150 Jahre Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr

Paul Gieler

lickt man auf die 1.200 Jahre alte Ge- Altbundespräsident Prof. Theodor Heuss konn- Bschichte im Weinbau an der zurück1), te beispielsweise dem Weingärtnerverein Heil- so erscheinen 150 Jahre Winzergenossenschaft bronn nicht viel abgewinnen. Die Protokolle, Mayschoß-Altenahr relativ kurz. Im Rückblick so Heuss in seiner Dissertation, berichten fast auf die 150 Jahre wird aber schnell klar, dass bloß von Mitgliederneuaufnahmen und dem diese Zeit mehr als alle Jahre zuvor den Wein- jährlich stattfindenden Johannisfest2). An der anbau verändert hat. Mosel fällt zudem auf, dass die vier Winzer- Gegründet wurde die Winzergenossenschaft vereine in Reil, Kröv, Kinheim und Ürzig ihren unter dem Namen „Winzerverein Mayschoß an Mitgliedern Vorschüsse auf den zu erwartenden der Ahr“ im Jahr 1868. Sie ist damit die ers- Herbst zahlten, was durch schlechte Jahrgänge te Genossenschaft, die sich durch Eintragung und Überspannung fremden Kapitals zum Zu- ins Genossenschaftsregister 1869 unter einen sammenbruch führte3). rechtlichen Rahmen und damit unter rechtli- chen Schutz stellte. Das Fehlen eines recht- Die Anfänge bis 1900 lichen Rahmens mag auch einer der Gründe Die Gründung des Mayschosser Winzervereins gewesen sein, dass die schon seit 1835 gegrün- bahnte sich aus der in der ersten Hälfte des 19. deten Winzergenossenschaften in Württemberg Jahrhunderts beginnenden sozialen Not lang- - hier Weingärtnervereine genannt - und an der sam an. Die wachsende Bevölkerungszahl führt Mosel nach kurzer Zeit wieder aufgaben. zu einer immer größeren Zersplitterung des

84 u Heimatjahrbuch Kreis 2018 Postkarte vom Mayschosser Winzer-Verein um 1900

Grundeigentums. Hohe Weinsteuer, schlech- entsandte Wanderlehrer Gesell unterrichtete die te Jahrgänge und die preußische Zollpolitik Winzer in einem aus festen Mitgliedern beste- brachten die Winzer an den Bettelstab. Damit henden Winzercasino zu Mayschoß. Einige noch nicht genug. Der einzige Weg zum Wein- Winzer des Winzercasinos beharrten aber auf absatz verlief über eine Hand voll Weinhändler, Vorschläge zur Verbesserung des Weinabsat- die ihre Monopolstellung ausnutzten. Liefern zes. „Wein haben wir genug, allein uns fehlt könnt ihr (die Winzer), den Preis bestimmen der Absatz“, hieß es in ihren Reihen. Am 23. wir, war deren Devise. Nov. 1868 durchschlug dann der Wanderlehrer Franz Raveaux, ein Kölner Zigarrenhändler, der Herrberg in einem Vortrag über den Nutzen mit publizistischer Unterstützung den Winzern eines Winzervereins den Knoten. Johann Peter der Ahr helfen wollte, stellte sich in einer Pres- Coßmann stellte den ersten Entwurf eines Sta- sefehde 1844 gegen die Weinhändler und regte tuts vor. Einen Monat später, am 20. Dezem- schließlich die Einrichtung einer Weinbörse in ber 1868, wurde der Mayschosser Winzerverein Köln als Konkurrenz zu den Weinhändlern an. durch 18, vier Tage darauf durch 22 Winzer Außer der Bearbeitung der Trauben sollten alle gegründet6). Geschäfte von der Börse übernommen werden. In einem Brief an Johann Peter Coßmann bot Die Beschreibung der Börse zeigte wesentliche dann der Initiator des Genossenschaftsgesetzes Züge der späteren Winzervereine4). Auch Franz Hermann Schulze-Delitzsch seine Hilfe bei der Bresgen, Gutsbesitzer, Jurist und Politiker aus Endfassung des Statuts und der Eintragung ins Lantershofen, regte in seiner 1864 verfassten Genossenschaftsregister an. Seine Eingangs- Schrift „Die Winzerfrage der Ahr und ihre Lö- worte „Mit lebhaftem Interesse habe ich von sung“ Vereine zum gemeinsamen Handeln an5). der Gründung ihrer Genossenschaft Kenntnis Offensichtlich gab es Ratschläge genug, gleich- genommen…“ lassen darauf schließen, dass wohl fehlte die Umsetzung. Auch die schon 1860 sein Fraktionskollege im preußischen Landtag, ergriffene Initiative des jungen Mayschosser Franz Bresgen, auf dem weiteren Weg des jun- Küsters Johann Peter Coßmann, mit Annoncen gen Vereins eine Schlüsselrolle spielte. Am 7. und den Zusendungen von Proben den Absatz September 1869 trug sich der Verein mit un- anzukurbeln, brachte nicht den gewünschten beschränkter Haftung seiner Mitglieder in das Erfolg. Der Fokus der Winzer war hingegen auf Genossenschaftsregister zu Koblenz ein. Erster Verbesserungen der Arbeit im Weinberg aus- Präsident war der Gemeindebürgermeister Ni- gerichtet. Der von der preußischen Regierung kolaus Näkel.

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2018 u 85 Gäste auf dem Weg nach Mayschoß in den 1930er Jahren

Die Reise der nächsten 150 Jahre fängt mit die mit Probeflaschen an die Kunden herantra- den ersten Schritten an und die hatten es in ten, brachte letztendlich den Durchbruch. In der sich. Spott und Hohn ging durchs Dorf, denn Chronik von Mayschoß ist für 1872 niederge- so richtig glaubte man nicht an den Erfolg des legt: Der Verein hat den Bann gebrochen für den Winzervereins. Dies lag vor allem am fehlen- Mayschosser Wein bis an die Memel. Er zählt den Kapital, denn die Kreissparkasse stand dem mehr als 200 Priester zu seinen Kunden. Durch jungen Unternehmen misstrauisch gegenüber, beständiges Annoncieren in vielen kath. Zeitun- obwohl die Mitglieder unbeschränkt hafteten. gen wird unser Wein mehr und mehr berühmt9). Kein Wunder, denn der Vorstand der Kreisspar- Ausgesprochenes Glück hatte die junge Ge- kasse setzte sich in Teilen aus Weinhändlern nossenschaft als sie dem Vernichtungsfeldzug zusammen, die aus der Ablehnung der neuen der Reblaus an der Ahr im Jahr 1882 entging. Konkurrenz keinen Hehl machten7). Nun griffen Diese war an der Unterahr erstmals in einem die Winzer zu einem Trick. Da man Personal- deutschen Weinanbaugebiet ausgebrochen kredite nicht verwehren konnte, bürgte einer und wanderte südöstlich von Heimersheim für den anderen, ein weiteres Element des soli- ahrabwärts. Die Aufgabe des Weinbaus in darischen Zusammenschlusses. Nach dem Leit- Löhndorf, Westum, Koisdorf und Bodendorf satz von Friedrich Wilhelm Raiffeisen „Einer war wohl mit ein Grund – wenn auch nicht für alle – alle für einen“ gründete sich aber der alleinige – dass der Weinbau hier heute frühzeitig in Mayschoß der Kredit- und Kon- nicht mehr stattfindet10). 1953 entdeckte man sumverein, der auch mit einem aufkeimenden die Reblaus erstmals in Mayschoß und letztmals Wohlstand einherging8). an der Ahr. Offensichtlich aber nur in einer Auch der Verkauf des Weines in größeren Ge- harmlosen Gastrolle11). binden führte trotz vieler Annoncen nicht zum Wie sehr der Genossenschaftsgedanke in May- Erfolg. Franz Bresgen riet dem Beispiel der schoß bis heute ausgeprägt ist, zeigt, dass es Weinhändler zu folgen und den Wein in kleinen hier nur wenige eigenständige Weingüter gibt Gebinden anzubieten. Stetiges Annoncieren, und die Winzer sich in der Gemeinschaft bes- Plakatieren und die Entsendung von Reisenden, tens aufgehoben fühlen.

86 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2018 Dem Beispiel in Mayschoß folgend hatten sich und Rheintales GmbH“ mit Sitz in Ahrweiler an der Ahr bis Anfang 1900 17 Winzer- bzw. gründeten, die aber nach wenigen Jahren an Weinbauvereine gegründet. In den Orten Alten- Geldmangel wieder scheiterte12). Der Mayschos- ahr, Rech, und Ahrweiler gab es je- ser Winzerverein entzog sich aber diesem Ab- weils zwei Winzer- bzw. Weinbauvereine. Ein wärtstrend weitgehend. Beim Bestreben nach Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn man einer guten Weinqualität stand der Spätbur- machte sich gegenseitig Konkurrenz. Nicht so gunder an erster Stelle. Weniger begehrt war in Mayschoß! Obwohl der Winzerverein eine der Portugieser, der wegen seiner Empfäng- große Rebfläche von über 100 ha bewirtschaf- lichkeit gegen Pilzkrankheiten als Sorgenkind tete, blieb es hier bei einer Genossenschaft, für der Ahrwinzer galt. Im Gegensatz zu heute den Ausbau der Infrastruktur wie auch für die war die Wertschätzung des Frühburgunders Marktorientierung der richtige Weg. gering. Sein Wein, der ohne volle Farbe sich kaum ein Jahr hält, diente hauptsächlich zum Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Verschneiden anderer Rotweine13). Auch die Nach einem verhältnismäßig ruhigen Entwick- Weinbergspflege stand unter strengen Vorga- lungsgang gingen am Ende des 19. Jahrhun- ben des Winzervereins. In Stichproben wurden derts oft schwere Stürme im Ahrweinbau nie- die Traubenbütten vor dem Mahlen auf ihre der. Es waren weniger die schlechten Erträge Qualität untersucht14). als vielmehr die äußeren Umstände, die den Die Einführung des elektrischen Stroms im Jahr Ahrweinbau bedrohten. Der Absatz von roten 1912 erleichterte die Arbeit. Die im Jahr 1926 Weinen stockte, denn Handelsverträge mit süd- angeschaffte Motormühle entfernte die Stiele europäischen, rotweinproduzierenden Staaten von den Beeren. Die Rotweine wurden dadurch ließen Wein zu billigeren Preisen auf den deut- von herben Gerbstoffen befreit und die Wein- schen Markt strömen. Auch waren die mit den qualität wurde wesentlich verbessert. Stielen vergorenen Ahrrotweine rau und herb. Die Zeit des Nationalsozialismus wirkte sich bis Weiter setzte sich der Trend zu leichteren und zum Beginn des Zweiten Weltkrieges günstig süffigen Moselweinen durch. Die preußische auf die Absatzentwicklung des Weinbaues Regierung reagierte und setzte eine „Kommissi- aus. Unter dem Motto „Trinkt deutschen Wein on zur Hebung des Rotweinanbaues“ ein, die als – deutscher Wein soll Volksgetränk werden“, Ergebnis im Jahr 1915 die „Geschäftsstelle der richtete der Reichsnährstand Weinpatenschaf- vereinigten Winzergenossenschaften der Ahr- ten mit nord- und ostdeutschen Städten ein.

Die Winzer- genossenschaft Mayschoß um 1930

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2018 u 87 Mayschoß wurden die Städte Hamburg-Altona Mitte der 1960er-Jahre ging der Weinabsatz an und Stettin zugeteilt. Beide Städte erhielten der Ahr besorgniserregend zurück. „Wir wol- je ein von Prof. Fritz von Wille gestaltetes len dem Weinbau an der Ahr helfen“, so die Ortsbild. Der Landkreis Ahrweiler ließ 13 sog. Worte des damaligen Landrats Korbach. Mit Weinpatenschaftsbilder für je 300 RM von Wil- Hilfe des Bundes, des Landes und des Kreises le anfertigen. wurde 1968 die „Ahrtalkellerei der Vereinig- ten Winzergenossenschaften“ mit Sitz in Bad Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts Neuenahr als Absatzgemeinschaft gegründet. In den 1950er Jahren setzte ein reger Touris- Die Mayschosser Winzergenossenschaft gehört mus im Ahrtal ein. Besonders in die Weinor- wie alle anderen Winzergenossenschaften der te Altenahr und Mayschoß zog es zahlreiche Ahrtalkellerei an, obwohl sich die Absätze in Gäste. Die Mayschosser Gastronomen hatten Mayschoß als stabil zeigten. So feierten 240 ihre Gasträume und Weinkeller so ausgebaut, Mitglieder in gesunden Verhältnissen 1968 ihr dass der Touristenstrom aufgenommen werden 100-jähriges Jubiläum. konnte. Durch den hohen Alkoholkonsum gab Die Ahrtalkellerei stand im Jahr 1970 mit nur es gelegentlich unschöne Auftritte angetrun- 12000 DM/mtl. Absatz kurz vor der Liquidie- kener Gäste. Der hohe Direktverkauf wirkte rung. Auch eine durch den Kreistag gebillig- sich günstig auf die an die Winzer gezahlten te Finanzspritze von 150000 DM konnte das Traubenpreise aus, die im Mayschosser Winzer- Ende nur hinausschieben15). Letztlich ging sie verein die höchsten an der ganzen Ahr waren. in den Vereinigten Ahrwinzergenossenschaf- Merklich rückten die Mayschosser aber von ten e.G., der heutigen Ahrwinzer e.G., auf. In ihrer bisherigen Qualitätslinie ab. Der gute einem Konzept wurden drei Erzeugergemein- Absatz im eigenen Weinkeller durch immer schaften vorgeschlagen, die auch angesichts mehr Tagestouristen verleitete zu immer grö- des Agrarmarktstrukturgesetzes (Mindest- ßeren Weinmengen. Die durch den Bau von größe 100 ha) als förderungswürdig mit EU- Betonfässern vorgenommene Erweiterung des Mitteln galten. Einer dieser Vorschläge zielte Fassvolumens von fast 200.000 Liter lässt auf auf die Winzergenossenschaft Mayschoß mit einen großen Weinbedarf schließen. Anschlussmöglichkeiten von Altenahr. Schon

Die Winzer- genossenschaft Mayschoß 2014

88 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2018 Das neue Edelstahltanklager in der Winzergenos- senschaft Mayschoß

wegen des Keller-Umsatzes, der 1971 mit 1,2 Die Erkenntnis des Vorrangs der Natur und der Mio. DM jährlich angegeben war16), blieb die Bewahrung des gewonnenen Produkts durch Winzergenossenschaft Mayschoß zunächst sorgsame Pflege im Keller wurde zum Selbst- eigenständig und entzog sich den damaligen verständnis. Fusionen mit anderen Genossenschaften. Erst Fast 2 Mio. DM investierte die Genossenschaft 1982 realisierte sie die Fusion mit der Win- in neue Kellertechnik. Eine weitere Großinves- zergenossenschaft Altenahr. Fortan firmierte tition von über 2 Mio. DM für eine neue Halle sie unter dem Namen Winzergenossenschaft und eine Abfüllanlage folgten im Jahr 2000. Mayschoß-Altenahr. Die Anbaufläche betrug Der Mayschosser Winzerverein entwickelte sich jetzt 120 ha. zu einem der besten unter den 160 Winzerge- Durch die zunehmende Motorisierung entschie- nossenschaften in Deutschland17). den sich immer mehr Mayschosser Winzer ihre Bewirtschaftungsfläche (Kauf oder Pacht) auf Von 2000 bis heute Nachbarorte vor allem in die großen flurbe- Endlich gelang auch der Durchbruch zur Flur- reinigten Lagen der Unterahr auszudehnen. bereinigung, der sich die Mayschosser lange Nur wenige Winzer der Nachbarorte sind dem- verweigert hatten. Die ablehnende Haltung war gegenüber in Mayschoß tätig. Kein Dorf der insbesondere bei der älteren Generation groß. Weinahr ist daher soziologisch derart vom Die Gründe waren die vermeintlich hohe Eigen- Weinbau geprägt und auf die gesamte Ahr beteiligung und der mehrjährige Ertragsausfall. ausstrahlend wie Mayschoß. Im Flurbereinigungsverfahren Mayschoss- Am 29.08.1979 wurde der erst 26-jährige Ru- Mönchberg wurde am 7.11.2000 der Flurbe- dolf Mies zum 11. Präsidenten der Genossen- reinigungsplan aufgestellt. Ungewollt klug war schaft gewählt. In einem Team mit dem 1988 diese späte Flurbereinigung, denn sie griff we- als Kellermeister eingestellten Rolf Münster sentlich schonender in das Landschaftsbild ein und dem im eigenen Betrieb ausgebildeten als in allen anderen Weinbauorten der Ahr18). Rudolf Stodden begann eine neue Ära der Ge- Im Rahmen der Privatisierung der landesei- nossenschaft. genen staatlichen Weinbaudomäne erwarben Der Ahrweinbau wurde inspiriert vom Umbau der Mayschosser Winzerverein, die Ahr-Win- lieblicher, süffiger Weine zu trockenen Wei- zer e.G., das Weingut Meyer-Näkel und das nen von höchster Qualität. Der Spruch „Klasse Weingut Brogsitter 2004 das Anwesen Kloster statt Masse“ ging in die Köpfe der Winzer ein. Marienthal, unter dessen Bezeichnung das Ge-

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2018 u 89 Geschäftsführer (früher Präsident) Matthias Baltes war der Umbau der Räumlichkeiten der Genossenschaft im Frühjahr 2017 fertig gestellt. Kernstück ist die Installierung wei- terer 22 Edelstahltanks mit modernster Kühl- technik zur Durchführung einer kontrollierten Gärung. Die Investitionen beliefen sich auf über 3 Mio. E. „Alles dies sind Maßnahmen, um den hohen Qualitätsstandard langfristig zu sichern“, so der Kellermeister Rolf Münster. „Unsere Weißweine bauen wir im Edelstahl und unsere Rotweine im Eichenholzfass aus“, erläutert Astrid Rickert, die zweite Keller- meisterin, die sich zusammen mit weiteren 30 Angestellten um einen guten Wein und eine hohe Kundenzufriedenheit kümmert. Ausbau im Barrique-Fass „Die Hölzer gewinnen wir neuerdings in hei- mischen Wäldern und vervollständigen damit meinschaftsweingut erfolgreich geführt wird. das Terroir der Wein- und Kulturlandschaft 2009 schloss sich die Walporzheimer Winzer- Ahr“, so Rickert weiter. genossenschaft der Winzergenossenschaft In der Vermarktung steht der Direktabsatz Mayschoß-Altenahr als „Weinmanufaktur mit 55 % an erster Stelle. Für diese begann Walporzheim“ an. Zusammen mit Walporz- das neue Jahrtausend verheißungsvoll. Der heim erreicht die Winzergenossenschaft die Wein-Guide Gault Millau präsentierte die Ge- heutige Anbaufläche von 150 ha. Dies ent- nossenschaft als „Entdeckung des Jahres“. Es spricht einer Erntemenge von 1,4 Mio. Kg folgt seither Auszeichnung auf Auszeichnung. bzw. 1,1-1,2 Mio. Liter Wein. Die Erweiterung 2010, 2014 und 2017 kürte das Fachmagazin der Anbaufläche war dann auch ausschlag- „Weinwirtschaft“ des Fachverlages Meiniger gebend für Erweiterungen im Kellerbereich. die Mayschosser zur besten Winzergenossen- Unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden und schaft Deutschlands. Im Genossenschafts-Cup

Geschäftsführer und Kellermeister im Fasskeller (v.l.): Kellermeister Rolf Münster, 2. Vors. des Vorstandes Rudolf Stodden, 2. Kellermeis- terin Astrid Rickert, Vors. des Vorstandes und Geschäftsführer Matthias Baltes

90 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2018 des Fachverlags Vinum im Jahr 2014, an der 70 ner Steillage, d.h., in einer Hangneigung von namhafte Genossenschaften aus Deutschland, mindestens 30 %. Von dieser Situation aus Österreich und Italien teilnahmen, belegte die betrachtet, bedürfen weitere Steigerungen der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr den Bewirtschaftungsflächen gründlicher Überle- dritten Platz. gung. Je größer eine Winzergenossenschaft Hinter all diesen Auszeichnungen stehen hoch- ist, desto mehr versinken die Winzer in die zufriedene 420 Winzer, die Vorgaben von Vor- Anonymität und entfernen sich von der von stand und Verwaltung überzeugen. Die Kontin- Friedrich Wilhelm Raiffeisen gewollten Eigen- gentierung der Weine im mittleren und unteren verantwortung. Bereich wirkt sich neben den Öchslegraden auf die Traubengelder aus. Die Durchschnittsernte- Fazit menge beträgt weniger als 100 kg/Ar und liegt Seit über 1.200 Jahren bestimmt der Wein- damit – zu Gunsten der Qualität – ein Drittel bau die Landschaft und das Leben im Ahrtal. niedriger als die für das Ahrweinbaugebiet zu- Seit nunmehr 150 Jahre gibt es die Winzer- gelassene Höchstmenge. Für besondere Quali- genossenschaft Mayschoß-Altenahr. Das wird tätsprogramme müssen die Weinberge zu Be- sich auch in absehbarer Zukunft nicht ändern. ginn des Jahres angemeldet werden. Damit un- Denn dass dem so ist, dazu hilft ein maßvoller terwerfen sich die Winzer strengen Auflagen im Schoppen zum Wohle der eigenen Gesundheit, Anschnitt, der Bodenpflege, der Laubwandpfle- dem persönlichen Genuss und zum Erhalt einer ge, dem Gesundheitszustand und der Vitalität großartigen Kulturlandschaft, die sich in May- der Reben. Zweimal im Jahr, und zwar unmit- schoß eindrucksvoll entfaltet. telbar nach der Blüte und vor Beginn der Lese, werden die Weinberge durch eine Kommission kontrolliert. Erfüllt ein Winzer die Vorgaben nicht, scheidet er aus dem Qualitätsprogramm aus. Hohe und höchste Weinqualitäten führen zur Absenkung der Erntemenge bis unter 50 Anmerkungen: 1) Dr. Jürgen Haffke – Paul Gieler: „Der Weinbau im Ahrtal. Geschichte, Kg/Ar. Belohnt werden die Winzer durch Zu- Gegenwart, Zukunft“, Eifeljahrbuch 2018 schläge auf den Traubenpreis, die sich auf bis 2) Diss. „Weinbau und Weingärtnerstand in Heilbronn am Neckar“, Kap. 3 zu 250 % belaufen. 3) Diss. Erwin Heinrich: „Entstehungsursachen, Gründung und Entwick- lung der Winzergenossenschaften an der Ahr“, S. 18 4) Schrift Franz Ravenaux: „Behörden, Weinhandlungen, Fabrikaten, Genossenschaften in der Zukunft Winzern, Producenten und Cosumenten“, Köln 1844 5) Franz Bresgen, Direktor der Lokal-Abteilung XIVb des landwirtschaft- Jede dritte Flasche Wein wird in Deutschland lichen Vereins: „Die Winzerfrage der Ahr und ihre Lösung“, 1.1.1864. von einer Genossenschaft produziert. Die An- 6) Sebastian Wolfgang Schmitz, Hans-Georg Klein: „Schatzbuch und zahl der Genossenschaften sinkt jedoch kon- Chronik der Gemeinde Mayschoß 1528 – 1998“, S. 119 7) Diss. Heinrich, S. 20 tinuierlich. Waren es in Deutschland im Jahr 8) Sebastian Wolfgang Schmitz, Hans-Georg Klein, S. 119 2000 noch 245 Winzergenossenschaften, so 9) Ebenda, S. 119 10) Paul Gieler: „Die Winzergenossenschaften des Ahrtals und ihr steiniger sind es heute nur noch 160. Allerdings geht Weg zum Erfolg“, Heimatjahrbuch Krs. Ahrweiler 2016, S. 113 die dazu gehörende Weinbergsfläche nur ge- 11) Dr. Wolfgang Bender: „Der Krieg gegen die Reblaus im Ahrtal“, Hei- ring zurück. Der Grund liegt darin, dass sich in matjahrbuch 1994, S. 141 12) Landrat Dr. Meyers, Ahrweiler: in: „Rotweine von der Ahr und Rhein“, einigen Weinbaugebieten, z.B. Württemberg, Propagandaverband preußischer Weinbaugebiete, 1928 kleinere Genossenschaften zu Großunterneh- 13) Diss. Anton Ley: „Die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage des Ahr- weinbaues unter spezieller Berücksichtigung seines typischen Vertre- men zusammenschließen. Der Weinabsatz ters des Rotweinbaues zu Mayschoß“, S. 26 ff. steuert demgegenüber große Einzelhandels- 14) Ebenda, S. 80 ketten und Discounter an. Die Weinpreise fal- 15) Pressebericht der Rheinzeitung von Walter Kirn 1970 16) Rhein-Zeitung: „Das eigentliche Hindernis heißt ‚Ahrtal-Kellerei‘“, vom len durch die starke Konkurrenz auf diesem April 1971 Markt. Sie liegen im Steillagenweinbau fast 17) Stand: 2014/2015 18) Diss. Jorg Kurbjuhn: „Rebflurbereinigung im Ahrtal – eine boden- alle unter den Gestehungskosten. An der Ahr ordnerische und bodenwirtschafliche Dokumentation mit besonderen liegen aber fast 70 % der Weinberge in ei- Aspekten zur Effizienz und Nachhaltigkeit“, 2002

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2018 u 91