Geschichte

Sebastian Gottschalch

Von der Wehrmacht zur . Tradition und Reform in der Gründungsphase der Bundeswehr (1950 - 1965)

Examensarbeit

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Von der Wehrmacht zur Bundeswehr. Tradition und Reform in der Gründungsphase der Bundeswehr (1950 - 1965)

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Philipps-Universität Marburg

Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien

Wissenschaftliche Hausarbeit im Fach Geschichte

Von der Wehrmacht zur Bundeswehr

Tradition und Reform in der Gründungs- phase der Bundeswehr (1950 - 1965)

Vorgelegt von: Sebastian Gottschalch

Neuental, 07.11.2005

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Inhaltsverzeichnis Seite

Abkürzungsverzeichnis 3

1. Einleitung 4

2. Die Entwicklung von der Entmilitarisierung zum westdeutschen Verteidigungsbeitrag 9 2.1 Die Entmilitarisierung Westdeutschlands 9 2.2 Die erste Diskussion um einen Verteidigungsbeitrag im Zuge des Ost-West-Konflikts 12 2.3 Der Koreakrieg als Katalysator 15 2.4 Die Auseinandersetzung mit dem Verteidigungsbeitrag in der westdeutschen Gesellschaft 17 2.5 Von der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zum NATO-Beitritt 20

3. Die Planungsphase der Bundeswehr 24 3.1 Der Planungsbeginn 25 3.2 Die „Himmeroder Denkschrift“ 26 3.2.1 Inhalte der Denkschrift 28 3.2.2 Gerhard Graf von Schwerins Reaktion auf die Denkschrift 32 3.3 Das Amt Blank 32 3.3.1 Die Unterabteilung Innere Führung im Amt Blank 36 3.3.1.1 Das Konzept ‚Innere Führung’ 37 3.3.1.2 Die historischen Bezüge 38 3.3.1.3 Der ‚Staatsbürger in Uniform’ 40 3.3.1.4 Die Ausarbeitung des Konzepts für den Alltag der Bundeswehr 46 3.3.2 Bedeutung und Stellenwert des Konzepts in der Öffentlichkeit und im ‚Amt Blank’ 48 3.3.2.1 Konflikte und Probleme der Planungsabteilung ‚Innere Führung’ 50 3.4 Die ‚Siegburger Tagung’ und die Frage ‚Was zu tradieren ist’ 55 3.5 Die Rolle des Sicherheitsausschuss bei der Konzeption 56 3.6 Der Personalgutachterausschuss 58 3.6.1 Berücksichtigung des Konzepts ‚Innere Führung’ bei der Auswahl der Bewerber 64 3.7 Die SPD und das Reformkonzept 66

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4. Die Aufstellungsphase der Bundeswehr: Zwischen Reform und Tradition 69 4.1 Die gesetzliche Verankerung der Bundeswehr 69 4.2 Institutionen zur Verwirklichung und Unterstützung des Konzepts ‚Innere Führung’ 71 4.2.1 Die „Schule für Innere Führung“ 71 4.2.1.1 Das „Handbuch Innere Führung“ 72 4.2.2 Der Wehrbeauftragte 74 4.2.3 Der „Beirat für Innere Führung“ 75 4.3 Verteidigungsminister Strauß und der Vormarsch der ‚Traditionalisten’ 77 4.3.1 Traditionsübernahmen in die Bundeswehr 79 4.3.2 ‚Ein Haus gemäß dem alten Plan’ 84 4.4 Der „Traditionserlass“ von 1965 86 4.4.1 Die ersten Entwürfe des „Traditionserlasses“ 87 4.4.2 Die Vollendung des „Traditionserlasses“ 89 4.4.2.1 Inhalte des Erlasses 90 4.4.3 Erste Reaktionen nach der Veröffentlichung 93

5. Fazit 95

6. Literaturverzeichnis 101

- 2 - Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis a. D. - außer Dienst CDU - Christlich Demokratische Union DDR - Deutsch Demokratische Republik ERP - European Recovery Program EVG - Europäische Verteidigungsgemeinschaft FDP - Freie Demokratische Partei GG - Grundgesetz KRG - Kontrollratsgesetz NSDAP - Nationalsozialistische Deutsche Arbeitspartei PGA - Personalgutachterausschuss SPD - Sozialdemokratische Partei Deutschlands SS - Schutzstaffel USA - United States of Amerika WEU - Western European Union

- 3 - 1. Einleitung

1. Einleitung

„Die einen möchten das in Trümmer gegangene Haus dem alten Plan gemäß wiedererrichten, die anderen suchen nach einem neuen Entwurf.“1

Diese Erkenntnis von veranschaulicht eine Kontroverse, die sich durch die Geschichte der Gründungsphase der Bundeswehr, und auch noch darüber hinaus, vollzieht. Zwei grundlegend verschieden ausgerichtete Lager stritten in dieser Zeit um den künftigen Charakter der neuen Streitkräfte. Will man diese Auseinandersetzung anhand von Schlagwörtern definieren, so steht auf der einen Seite die ‚Reform’ und auf der anderen die ‚Tradition’. Während die Vertreter der ‚Reform’2 die Chance eines Neuanfangs, eines Abstreifens überholter und unzeitgemäßer Wert und Ansichten zu nutzen und für die Streitkräfte umzusetzen versuchten, hatten sich die ‚Traditionalisten’ den vergangenen Werten der deutschen Militärgeschichte verschrieben und versuchten daran anzuknüpfen. Diese beiden konträren Auffassungen, die die Gründungsphase der Bundeswehr prägten, sollen am Beispiel der Planung und Umsetzung des reformerischen Konzepts der ‚Innere Führung’ und dem aus ihr resultierenden Leitbild eines ‚Staatsbürgers in Uniform’ untersucht werden. Das Konzept ‚Innere Führung’ wurde im Zuge der Planungsarbeiten zu den Streitkräften in den Jahren von 1950 bis 1955 im Rahmen einer Unterabteilung der „Dienststelle Blank“, dem späteren Verteidigungsministerium, erarbeitet. Unter dem Begriff ‚Innere Führung’ wurde ein Reformkonzept erörtert, durch das die neuen Streitkräfte in bewusster Abkehr von früheren Traditionen geprägt werden sollten. Der ‚Staatsbürger in Uniform’, so das Bild des künftigen Soldaten, sollte auch in der Armee freie Bürger einer demokratischen Republik bleiben. Der Soldatenberuf sollte ein Beruf wie alle anderen sein, der weder geringeren noch höheren Wert hat. Er nahm also seine Würde nicht aus sich selbst, sondern erhielt sie durch die Art, wie er sich innerlich ethisch und politisch an die freiheitliche Gemeinschaft gebunden fühlte, der er als ‚Staatsbürger in Uniform’ dienen sollte. Gefordert wurde von ihm nicht blinder Gehorsam, sondern Gehorsam aus Einsicht. Einsicht die Rechte im Ernstfall zu verteidigen, die er tagtäglich im Dienst selbst erfährt. Dadurch, und durch die Kontrollmechanismen der Politik, sollten die künftigen Soldatenneuen in der

1 Baudissin, Wolf Graf von: Soldat für den Frieden. Entwürfe für eine zeitgemäße Bundeswehr, München 1969, S. 315. 2 Im weiteren Verlauf der Arbeit werden diese als ‚Reformer’ sowie deren Konkurrenten als ‚Traditionalisten’ bezeichnet. - 4 - 1. Einleitung

Gesellschaft integriert bleiben. Zu verhindern galt es, dass die Streitkräfte, wie bei der Reichswehr geschehen, zu einer eigenständigen und isoliert autonomen Organisation im Staat wurden.

Der Titel „Von der Wehrmacht zur Bundeswehr. Tradition und Reform in der Gründungsphase der Bundeswehr (1950-1965)“ grenzt den zeitlichen und damit auch inhaltlich, thematisch Rahmen dieser Arbeit ein. Darin soll folgendes untersucht werden: Zum einen wird der zentralen Frage nachgegangen, wie es zur Umsetzung des Konzeptes ‚Innere Führung’ im Widerstreit der Parteiungen innerhalb der neuen Streitkräfte, aber auch im Gefüge der parlamentarischen, bzw. „zivilen“ Vorarbeiten, Gespräche und Auseinandersetzungen gekommen ist. Darüber hinaus wird versucht, die Einarbeitung des Programms ‚Innere Führung’ in den Alltag der Streitkräfte zu dokumentieren. Dies geschieht anhand ausgewählter Literatur zum Thema entlang der Schnittlinie zwischen den Positionen der ‚Traditionalisten’ einerseits und den ‚Reformern’ auf der anderen Seite. Diese Eingrenzung des Themas ist in sofern wichtig, da in der Planungs- und Aufstellungsphase der Bundeswehr nicht nur das Konzept ‚Innere Führung’ und deren Umsetzung einen zentralen Charakter besaßen, sondern weitaus mehr Themen ausgearbeitet werden mussten. Die Auseinandersetzung um die ‚Innere Führung’ war nur ein Teil der Herausforderungen, die sich der Bundeswehr in der Planungs- und Aufbauphase stellten. Sie muss eingebettet in einen Rahmen eines komplexen Problempakets verstanden werden, das es in der frühen Phase der Bundeswehr zu bewältigen galt. In diesem Zusammenhang sind neben der Gliederung der Streitkräfte (NATO-Kompatibilität, Proportionen der Waffengattungen) unter anderem auch Fragen zu beantworten gewesen, die sich auf das Rechtswesen, die Bewaffnung und Geräte, die Abgrenzung von Berufssoldat, Soldat auf Zeit und Wehrpflichtigen, als auch auf die Militärseelsorge bezogen. Diese angeführten Beispiele führen sicherlich nicht den kompletten Aufgabenbereich an, dem sich die Bundeswehr in dieser Phase stellen musste, verdeutlichen aber deren Vielfalt. Daher ist die Kennzeichnung und Absteckung des Themengebiets unerlässlich. Zahlreiche, an der Konzeption und Umsetzung des Konzepts ‚Innere Führung’ beteiligten Soldaten, haben ihre Eindrücke und Erfahrungen, die sie während dieser Zeit sammelten, in Vorträgen, Artikeln, Heften oder Büchern verarbeitet. Auf einige von ihnen wird im Laufe dieser Arbeit eingegangen werden. Neben den Schriften von - 5 - 1. Einleitung

Baudissin3, Adolf Heusinger4, Dr. Hans Speidel5, werden auch die Ausführungen von Carl-Gero Ilsemann6 berücksichtigt. Von zentraler Bedeutung für den Zeitraum bis Mitte der fünfziger Jahre sind die gesammelten Aufsätze in dem vier Bände umfassenden Werk „Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik“, die, wie zahlreiche andere, vom Militärischen Forschungsamt herausgegeben wurden. Darin befassen sich die Autoren, neben der Problematik der ‚Inneren Führung’, mit vielen weiteren Aspekten der Aufstellungsphase der Bundeswehr. Zwei weitere Veröffentlichungen, die in der Literatur immer wieder zitiert werden und somit als Standartwerk bezeichnet werden können, wurden von Donald Abenheim7 und Dietrich Genschel8 verfasst. Abenheim setzt sich in seinem Werk mit der Frage der Tradition in der Bundeswehr und ihrer Anwendungsformen auseinander. Der zeitliche Rahmen, den er dabei verfolgt, deckt sich mit dem dieser Arbeit. Genschel hingegen befasst sich mit dem Konzept der ‚Inneren Führung’. Seine Ausführungen dazu beschränken sich allerdings lediglich auf die Planungsphase. Bei der Ausarbeitung des Hauptgedankengangs dürfen nicht die zahlreichen Veröffentlichung von Detlef Bald9, Georg Meyer10, Norbert Wiggershaus und Hans-Jürgen Rautenberg11 vergessen werden. Diese trugen durch ihre Auseinandersetzung mit den jeweiligen Themenbereichen maßgeblich dazu bei den Verlauf beziehungsweise die Entwicklung der Bundeswehr im oben abgesteckten Themenbereich transparent zu machen. Hinsichtlich der Quellen ist für die Arbeit von Nutzen, dass seitens der Initiatoren der ‚Inneren Führung’ von ihnen selbst umfangreiches Schrifttum nicht nur vorhanden, sondern auch der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Bezüglich der Quellen, die unterhalb der Sperrfrist für Verschlusssachen zum Thema existieren, konnten diese, da

3 Vgl. u.a. Baudissin, Wolf Graf von: Soldat für den Frieden. Entwürfe für eine zeitgemäße Bundeswehr, hrsg. von Peter v. Schubert, München 1969. 4 Vgl. u.a. Heusinger, Adolf: Ein Soldat im 20. Jahrhundert. Schriftenreihe Innere Führung, Beiheft 3/87 zur Information für die Truppe, Bonn 1987. 5 Vgl. u.a. Speidel, Hans: Aus unserer Zeit. Erinnerungen, /Frankfurt/Wien 1977 6 Vgl. u.a. Ilseman, Carl-Gero: Die Bundeswehr in der Demokratie. Zeit der Inneren Führung, 1971. 7 Abenheim, Donald: Bundeswehr und Tradition. Die Suche nach dem gültigen Erbe deutscher Soldaten, München 1989. 8 Genschel, Dietrich: Wehrreform und Reaktion. Die Vorbereitung der Inneren Führung 1951-1956, Hamburg 1972. 9 Vgl. u.a. Bald, Detlef: Graf Baudissin und die Reform des deutschen Militärs, In: Linnekamp, Hilmar/Lutz, Dieter S. (Hrsg.): Innere Führung. Zum Gedenken an Wolf Graf von Baudissin. Demokratie, Sicherheit und Frieden, Bd. 94, Baden-Baden 1995, S. 19-54. 10 Vgl. u.a. Meyer, Georg: Zur Situation der deutschen militärischen Führungsschicht im Vorfeld des westdeutschen Verteidigungsbeitrags, In: Militärisches Forschungsamt (Hrsg.): Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956, Bd.1, München 1982, S. 851-1132. 11 Vgl. u.a. Rautenberg, Hans-Jürgen/Wiggershaus, Norbert: Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950. Politische und militärische Überlegungen für einen Beitrag der BRD zur westeuropäischen Verteidigung, In: MGM 1, Karlsruhe 1977. - 6 -