10 FEUILLETON Dienstag, 17. Juli 2018, Nr. 163

melodieundrhythmus.com Wirf noch eine Münze ein!

Jean Toche ist tot – er sah Kunst als Akt der Wahrhaftigkeit und Demonstration seiner Überzeugungen. Von Matthias Reichelt

ean Toche war ein radikaler Künst- Jon Hendricks und der afroamerikani- Mit seinem Mac, einer digitalen Ka- jetzt abonnieren! ler, wie es sie nur selten gibt: Be- schen Künstlerin Faith Ringgold wegen mera und einem großen Plotter, auch Jgriffe wie opportun, angemessen »Flaggenentweihung« bei der Ameri- Kurvenschreiber genannt, war Toche und ausgewogen wird man in seinem can Flag Show in der Judson Memorial ein autarker Produzent seiner Kunst. Wortschatz vergeblich suchen. 1932 Church verhaftet. Für die Freilassung Sie zu machen bedeutete für ihn nicht, wurde er in Belgien geboren, war an- der »Judson Three« setzten sich damals sie zu verkaufen. Kunst war für ihn ein fangs Jazzmusiker und abstrakter Ma- auch Yoko Ono und John Lennon ein. Akt der Wahrhaftigkeit, Demonstration ler. Er freundete sich mit den politi- Von 2000 bis 2014 produzierte Jean seiner Überzeugung, die nicht durch schen Künstlern Marcel Broodthaers Toche »Mail Art«, also Briefkunst, und Kommerzialisierung verraten werden und Al Hansen an und nahm 1966 am versandte Stellungnahmen und Kom- durfte. Vom Kunstbetrieb, den er weit- »Destruction in Art Symposium« von mentare zu politischen Fragen, ohne gehend und nicht ganz zu Unrecht für Gustav Metzger in London teil. taktische Diplomatie, in Agitprop- opportunistisch hielt, distanzierte er Die Liebe zu der US-amerikani- manier einzig seinen Überzeugungen sich soweit wie möglich. Die Funktion schen Ballettänzerin Virginia Poe ließ verpflichtet. Motivisch untermauerte er des Kunstraums bestand für Toche nur Toche nach New York City ziehen. Er dies mit Bildern aus seiner unmittel- darin, seine Positionen öffentlich zu konzipierte dort aggressive Licht- und baren Umgebung. Am häufigsten stand machen, weiter gingen seine Kompro- Toninstallationen und thematisierte mit er mit seinem Konterfei und mit sei- misse nicht. Man konnte keine Arbeit ihnen unter anderem die rassistische nem ganzen Körper ein. So ehrlich und von ihm erwerben oder ihn für eine Polizeigewalt bei den Watts-Aufstän- schamlos die Bilder, so schamlos ehr- neue Auflage eines bereits existieren- Als Dankeschön für den Abschluss eines den 1965 und die studentischen Pro- lich waren die Texte. Ausstellungen mit den Werkes gewinnen. Dieses Verhal- Abonnements gibt es den limitierten teste gegen den Vietnamkrieg an der großen Tableaus waren mehrfach an ten ist Gift für einen Markt, der von M&R-»Gegenkulturbeutel« (exklusiv für Columbia-Universität 1968. verschiedenen Orten in Deutschland zu Kauf und Verkauf, von Preissteigerung Abonnenten. Nicht käufl ich erhältlich) 1969 gründete er zusammen mit sehen. Sie wurden mit seiner Mail Art und Profitmaximierung lebt. Nichts lag Jon Hendricks und Poppy Johnson in das Archiv der Akademie der Künste Jean Toche ferner, als auf dem Kunst- die »Guerrilla Art Action Group« in aufgenommen. markt zu reüssieren. Auf den Rücksei- Das Projekt Melodie & Rhythmus kann nur weitergeführt werden, wenn (GAAG), die bis 1976 politische Kon- Toche posierte gerne, wie seine zahl- ten seiner Arbeiten forderte er zu ihrer die Mittel dafür erwirtschaftet werden. Um das Magazin herstellen zu zept- und Aktionskunst auch im öffent- reichen Selbstporträts zeigen, er ver- Vervielfältigung auf. können, brauchen wir vor allem zusätzliche Abonnements. Wenn Sie M&R lichen Raum machte. Am 18. November kleidete sich und grimassierte, zeigte Ob es die von den US-Regierungen 1969 zog die Gruppe in der Lobby des sich auch nackt, um die Kritik mit Iro- begonnenen Kriege in Afghanistan und unterstützen möchten, füllen Sie untenstehenden Coupon aus. Museums of Modern Art eine blutige nie und Sarkasmus zu untermauern. im Irak waren, das Morden durch Droh- Die Abobestellung wird erst wirksam, wenn M&R wieder erscheint. Aktion durch. Um gegen die Kriegs- Auch seinen Anrufbeantworter nutz- nen, Klitorisbeschneidung in afrikani- profiteure aus dem Rockefeller-Clan im te er immer wieder als Medium für schen Staaten, Kritik an Religionen, Beirat des Museums zu protestieren, Botschaften wie diese vom November Misogynie, Xenophobie: Für Toche gab Ja, ich möchte das Projekt unterstützen. stritten und kämpften sie miteinander 2008: »Your capitalist system is bank- es keine thematischen Beschränkungen. und vergossen dabei acht Liter Rinder- rupt. Kaputt! Hey, just put another dime Am 9. Juli wurde Jean Toche, wenige Sollte M&R wieder erscheinen können, blut. in it«, zu deutsch: Dein kapitalistisches Wochen vor seinem 86. Geburtstag, tot Mehrfach geriet Toche in Konflikt System ist bankrott. Kaputt! Hey, wirf in seinem Haus auf Staten Island (NY) bestelle ich hiermit ein Abonnement: mit der US-Justiz. 1970 wurde er mit einfach noch eine Münze ein. aufgefunden. Normalabo zum Preis von 26,90 Euro/Jahr Förderabo zum Preis von 36,90 Euro/Jahr Doppelabo* zum Preis von 50,00 Euro/Jahr zum Spezialpreis für jW-Abonnenten von 16,90 Euro/Jahr Erbschaft in unserer Zeit (jeweils inkl. 7% MwSt; vier Ausgaben/Jahr; Versand ins Ausland zzgl. 10 Euro/Jahr) Das Abonnement wird mit der nächsten Ausgabe beginnen, wenn die Produktion Wirtschaft als das Leben selbst. Von Helmut Höge wieder aufgenommen werden sollte. Der Abobetrag wird erst dann fällig. * Für jedes Doppelabo können Sie jeweils eine zweite Aboausgabe an as Geheimnis des Adels ist in dem »Jahrzehnte bewusst ver- Augstein habe Jakobs Mutter vor Ge- Freunde, Bekannte oder eine soziale Einrichtung schicken lassen. die Zoologie«, stellte Marx schwiegen wurde, dass Jakob Augstein richt mit ihm um das Besuchsrecht für Sollten Sie selber keinen Empfänger nennen, richten wir ein Abo für eine Dfest. Gemeint war damit – im nicht der leibliche Sohn von Rudolf den vermeintlichen Sohn gestritten. Einrichtung unserer Wahl (z.B. einen Jugendclub oder Bibliothek) ein. Übergang von der Naturtheologie zur Augstein ist. Mit desaströsen Folgen »Hätte er das getan in dem Wissen, Frau Herr Naturwissenschaft – die wegen Mitgift für Rudolfs Familie und sein Blatt, dass Jakob gar nicht sein Sohn ist?« und Erbschaft tabuisierte Verpaarung den Spiegel «. -Gründer fragt sie – kapitallogisch und im außerhalb der Art. hatte Jakob Augstein zuletzt sogar als Einklang mit den modernsten bio- VORNAME Schon der Löwe hat ein starkes In- »Sprecher der Erben« bestimmt. »Hät- logischen Grundsätzen, nach denen teresse daran, dass alle Kinder seiner te er das getan, wenn er gewusst hätte, auch für den Geldadel gilt, das sein NAME Löwin bzw. seiner Löwinnen von ihm dass er gar nicht sein Vater war?« fragt Geheimnis die Zoologie ist. stammen. Es ist ein wiederholter Lehr- Stelly-Augstein – nur noch rhetorisch. Wie kann man im 21. Jahrhundert

STRASSE/NR. satz in der bürgerlichen Zoologie, dass Der Stern -Interviewer weicht ihrem noch so eine dumpf-materialistische der Löwe seine Gene partout weiter- Vorhaben, aus der vermeintlichen Spur wie genetische Abstammungs- geben will. Und das subito, morgen Spiegel -Erbschleicherei eine zoolo- linien zur Steuerung oder (Rück-) PLZ/ORT könnte es bereits zu spät sein. gische Affäre zu machen, jedoch aus Eroberung von Kapitalertragsflüssen Für Besitzmenschen geht es bei die- und fasst lieber rhetorisch noch einmal und sogar der Meinungsmacherei TELEFON sen ganzen Projektionen um das Erbe. zusammen: Also »für Sie ist das nicht eines Nachrichtenmagazins legen? Gene gleich Erbe (minus Erbschafts- korrekt gelaufen?« Martin Walsers Eltern waren laut Wi- E-MAIL steuer). Das sieht beim heutigen Geld- Ihr Samen-Gen-Strang interes- kipedia Bahnhofskneipenbetreiber. adel z. B. so aus: Die vierte und letzte siert ihn nicht. Andererseits war Aus seiner ersten Ehe ging ebenfalls Frau des Hamburger Spiegel -Gründers Stelly-Augstein 20 Jahre mit Rudolf eine Tochter namens Franziska hervor. Meine jW-Kundennummer (falls zur Hand) , Gisela Stelly-Aug- Augstein verheiratet und hat ein 1996 unterschrieb die Schauspiele- stein, wirft im Hamburger Stern Kind, dessen Vater er ist. Dies haben rin eine »Frankfurter Erklärung zur (28/2018) dem Berliner Freitag -Be- Gentests ergeben. Sie hat über das Rechtschreibreform«. Während die sitzer Jakob Augstein vor, sich seinen »Schurkenstück« kürzlich sogar ein Augstein-Tochter Franziska laufend Das Abo bezahle ich per Rechnungslegung Teil des Millionenerbes erschlichen zu Buch geschrieben. Die auf der Pro- Artikel in der Süddeutschen Zeitung haben, indem er und seine Mutter – die minenteninsel Sylt nahe am Grab von unterschreibt. Aus Martin Walsers

DATUM/UNTERSCHRIFT dritte und vorletzte Ehefrau von Rudolf Rudolf Augstein lebende Autorin hat zweiter Ehe stammt sein leiblicher Augstein – verheimlicht hätten, dass es »Keitumer Gespräche« genannt. Sohn Jakob Augstein, der heute laut Coupon einsenden an: Verlag 8. Mai GmbH, Torstraße 6, 10119 Berlin, Rudolf Augstein nicht sein Vater ist. Hat sie vielleicht mit den »Keitumern« Auskunft einer Freitag -Redakteurin oder faxen an die 0 30/53 63 55-48 Da sind auch noch (echte) Aug- Günther Jauch, Jogi Löw oder mit dem gerne einen »Privatjet« benutzt, wenn stein-Kinder aus den anderen Ehen. toten Keitumer Stern -Gründer Henri er nach muss. Sein echter Schon auf der Trauerfeier für den Spie- Nannen darüber gesprochen? Egal, Vater ist inzwischen Schwiegerva- gel -Herausgeber in der Hamburger »wer etwas auf sich hält, heiratet in ter des einst im Westen berühmten »Hauptkirche« Michel »stürmte« laut Keitum« schreibt das Abendblatt, und DDR-Dichters Sascha Anderson ge- Stelly-Augstein seine Tochter »Fran- weiß: »Stars, Dichter, Politi- worden, der Walsers zweite Tochter ziska Augstein die Kanzel, um ihre ker: Sie alle kommen in die Bücherstu- (von vieren) Alissa geheiratet hat. Ansprüche anzumelden«. be nach Keitum«. Die Genealogie geht gesamtdeutsch Frau Stelly-Augstein spricht im Dem Stern verriet Stelly-Augstein: weiter, verlagert sich gar von Sylt nach Stern von einem »Schurkenstück«, Jahre nach der Scheidung von Rudolf Hiddensee?