjetischen Empfangsraum charakterisierende Farbe muss hingegen auf die Fassung der Wände, Säulen und Decke Bezug genommen haben, denn die textile Ausstattung des Raumes war durch eine zweifellos absichtsvolle Wahl der gepolsterten Sitzmöbel, der Teppiche und Fensterschals en suite in der politischen Farbe Rot gehalten (Abb. 15), so dass Schukow und Antipenko in

91 SPSG, Möbelsammlung, IV 1495-IV 1497. Einer der beiden Sessel (IV 1496) ist an der Unterseite mit einer Klebemarke versehen, die den handschriftlich um „Eigentümer“ ergänzten Stempel „Dr. Willy Erfurth – Potsdam – Höhenstr.“ trägt. Laut zeitgenössischem Adressbuch wohnte in der dem Neuen Garten benachbarten Höhenstraße Nr. 6 der beratende Volkswirt Dr. Willy Erfurth, der allerdings nicht der Eigentümer der Immobilie war, aber über einen Fernsprecher verfügte. Vgl. Adreßbuch Potsdam 1936/27 (wie Anm. 41), 2. Teil (Alphabetisches Verzeichnis der Potsdamer Einwohner), S. 26 und 4. Teil (Verzeichnis der Straßen und Häuser der Stadt Potsdam), S. 43. Im ersten Augenblick mag es ungewöhnlich erscheinen, dass Möbel in einem bürgerlichen Haushalt mit Inventarmarken versehen worden sein sollen. Allerdings wurde in der am 1. Juni 1944 veröffentlichten Ausgabe der Potsdamer Tageszeitung zur Kennzeichnung von Möbelstücken als „eine notwendige Luftschutzmaßnahme“ dringend aufgefordert: „Nach jedem größeren Luftangriff ergibt sich, daß viele Möbelstücke gerettet werden, aber ihrem Eigentümer nicht mehr zugestellt werden können, weil er nicht mehr zu ermitteln ist. […] Deshalb empfiehlt es sich dringend, sämtliche Möbelstücke, Teppiche usw. […] mit der Bezeichnung des Eigentümers und seiner Anschrift zu versehen. Dies kann durch Aufkleben eines Zettels an den Möbelstücken auf der Innen- oder Unterseite […] geschehen.“ Zitiert nach dem Aufruf „Kennzeichnen der Möbelstücke eine notwendige Luftschutzmaßnahme“, in: Potsdamer Tageszeitung, 1. Juni 1944, S. 3. 92 Schukow: Erinnerungen und Gedanken (wie Anm. 82), S. 646. Ähnlich heißt es bei Antipenko: In der Hauptrichtung (wie Anm. 83), S. 306: „So gab es einen »Weißen Saal« für die sowjetische Delegation, einen »Blauen Saal« für die amerikanische Delegation und einen »Roten Saal« für die britische Delegation.“

34 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 konsequenter Sprachmanier von dem „Roten Saal“ der sowjetischen Delegation hätten sprechen müssen.

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Über die Ausstattung des in Rot gehaltenen Weißen Salons zur Zeit der Konferenz sind wir einzig durch Filmaufnahmen unterrichtet, die die sowjetischen Gastgeber kurz vor Beginn des Gipfeltreffens von den vorbereiteten Räumen machen ließen und die heute im Russischen Staatlichen Archiv für Film und Fotodokumente in Krasnogorsk bewahrt werden.93 Die Filme zeigen alle Haupträume im Erdgeschoss, wenngleich zumeist nur aus einer oder zwei unterschiedlichen Aufnahmeperspektiven, so dass etliche Zimmerbereiche nicht dokumentiert wurden. Entsprechend bleiben in den Aufnahmen vom Weißen Salon die gesamte Westwand mit der dort eingebauten Wandvitrine und das westliche Drittel der Südwand sowie der direkt davorliegende Raumbereich unsichtbar.

Abb.: 12 Schloss Cecilienhof, Arbeitszimmer der sowjetischen Delegation, 1945, © SPSG Zu den mit dunklem Leder bespannten Clubsesseln, die in Kombination mit dem dunklen Holz des Schreibtisches und der hüfthohen Wandverkleidung einen sehr ‚maskulinen‘ Raumeindruck erzeugten, gehört noch eine Ledercouch, die – hinter dem Standort des Fotografen – an der Nordwand unter dem dortigen Fenster platziert war.

93 Russisches Staatliches Archiv für Film- und Fotodokumente, Krasnogorsk, Filmrolle 1-5637-1, 1-5637-3, 1- 5638-1, 1-5706-5. 35 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abb. 13: Schloss Cecilienhof, Erker des sowjetischen Arbeitszimmers, 1945, aus den Beständen des Russischen Staatlichen Archivs für Film- und Fotodokumente, Krasnogorsk / Standbild aus dem Film 1-5637-1 Die im Erker sichtbaren Möbel waren bei der Übergabe des Hauses 1952 noch vorhanden. Anschließend aber verliert sich ihre Spur. Wann sie aus dem Schloss entfernt worden sind, ist heute nicht mehr bekannt. Möglicherweise geschah ihre Entnahme erst in den frühen 1960er Jahren, als die Ledergarnitur mit beigem Rips neu bezogen und aus dem Hauptraum in den Erker umgestellt wurde.

Abb. 14: Schloss Cecilienhof, Arbeitszimmer der amerikanischen Delegation, 13. Juli 1945, © United States Army Signal Corps, Harry S. Truman Library & Museum Die im Hintergrund in der Wandnische platzierte, zum Zeitpunkt der Konferenz mit schwarzem Leder bezogene Sitzgarnitur erhielt 1952 einen Bezug aus blauem Samt. Dies geschah vermutlich, um die Möbel anzupassen an zwei Armlehnstühle, von denen einer als Schreibtischstuhl fungierte, und sechs dazugehörige Stühle in neogotischem Stil, die man für die Konferenz aus dem Arbeitszimmer Wilhelms I. in Schloss Babelsberg herbeigeschafft hatte und deren Polster mit blauem Samt bezogen waren. 36 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abb. 15: Schloss Cecilienhof, Empfangsraum der sowjetischen Delegation (Weißer Salon), Blick in die Nordostecke, 1945, aus den Beständen des Russischen Staatlichen Archivs für Film- und Fotodokumente, Krasnogorsk / Standbild aus dem Film 1-5706-5

Abb. 16: Schloss Cecilienhof, Weißer Salon, Blick auf die Ostwand, 2019, © SPSG, Foto: André Stiebitz

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Abb. 17: Schloss Cecilienhof, Empfangsraum der sowjetischen Delegation (Weißer Salon), Blick in die Südostecke, 1945, aus den Beständen des Russischen Staatlichen Archivs für Film- und Fotodokumente, Krasnogorsk / Standbild aus dem Film 1- 5706-5

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Auch das United States Army Signal Corps erhielt noch vor Beginn der Konferenz am 13. Juli 1945 die Gelegenheit, Fotografien im Innern des Schlosses anzufertigen – allerdings nur von den ihnen zur Nutzung zugewiesenen Räumen im amerikanischen Sektor des Gebäudes. Sie werden heute in der Harry S. Truman Library & Museum bewahrt.94 Hinzu kommen private Schnappschüsse aus dem Nachlass von Richard Beckman (1915-1993), einem Agenten der Criminal Investigation Division der United States Army, der während der Konferenz für die Sicherheit von Präsident Truman zu sorgen hatte.95 Entsprechend gut sind wir folglich über die Ausstattung des Arbeitszimmers und des Besprechungsraums der

94 Harry S. Truman Library & Museum, Online Collections, Photographs, Accession Number 63-1455-56, 63- 1457-36, 63-1457-40, 63-1457-44, 63-1457-45. 95 Ebd., Accession Number 2017-1139, 2017-1141

38 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 amerikanischen Delegation unterrichtet. Vergleichbare Fotos aus britischer Hand existieren möglicherweise auch, sind bislang aber noch nicht öffentlich bekannt geworden. Nicht zuletzt bewahrt auch die SPSG in ihrem Archiv die Abzüge von drei bereits veröffentlichten Fotografien unbekannter Provenienz, die die Arbeitszimmer der „Großen Drei“ mit Blick auf die Schreibtische kurz vor der Konferenz dokumentieren (vgl. Abb. 12).96

Weißer Salon – Lichtregie und Bildausstattung

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Der Weiße Salon ist bis heute mit dem kaiserzeitlich eingebauten glasbehangenen Kronleuchter ausgestattet, zu dem zwei passend gestaltete Deckenlampen und ein Ensemble aus drei verschiedenen Paaren von Wandleuchtern gehören.97 Lediglich einzelne Originalteile des Glasbehangs der Leuchter wurden im Laufe der Zeit gegen Ersatzstücke ausgetauscht, versetzt oder gingen verloren.98 Zudem waren die sechzehn elektrifizierten Kerzen des Kronleuchters sowie die insgesamt achtzehn Elektrokerzen der sechs Wandleuchter ursprünglich mit kleinen Lampenschirmchen versehen, die zur Konferenzzeit allerdings bereits fehlten. Damit entspricht die gegenwärtige künstliche Beleuchtung des Raumes der von 1945 (Abb. 16). Der Einfall von natürlichem Licht ist aufgrund moderner Lichtschutzvorrichtungen, die die Glasscheiben der fünf Fenstertüren abdichten, um das historische Interieur vor schädigender Lichteinwirkung zu bewahren, heute hingegen dauerhaft gedämpft. Die sowjetischen Aufnahmen von 1945 zeigen (vgl. Abb. 15), dass auf halber Höhe der Fenstertüren lichtdurchlässige, weiße Scheibengardinen angebracht waren,

96 Vgl. Grützner und Heise-Schirdewan: Cecilienhof 1945 (wie Anm. 13), S. 11, 12, 13. Die Datierung der Fotos auf die Zeit kurz vor Beginn der Konferenz ergibt sich aus dem unbeschädigten Zustand des neogotischen Schreibtischs (SPSG, Möbelsammlung, IV 1492) im amerikanischen Arbeitszimmer, der für die Konferenz aus Schloss Babelsberg herbeigebracht worden war. Der Schreibtisch verfügt über einen Aufbau, der an zwei Ecken mit Fialtürmchen ausgestattet ist. Diese trugen ursprünglich jeweils eine Kreuzblume. In diesem unbeschädigten Zustand wurde er auch am 13. Juli 1945 vom US Army Signal Corps dokumentiert (vgl. Abb. 14). Eine der Filmversionen in russischem Besitz zeigt hingegen, dass die von der Arbeitsseite des Schreibtisches aus gesehen linke Kreuzblume anschließend abgebrochen oder anders entfernt worden sein muss. Vgl. Russisches Staatliches Archiv für Film- und Fotodokumente, Krasnogorsk, Filmrolle 1-5638-1. 97 Eric Hartmann: Beleuchtungskörper vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Schloss Cecilienhof, in: Käthe Klappenbach: Kronleuchter des 17. bis 20. Jahrhunderts aus Messing, »bronze doré«, Zinkguss, Porzellan, Holz, Geweih, Bernstein und Glas, mit Beiträgen von Eric Hartmann und Birgit Kropmanns, Regensburg 2019 (= Bestandskataloge der Kunstsammlungen / Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg), S. 240-252, hier: S. 246, Kat. Nr. 38. 98 Ebd. 39 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 die sicherlich erst anlässlich der Konferenz montiert worden sind. Sie konnten je nach Bedarf auf- und zugezogen werden, um einerseits eine gewisse Privatsphäre garantieren und andererseits den privilegierten Ausblick in die Landschaft freigeben zu können. Eine Rückführung auf diesen Zustand ist zum Schutz des historischen Interieurs heute ausgeschlossen.

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Auch hinsichtlich der Bildausstattung des Weißen Salons im Sommer 1945 lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass sie dem heutigen Zustand entspricht. Durch die sowjetischen Filmaufnahmen dokumentiert sind allerdings nur das an der Ostwand hängende Aquarell eines unbekannten Künstlers mit der Darstellung einer „Parklandschaft“99 – sichtbar hinten links im Standbild (Abb. 17) – sowie die beiden Bilder an der Südwand, die über dem Kamin und links daneben platziert sind. Bei letzteren handelt es sich mit dem Ausblick auf eine „Südliche Landschaft“, die am Rande einer weitläufigen Meeresbucht eine steil aufragende Felsspitze zeigt,100 und mit einer Ansicht der „Akropolis“101 um zwei der drei Aquarelle von Angelos Gialliná, eines auf Korfu ansässigen Künstlers, die schon zur kronprinzlichen Einrichtung des Interieurs zählen (vgl. Abb. 8-11). Das dritte, in den Filmaufnahmen von 1945 nicht erfasste, aber rechts vom Kamin an der Südwand zu vermutende Aquarell stellt ganz im Stile des Malers ebenfalls eine „Südliche Landschaft“ vor Augen, die vor der Kulisse eines sanft am Ufer der See sich erhebenden Berges ein rustikales Gehöft schildert.102

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Alten Inventaretiketten auf den Bilderrückseiten zufolge hingen die drei Darstellungen von der Hand Giallinás zunächst im Unter den Linden in Berlin, das dem Kronprinzenpaar vor dem Bau von Schloss Cecilienhof als repräsentative Hauptstadt- und Winterresidenz diente. Wann die Aquarelle in den Besitz des Kronprinzenpaars gelangt sind, lässt sich bisher nicht belegen. Die Vermutung liegt nahe, dass Wilhelm und Cecilie die Bilder während einer ausgedehnten Orientreise, die sie auf dem Rückweg Ende März 1911

99 Unbekannter Künstler: „Parklandschaft“, SPSG, Graphische Sammlung, Aqu. Slg. 4744. 100 Angelos Gialliná: „Südliche Landschaft“, SPSG, Graphische Sammlung, Aqu. Slg. 896a. 101 Angelos Gialliná: „Akropolis“, SPSG, Graphische Sammlung, Aqu. Slg. 896c. 102 Angelos Gialliná: „Südliche Landschaft“, SPSG, Graphische Sammlung, Aqu. Slg. 896b. 40 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 gemeinsam nach Korfu führte,103 direkt auf der Insel – vielleicht im Atelier des Malers selbst – als Erinnerungsstücke erworben haben. Möglicherweise waren die Darstellungen aber auch ein Geschenk Kaiser Wilhelms II., der sich, seit er 1907 das Achilleion gekauft und nach seinen Vorstellungen hatte umbauen lassen, regelmäßig auf Korfu aufhielt. Entsprechend wurde das Kronprinzenpaar auf der griechischen Insel vom kaiserlichen Paar und deren Tochter Viktoria Luise in Empfang genommen. Letztere charakterisierte gerade diese offenbar unbeschwerte Reisezeit im Leben der jungen Thronfolgerin als eine sehr glückliche Erfahrung Cecilies und berichtet über den Moment der Zusammenkunft auf Korfu: „Mit einer großen Lebhaftigkeit, die wir an meiner Schwägerin nicht immer gewohnt waren erzählte sie sogleich von den vielfältigen Eindrücken, die sie bei ihrer ersten Reise zu anderen Kontinenten gewonnen hatte. Cécile war zu einer fraulichen Schönheit erblüht, die an Vollkommenheit nicht mehr zu übertreffen war.“104

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Als die Kronprinzessin nach glücklichen Jahren abseits der beengenden höfischen Etikette in Danzig schließlich wieder nach Potsdam zurückkehrte, war es möglicherweise auch diese Reise, an die Cecilie zurückdachte, als sie am 23. Mai 1914 in ihrem Tagebuch notiert: „Ich kann mir noch nicht vorstellen, mich in Potsdam für lang niederzulassen, Potsdam ist mir so schrecklich kleinlich was Natur und Leben darin, anbetrifft.“105 In dieser melancholischen Stimmung, in der sie am 27. Mai fortfährt zu schreiben, „es ist so viel mehr da, so viel da draussen um einen herum“, ist es offensichtlich die Einrichtungsplanung ihrer im Bau befindlichen neuen Heimstatt Cecilienhof, die sie aufheitert. Denn optimistischer beschließt sie ihre Gedanken: „Man kann wohl das neue Haus innerlich gross und frei gestalten, die Eindrücke, die man gewann in fernen Landen, unter südlichem Himmel, […] auf weiten Meeren, an Küsten wo Schiffe vorbeifuhren, die in die unbekannte Welt hinaus steuerten […],

103 Petra Reichelt: „Thronfolger müssen reisen“ – Die Reisen der Kronprinzessin Cecilie, in: Cecilie (1886 - 1954). Deutschlands letzte Kronprinzessin zwischen Monarchie und Republik, hg. von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Potsdam 2004, S. 27-35, hier: S. 30; Kirschstein: Kronprinzessin Cecilie (wie Anm. 34), S. 20. 104 Herzogin Viktoria Luise: Die Kronprinzessin (wie Anm. 30), S. 165. 105 GStA PK, BPH, Rep. 54, Nr. 115: Tagebuch der Kronprinzessin Cecilie, Eintragung vom 23. Mai 1914. 41 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 alles das kann man hineindenken in das Holz das die Wände bekleiden soll […]. Man kann […] eine Stätte von Erinnerungen bilden, […].“106

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Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass Cecilie ihren persönlichen Einfluss geltend machte und aus der bereits vorhandenen Bildersammlung in Berlin die Aquarelle von Gialliná zur Ausschmückung ihres neuen Salons wählte. Alte Herstellermarken auf den Rahmenrückseiten geben dabei wiederrum Auskunft darüber, dass die Darstellungen zur Aufhängung im Weißen Salon eigens an die Raumschale angepasste, neue Rahmen in neoklassizistischem Stil erhielten, angefertigt bei Emil Heidkamp, der in der Schwertfegerstaße 4/5 in Potsdam ein „Spezialgeschäft für stilgerechte Einrahmungen“ betrieb.107

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Die Rahmung der seit 1945 an der Ostwand dokumentierten „Parklandschaft“ hebt sich in ihrer schlichten Einfachheit von den Rahmen der griechischen Aquarelle ab. Sie findet allerdings ihr Pendant im Rahmen zu dem Seestück mit der Darstellung des Schoners „Hamburg I“108, das heute (und wahrscheinlich auch 1945) an der gegenüberliegenden Westwand hängt (Abb. 18, 19). Bei der Graphik, seit 2002 aus konservatorischen Erwägungen durch eine Reproduktion ersetzt,109 handelt es sich um die etwas kleinere Wiedergabe eines Gemäldes, das der Marinemaler Hugo Schnars-Alquist 1908/09 von der ersten Segelyacht des „Hamburgischen Vereins Seefahrt“ anfertigte.110 Diese erste „Hamburg“ wurde auf Betreiben von Albert Ballin, dem Generaldirektor der Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG), für den 1903 gegründeten Verein gekauft, um den kaiserlichen Segelyachten „Meteor“ und „Iduna“ auf

106 GStA PK, BPH, Rep. 54, Nr. 115: Tagebuch der Kronprinzessin Cecilie, Eintragung vom 27. Mai 1914. 107 Zitiert nach Adreßbuch der Städte Potsdam, Nowawes und Werder […] für 1927, 57. Jahrgang, zusammengestellt und hg. von A. W. Hanys Erben, Potsdam 1927, 1. Teil (Alphabetisches Namenverzeichnis der Einwohner mit Angabe des Standes, der Gewerbe, Firmen und Wohnungen nach eigenen Angaben der Einwohner), S. 59. 108 Nach Hugo Schnars-Alquist: „Bewegtes Meer mit der Segelyacht »Hamburg I«, SPSG, Graphische Sammlung, Kunstblattslg. 858. 109 Doris Banuscher: Neue "Hamburg 1" für den Potsdamer Weißen Salon, in: Die Welt, 05.10.2002, URL: https://www.welt.de/print-welt/article414760/Leute-von-Welt.html [letzter Zugriff am 19.01.2010]. 110 Das Gemälde hängt heute im Saal des Clubhauses des Norddeutschen Regatta Vereins am Nordostufer der Außenalster, Schöne Aussicht 37, 22085 Hamburg. Vgl. auch Gerd Trulsen: Einhundert Jahre ›Hamburgischer Verein Seefahrt‹ 1903-2003. Eine Dokumentation, hg. vom Hamburgischen Verein Seefahrt e. V., Hamburg 2003, Abb. S. 6 unten. 42 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 ausdrücklichen Wunsch des Kaisers selbst im sportlichen Wettkampf Konkurrenz zu machen.111 Gezeigt ist das Schiff im Mai 1905 während eines vom kaiserlichen Yacht-Club in Kiel veranstalteten Transatlantikrennens vom Feuerschiff Sandy Hook vor New York bis zum britischen Leuchtturm Lizzard, für das Wilhelm II. den Siegespokal stiftete (Abb. 20).112 Unter kaiserlicher Schirmherrschaft nahm die erste „Hamburg“ als einziges deutsches Schiff an der Ozeanregatta teil und errang unter Kapitän Adolph Tietgens, dem der Kaiser per Telegramm aus dem Berliner Schloss am 31. Mai 1905 persönlich gratulierte, den zweiten Platz.113

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Trotz dieser bekannten Hintergrundinformationen konnte die Provenienz des Bildes noch nicht ermittelt werden. Albert Ballin und der Kaiser, der selbst ein begeisterter Segler war, pflegten spätestens seit 1901 persönlichen Kontakt mit gegenseitigen Besuchen. Auch Cecilie hegte zwar eine ausgeprägte Leidenschaft für die Seefahrt und ließ sich in Schloss Cecilienhof neben ihrem Schreibzimmer ein kleines Kabinett im Stile einer Schiffskajüte einrichten,114 ihre Verbindungen führen in diesem Zusammenhang aber eher zum Norddeutschen Lloyd als nach Hamburg. So ist nicht zu rekonstruieren, wie das Bild nach Cecilienhof kam. Doch verrät eine Herstellermarke auf der Rahmenrückseite des Bildes, dass Emil Heidkamps Potsdamer Werkstatt auch für diesen Rahmen – und damit sehr wahrscheinlich auch für dessen unbezeichnetes, die „Parklandschaft“ einfassendes Gegenstück – verantwortlich zeichnet. Beide Darstellungen gehören im Gegensatz zu den Aquarellen von Gialliná aber nicht zur kronprinzesslichen Ausstattung des Weißen Salons. Sie stammen, ihrer Rahmung nach zu urteilen, aber von einem anderen, nicht überlieferten Hängeort in Schloss Cecilienhof. Von dort wurden sie sicherlich im Rahmen der Konferenzvorbereitungen als zurückhaltende Ergänzungen der drei griechischen Landschaftsbilder in den Empfangsraum der sowjetischen Delegation umgehängt. Denn neben den Aquarellen von Gialliná fanden die sowjetischen Mitarbeiter der rückwärtigen Dienste an der Kaminwand des Weißen Salons stattdessen drei

111 Ebd., S. 21-51. 112 Die Ozeanwettfahrt um den Kaiserpokal, in: Über Land und Meer. Deutsche Illustrirte Zeitung 94 (1905), Nr. 36, S. 860 und Nr. 37, S. 885 113 Vgl. Trulsen: Einhundert Jahre ›Hamburgischer Verein Seefahrt‹ (wie Anm. 110), S. 52-60. 114 Vgl. Zajonz: Das kronprinzliche Landhaus (wie Anm. 43), Bd. 1, S. 78-83; Berndt und Kirschstein: Schloss Cecilienhof (wie Anm. 24), S. 22-23.

43 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Ölbilder vor, die vermutlich als Folge der Beilegung der Vermögensauseinandersetzungen 1926 in die ursprüngliche Hängung integriert worden waren.

Abb. 18: Schloss Cecilienhof, Weißer Salon, Ostwand, 2009, © SPSG

Abb. 19: Schloss Cecilienhof, Weißer Salon, Westwand, 2009, © SPSG 44 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abb. 20: Die erste Segelyacht „Hamburg“ des Hamburgischen Vereins Seefahrt (HVS), fotografiert von Arthur Renard, 1905. Publiziert in: Über Land und Meer. Deutsche Illustrierte Zeitung 94 (1905), Nr. 36, S. 860.

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Anhand der bekannten, aus den 1930er Jahren stammenden Interieurfotografien (vgl. Abb. 10 und 11) lässt sich das großformatige, über dem Kamin hängende Bild als eine um 1757 entstandene Ölskizze von Antoine Pesne identifizieren, die den Raub der Helena zum Thema hat und 1926 den Hohenzollern zugesprochen worden war.115 Flankiert wurde die Pesneʼsche Studie von zwei kleineren fêtes galantes, die bekannte Darstellungen von Antoine Watteau wiederholen.116 So handelt es sich bei dem östlich vom Kamin hängenden Gemälde um die von unbekannter Künstlerhand stammende, seitenverkehrte Wiederholung des von

115 Die Identifizierung der Ölskizze von Antoine Pesne verdanke ich Dr. Alexandra Nina Bauer (SPSG, Kustodin für die deutschen und niederländischen Gemälde) sowie Dr. Franziska Windt (SPSG, Kustodin für die romanischen Gemälde). 116 Für die Identifizierung der Vorbilder von Antoine Watteau sei Prof. Dr. Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor der SPSG, sehr herzlich gedankt. 45 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Watteau gemalten Bildes „Voulez-vous triompher des belles?“, das heute in der Londoner Wallace Collection bewahrt wird.117 Die seitenverkehrte Ausrichtung der Kopie sowie Unterschiede in der Farbigkeit weisen allerdings darauf hin, dass das Gemälde aus Cecilienhof vermutlich nicht nach dem Londoner Original, sondern eher nach einem Kupferstich entstanden ist, den Henri Thomassin 1725 nach der Watteau’schen Vorlage anfertigte.118 Das westlich vom Kamin hängende Pendant, das vermutlich von demselben namentlich unbekannten Maler hergestellt wurde, ist dagegen die seitengleiche Wiederholung des unter dem Titel „Die italienische Serenade“ bekannten Gemäldes im Stockholmer Nationalmuseum.119 Alle drei Gemälde waren durch breite, einander entsprechende Goldrahmen zu einem Ensemble zusammengefasst.

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Weder die opulenten Goldrahmen noch die Sujets der Bilder waren geeignet, um die Zustimmung Stalins zu finden, der höfische Kunst und vordergründigen Luxus entschieden ablehnte. Sie wurden daher vorsorglich aus dem Weißen Salon entfernt und durch passendere Kunstwerke ersetzt. Während die großformatige Ölstudie von Pesne seit 1945 als verschollen gelten muss, belegen die Fotografien, die im Juli 1945 vom US Army Signal Corps angefertigt wurden (vgl. Abb. 14), dass die beiden fêtes galantes nach Watteau zur Ausstattung des amerikanischen Arbeitszimmers verwendet wurden, wo man sie über dem Kamin und in der Nische der Südwand platzierte.120 Auch sie gingen allerdings in den Jahren zwischen 1945 und der Übergabe des Schlosses 1952 zunächst verloren. Es ist aber zu vermuten, dass das Paar identisch ist mit zwei Gemälden, die 2007 im französischen

117 Antoine Watteau, „Voulez-vous triompher des belles?“, ca. 1714-1717, Öl auf Eichenholz, 35,9 x 27 cm, London, Wallace Collection, Inventar-Nr. P387. Vgl. Ettore Camesasca: Tout l’œuvre peint de Watteau, neue und überarb. Aufl., mit einer Einleitung von Pierre Rosenberg, Paris 1982, S. 111, Nr. 152 und Tafel X; Christoph Martin Vogtherr: Watteau at the Wallace Collection, Ausst.-Kat. Wallace Collection, London 2011, S. 49, Nr. 1. 118 Émile Dacier und Albert Vuaflart: Jean de Jullienne et les graveurs de Watteau au XVIIIe siècle, Paris 1921- 1929, Bd. 3, S. 41-42, Nr. 84, Bd. 4, Tafel 179. 119 Antoine Watteau: „Die italienische Serenade“ (La sérénade italienne), ca. 1715-1719, Öl auf Holz, 33,5 x 27 cm, Stockholm, Nationalmuseum, Inventar-Nr. NM 5650. Vgl. Camesasca: Tout l’œuvre peint de Watteau (wie Anm. 117), S. 108-109, Nr. 136; Margaret Morgan Grasselli und Pierre Rosenberg mit Unterstützung von Nicole Parmantier: Watteau 1684-1721, Ausst.-Kat. National Gallery of Art Washington / Galeries nationales du Grand Palais, Paris / , Berlin 1984-1985, Berlin 1985, S. 346-348, Nr. 42. 120 An der Ostwand über dem Kamin hing 1945 die seitenverkehrte Wiederholung der Watteau’schen Darstellung von der Hand eines unbekannten Künstlers, „Voulez-vous triompher des belles?“, nach 1725, Öl auf Holz, 37 x 28 cm, Frankreich, Privatbesitz. In der Nische der Südwand war platziert: Unbekannter Maler nach Watteau: „Die italienische Serenade“, Öl auf Holz, 37 x 28 cm, Frankreich, Privatbesitz. 46 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Kunsthandel gemeinsam wieder aufgetaucht sind und sich seitdem in französischem Privatbesitz befinden.121

Weißer Salon – Textile Raumausstattung und Möblierung

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Wie bereits erwähnt, setzten die sowjetischen Gastgeber bei der textilen Ausgestaltung ihres Empfangsraums ganz auf die symbolträchtige Farbe Rot. Dazu wurden die fünf hohen Terrassentüren rechts und links mit langen roten Seitenschals versehen. Da die Fensterdraperien bis zur Installation moderner Lichtschutzmaßnahmen starken Alterungseinflüssen ausgesetzt waren, entschied man sich 1974 dazu, den ausgeblichenen Stoff zu ersetzen.122 Durch die Verwendung farbgetreuer Kopien aus rotem Baumwollplüsch ist der damalige Eindruck aber bis heute bewahrt geblieben.

121 Auktion in Cheverny, in der Orangerie von Schloss Cheverny (Philippe Rouillac), 10. Juni 2007, Lot 50. Die „Wiederentdeckung“ der beiden Gemälde nach Watteau, die während der Konferenz das Arbeitszimmer der amerikanischen Delegation schmückten, ist Frau Dr. Franziska Windt (SPSG, Kustodin für die romanischen Gemälde), zu verdanken. 122 SPSG, Archiv, Akte 2/480, Fol. 42, 108, 110. Vgl. auch Helene Ebner von Eschenbach: Schloß Cecilienhof – Überblick über die textile Ausstattung von 1917-1974, o. O. 1974, Typoskript, SPSG, Archiv der Textilrestaurierung. Frau Ute Rönnecke (SPSG, Textilrestauratorin), die mir das Manuskript zur Kenntnis gebracht und mir in Kopie überlassen hat, sei herzlich gedankt. 47 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abb. 21: Neues Palais, Grottensaal, südliches Seitenschiff, Blick auf die Westwand, um 1911/12, © SPSG

48 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abbildung 22: Neues Palais, Grottensaal, nördliches Seitenschiff, Blick auf die Westwand, um 1911/12, © SPSG

49 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abb. 23: VEB Weberei Potsdam-Babelsberg (ehemals Räume der Teppichfabrik von Karl Hozák), Webstuhl, Aufnahme vor dem Abbau des Webstuhls 1976, © SPSG

50 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

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Der Teppich, den die kronprinzliche Familie kurz nach dem Einzug über das kunstvoll gestaltete Holzparkett verlegen ließ (vgl. Abb. 9, 10), wurde entfernt. Stattdessen begaben sich die rückwärtigen Dienste auf die Suche nach einem geeigneten Ersatz, der sowohl dem anvisierten ‚roten‘ Ausstattungskonzept als auch der Größe des Raumes gerecht werden konnte. Fündig wurden sie im Grottensaal des Neuen Palais, genauer in den beiden an der südlichen und nördlichen Schmalseite des Raumes durch Pfeiler von der Haupthalle abgetrennten Seitenschiffen. Hier waren zwei identische Läufer ausgelegt (Abb. 21, 22),123 die – nebeneinander platziert – die gesamte Bodenfläche des Weißen Salons passend ausfüllten (vgl. Abb. 17). Lediglich bei dem für die Fensterseite ausersehenen Stück (SPSG, IX 2115) mussten für die beiden Säulen, die die Unterzüge stützen, zwei rechteckige Felder aus der Teppichkante herausgeschnitten werden.

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Farblich zeichnen sich die Läufer durch ihr leuchtend rotes Mittelfeld aus, das von einer in zurückhaltenden Farben (Violett, Schwarz, Blau, Grün) geometrisch gestalteten Bordüre mit Eckzwickeln umrahmt ist. Das Zentrum des roten Grundes schmückt ein langgestrecktes sechseckiges Medaillon, das zu beiden Läuferenden hin jeweils durch zwei sternförmige Motive flankiert wird. Hergestellt worden waren die Läufer im Auftrag Kaiser Wilhelms II. um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert in der Smyrna-Teppichfabrik von Karl Hozák, seit 1899 königlicher Hoflieferant,124 der seine Firma in Neuendorf (heute Babelsberg) angesiedelt hatte.125 Eine kaiserzeitliche Messbildaufnahme aus dem Neuen Palais zeigt,126

123 SPSG, Textilsammlung, IX 2115 & IX 2116. Beide Läufer verfügen auf der Rückseite jeweils über einen alten Inventaraufnäher, der neben einer Maßangabe auch Auskunft über die Herkunft der Läufer aus dem Grottensaal (Raum 177) des Neuen Palais gibt. 124 GStA PK, BPH Rep. 113, Nr. 2384 (Hofprädikatsgesuche. Einzelfälle, Bd. 45, 1898-1899), Fol. 151. 125 Vgl. Ute Rönnecke: Die Smyrna-Teppich Fabrik des Karl Hozàk, in: Dies.: Der große kaiserzeitliche Teppich im Konferenzsaal des Schlosses Cecilienhof in Potsdam. Die veränderte Wertschätzung eines „ungeliebten“ Großformats. Ein Beispiel aus dem musealen Alltag, unveröffentlichte Diplomarbeit, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin 2008, S. 106-120 und Abb. 112-114, hier: S. 111 und Abb. 114; Karola Paepke: Potsdam eine Textilstadt mit Traditionen?, in: Marianne Herzog (Hg.): Textilunterricht in Deutschland – textile Traditionen in Potsdam. Perspektiven für Textilunterricht und Ausbildung in allen Bundesländern, Dokumentation des Fachkongresses für Textil-Pädagogen vom 6. bis 9. Oktober 1993 in Potsdam, Baltmannsweiler 1994, S. 48-55, hier: S. 53-55. 126 Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, Messbildarchiv, Neg. Nr.: 21qu30/1625.54 (Teilaufnahme des Grottensaals, 1911/12). Die Messbildaufnahme ist veröffentlicht in Jörg Kirschstein: Das Neue Palais in Potsdam. Familienidyll und kaiserlicher Glanz, Berlin 2017, Abb. S. 135.

51 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 dass der zu den beiden Läufern gehörende Teppich in der Haupthalle des Grottensaals zu ebenjener Dessin-Serie der Firma Hozák gehört, der auch der ursprünglich für den Marmorsaal des Neuen Palais geknüpfte Teppich entstammt;127 sie bilden identische Gegenstücke. Während der Verbleib des großen Grottensaalteppichs nicht bekannt ist, wurde sein Pendant, der Marmorsaalteppich, 1945 zur Ausstattung der Konferenzhalle in Schloss Cecilienhof genutzt und befindet sich dort bis heute.128 Entsprechend lässt sich konstatieren, dass der im Konferenzsaal liegende Teppich und die beiden 1945 für den Weißen Salon ausgewählten Läufer hinsichtlich ihres Dessins ein zusammengehöriges Ensemble bilden.

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Nach Beendigung der Konferenz blieben die beiden Läufer im Weißen Salon liegen. Dort wurden sie durch die vielen Besucherinnen und Besucher der „Gedenkstätte“, die im Gegensatz zu heutigen denkmalpflegerischen Prinzipien über die originalen Teppiche liefen, allerdings äußerst stark in Mitleidenschaft gezogen. Daher verlegte man auf den fensterseitigen Läufer, der durch die Besucherströme am meisten belastet war, zunächst einen roten Schonläufer, der als Laufweg diente, sich aber offensichtlich nicht bewährte.129 Denn in den frühen 1970er Jahren sah sich die Restaurierungsabteilung der SSG veranlasst, eine andere Lösung zu finden, die die Teppiche der öffentlichen Wahrnehmung möglichst erhalten und gleichzeitig ihrem Schutz dienen sollte. Zunächst erwog man, die Läufer mit einem – letztlich nicht zu realisierenden – durchsichtigen Schonbelag aus „Plaste“ zu belegen.130 Anschließend wurde der Plan gefasst, sowohl die Läufer als auch den

127 Die Teppiche gehören zu einer ganzen Serie, bestehend aus Teppichen unterschiedlicher Formate und passenden Läufern, die im Dessin Nr. 370 von der Firma Hozák für das Neue Palais hergestellt worden sind. Vgl. Rönnecke: Der große kaiserzeitliche Teppich im Konferenzsaal des Schlosses Cecilienhof (wie Anm. 125), S. 10. In der dem Grottensaal benachbarten, langen Marmorgalerie waren beispielsweise gleich drei der Teppiche aus dieser Dessin-Serie nebeneinander ausgelegt. Vgl. Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, Messbildarchiv, Neg. Nr. 21qu25/1625.50 (Marmorgalerie, 1911/12), publiziert in Kirschstein: Das Neue Palais (wie Anm. 126), Abb. S. 131. 128 Hierzu ausführlich Rönnecke: Der große kaiserzeitliche Teppich im Konferenzsaal des Schlosses Cecilienhof (wie Anm. 125). 129 Vgl. z. B. Foto des Weißen Salons von Gerhard Döring, 1963, SLUB / Deutsche Fotothek, Aufnahme-Nr. df_hauptkatalog_0157149, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/33104668 [permalink]; Bildpostkarte „Cecilienhof. Empfangsraum der sowjetischen Delegation“, Fotograf: Klaus G. Beyer, VEB Bild und Heimat Reichenbach i. V., herausgegeben 1976 und 1978. 130 Brief von Erika Herbrig, Direktorin der „Gedenkstätte“, unter Mitzeichnung des Chefrestaurators der SSG, Dieter Gräf, an das VEB Stickstoffwerk Piesteritz, Potsdam, 18.06.1975, SPSG, Archiv, Akte 2/480, Fol. 74-75.

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Konferenzsaalteppich durch die Handwebmeisterin Brigitte Schonhof originalgetreu nachweben zu lassen.131 Dazu hatte die SSG 1974 eigens den „Spezialhochwebstuhl“, auf dem die Teppiche in Babelsberg hergestellt worden waren,132 aus dem Nachlass der Firma Hozák erworben (Abb. 23).133 Der Webstuhl wurde 1976 auch in Babelsberg abgebaut und in die Schonhoff’sche Werkstatt überführt.134 Das Vorhaben kam aus heute nicht mehr ersichtlichen Gründen aber nie zur Ausführung. Letztlich blieben die originalen Läufer bis in die Mitte der 1980er Jahre an Ort und Stelle (Abb. 24), bis man sie schließlich entnahm und deponierte.

131 Aktennotiz von Helene Ebner von Eschenbach, Leiterin der Abteilung Textilrestaurierung der SSG, XX.XX.1976, SPSG, Archiv, Akte 2/480, Fol. 82. 132 Brief von Erika Herbrig, Leiterin der „Gedenkstätte“, und von Joachim Mückenberger, Generaldirektor der SSG, an den Rat der Stadt Potsdam, Potsdam, 14.09.1976, SPSG, Archiv, Akte 2/480, Fol. 83. 133 Webstuhl, SPSG, Sammlung Technisches Kulturgut, XVIII (8) 1. Vgl. dazu folgende Korrespondenz: Handschriftlicher Brief von Johannes Hozák an die SSG, Abteilung Restaurierung, Potsdam-Babelsberg, 10.03.1976, SPSG, Archiv, Akte 2/580, n. p.; Brief von Erika Herbrig, Leiterin der „Gedenkstätte“, an Dieter Gräf, Chefrestaurator der SSG, Potsdam, 09.09.1976, SPSG, Archiv, Akte 2/580, n. p; Korrespondenz und Dokumentation der Restaurierungsabteilung, SPSG, Archiv der Textilrestaurierung. Ich danke Frau Rönnecke, die mir diese Unterlagen zur Kenntnis gebracht hat. 134 Aus der Schonhoff’schen Werkstatt wurden die Webstuhlteile Mitte der 1980er Jahre teilweise in die ehemalige Kaiserliche Reithalle im Neuen Garten und auf den Schirrhof der SPSG verbracht. Bemühungen, die Webstuhlteile dem Potsdam Museum zur Bewahrung zu übergeben, scheiterten an fehlenden Deponierungsflächen.

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Abb. 24: Schloss Cecilienhof, Weißer Salon, Blick in die Südwestecke, um 1985, © SPSG, Foto: Klaus Bergmann

Abb. 25: Schloss Cecilienhof, Empfangsraum der sowjetischen Delegation (Weißer Salon), Möbelensemble östlich vom Kamin, 1945, aus den Beständen des Russischen Staatlichen Archives für Film- und Fotodokumente, Krasnogorsk / Standbild aus dem Film 1-5706-5 54 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

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Eine kürzlich vorgenommene Untersuchung der deponierten Läufer ergab,135 dass der ehemals fensterseitige Läufer136 so stark beschädigt ist, dass selbst eine kurzzeitige Präsentation im Rahmen der 2020 beginnenden Sonderausstellung nicht möglich war. Der ursprünglich an der Südwand unter den Möbeln platzierte Läufer befindet sich in einem weit besseren Zustand.137 Um ihn in das historische Inventar replatzieren zu können, würde es allerdings einer fachgerechten Reinigung und sorgfältiger Restaurierungsmaßnahmen bedürfen, zum Beispiel zur Sicherung loser Knoten. Anschließend könnte der Läufer aber an seinen seit 1945 angestammten Platz zurückkehren, wobei er allerdings an beiden Enden etwas aufgerollt werden müsste, um nicht in die Laufwege der Besucher hereinzuragen – eine aus konservatorischer Sicht akzeptable Präsentationsweise. Reinigung und Sicherung hätten den vertretbaren Kostenrahmen der Sonderausstellung allerdings gesprengt. So muss die Umsetzung zunächst unterbleiben, kann mit Blick auf die künftige Dauerausstellung in Schloss Cecilienhof möglicherweise aber für die Zukunft avisiert werden. Immerhin lassen bereits heute die in Rot gewählten, modernen Läufer, die das freiliegende kostbare Holzparkett im Bereich der Besucherlaufwege an der Fensterfront und den Schmalseiten des Raumes schützen (vgl. Abb. 16), den 1945 durch die Läufer evozierten Farbeindruck anklingen.

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Zur weiteren Gestaltung des sowjetischen Empfangsraums, der den prominenten Vertretern aller drei Delegationen Möglichkeiten zu einem geselligen Beisammensein bieten musste, wurden 1945 zunächst alle vorgefundenen Möbel aus dem ehemals kronprinzesslichen Interieur entfernt. Die Herkunft der anschließend eingebrachten Möbel – zwei runde Tische und diverse gepolsterte Sitzmöbel – lässt sich heute nicht mehr lückenlos rekonstruieren. Sie scheinen allerdings alle aus altem preußischen Schlösserbestand zu stammen. Die beiden heute noch im Raum vorhandenen Tische mit übereinstimmend geschweiften Beinen,138 jeweils weiß lackiert und mit vergoldeten, mehr oder weniger aufwändig geschnitzten

135 Für die Befundung der Läufer sei Ute Rönnecke (SPSG, Textilrestauratorin) und Nadja Kuschel (SPSG, Leiterin der Abteilung Textilrestaurierung) herzlich gedankt. 136 SPSG, Textilsammlung, IX 2115. 137 SPSG, Textilsammlung, IX 2116. 138 SPSG, Möbelsammlung, IV 1415 & 1416. 55 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Ornamenten und Profilleisten, bilden trotz ihrer unterschiedlichen Schmuckelemente ein sowohl zueinander als auch zur Fassung der Wände und Bilderrahmen passendes Ensemble. Der ungleich reicher mit Rocaillen, Muschel- und Blattformen im Rokoko-Stil verzierte Tisch (SPSG, IV 1415) stammt wohl ursprünglich aus dem Potsdamer Stadtschloss und war dort im zweiten Obergeschoss des Corps-de-Logis in Zimmer Nr. 320 der sogenannten „Prinz Wilhelm’schen Wohnung“ platziert.139

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Zu unbekannter Zeit scheint der Tisch anschließend auch in Schloss Oels verwendet worden zu sein, wobei es nicht ungewöhnlich war, dass bewegliches Mobiliar je nach Bedarf zwischen den verschiedenen Besitzungen hin- und hergetauscht wurde. Diese Provenienz legen zumindest alte Inventaraufkleber nahe. Letztlich muss der Tisch nach Potsdam zurückgelangt sein, wie und wann bleibt aber im Dunkeln. Die Fotos aus der Konferenzzeit belegen hingegen eindeutig, dass er 1945 vor der östlichen Südwand stand (Abb. 25), während sein einfacher gestaltetes Gegenstück westlich auf der anderen Kaminseite positioniert war. Um beide Tische gruppiert, befanden sich Sitzgelegenheiten, die man offensichtlich aufgrund ihrer ebenfalls weiß-goldenen Fassung und ihres roten Bezugsstoffes ausgewählt hatte.

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Für die den Tisch östlich vom Kamin umgebende Sitzmöbelgruppe (vgl. Abb. 25) fanden sich ein weiß gefasstes und mit goldenen Schnitzereien dekoriertes Kanapee und vier passende Stühle aus einer klassizistischen Garnitur, die in ihrer antikisierenden Formensprache zwar nicht zum Stil des Tisches (SPSG, IV 1415) passen, sich aber harmonisch in die Architektur des Raumes einfügen. Zwei weitere des insgesamt sechs Stühle umfassenden Ensembles wurden an der Ostwand des Salons positioniert (vgl. Abb. 17), während man die beiden ebenfalls zugehörigen Armlehnstühle an der Nordwand aufstellte, wo sie die mittlere der fünf Terrassentüren flankierten (vgl. Abb. 15).140 Um 1790 hergestellt, wurde die Sitzmöbelgarnitur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die Neuausstattung des

139 Die Wohnung stand zwischen 1829 und 1835 Prinz Wilhelm, dem späteren König und deutschen Kaiser Wilhelm I. zu Verfügung. Von 1881 bis 1888 diente sie Prinz Wilhelm, Kaiser Wilhelm II., als Appartement. Und schließlich war hier zwischen 1905 und 1911 auch der letzte Kronprinz Wilhelm untergebracht. Vgl. Jörg Kirschstein: Das Potsdamer Stadtschloss. Vom Fürstensitz zum Landtagsschloss, Berlin 2014, S. 155. 140 SPSG, Möbelsammlung, Kanapee IV 1414, zwei Armlehnstühle IV 1419 & 1420, sechs Polsterstühle IV 1421- 1426. 56 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

1866 unter preußische Herrschaft gekommenen Leineschlosses in Hannover verwendet.141 Aber wann und unter welchen Umständen sie aus dem Leineschloss zurück nach Potsdam gelangte, ist unbekannt. Da das Schloss 1926 dem Staat zugesprochen wurde,142 das bewegliche Inventar aber in das private Eigentum der Hohenzollern überging,143 geschah dies vermutlich im Zuge der Trennung der Vermögenswerte. Durch Bild- und Schriftzeugnisse gesichert ist nur, dass die Polster der weiß-golden gefassten Garnitur, die bis heute im Weißen Salon präsentiert wird, im Gegensatz zum gegenwärtigen Zustand (vgl. Abb. 16) ursprünglich mit Bezügen aus rotem, geblümten Damast versehen waren.144

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Rot bezogen waren auch die Stühle, die den westlich vom Kamin gelegenen Raumbereich möblierten (vgl. Abb. 15, vorne im Bild). Es handelt sich um Polsterstühle aus einer vormals acht Stück umfassenden Garnitur, „weiß gestrichen mit Vergoldung“ und bezogen mit „rother Seide mit Moireestreifen, und Gimpenbesatz“.145 Die ebenfalls im Stile des Klassizismus gestalteten Stühle waren 1908 aus dem Möbelspeicher des Charlottenburger Schlosses in das Homburger Schloss gebracht worden, das Wilhelm II. und seine erste Gemahlin Auguste Viktoria als Sommerresidenz nutzten. Nachdem das Schloss samt Inventar 1926 aber dem Staat zuerkannt worden war, veranlasste man die Rückholung der Möbel.146

141 Alte Inventarmarken zeugen von der Verwendung der Garnitur im Leineschloss in Hannover, wo sie zur Möblierung von Zimmer Nr. 129 diente. Die in der preußischen Verwaltungszeit angefertigten Inventare des Leineschlosses in Hannover sind heute leider verschollen. 142 Gesetz über die Vermögensauseinandersetzungen zwischen dem Preußischen Staate und den Mitgliedern des vormals regierenden Preußischen Königshauses vom 29. Oktober 1926 (wie Anm. 38), S. 271, § 1.I und S. 278, Anlage B, Abschnitt Ia.17. 143 Ebd., S. 279, Anlage B, Abschnitt II.2. 144 Vgl. auch Übergabeinventar Cecilienhof 1952, SPSG, Graphische Sammlung, Historische Inventare, Nr. 853, S. 13, „Salon“: „[…] 1 Wandsofa weiß mit Gold. rot damast / 2 Sessel weiß mit Gold. rot damast / 6 Stühle Polster weiß mit Gold. rot damast. […].“ 145 Inventarium des Königlichen Schlosses zu Homburg vor der Höhe, Bd. 1a, angefertigt Dezember 1894, Berlin, 23. März 1895, Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Inventarisierungsabteilung, Inv. Nr. 6.1.126, Fol. 68a, Zimmer Nr. „37. Kurfürsten-Zimmer, Laufende No. d(ito) [2. Rp. III 08.] Nr. 28. Acht Polsterstühle, weiß gestrichen mit Vergoldung, Bezug von rother Seide mit Moireestreifen, und Gimpenbesatz; dazu Staubkappen von rothem Kronensatin. (Vor. Charlottenbg. 2106), Abgang: [mit anderer Hand:] nach Möbelspeicher R. I. 26.“ 146 Gesetz über die Vermögensauseinandersetzungen zwischen dem Preußischen Staate und den Mitgliedern des vormals regierenden Preußischen Königshauses vom 29. Oktober 1926 (wie Anm. 38), S. 271, § 1.1 und S. 278, Anlage B, Abschnitt 1a.22. Der Staat wiederrum stellte dem ehemaligen Kaiserpaar das Schloss zu Homburg vor der Höhe „auf etwaigen Wunsch“ als Wohnsitz auf Lebenszeit zur Verfügung. Ebd., S. 274, § 7 (1). 57 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Erhalten haben sich aus der Garnitur lediglich fünf Stühle.147 Während der Konferenz umstellten drei dieser Stühle neben einem heute nicht mehr identifizierbaren Kanapee den westlich im Weißen Salon platzierten Tisch. In den Aufnahmen von 1945 zwar nicht sichtbar, ist es dennoch anzunehmen, dass die beiden übrigen Stühle der Garnitur zur Wahrung der räumlichen Symmetrie an der Westwand aufgereiht standen.

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Die fünf mit roter Seide bespannten Polsterstühle und das Kanapee wurden noch unter sowjetischer Verwaltung vor der Übergabe des Schlosses 1952 aus dem Weißen Salon entfernt. Das Übergabeinventar verzeichnet sie im Obergeschoss des Gebäudes, im ehemaligen Schlafzimmer des Exkronprinzenpaars, das die sowjetischen Besatzer durch die Umstellung des Flügels aus dem Salon Cecilies zu einem Musikzimmer umfunktioniert hatten.148 Dort sind zumindest die Stühle auch anhand einer um die Mitte der 1950er Jahre von Elly Trepte aufgenommenen und als Ansichtskarte verbreiteten Fotografie zu identifizieren.149 In dieser Zeit verfügten die Stühle allerdings bereits über einen neuen beigefarbenen und mit herzförmig angeordneten Laubranken verzierten Polsterbezug (Abb. 26). Das Wissen um ihren rotseidenen Originalbezug wurde bei dieser Behandlung offensichtlich ebenso wenig überliefert wie der schriftlich nicht dokumentierte Aufstellungsort im Weißen Salon 1945. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass die Stühle im Rahmen der Neueinrichtung des 2006 komplett wiedereröffneten Marmorpalais im Neuen Garten als stilistisch passender Ersatz für verlorene Sitzmöbel ausgewählt wurden. Zu diesem Zweck erhielten sie einen ihrem neuen Aufstellungsort im Obergeschoss des Hauptbaus entsprechenden Bezug aus gelber Seide (Abb. 27).

147 SPSG, Möbelsammlung, IV 588-592. 148 Übergabeinventar Cecilienhof 1952, SPSG, Graphische Sammlung, Historische Inventare, Nr. 853, S. 43, „Raum 75“: „1 Flügel (August Förster) / […] 2 Sofa Holz vergoldet rot damast / 5 Polsterstühle. Holz weiß vergoldet. rot damast. […].“ 149 Vgl. z. B. Ansichtskarte „Cecilienhof. Nationale Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens – Musikzimmer“, VEB Volkskunstverlag Reichenbach i. V., Foto: Trepte, hg. 1956. Die Fotografie lässt drei der Stühle erkennen, die unter den Fenstern im Erker aufgereiht stehen.

58 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abb. 26: Polsterstuhl, SPSG, IV 588, vor 1952, © SPSG

Abb. 27: Marmorpalais, Braune Kammer (Raum 29), 2013, © SPSG, Foto: Sabine Jagodzinski

59 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abb. 28: Schloss Cecilienhof, Weißer Salon, Blick in die Südwestecke, 1957, © Bundesarchiv, Bild 183-19658-0010, Foto: Mihatsch

Abb. 29: Schloss Cecilienhof, Weißer Salon, Blick auf die Südwand, 2019, ©SPSG, Foto: André Stiebitz

60 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

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Anstelle der aus dem Weißen Salon entfernten Sitzmöbel hatten die sowjetischen Nutzer des Schlosses nach dem Ende der Konferenz und vor 1952 eine gänzlich in Gold gefasste Polstergarnitur unbekannter Herkunft in den Raum eingebracht, die aus einem Kanapee und vier Polsterstühlen besteht und sich dort bis heute erhalten hat.150 Das Übergabeinventar indiziert, dass die Polster zu dieser Zeit mit einem Stoff aus geblümtem Rips bezogen waren.151 Eine 1957 angefertigte Innenraumaufnahme (Abb. 28) zeigt beide heute noch im Raum vorhandenen Sitzmöbelgarnituren: die erst nach der Konferenz platzierte goldene Garnitur (links vorne) sowie die weiß-goldene mit ihren ursprünglich roten Damastbezügen (rechts hinten). Letztere war samt aller vormals an den Außenwänden und damit innerhalb der Besucherlaufwege positionierten Stühle zu diesem Zeitpunkt bereits auf die südwestliche Raumseite umgestellt worden. Vermutlich um ein einheitliches Erscheinungsbild zu erzeugen, entschloss man sich 1960 dazu, die roten Originalbezüge der weiß-goldenen Sitzmöbelgarnitur zu entfernen und „neu mit Biedermeierstoff“ zu beziehen.152 Entsprechende Polsterbezüge erhielt auch die goldene Sitzgarnitur (vgl. Abb. 24).

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Die gegenwärtige Möbelausstellung (Abb. 29)) weicht also in wesentlichen Punkten von dem Erscheinungsbild des Raumes zur Zeit der Potsdamer Konferenz ab. Eine Rückführung auf den Zustand von 1945 ist anlässlich der Sonderausstellung 2020/2021 aus verschiedenen Gründen leider nicht möglich. Zunächst muss zur Prävention gegen Unfälle darauf verzichtet werden, Stühle innerhalb der für das Publikum vorgesehenen Bewegungsbereiche, zum Beispiel entlang der Fensterfront, zu platzieren. Durch die Konzentrierung aller Möbel in der südlichen Raummitte wirkt der Raum daher zwangsläufig museal inszeniert. Hinsichtlich einer möglichen Rekonstruktion der originalen Bezugsstoffe der Möbel ist eine integrierende Betrachtungsweise aller drei involvierten Sitzmöbelgarnituren nötig. Am wenigsten

150 SPSG, Möbelsammlung, Kanapee IV 1418, vier Stühle 1427-1430. 151 Übergabeinventar Cecilienhof 1952, SPSG, Graphische Sammlung, Historische Inventare, Nr. 853, S. 13, „Salon“: „[…] 1 Wandsofa. geblümt Rips. mit Goldleisten. / 4 Polsterstühle. geblümt Rips. mit Goldleisten. […].“ 152 Rechnung (Duplikat) von Hermann Günther, Dekorateur- und Tapezierermeister, Werkstätte: Dortustr. 7, für die Nationale Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens Cecilienhof, Potsdam, 11.07.1960, SPSG, Archiv, Akte 2/496, Fol. 25.

61 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 kompliziert erscheint dabei der Umgang mit der seit 1945 im Raum nachgewiesenen, weiß- goldenen Sitzmöbelgarnitur: Anhand der mittlerweile vorhandenen Bildquellen ließen sich für die Polster sicherlich adäquate Stoffkopien anfertigen. Auch die rotseidenen Polsterbezüge der heute im Marmorpalais dauerhaft ausgestellten Stühle könnten auf diese Weise wiederhergestellt werden. Dazu müsste man die Stühle allerdings aus ihrer gegenwärtigen, stilistisch stimmigen Umgebung entfernen, für die sie unter Aufwendung öffentlicher Mittel erst vor kurzer Zeit eigens angepasst worden sind. In der Braunen Kammer im Marmorpalais würden entsprechend Möbel fehlen, so dass für ein weiteres Schlossinterieur ein neues Konzept erarbeitet und kostenaufwändig umgesetzt werden müsste. Eine Rückführung der Stühle aus dem Marmorpalais scheint daher – zumindest kurzfristig – nicht angebracht. Stattdessen kann die Belassung der goldenen Sitzgarnitur im Weißen Salon aufgrund ihrer ansonsten unbekannten Herkunft und der zeitlich unmittelbar auf die Konferenz folgenden Aufstellung durch sowjetische Hand durchaus gerechtfertigt werden. Allerdings fehlen aussagekräftige Hinweise auf die Beschaffenheit der zu dieser Zeit vorhandenen Polsterbezüge.

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Will man sich dem Zustand des Raumes zur Konferenzzeit nähern, müsste man die Möbel entgegen ihrer eigenen Geschichte mit einem roten Bezug versehen. Dazu könnte man einerseits den rotgeblümten Damast der als Gegenstück fungierenden Garnitur wählen oder sich die Bezüge der fünf entfernten Stühle zum Vorbild nehmen. In keinem Fall würde es sich um eine originalgetreue Rekonstruktion handeln. Es bliebe daher Folgendes zu bedenken: Der mit „Biedermeierstreifen“ gemusterte Stoff, mit dem gegenwärtig die Polster aller Möbel im Weißen Salon bezogen sind, ist ein in den 1960er Jahren in der DDR typischerweise gebräuchliches Serien-Produkt, das auch zur Ausstattung bürgerlicher Interieurs verwendet wurde.153 Die Möbel in ihrer jetzigen Gestalt zeugen daher von der dritten Nutzungsphase des Schlosses als museale Gedenkstätte zur Zeit der DDR. Bevor man sich folglich zur Veranstaltung einer zeitlich begrenzten Sonderschau für eine invasive Rekonstruktion

153 Frau Ebner von Eschenbach, damalige Leiterin der Abteilung Textilrestaurierung der SSG, wusste 1974 noch zu berichten, dass der Bezugstoff von der Firma Kamann in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) angefertigt worden war. Vgl. Ebner von Eschenbach: Schloß Cecilienhof – Überblick über die textile Ausstattung von 1917-1974 (wie Anm. 122), „Weisser Salon“, S. 2.

62 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 entschließt, um den Besucherinnen und Besuchern anhand der Möbel einen Rückblick auf das Jahr 1945 zu ermöglichen, gilt es, ein dauerhaft tragfähiges Ausstellungskonzept für Schloss Cecilienhof zu konzipieren, das den Umgang mit der Geschichte des Schlosses in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts regelt.

Weißer Salon – Porzellan und kunsthandwerkliche Gegenstände

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Bis in die 1990er Jahre hielt sich die zunächst möglicherweise gezielt lancierte und später durch zahlreiche Publikationen tradierte Auffassung, die ehemals kronprinzliche Familie habe das Schlossinventar vor der sowjetischen Übernahme des Hauses komplett ausräumen lassen.154 Wie bereits dargelegt, ist man sich heute dagegen einig, dass die bewegliche Einrichtung weitgehend im Haus verblieben sein muss, wo sie von den sowjetischen

Besatzern offensichtlich vorgefunden wurde.155 Gestützt wird diese Ansicht nicht zuletzt auch durch den aktuellen Befund, dass im Weißen Salon einige kleinere, leicht entfernbare Kunstwerke die Flucht der Hohenzollern aus Potsdam und die Besetzung des Schlosses anscheinend kontinuierlich an Ort und Stelle überdauert haben. Dabei handelt es sich beispielsweise im Falle zweier Marmorpokale mit vergoldeten Metallverzierungen nicht nur um künstlerisch wertvolle, sondern für die Familie vor allem auch emotional hoch zu schätzende Memorabilien. So waren die Pokale, die 1945 zu beiden Seiten des Kamins auf Marmorpostamenten standen (Abb. 30), zum Gedenken an die Hochzeit von Wilhelm und Cecilie am 5. Juni 1905 in Berlin angefertigt worden und erinnern durch eine entsprechende Inschrift an dieses Ereignis.156 Ursprünglich zierten sie die Berliner Wohnung des Paares im Kronprinzenpalais. Ob die Pokale – wie die Aquarelle von Gialliná – bereits zum Einzug Cecilies in die neue Potsdamer Residenz ihren Aufstellungsort wechselten, oder ob sie wegen

154 Vgl. z. B. Berliner Lebenswelten der zwanziger Jahre, photographiert von Marta Huth (wie Anm. 46), S. 151. Vgl. dazu auch Anm. 63. 155 Harald Berndt und Matthias Simmich: Schloss Cecilienhof, Berlin 2014 (= Königliche Schlösser in Berlin, Potsdam und Brandenburg), S. 9. 156 SPSG, Skulpturensammlung, Skulpt.slg. 5376. Vgl. auch Berndt und Kirschstein: Schloss Cecilienhof (wie Anm. 24), S. 18.

63 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Abb. 30: Schloss Cecilienhof, Empfangsraum der sowjetischen Delegation (Weißer Salon), Blick auf die Südwand mit Kamin, 1945, aus den Beständen des Russischen Staatlichen Archivs für Film- und Fotodokumente, Krasnogorsk / Standbild aus dem Film 1-5706-5

Abb. 31: Schloss Cecilienhof, Empfangsraum der sowjetischen Delegation (Weißer Salon), Kaminsims, 1945, aus den Be- ständen des Russischen Staatlichen Archivs für Film- und Fotodokumente, Krasnogorsk / Standbild aus dem Film 1-5706-5 64 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 ihres engen Bezugs zur Familiengeschichte möglicherweise erst 1926 im Rahmen einer (nicht vermerkten) Sondervereinbarung aus dem samt Inventar dem Staat zugeschlagenen Kronprinzenpalais157 nach Potsdam gelangt sind, ist bislang noch ungeklärt.

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Den fotografischen Quellen nach zu urteilen, gehören sie zumindest nicht zur Erstausstattung des Weißen Salons (vgl. Abb. 8, 9), sondern sind erst ab den frühen 1930er Jahren in dem Raum nachweisbar (vgl. Abb. 10). Platziert waren die Pokale zu dieser Zeit links und rechts auf dem Kaminsims. Die den Kamin flankierenden Postamente dienten dagegen der Präsentation zweier Marmorbüsten von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, die 1812 vom Bildhauer Christian Philipp Wolff angefertigt worden waren.158 Eine solche Zurschaustellung dynastischer Traditionen und fürstlicher Herrschaft war im Empfangsraum der sowjetischen Delegation selbstverständlich undenkbar, so dass die Büsten 1945 entfernt und an ihrer statt die Pokale platziert wurden.

<57> Die Büsten überdauerten die Nachkriegszeit allerdings unbeschadet. Und als man sich in den 1990er Jahren dazu entschloss, Cecilienhof vermehrt wieder das Gepräge einer Residenz der Hohenzollern zu verleihen, kehrten sie in den Weißen Salon zurück (vgl. Abb. 29). Gerade sie widersprechen aber dem Repräsentationscharakter, den die sowjetische Delegation mit ihrer Idee einer mächtigen, aber klassenlosen Gesellschaft verbunden wissen wollte, so dass sie zur Sonderausstellung magaziniert werden müssen.

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Den durch die Umstellung der Pokale auf dem Kaminsims frei gewordenen Platz füllte man 1945 mit zwei identischen, Pendants bildenden Fußschalen aus vergoldetem Porzellan (Abb. 31), deren Schaft im unteren Drittel jeweils von drei aus Biskuitporzellan modellierten Putten umstellt ist. Sie stammen aus der Produktion der Königlichen Porzellan-Manufaktur in

157 Gesetz über die Vermögensauseinandersetzungen zwischen dem Preußischen Staate und den Mitgliedern des vormals regierenden Preußischen Königshauses vom 29. Oktober 1926 (wie Anm. 38), S. 271, § 1.I und S. 278, Anlage B, Abschnitt Ia.2. 158 SPSG, Skulpturensammlung, Skulpt.slg. 802 (Friedrich Wilhelm III.) & 803 (Luise). Lediglich die Büste der Luise ist signiert und datiert. Es ist aber anzunehmen, dass auch die Büste des Königs von gleicher Hand und um die gleiche Zeit hergestellt wurde.

65 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Berlin, das der Form zugrundeliegende Modell lässt sich seit 1815 im KPM-Modellbuch belegen.159 Bei der in Cecilienhof überlieferten Variante, deren Fuß im Gegensatz zum Prototyp einen flachen Aufsatz statt eines tiefschaligen „Fruchtkorbs“ trägt (Abb. 32),160 handelt es sich aber eher um eine spätere Nachformung. Die Provenienz der beiden Schalen ist nicht bekannt, sie können aber, obwohl sie nicht zum kronprinzesslichen Inventar des Weißen Salons zu gehören scheinen, durchaus dem im Schloss Cecilienhof 1945 vorgefundenen Porzellanbestand entstammen.161 Vor der Übergabe des Schlosses 1952 verschwand eine der beiden Fußschalen; die andere verlor zwei der drei Putten (Abb. 33). Sie hat sich im Bestand der SPSG aber bis heute erhalten und kehrt anlässlich Sonderausstellung in dem von seiner jüngeren Geschichte zeugenden fragmentarischen Zustand auf den Kaminsims zurück.162

Abb. 32: KPM-Preisverzeichnis, 1847-1849 (Auszug), SPSG, KPM-Archiv (Land Berlin), Archivsignatur 157, © SPSG, KPM- Archiv (Land Berlin)

159 Es handelt sich der freundlichen Auskunft von Eva Wollschläger (SPSG, Kustodin für das KPM-Archiv) zufolge um die Modellnummer 1460. 160 Ein Preisverzeichnis der KPM aus den Jahren 1847–1849 bietet das dekorative Stück unter der Rubrik „Fruchtkörbe und Fruchtschalen“ an (Abb. 32). Bei der abgebildeten Ausformung trägt der identisch mit drei Putten verzierte Fuß allerdings statt eines flachen Aufsatzes eine tiefe, als „Fruchtkorb“ ausgewiesene Schale. Vgl. Preis-Verzeichnis weisser Porzellane der Königlichen Porzellan-Manufactur in Berlin, No. 2 Tafelgeschirre, o. J. (zur Datierung dient die Fabrikmarke auf dem Titelblatt), SPSG, KPM-Archiv (Land Berlin), Archivsignatur 157. Die Kenntnis des KPM-Preisverzeichnisses verdanke ich Frau Eva Wollschläger (SPSG, Kustodin für das KPM-Archiv), auf deren Recherchen die hier getroffenen Angaben basieren. 161 Vgl. Anm. 74. 162 SPSG, Keramische Sammlung, XII 2160. Die Identifizierung der Fußschale im Bestand der SPSG verdanke ich Frau Dr. Michaela Völkel (SPSG, Kustodin für die keramische Sammlung). Als beschädigtes Einzelstück wurde die Fußschale zunächst in der östlichen Wandvitrine im Weißen Salon aufbewahrt (vgl. Abb. 28, Wandschrank oben rechts) und erst am 05.08.1976 in das damalige Depot der SSG im Neuen Palais gebracht. Vgl. SPSG, Archiv, Akte 2/3661, n. p., „Zugänge aus Cecilienhof in das Depot im Neuen Palais am 5.8.76“, S. 2: „Porzellan 1.) Dreifuß, z. großem Teil vergoldet mit einem weißen Putto, die beiden anderen abgebrochen. Alter Cecilienhofbestand Nr. V, 162.“ (Abb. 33)

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33: Fußschale „Fruchtkorb“ mit Putto, SPSG, XI 2160, © SPSG, Foto: Daniel Lindner

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Im Gegensatz zu den Fußschalen gehört die viersäulige Portaluhr aus der Fabrikation der französischen Uhrenhersteller Vincenti & Cie., die 1945 mittig auf dem Kaminsims präsentiert wurde, zur Erstausstattung des Salons.163 Ursprünglich auch als Kaminuhr vorgesehen (vgl. Abb. 8) erhielt sie ab den 1920er Jahren allerdings einen weniger prominenten Platz auf einer vor der Ostwand stehenden Kommode (vgl. Abb. 9), da sie einer nachträglich eingebrachten, mit sechs Säulen ungleich aufwändiger gestalteten Portaluhr weichen musste, die der Familie als repräsentative Kaminuhr offenbar angemessener erschien (vgl. Abb. 10, 11). Der Verbleib der sechssäuligen Uhr, deren Gehäuse mit der figürlichen Darstellung einer barbusigen Venus und des Amorknaben bekrönt war, ist unklar. Möglicherweise galt die mythologische, auf Liebe und Begierde verweisende Szene den sowjetischen Gastgebern als Zeichen zu vermeidender Dekadenz und wurde aus diesem Grund entfernt. Jedenfalls ließen sie die bescheidener ausgeführte, originale Kaminuhr anlässlich der Konferenz an ihren angestammten Platz zurückstellen, wo sie bis heute zu sehen ist.

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Weitgehend rätselhaft bleibt, was 1945 in den beiden Wandvitrinen zu sehen war, die auf der südlichen Raumseite jeweils in die West- und Ostwand des Raumes eingebaut sind. Die westliche Wandvitrine bleibt in allen bisher bekannten Aufnahmen aus dieser Zeit unsichtbar; in der östlichen Vitrine lassen sich lediglich die schemenhaften Umrisse von vier Fußschalen (?) erkennen (vgl. Abb. 25). Das Übergabeinventar von 1952, das ohnehin nur bereits veränderte Zustände dokumentiert, impliziert, dass ein Großteil des Inhalts zu jenem Zeitpunkt bereits entfernt oder ausgetauscht worden war. So soll sich in einem der beiden Schränke – ungenannt bleibt, in welchem – eine Porzellanvase befunden haben; der zweite enthielt sechs „Nippes“-Figuren.164 Da sich unter diesen offenbar auch eine Darstellung König

163 SPSG, Uhrensammlung, V 65. 164 Übergabeinventar Cecilienhof 1952, SPSG, Graphische Sammlung, Historische Inventare, Nr. 853, S. 13, „Salon“: „[…] 1 Vase Meißner porz. (Wandschrank) / 6 Nippes Meißner porz. (Wandschrank) 2 Hunde, Ente, Eule, Rok(oko) dame, Fr.(iedrich) d. G.(roße) Pfr. (zu Pferd), Eule.“ Einige der zuletzt aufgeführten Porzellanfiguren sind möglicherweise identisch mit Objekten, die am 5. August 1976 aus Schloss Cecilienhof in das damalige Depot der SSG im Neuen Palais gebracht worden sind. Vgl. SPSG, Archiv, Akte 2/3661, n. p., „Zugänge aus Cecilienhof in das Depot im Neuen Palais am 5.8.76“, S. 1: „Porzellan 1.) Eine Gruppe zwei Jagdhunde, weiß. Alter Cecilienhofbestand. V 166 / 9.) Ein reitender Friedrich, weiß, KPM. Alter Cecilienhofbestand. […]“; S. 3: „Porzellan […] 15. Eule, farbig gefaßt. Kopenhagen. Alter Cecilienhofbestand. […]“; S. 5: „Keramik […] 6.) Ente. Alter Cecilienhofbestand […].“ 68 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144

Friedrichs des Großen zu Pferde befand, ist davon auszugehen, dass die 1952 inventarisierten Gegenstände – zumindest die Figur des reitenden Preußenkönigs – während der Potsdamer Konferenz sicherlich nicht zur Zierde des sowjetischen Empfangsraum zählten.

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Gegenwärtig werden in der westlichen Vitrine des Weißen Salons Gläser einer Serie ausgestellt,165 die 1945 im Besprechungsraum der amerikanischen Delegation, dem ehemaligen Frühstückszimmer des Kronprinzenpaares, bewahrt wurde. Dorthin kehren sie zur Ausstellung zurück. In der östlichen Vitrine werden Porzellane und Fayencen gezeigt, die keinen unmittelbaren Bezug zum Schloss haben. Stattdessen verweisen sie im Sinne einer musealen Präsentation entweder ihrer Entstehungs- beziehungsweise Verwendungszeit nach oder inhaltlich – wie ein Teller mit dem Porträt der Kronprinzessin Cecilie166 – auf die frühe Nutzungszeit des Hauses als Privatresidenz der Hohenzollern.167 Um das größtmögliche Maß an Authentizität herzustellen, müssen die Wandvitrinen während der Sonderschau folglich ohne Inhalt präsentiert werden. Sie zeugen in ihrer Leere von den Folgen des Krieges.

Ausblick

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Zur Sonderausstellung 2020/2021 wird sich der Weiße Salon den Besucherinnen und Besuchern trotz neuer Erkenntnisse nur unmerklich verändert präsentieren. Während zum Beispiel der Besprechungsraum der amerikanischen Delegation dank der wiederentdeckten Bildzeugnisse seine komplette, glücklicherweise überlieferte Möbelausstattung und einen Teil der 1945 dort verwahrten Gläser zurückerhalten wird,168 kann im Weißen Salon lediglich durch die Entfernung nach 1945 platzierter Objekte gewährleistet werden, dass das Publikum

165 SPSG, Glassammlung, XIII 336-359. 166 Vgl. Anm. 21. 167 Die gegenwärtige Dauerausstellung der Porzellane im östlichen Wandschrank umfasst folgende Stücke: SPSG, Keramische Sammlung, Deckelgefäß XII 2657, Teller XII 10857, drei weibliche Fayencefiguren XV 55-57, eine Vase XV 58, eine ovale Platte XII 2659. 168 Für die Konferenzzeit lassen sich folgende Möbel im Besprechungsraum der amerikanischen Delegation, dem ehemaligen Frühstücksraum des Exkronprinzenpaars (Raum 139), nachweisen: SPSG, Möbelsammlung, Tisch IV 1550 (Provenienz: Berliner Schloss), acht Stühle IV 1706-1707 & IV 1895-1900 (Herkunft: Babelsberg, Kleines Schloss). Vgl. dazu ausführlich Anm. 18.

69 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Research Center Sanssouci. Für Wissen und Gesellschaft I Allee nach Sanssouci 6 I 14471 Potsdam I www.recs.academy I ISSN 2366-9144 keinen falschen Eindruck von dem Repräsentationsprogramm erhält, das die sowjetische Seite zu vermitteln beabsichtigte. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass dieses Konzept eben jenem Prinzip folgt, nach dem zumindest teilweise schon Generalleutnant Antipenko den „vollgestellten“ Musiksalon der ehemaligen Kronprinzessin in den Empfangsraum der sowjetischen Delegation verwandeln ließ. Wenngleich die Farbe Rot den Raum heute weniger dominiert als 1945, da die „Biedermeierstreifen“-Bezüge der Sitzmöbel die Leitidee des sowjetischen Ausstattungskonzeptes spürbar abschwächen, erhält der Raum doch den nüchternen Charakter zurück, der ihn 1945 prägte.

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Die Umsetzung von Erkenntnissen, die invasive und kostenaufwändige Maßnahmen nach sich zöge, könnte dagegen erst langfristig in die zukünftige museale Gestaltung des Hauses einfließen. Sie ist erst dann vertretbar, wenn sie nachhaltig und im Rahmen einer neukonzipierten Dauerausstellung zur Ausführung käme, in die prinzipielle Erwägungen über den Umgang mit der Vergangenheit des Hauses zur Zeit der DDR miteingeflossen sind. Denn die Geschichte des Schlosses als „Gedenkstätte“ der DDR ist als dritte und längste Nutzungsphase des Schlosses in ihrer Historizität inzwischen ebenso mit in Betracht zu ziehen wie die kronprinzliche Phase und die sowjetische Besatzungszeit. Grundsätzlich wäre es daher wünschenswert, wenn das Schloss Cecilienhof zukünftig in all seinen drei geschichtlich bedeutsamen Nutzungs- und Erscheinungsphasen erfahrbar sein würde: als Wohnstätte der ehemaligen kronprinzlichen Familie, als international bedeutsamer Konferenzort, an dem im Sommer 1945 – kurzzeitig, aber folgenreich – Weltgeschichte geschrieben wurde und nicht zuletzt auch als museale Gedenkstätte, die dem DDR-Regime auf nationaler und internationaler Bühne zur Legitimation diente.

70 Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung: Keine kommerzielle Nutzung; keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/