Politische Diskussionssendungen in Österreich im Spannungsfeld von Medien und Politik Ein Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanbietern

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA)

im Masterstudium Politische Bildung

Eingereicht von: Johanna Schwingshandl Angefertigt am: Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte Beurteiler: Univ.-Prof. Dr. Marcus Gräser

Oktober 2015, Linz

Eidesstattliche Erklärung

Ich, Johanna Schwingshandl, erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, im Oktober 2015 Johanna Schwingshandl

I Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 1 2. Forschungsstand ...... 3 2.1. Fernsehen in Österreich...... 5 2.1.1. TV- Nutzungsdaten in Österreich ...... 5 2.1.2. Marktanteile österreichischer Fernsehsender ...... 7 2.2. Die Dualität der österreichischen Fernsehlandschaft ...... 9 2.2.1. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich ...... 11 2.2.2. Der Privatrundfunk in Österreich ...... 15 3. Politische Kommunikation ...... 19 3.1. Der Wandel politischer Kommunikation in Österreich ...... 22 3.2. Zusammenhang politischer Kommunikation und Diskussionssendungen? ...... 25 3.3. Kommunikation der Medien über die Politik ...... 32 4. Moderne Politikvermittlung ...... 36 4.1. Politikvermittlungen im Fernsehen ...... 39 4.2. Politikvermittlung im Fernsehen- Ergebnisse aus Deutschland . 40 4.2.1. Deutsche Fernsehsender im Qualitätsurteil der Zuseher ...... 41 4.2.2. Politikvermittlung im deutschen Fernsehen...... 42 4.2.3. Wie urteilen die ZuseherInnen über politische Diskussionssendungen und Magazine? ...... 44 4.3. Wie informieren sich die ÖsterreicherInnen über Politik? ...... 47 5. Definitorische Eingrenzung und Begriffserläuterung ...... 48 5.1. Was ist eine Diskussionssendung? ...... 48 5.2. Talkformate im österreichischen Fernsehen ...... 51 5.3. Nicht behandelte Diskussionssendungen ...... 53 5.4. Wer wird eingeladen? ...... 56 6. Spannungsfeld Politik und Journalismus ...... 57 6.1. Arten politischer Kommunikationskultur ...... 62

II 7. Methoden und Untersuchungsdesign ...... 64 7.1. Die Methode ...... 64 7.2. Die Vergleichsobjekte ...... 66 7.2.1. Der öffentlich-rechtliche Sender ORF2 ...... 67 7.2.2. Der Privatsender ServusTV ...... 68 7.2.3. Der Privatsender PULS 4 ...... 69 7.2.4. „Im Zentrum“ ...... 70 7.2.5. „Pro und Contra“ ...... 72 7.2.6. „Der Talk im Hangar 7“...... 73 8. Vergleich der politischen Diskussionssendungen ...... 75 8.1. Die Untersuchungskategorien ...... 75 8.2. Auswertung der Ergebnisse ...... 77 8.2.1. Quantitativer Gäste- und Themenscan ...... 77 8.2.2. Die Themen ...... 77 8.2.3. Die Gäste ...... 79 8.3. Qualitative Analyse der Diskussionssendungen ...... 82 8.3.1. „Im Zentrum“(ORF 2) ...... 83 8.3.2. „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“(PULS 4) ...... 88 8.3.3. „Der Talk im Hangar 7“ (ServusTV) ...... 92 8.3.4. Zusammenfassung ...... 96 9. Fazit und Resümee ...... 98 10. Literaturverzeichnis ...... 101 10.1. Videoquellen ...... 107 10.2. Abbildungsverzeichnis ...... 107 11. Anhang ...... 109 11.1. Interview mit Ingrid Thurnher am 23.06.2015 ...... 109

III

1. Einleitung

Nicht nur die Zukunft der Fernsehlandschaft in Österreich, sondern auch die Entwicklung ihrer Programme spielt sich zunehmend auf dem Parkett des Informationssegmentes ab. Auf diesem Parkett bewegen sich neben dem öffentlich-rechtlichen ORF, seit der Dualisierung des österreichischen Fernsehmarktes 2001, auch private Anbieter. Daher kommt es naturgemäß zu starker Konkurrenz um das Fernsehpublikum. Der Kampf um die Gunst der ZuseherInnen erreichte auch die politischen Diskussionssendungen, denn das früher unangefochtene Monopol des ORF in diesem Bereich bricht durch die neuentstandenen Formate der privaten Anbieter zunehmend auf. Neben der Dualisierung hatten auch Veränderungen in der politischen Kommunikation einen starken Einfluss auf das gesamte Mediensystem.

Eingebettet in diese Thematik soll in dieser Arbeit die These untersucht werden, dass sich die politische Kommunikation- darunter wird im Anschluss an McNair jegliche Form der Kommunikation politischer Akteure zur Durchsetzung eigener Ziele verstanden (vgl. McNair 2011, 4)- ändert, dann verändert sich auch die Form der Fernsehdiskussionsformate. Unter Form wird hier das Konzept der Diskussionssendungen verstanden, speziell die Einbindung der ZuschauerInnenschaft.

Politische Diskussionssendungen befinden sich seit jeher im Spannungsfeld von Medien und Politik- einem Spagat zwischen Kontrolle und Zusammenarbeit. Medien haben die Aufgabe die BürgerInnen über die Politik zu informieren. Gleichzeitig agieren sie aber auch als die „Vierte Gewalt“ im Staat, neben Exekutive, Legislative und Judikative. Sie kontrollieren und beeinflussen die Politik. Parallel dazu reguliert und beeinflusst die Politik auch die Medien z.B. durch das ORF-Gesetz, die Benennung der ORF-Führung durch den Stiftungsrat und auch die Presseförderung. Der aktuelle Trend geht hin zu einer „Mediatisierung“, politische Realität wird zu einer (massen)medial konstruierten und vermittelten Realität (vgl. Plasser 2006, 525). Das Konzept der Mediatisierung bezeichnet im Kontext der politischen Kommunikation

„die wachsende Verschmelzung der Medienwirklichkeit und politischer und sozialer Wirklichkeit, die zunehmende Wahrnehmung von Politik im Wege

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medienvermittelter Erfahrung sowie die Ausrichtung politischen Handelns und Verhaltens an den Gesetzmäßigkeiten des Mediensystems“ (Sarcinelli 2009, 678 in: Plasser 2004, 23).

Der Begriff der „Tele-Demokratie“ beschreibt die zunehmende Relevanz des Fernsehens für die politische Informationsgewinnung der ÖsterreicherInnen. Nur um einige Beispiele zu nennen, die Sendezeiten politischer Informationssendungen im ORF haben sich von 1967-2001 verzehnfacht (vgl. Wolf 2007,108f.). Für jeden zweiten in Österreich ist das Fernsehen die wichtigste Quelle für politische Information (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 25). Besonders „kritische“ Medienereignisse wie TV-Konfrontationen üben einen starken Einfluss auf das Wahlverhalten der ZuseherInnen aus (vgl. ebd. 202). Diese Tatsachen haben zur Folge, dass die BürgerInnen zu einem großen Teil Politik rein über die Medien erfahren. Das „Image“ der Politik wird von den Medien geprägt und beeinflusst so die politische Wahrnehmung. Massenmedien bilden das politische Geschehen nicht nur ab sondern beeinflussen es auch. Einerseits durch die Vorselektion politischer Ereignisse für die Veröffentlichung und andererseits durch die Platzierung der Themen und deren Gestaltung (vgl. Bußkamp 2002, 19). Hier spielen auch Diskussionssendungen eine wichtige Rolle, haben sie doch den Anspruch politische Meinungsbildung zu fördern. Berühmter und vielzitierter Autor auf diesem Gebiet ist Ulrich Sarcinelli der in seinem 1998 erschienen Buch „Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft“ die Veränderungen in der modernen Politikvermittlung thematisiert.

In der aktuellen Diskussion steht ebenfalls die Frage, was kann der öffentlich- rechtliche ORF noch bieten was die privaten Anbieter nicht haben- und umgekehrt? Daraus ergibt sich die Fragestellung der vorliegenden Arbeit nach den Unterschieden zwischen den politischen Diskussionssendungen öffentlich- rechtlicher und privater Fernsehanbieter?

Zur Beantwortung dieser Fragstellung sollen grundsätzlich zwei große Quellenarten herangezogen werden. Erstens Sekundärliteratur in Form von Sachbüchern, nationalen und internationalen Untersuchungen sowie wissenschaftlichen Sammelwerken. Zweitens Videoquellen von Diskussionssendungen die einer methodischen Betrachtung unterzogen werden. Die verwendete Methode soll demzufolge aus einer quantitativen und qualitativen

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Analyse des Videomaterials, unter Zuhilfenahme definierter Kategorien, bestehen.

Ziel dieser Arbeit ist es, erstens die Hypothese nach dem Zusammenhang politischer Kommunikation mit der Veränderung von Fernsehdiskussionsformaten zu verifizieren beziehungsweise zu falsifizieren. Zweitens die Unterschiede zwischen den Diskussionssendungen öffentlich- rechtlicher und privater Anbieter anhand einer Untersuchung aufzuzeigen. Der thematische Fokus liegt auf drei politischen Diskussionssendungen des österreichischen Fernsehens: „Im Zentrum“ (ORF 2), „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“ (PULS 4) und „Der Talk im Hangar 7“ (ServusTV).

Im ersten Teil der Arbeit wird eine Beschreibung des aktuellen Forschungsstandes stattfinden. Darauf aufbauend soll im zweiten Teil politische Kommunikation sowie deren Zusammenhang mit der Veränderung von Diskussionssendungen beschrieben werden. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit moderner Politikvermittlung im Fernsehen, hier werden vorrangig deutsche Untersuchungen herangezogen und in Bezug auf Österreich hin betrachtet. Im Anschluss daran sollen definitorische Eingrenzungen sowie Begriffserläuterungen stattfinden. Das sechste Kapitel wird einen Exkurs in das Spannungsfeld Politik und Journalismus beinhalten und die Einflussmöglichkeiten politischer Akteure auf die mediale Politikberichterstattung zum Thema haben. Die beiden letzten großen Kapitel umfassen die Beschreibung der Methode und des Untersuchungsdesigns sowie den tatsächlichen Vergleich der ausgewählten politischen Diskussionssendungen. Ein Fazit und die Zusammenfassung der Ergebnisse beschließen die Arbeit.

2. Forschungsstand

Spätestens seit der berühmten Fernsehdebatte zwischen den beiden US- Präsidentschaftskandidaten John F. Kennedy und Richard Nixon im Vorwahlkampf 1962 sind Auftritte von PolitkerInnen im TV Gegenstand unzähliger Untersuchungen geworden. Nicht nur die Reaktion des Publikums auf die Auftritte, sondern auch deren Einfluss auf die Wahlentscheidung der Rezipienten wurde zahlreich untersucht (vgl. Petter-Zimmer 1990, 14). Auch die Kommunikationswissenschaft, die Psychologie, die Mediensoziologie, die

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Medienwissenschaft, die Politikwissenschaft und sogar die Linguistik haben sich immer wieder den Themen PolitikerInnen im Fernsehen, Rezeptionsverhalten und Wirkungen von Diskussionssendungen angenommen. Die durchgeführten Untersuchungen beziehen sich jedoch hauptsächlich auf Auftritte während des Wahlkampfes und weniger auf regelmäßige Sendungen in den Zeiten dazwischen. In den 1990er kam es in Deutschland und auch in Österreich zu einem buchstäblichen Talkshow-Boom, vor allem Daily-Talks schossen wie Pilze aus dem Boden der Fernsehlandschaft. Parallel zur Ausdifferenzierung des Talkshow-Angebots, wuchs das wissenschaftliche Interesse an diesem Bereich. Dementsprechend gibt es eine Fülle an Einzelfallanalysen, die sich jeweils einer anderen Facette des Talkshow-Angebots widmen. Mit der Entstehung der Gesprächssendungen in den 1980er Jahren entstanden großteils inhalts- und gesprächsanalytische Arbeiten. Im Zusammenhang mit der Dualisierung der Fernsehlandschaft und dem Entstehen der bereits erwähnten Daily-Talks verlagerte sich das wissenschaftliche Interesse in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre speziell auf diese Formate. Ende der neunziger Jahre lag der Fokus wieder verstärkt auf den Inhalten politischer Diskussionssendungen sowie Politikerauftritten im TV (vgl. Schicha/ Tenscher 2002, 15ff.).

Das in dieser Arbeit bearbeitete Thema ist eine Untersuchung der verschiedenen politischen Diskussionsformate im österreichischen Fernsehen. In der Forschung ist es noch wenig erschlossen, weshalb es kaum Literatur gibt. Auch an international vergleichenden Studien zu Talkshows und ihren verschiedenen Facetten herrscht ein frappierender Mangel (vgl. Schicha/ Tenscher 2002, 16).

In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, welche politischen Diskussionsformate es im österreichischen Fernsehen gibt, wie sie sich entwickelt haben und was sie voneinander unterscheidet. Außerdem soll überprüft werden, ob sich mit dem Wandel der politischen Kommunikation auch die politischen Diskussionsformate verändert und angepasst haben. Wichtig ist anzumerken, dass die Literatur zu Qualität, Struktur und Gestaltung von TV- Diskussionsformaten sehr dünn ist und daher immer wieder Befunde aus der Bundesrepublik Deutschland herangezogen werden müssen.

Im folgenden Abschnitt werden zunächst Daten zur Fernsehnutzung und der Fernsehlandschaft in Österreich vorgestellt.

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2.1. Fernsehen in Österreich

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit den empirischen Daten, die es zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits gibt. Sie bilden einen wichtigen Bezugsrahmen für das vorliegende Forschungsvorhaben. Die österreichische Fernsehlandschaft wird zunächst allgemein und danach spezifischer mit Blick auf Diskussionssendungen und die Programmprofile der untersuchten Sender beschrieben. Zu Beginn des folgenden Abschnitts werden zunächst die wichtigsten Kennzahlen der österreichischen Fernsehnutzung zusammengefasst.

2.1.1. TV- Nutzungsdaten in Österreich

Das Fernsehen ist für die ÖsterreicherInnen von großer Bedeutung. Rund 98% der österreichischen Haushalte verfügen über ein Fernsehempfangsgerät (vgl. Patsalidis 2013,14) wie Fernseher, Computer oder Tablet. Die durchschnittliche TV-Konsumzeit erreichte mit 172 Minuten/Tag 2014 einen Höchstwert. Die Verweildauer, das bedeutet die Nutzungszeit der am untersuchten Tag fernsehenden ÖsterreicherInnen über 12 Jahren, betrug im letzten Jahr 268 Minuten/Tag. Das ist ebenfalls ein historischer Höchstwert von umgerechnet fast fünfeinhalb Stunden jeden Tag. Damit stieg die Verweildauer im Gegensatz zu 2000 um 22%, das entspricht einem Anstieg von 48 Minuten am Tag. 2014 konnte das Medium Fernsehen jeden Tag 4,6 Millionen Menschen in Österreich erreichen, das ist eine Tagesreichweite von 63,3%. Das bedeutet, dass 4,6 Millionen ÖsterreicherInnen jeden Tag wenigstens kurz (mindestens eine durchgehende Minute) den Fernseher einschalten. Auch diese Zahl ist im Steigen begriffen, im Jahr 2013 lag sie noch bei 61,9%. Eine Untersuchung der Fernsehnutzung im Tagesverlauf zeigt, dass die höchste Sehbeteiligung gegen 21Uhr am Abend zu beobachten ist, wobei sich der Verlauf der Fernsehnutzung an einem normalen Tag über die Jahre hinweg sehr stabil zeigte. So ist die Kurve in der Früh noch flach und steigt dann in den frühen Abendstunden steil nach oben an. Im Hauptabend erreicht die Kurve ihren Höhepunkt. 2014 sahen durchschnittlich mehr als 2,8 Millionen Menschen in Österreich zwischen 20:55 und 21:00 fern. Aufgeschlüsselt nach Wochentagen zeigt sich der Sonntag klar als stärkster Fernsehtag. Erwachsene sahen im vorigen Jahr am Sonntag rund

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40 Minuten länger fern als an Werktagen. Interessanterweise wird üblicherweise an Montagen der zweithöchste Wert gemessen, danach nimmt die Tagesreichweite im Wochenverlauf ab und ist am Freitag und Samstag am niedrigsten (vgl. ORF Medienforschung 2015). Es ist also anzunehmen, dass die Sendezeit von „Im Zentrum“ am Sonntag um 22:00 Uhr sowie „Pro und Contra“ am Montag um 22:25 Uhr nach diesen Daten gut gewählt wurde. Bei der TV- Nutzung ist auch eine saisonale Entwicklung in der TV-Nutzung zu beobachten. Die höchste Reichweite und Nutzungszeit fällt weniger überraschend in die kalte Jahreszeit. Im Jahr 2014 schwankten die Tagesreichweiten von September bis Dezember zwischen 63 und-67%, im Juli und im August hingegen sahen pro Tag nur rund 60% der TV-Bevölkerung fern (vgl. ORF Medienforschung 2015). Das könnte einer der Gründe sein, warum bei allen untersuchten Formaten eine Sommerpause von rund zwei Monaten üblich ist.

Die höchste TV-Nutzung kann in der Altersgruppe der über 60-jährigen festgestellt werden. Diese NutzerInnengruppe konsumiert bis zu 257 Minuten pro Tag. Den zweiten Platz in der Rangliste in den TV-Nutzungszeiten belegen die 50─59-Jährigen ZuseherInnen mit 207 Minuten/Tag (vgl. ORF Medienforschung 2015). Diese Zahlen haben sich im Vergleich mit den TV-Nutzungszeiten von 2011 jeweils um rund sieben Minuten erhöht (vgl. ORF Medienforschung 2011 in: Patsalidis 2013,14). Auf Platz drei finden sich die 40─49-Jährigen (146 Minuten/Tag) und dann mit geringem Abstand die 30─39-Jährigen (133 Minuten/Tag). Eine Verringerung der Nutzungszeiten im Vergleich mit den Zahlen von 2011 lässt sich bei der Gruppe der 12─29-Jährigen feststellen. Betrugen die Zahlen 2011 noch 100 Minuten/Tag, so sank sie bis zum Jahr 2013 um 12% auf 88 Minuten/Tag. Dasselbe gilt für die 3─11-Jährigen FernsehnutzerInnen, diese schauten 2011 noch 70 Minuten/Tag und 2013 nur mehr 63 Minuten/Tag (vgl. ORF Medienforschung 2015).

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Abbildung 1: TV- Nutzungszeiten nach Altersgruppen (ORF Medienforschung, 2015)

2.1.2. Marktanteile österreichischer Fernsehsender

Aufgrund der steigenden Zahl von Haushalten mit einem digitalen Satelliten- Empfang (Ende 2014 rund 57% der Bevölkerung in Österreich) und einem sehr großen gemeinsamen deutschsprachigen Raum verfügen die ÖsterreicherInnen über ein in Europa überdurchschnittlich umfangreiches Programmangebot in deutscher Sprache. Besonders hoch ist auch die Wahlmöglichkeit bei den Sendern. Pro Haushalt mit einem Empfangsgerät konnten Ende 2014 im Schnitt 100 verschiedene Fernsehsender empfangen werden, davon 81 deutschsprachige (vgl. ORF Medienforschung 2015). Unter Zuhilfenahme des sogenannten Teletests können die Reichweite und der Marktanteil der jeweiligen Sender erhoben und dargestellt werden. Derzeit besteht das Teletest- Panel aus 1.613 österreichischen Haushalten, die repräsentativ für die 3.631.000 TV- Haushalte in ganz Österreich stehen (vgl. Arbeitsgemeinschaft Teletest 2015). Abbildung 2 zeigt die TV- Marktanteile 2014, der für die Untersuchung relevanten Sender.

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Abbildung 2: TV- Marktanteile 2014 (ORF Medienforschung 2015)

ORF 2 liegt mit 20,2% an vorderster Front des Marktanteilrankings für 2014. Gefolgt vom Schwesternsender ORF eins mit 13,3%. Der Privatsender PULS 4 befindet sich mit 3,6% knapp vor dem zweiten Privatsender ATV, der mit einer Marktbeteiligung von 3% aufwarten kann. Der jüngste Privatsender ServusTV belegt mit 1,5% nur den letzten Platz (vgl. ORF Medienforschung 2015).

Das Sendeformat mit dem höchsten Marktanteil war zur repräsentativ ausgesuchten Untersuchungswoche vom 31.08.2015 bis - 06.09.2015 im ORF (Österreichischer Rundfunk) die „Zeit im Bild 1“ mit einer beachtlichen Menge an SeherInnen von knapp über einer Million. Auch beim Privatsender ATV ist eine Nachrichtensendung auf den vorderen ersten Plätzen, nämlich „ATV Aktuell“ mit 170.000 ZuseherInnen. Den ersten Platz erreicht die Doku- Soap „Bauer sucht Frau“ mit 190.000 ZuseherInnen. Auf ORF eins belegt ein Fußballspiel, bei PULS 4 eine Actionkomödie und bei ServusTV eine US-amerikanische Filmparodie den ersten Platz. Diese Hitliste der meistgesehenen Sendungen wird von der Arbeitsgemeinschaft Teletest nur wöchentlich und nicht über einen längeren Zeitraum angeboten (vgl. Arbeitsgemeinschaft Teletest 2015). Deutlich wird jedoch, dass bei keinem der Formate Diskussionssendungen zu den quotenstärksten Sendungen zählen

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2.2. Die Dualität der österreichischen Fernsehlandschaft

„Zu Zeiten, in denen privater und damit dualer Rundfunk nahezu schon europäische Normalität war, unternahm man in Österreich gerade einmal erste Gehversuche in der Zulassung privater Rundfunkveranstalter. Heute, knapp 15 Jahre später, kann man sagen, dass das Experiment einigermaßen geglückt ist […]“ (Lackner/Wippersberg, 2004, 9)

Erst im Jahr 2001, siebzehn Jahre nach Deutschland, wurde der Rundfunk in Österreich dualisiert und seither existieren neben dem öffentlich-rechtlich organisierten ORF zahlreiche weitere private Fernsehanstalten und Radiosender. Diese bieten in ihrer Gesamtheit dem österreichischen Publikum sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene ein umfassendes mediales Programm (vgl. Lackner/ Wippersberg 2004, 43). Der Sender ATV (damals noch ATV plus) startete 2003 als erster Privatsender mit seinem österreichweiten Privat-Fernsehprogramm. 2004 folgte ihm PULS 4, der zu Beginn noch als Wiener Stadtsender auf Sendung ging (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 48). Mit der Dualisierung stieg auch die Bedeutung der Medien in der Politikvermittlung. Viele Politiker erkannten „Televideor ergo sum“ (vgl. Brandstätter 1998, 98), was so viel bedeutet wie „Nur durch das Fernsehen existiere ich“. Die Medien stehen mit der Politik in ständiger Symbiose, sie können ohne einander nicht existieren. Die Medien sind auf Informationen aus der Politik angewiesen, genauso wie die Politik auf die mediale Berichterstattung angewiesen ist.

Weltweit sind alle entwickelten Demokratien als Mediengesellschaften einzustufen, das bedeutet, das Mediensystem wurde „zur zentralen Infrastruktur der modernen Gesellschaft“ (Jarren 1998, 75, in: Wolf 2007a, 108). Moderne Politik wurde immer mehr zu einer medienvermittelten Politik. Massenmedien sind heute die „zentrale Arena und Bühne“ (Plasser 1993, 410, in: Wolf 2007a, 108) der Politik.

Das Mediensystem expandierte beständig, weitete das Programmangebot und die politische Information im Fernsehen, im Rundfunk, in soziale Netzwerke, im Internet usw. immer mehr aus. Beim ORF beispielsweise stieg die gesamte Sendezeit zwischen 1967 bis 2001 um mehr als 400 Prozent, auf 3.255 Stunden pro Jahr. Betrachtet man die Sendezeit für politische Informations-, Nachrichten- und Diskussionsprogramme so hatte sich diese von 1967 bis 1981 bereits verfünffacht und bis 2001 sogar verzehnfacht. Politische Inhalte sind in der Flut

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an Informationen nur ein Angebot unter unzähligen. Für die politischen Akteure ist es also sehr wichtig, überhaupt bemerkt zu werden und bestenfalls aufzufallen, denn die von allen Seiten beanspruchte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wird immer mehr zu einer knappen Ressource. Die Mediennutzung steigt zwar, kann jedoch nicht einmal annähernd mit dem wachsenden Angebot mithalten. Der stattfindende politische Wettbewerb ist somit auch ein Kampf um Aufmerksamkeit (vgl. Wolf 2007a, 108f.). In der deutschen Medienlandschaft hat sich das politische Informationsangebot im gesamten Fernsehprogramm zwar seit der Einführung des dualen Fernsehens prozentuell verringert, jedoch stieg die Anzahl der Sendungen mit politischem Inhalt und/oder mit politischen Entscheidungsträgern im Absoluten gesehen stetig an. Die Zulassung privater Hörfunk- und Fernsehanbieter seit 1984 hatte zur Folge, dass nun zwei differente Teilsysteme mit unterschiedlichen Funktionsweisen nebeneinander existieren. Bei den Privaten stand von Beginn an der Gewinn im Vordergrund und demzufolge eine absolute Quotenorientierung. Ein massen- und werbeattraktives Programmangebot musste geschaffen werden. Ganz im Gegensatz zu den Sendern mit öffentlichem Auftrag, die dazu verpflichtet waren über Politik zu informieren, kulturell zu bilden und anspruchsvolle Unterhaltung anzubieten. Zu Beginn hatte man in Deutschland die Befürchtung, dass diese Entwicklung zu einer Marginalisierung der Politikinhalte bis hin zur völligen Entpolitisierung der Fernsehprogramme führen könnte (vgl. Marcinkowski 1998, 170ff.). Wie bereits oben beschrieben, war das nicht der Fall. Die Anzahl der politischen Sendungen stieg und gleichzeitig wurde die Bandbreite von Politik im Fernsehen immer diffuser und heterogener. Reportagen, Politikmagazine, Nachrichten und natürlich politische Diskussionssendungen sind nur einige Beispiele für politische Informationsvermittlung im TV (vgl. Tenscher 1998,193).

Hier lässt sich eine schöne Brücke zu dem vorliegenden Forschungsinteresse schlagen. Die Informationsvermittlung über Politik und gesellschaftlich relevante Entwicklungen war vor der Dualisierung des Rundfunks durch seine Monopolstellung allein dem ORF vorenthalten. Diese Ausgangslage hat sich radikal verändert, denn in den vergangenen fünfzehn Jahren haben sich viele weitere Medienanbieter auf dem Markt etabliert. Sie haben sich weiterentwickelt und professionalisiert und wurden insbesondere in punkto Informationsvermittlung zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für den ORF.

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Die privaten TV-Kanäle scheinen sich verstärkt auf die Informationsvermittlung zu konzentrieren, wie neue Formate wie „Klartext“ (ATV), „Pro und Contra“ (PULS 4) und „Der Talk im Hangar 7“ (ServusTV) beweisen (vgl. Patsalidis 2013, 81). Des Weiteren ist der ORF seit einiger Zeit nicht nur von Seiten der Politik grundlegender Kritik ausgesetzt. Ein Kritikpunkt ist unter anderem die Frage, ob der ORF überhaupt noch seinem Public-Value-Auftrag nachkommt. Unter Public- Value wird der gesellschaftliche Nutzen bezeichnet den der ORF als öffentlich- rechtlicher Sender erbringen muss.

Wie an späterer Stelle beschrieben, wird den ORF-Programmen seit längerem vorgeworfen, zu „unterhaltungslastig“ zu sein. Außerdem kämpft er mit Reichweiten- und Marktanteilsrückgängen vor allem auf Grund der deutschsprachigen Konkurrenzprogramme und der Dualisierung des TV-Marktes 2001 (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 28, in: Plasser 2010). In den letzten drei Jahrzehnten hat sich der Marktanteil des ORF von 96% im Jahr 1985 auf 33,3% im Jahr 2014 mehr als halbiert, während die Marktanteile ausländischer Sender stetig steigen. Die ausländischen Sender, vor allem aus der Bundesrepublik, überflügeln den ORF mit einem Anteil von fast 58% bereits deutlich. Gleichzeitig hat er sich sein Quasi-Informationsmonopol auf politische Nachrichten trotz aller Rückgänge weitestgehend erhalten (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 29f., in: Plasser 2010) (vgl. ORF- Medienforschung 2015).

Im folgenden Kapitel werden die beiden Player in der österreichischen Medienlandschaft, der öffentlich-rechtliche und der Privatrundfunk beschrieben.

2.2.1. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich

„Der Österreichische Rundfunk ist das größte Medienunternehmen Österreichs und als Stiftung öffentlichen Rechts konstituiert. Das ORF-Gesetz regelt die Aufgaben des ORF.“ (ORF Kundendienst 2015)

Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk bildet der ORF in Österreich die zweite Säule neben den Privatanbietern. Er finanziert sich durch Einhebung von Gebühren durch das ORF- Tochterunternehmen Gebühren Info Service GmbH (GIS) (vgl. GIS, 2015) und Werbeeinnahmen. Diese beiden Einnahmequellen werden auch als Mischfinanzierung bezeichnet. Das ORF-Programmangebot im Hörfunk, Onlinedienst, Teletext und den zwei TV-Vollprogrammen (ORF eins und ORF 2) wird durch das ORF-Gesetz geregelt. Hinzu kommen noch untergeordnet die

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beiden Spartenprogramme ORF III und ORF Sport Plus. ORF III sendet Inhalte aus Kultur und Information und ORF Sport Plus ist, wie der Name vermuten lässt ein Sport- Spartenkanal. Diese beiden Programme, genauso wie die seit November 2009 verfügbare ORF-TVthek sind gebührenfinanziert und weitestgehend werbefrei. Das Hörfunkangebot des ORF umfasst derzeit den Musiksender Hitradio Ö3, den Kultur- und Informationssender Ö1, das Jugendkulturradio FM4 sowie in jedem Bundesland einen Regionalradiosender. Der bereits erwähnte ORF-Teletext ist ein programmbegleitendes Medium und umfasst Information im Textformat. Auf der Website ORF.at werden aktuelle ORF-Nachrichten online und kostenfrei zur Verfügung gestellt (vgl. ORF Kundendienst, 2015).

Genauso wie neun regionale Radiosender betreibt der ORF auch neun Landesstudios in den Bundesländern und entspricht so in seiner Form dem föderalen Aufbau Österreichs. Die rechtliche Grundlage bildet das ORF-Gesetz. Der ORF ist als Stiftung öffentlichen Rechts gegründet und verfügt somit über eine eigene Rechtspersönlichkeit. Er setzt sich aus dem Stiftungsrat, dem Publikumsrat und der Generaldirektion zusammen (vgl. ORF Kundendienst 2015).

Der Stiftungsrat ist das oberste Organ des ORF. Er besteht aus 35 Mitgliedern und bestimmt über die zentralen Belange des Unternehmens. Der Stiftungsrat bestellt den Generaldirektor (seit 2006 Alexander Wrabetz), welcher wiederum die DirektorInnen und die LandesdirektorInnen vorschlägt. Des Weiteren genehmigt er die Budgets sowie Rechnungsabschlüsse und zahlreiche weitere Rechtsgeschäfte. Seine Funktionsperiode beträgt vier Jahre. Sehr interessant ist die Bestellung der 35 Mitglieder des Stiftungsrates. Nach den ORF-Gesetzen werden fünfzehn Mitglieder direkt von der Bundesregierung bestellt. Sechs davon müssen unter Berücksichtigung der Sitzverteilung im Nationalrat und auf Vorschlag der vertretenen politischen Parteien in den Stiftungsrat berufen werden. Die restlichen neun kann die Bundesregierung nach ihrem Willen verteilen. Neun Mitglieder kommen aus den Bundesländern, sechs bestellt der Publikumsrat und fünf der Zentralberiebsrat (vgl. ORF Kundendienst 2015). Da anzunehmen ist, dass die Bestellung der neun Mitglieder aus den Bundesländern ebenfalls politisch motiviert ist, werden insgesamt also mindestens 26 der 35 Mitglieder des Stiftungsrates politisch besetzt.

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Der Publikumsrat besteht aus 31 Mitgliedern und folgte der Hörer- und Sehervertretung (HSV) 2001 nach. Er ist in erster Linie dafür zuständig die Interessen der HörerInnen und SeherInnen zu wahren. Des Weiteren bestellt er, wie oben erwähnt, sechs Mitglieder des Stiftungsrates und muss dessen Beschlüsse genehmigen (vgl. ORF Kundendienst 2015). Die Bestellung sowie die Details über die Zusammensetzung des Publikumsrates werden im § 8 des ORF-Gesetzes geregelt. Darin wird festgehalten, dass die Landwirtschaftskammer, die Wirtschaftskammer, die Bundesarbeiterkammer, der Österreichische Gewerkschaftsbund, die Kammern der freien Berufe, die römisch-katholische Kirche sowie die evangelische Kirche je ein Mitglied entsenden. Auch die „Rechtsträger der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien“ (ORF-Gesetz 2015) und die Akademie der Wissenschaften (vgl. ORF-Gesetz 2015) entsenden je ein Mitglied. Die restlichen siebzehn Mitglieder bestellt der Bundeskanzler nachdem er Vorschläge von Organisationen und Einrichtungen der Hochschulen, der Bildung, der Kunst, des Sports, der Jugend, der Schüler, der älteren Menschen, der behinderten

Menschen, der Familien, den Volksgruppen, des Tourismus, der Kraftfahrer, der Konsumenten und des Umweltschutzes eingeholt und geprüft hat. Der Publikumsrat ist absichtlich nicht politisch besetzt und Personen mit politischen Funktionen ist eine Mitgliedschaft nicht erlaubt (vgl. ORF Gesetz 2015).

Das dritte zentrale Organ des ORF ist die Generaldirektion, auch die ORF- Geschäftsführung genannt. Sie besteht aus dem ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz, den vier DirektorInnen: Mag. Richard Grasl (Kaufmännischer Direktor), Mag. Kathrin Zechner (Fernsehdirektorin), Mag. Karl Amon (Hörfunkdirektor) und Ing. Michael Götzhaber (Direktor für Technik, neue Medien und Online) sowie den neun LandesdirektorInnen. Der Generaldirektor wird vom Stiftungsrat auf fünf Jahre gewählt und ist unter anderem für die Festlegung der Programmrichtlinien zuständig (vgl. ORF Kundendienst 2015).

Wie bereits an früherer Stelle erwähnt, bildet die rechtliche Grundlage des ORF das ORF-Gesetz in dem die Programmgestaltung sowie der gesetzliche Rahmen für die Sicherung des öffentlich-rechtlichen Auftrages geregelt werden (vgl. Patsalidis 2013, 83).

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Im § 4 Absatz 3 des ORF-Gesetzes wird die Ausgewogenheit des ORF- Programms, die durch den öffentlich-rechtlichen Auftrag bedingt wird, folgendermaßen definiert:

„Das ausgewogene Gesamtprogramm muss anspruchsvolle Inhalte gleichwertig enthalten. Die Jahres- und Monatsschemata des Fernsehens sind so zu erstellen, dass jedenfalls in den Hauptabendprogrammen (20 bis 22 Uhr) in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen. Im Wettbewerb mit den kommerziellen Sendern ist in Inhalt und Auftritt auf die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks zu achten. Die Qualitätskriterien sind laufend zu prüfen.“ (ORF Gesetz 2015)

In diesem Absatz wird deutlich, dass sich der ORF ganz klar von den privaten Anbietern abgrenzen möchte. Dieser Umstand ist nicht nur gewünscht sondern sogar gesetzlich verankert. Die Regelung lässt sich somit genauso auf die Sparte der politischen Diskussionssendungen anwenden und muss in deren Gestaltung deutlich werden. Auf die Qualität der vom ORF produzierten Diskussionsformate lässt folgender Absatz schließen (vgl. Patsalidis 2013 83):

„Insbesondere Sendungen und Angebote in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft haben sich durch hohe Qualität auszuzeichnen“ (ORF Gesetz 2015).

Wie bereits oben erwähnt ist der ORF mit Abstand der größte Medienkonzern Österreichs. Er blieb zwar 2014 erneut unter einer Milliarde Euro Umsatz, ist aber trotzdem noch immer weit größer als die beiden österreichischen Verlagsriesen Mediaprint und Styria zusammen (vgl. derStandard.at 2015).

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Abbildung 3: Medienkonzerne im Überblick- 2015 (derStandard.at 2015)

2.2.2. Der Privatrundfunk in Österreich

Im Gegensatz zum ORF, der das Recht hat Gebühren einzuheben, sind private Medienunternehmen rein auf Werbeerlöse angewiesen. Grundsätzlich wird zwischen kommerziellen privaten und nichtkommerziellen privaten Unternehmen unterschieden. Der Großteil der österreichischen Medienunternehmen tritt kommerziell auf und muss sich demzufolge fast ausschließlich durch Werbeeinnahmen finanzieren (vgl. Lackner/Wippersberg 2004, 19ff.). Wie bereits im obigen Kapitel Marktanteile österreichischer Fernsehsender beschrieben, verteilen sich die Marktanteile der österreichischen Sender beim Publikum über zwölf Jahre im Jahr 2014 wie folgt:

 ORF: 33,5%  ORF eins: 13,3%  ORF 2: 20,2%  ATV: 3%

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 PULS 4: 3,6%  SERVUS TV: 1,5%  Die restlichen über 50% entfallen auf deutsche TV- Anbieter (vgl. ORF Medienforschung 2015) Die beiden größten privaten Rundfunkanbieter in Österreich sind ATV und PULS 4, die sich im Besitz der aus Deutschland stammenden Tele-München- Gruppe (TMG) sowie der ProSieben-Sat.1.-Gruppe befinden. Seit Einführung des dualen Systems in Österreich 2001 mangelt es nicht an gegenseitiger Kritik von Seiten des ORF und der privaten Anbieter (vgl. VÖP 2015).

Die Vertretung der privaten Rundfunkanbieter (VÖP) beispielsweise sieht die kommerziellen Sender ganz klar im Nachteil, da nur der ORF gesetzlich dazu ermächtigt ist, Gebühren für seine Programme einzuheben, resultierend aus seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Dieses Mehr an finanziellen Mitteln würde ihm einen wichtigen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen. Vor allem deshalb, da der ORF trotzdem um entsprechende Kunden am Werbemarkt mitbuhlen darf. Die zentrale Forderung des VÖP ist daher ein fairer Wettbewerb zwischen dem ORF und den privaten Anbietern. Des Weiteren kritisiert sie, dass die Gebührenpflicht jeglicher Legitimationsgrundlage entbehrt, da das entsprechende ORF-Programm laut VÖP nicht den Ansprüchen entspricht, die laut § 4 Absatz 2 des ORF-Gesetzes an ihn gestellt werden (vgl. VÖP 2015).

„In Erfüllung seines Auftrages hat der Österreichische Rundfunk ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anzubieten. Das Angebot hat sich an der Vielfalt der Interessen aller Hörer und Seher zu orientieren und sie ausgewogen zu berücksichtigen. Die Anteile am Gesamtprogramm haben in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu stehen.“ (ORF-Gesetz, 2015)

Diesen hohen Qualitätskriterien kommt der ORF laut der VÖP schon allein deshalb nicht nach, da seine TV-Programme (speziell ORF eins) überaus unterhaltungslastig seien und daher keine Vollprogramme darstellen können (vgl. VÖP 2015). Ein Vollprogramm muss im Gegensatz zu einem Spartenprogramm über den Tag die mannigfaltigen Zielgruppen mit Formaten und Themen bedienen. Das bedeutet alle Interessen der ZuseherInnen sollen im Laufe eines Tages erfüllt werden.

Weitere Forderung der Vertreter der privaten Rundfunkanbieter ist eine Senkung der Werbesteuer (derzeit 5%), da diese ebenfalls einen enormen

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Wettbewerbsnachteil bedeute. Ebenfalls gefordert wird eine Erhöhung der Medienförderung. Der Beitrag, den die privaten Medien innerhalb der publizistischen Meinungsvielfalt leisten, soll geschätzt und werbefinanzierte Privatsender gerade in wirtschaftlich ungewissen Zeiten unterstützt werden (vgl. VÖP 2015). Denn „die Privatsender erbringen immer mehr Programmleistungen von gesellschaftlicher Relevanz, etwa im Bereich Nachrichten, Wahlsendungen oder politischen Diskussionen“ (VÖP 2015).

Gesetzlich wird das österreichische Privatfernsehen durch das „Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste“ (das Privatfernsehgesetz) geregelt (vgl. Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste 2015).

„Zweck dieses Bundesgesetzes ist die Weiterentwicklung des dualen Rundfunksystems durch Förderung des privaten Rundfunks sowie die Weiterentwicklung des digitalen Rundfunks.“ (Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste 2015)

Dieses Gesetz regelt nicht nur die Auswahlkriterien nach denen Frequenzen an private Rundfunkunternehmen vergeben werden, sondern auch die Qualitätsmerkmale, die ein solches zu erfüllen hat. Demzufolge ist in dem Gesetz ein Katalog von Gütekriterien aufgeführt, die ein neuer privater Anbieter am österreichischen Markt sicherstellen muss.

„Der Antragsteller hat zusammen mit dem Nachweis der Zulassungsvoraussetzungen gemäß Abs. 2 glaubhaft zu machen, dass er fachlich, finanziell und organisatorisch die Voraussetzungen für eine regelmäßige Veranstaltung und Verbreitung des geplanten Rundfunkprogramms erfüllt […]“ (Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste 2015)

Ausgeschlossen sind Anbieter audiovisueller Mediendienste welche juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, politische Parteien laut Parteiengesetz sowie der Österreichische Rundfunk (vgl. Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste). Die Möglichkeiten politischer Parteien hier Einfluss zu nehmen werden also klar eingeschränkt. Bedenkt man den durchaus beträchtlichen Einfluss der politischen Parteien auf den ORF, speziell durch den Stiftungsrat, drängt sich die Frage auf, welcher Anbieter eher ein autonomes und unabhängiges Programm garantieren kann, der ORF oder private Anbieter? Die Beantwortung dieser komplexen Frage würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen.

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Im § 30 des Bundesgesetzes über audiovisuelle Mediendienste werden Grundsätze definiert, die von den privaten Medienanbietern bei der Programmgestaltung berücksichtigt werden müssen, um ein qualitätsvolles Programm sicherstellen zu können. Einige davon lauten:

 „Audiovisuelle Mediendienste müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.  Audiovisuelle Mediendienste dürfen nicht zu Hass auf Grund von Rasse, Geschlecht, Religion, Behinderung und Nationalität aufreizen.  Audiovisuelle Mediendienste sollen schrittweise für hör- und sehbehinderte Personen barrierefrei zugänglich gemacht werden.  Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation muss leicht als solche erkennbar sein.  Schleichwerbung, unter der Wahrnehmungsgrenze liegende audiovisuelle kommerzielle Kommunikation sowie vergleichbare Praktiken sind untersagt.  Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht: die Menschenwürde verletzen,  Diskriminierungen nach Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Nationalität, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung enthalten oder fördern;  Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder die Sicherheit gefährden;  Verhaltensweisen fördern, die den Schutz der Umwelt in hohem Maße gefährden;  rechtswidrige Praktiken fördern;  irreführen oder den Interessen der Verbraucher schaden.  […] Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf Minderjährigen weder körperlichen noch seelischen Schaden zufügen (Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste 2015)

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass private Rundfunkanbieter an relativ strenge normative und gesetzliche Vorgaben und Regelungen gebunden sind, welche die wesentlichen gesellschaftlichen Wertvorstellungen widerspiegeln. Daraus lässt sich schließen, dass sie ebenso wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu verpflichtet sind, im öffentlichen Interesse zu handeln und dieses Interesse in jedem Aspekt der Produktion und Gestaltung mitzudenken (vgl. Patsalidis 2013, 90). Gerade in den vergangenen Jahren versuchen die österreichischen Privatsender ernstzunehmender und auch politisch relevanter zu wirken. Das ist wichtig, um einerseits Werbegelder zu lukrieren, besonders von Marken, die in einem seriösen Umfeld inserieren wollen, außerdem natürlich

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um staatliche Medienförderung aus den Privatrundfunkfonds zu bekommen. Diese Neupositionierung des Privatfernsehens begünstigt die Entstehung von neuen Formaten, speziell im Informationssektor (vgl. falter.at 2014) wie z.B. die später beschriebene Politiksendung „Klartext“ von ATV.

Ebenso wie sich durch die Dualisierung der österreichischen Fernsehlandschaft das Programmangebot im Fernsehen radikal verändert hat, so hat sich auch im Bereich der politischen Kommunikation in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen, der ebenso Einfluss auf Diskussionsformate genommen hat. Dies soll im Folgenden Abschnitt näher behandelt werden.

3. Politische Kommunikation

Obwohl das Interesse der Wissenschaft an Fragen über die politische Kommunikation und ihre Auswirklungen auf Politik und Gesellschaft stetig im Wachsen begriffen ist, gibt es nach wie vor „keine einvernehmliche Abgrenzung des Forschungsgegenstandes“ (Jarren/Donges 2002, 15). Dies hat mehrere Gründe, ein Grund ist, dass schon die beiden enthaltenen Begriffe „Politik“ und „Kommunikation“ gesellschaftliche Phänomene bezeichnen, die zu komplex sind, als dass sie sich eingrenzen oder reduzieren lassen. Ein weiterer Grund ist, dass sich viele verschiedene Disziplinen unter Verwendung von differenzierten theoretischen Bezugsrahmen und Forschungsinteressen mit dem Begriff der politischen Kommunikation befassen und dementsprechend auch unterschiedliche Definitionen erarbeiten. Drittens ist die Begrenzung des Forschungsgegenstandes selbst immer auch eine politische Frage, denn jedem Forschungsinteresse liegt immer auch eine normative Grundeinstellung zugrunde, beispielsweise wie die politische Kommunikation aussehen soll (vgl. Jarren/ Donges 2011, 15).

Bei der Definition von Politik stellt sich immer die Frage, wie man das Politische vom Unpolitischen abgrenzt, vor allem da sich das Verständnis davon was unter Politik verstanden wird fortlaufend verändert. Diese Fragen sind immer auch politische Fragen und werden sich nie wertfrei beantworten lassen. Unterschiedlich definiert wird ebenfalls der Begriff Kommunikation. „Das Problem der Eingrenzung des Gegenstands beginnt bereits damit, dass Kommunikation sich sowohl auf einen Prozess wie auch auf das Ergebnis eines Prozesses

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beziehen kann […]“ (Jarren/Donges 2011, 16─18). Auch hier gibt es die unterschiedlichsten Zugänge und Definitionen. Man sieht also, dass sich auch die Definition von politischer Kommunikation als schwierig erweisen kann. Sie ist nämlich nicht nur abhängig von einer Skizzierung von Politik und Kommunikation sondern auch vom historischen Kontext in dem sie definiert wird, ebenso wie von den vorhandenen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen und der vorherrschenden politischen Kultur. Ebenso wichtig für eine Definition ist die jeweilige Sichtweise von der aus politische Kommunikation erforscht wird. Sie kann beispielsweise aus der Sicht der Medien, der Politik oder der Rezipienten betrachtet werden. Einige Beispiele von Definitionen sind (vgl. Jarren/Donges 20011, 19):

„Politische Kommunikation ist „symbolische Interaktion im Zusammenhang bindender Entscheidungen und in Form unterschiedlicher Grade von Öffentlichkeit mit ihren jeweiligen Medien“ (Vowe 2003, 527 in: Jarren/Donges 2011, 20).

„Die Erforschung politischer Kommunikation orientiert sich zumeist an einer der beiden Grundfragen: 1. Auf welche Weise beeinflusst oder bedingt die gesellschaftliche Kommunikation Strukturen und Prozesse der Politik? 2. Auf welche Weise bestimmt oder bedingt Politik die gesellschaftliche Kommunikation?“ (Schulz 2003, 458 in: Jarren/Donges 2011, 20).

„The field of political communication […] encompasses the construction, sending, receiving, and processing of messages that potentially have a significant direct or indirect impact on politics. The message senders or message receivers may be politicians, journalists, members of interest groups, or private, unorganized citizens. The key element is that the message has a significant political effect on the thinking, beliefs, and behaviours of individuals, groups, institutions, and whole societies and the environments in which they exist” (Graber/Smith 2005, 479 in: Jarren/Donges 2011, 20).

Es lässt sich feststellen, dass alle diese Definitionen einen Unterschied zwischen dem politischen Prozess an sich und dem Raum in dem politische Kommunikation stattfindet, machen. Sie gehen also alle davon aus, dass man den politischen Prozess von seiner Darstellung, also der politischen Kommunikation, strikt trennen kann (vgl. Jarren/Donges 2011, 20).

Dem steht entgegen, dass Medien, speziell Massenmedien, nicht nur in Österreich in der Politikberichterstattung einflussreicher sind denn je, denn „in einer Multimediagesellschaft ist die politische Realität zum überwiegenden Teil massenmedial konstruierte und vermittelte Realität“ (Plasser 2010, 7). Die Politik orientiert sich in ihrer Darstellung und Inszenierung an den Präsentations- und

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Aufmerksamkeitsregeln der Medien. In der Medienarena wirbt die Politik um die Zustimmung der ZuseherInnen. Es werden Themen gesetzt, Positionen bezogen und Auseinandersetzungen ausgetragen. Auch manche einflussreiche Medien, wie in Österreich die Kronen Zeitung, können mit ihrer Berichterstattung sogenannte „redaktionelle Politik“ (Plasser 2010, 7) betreiben.

Andere Autoren gehen davon aus, dass politische Kommunikation aufgrund der Wechselwirkungen mit der Politik überhaupt nicht zu definieren sei. „Jeder Versuch, politische Kommunikation zu definieren und damit als wissenschaftlichen Gegenstand zuzurichten, ist also mit deren Grenzenlosigkeit und Hyperkomplexität konfrontiert“ (Saxer 1998, 22 in: Jarren/Donges 2011, 21). Die Herstellung lässt sich nicht von der Darstellung von Politik trennen. Politische Kommunikation ist nicht nur ein Mittel der Politik, sie ist auch ein Teil davon.

Demzufolge sind die politische Kommunikation und das vorherrschende Mediensystem untrennbar miteinander verbunden, denn grundsätzlich werden die massenmediale Politikvermittlung und die Darstellung von Politik durch die Strukturen und die institutionellen Rahmenbedingungen von ihr stark beeinflusst. Für das österreichische Mediensystem charakteristisch ist ein kleinräumiger Wettbewerbsmarkt in dem sich ökonomische und publizistische Machtstrukturen ballen. Es herrscht eine vertikale und horizontale Pressekonzentration in den österreichischen Medien, wie sie in ganz Europa nur annähernd in Irland oder Belgien vorzufinden ist. Diese Konzentration herrscht nicht nur im Printbereich, in dem die Kronen Zeitung als mit Abstand auflagenstärkste Zeitung in Österreich dominiert, sondern auch auf dem Informationssektor von Fernsehen und Radio. Hier hat der ORF trotz Quoteneinbußen, insbesondere die „Zeit im Bild“, eine Monopolstellung bei der politischen Information. Das österreichische Mediensystem zeichnet sich überdies durch einen hohen Interaktionsgrad zwischen redaktionellen und politischen Eliten und einer hohen Steuerungsanfälligkeit des ORF aus (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 19f., in: Plasser 2010). Der Umstand, dass die Politik durch die übermäßige Vertretung im Stiftungsrat Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Sender ausüben kann, wurde bereits im obigen Kapitel näher erläutert. Eine weitere Eigenschaft des österreichischen Mediensystems ist überdies eine ausgeprägte Bereitschaft der Kronen Zeitung, ihre marktbeherrschende Position auszuspielen und publizistisch-politische Macht auszuüben (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 20, in:

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Plasser 2010). Dieser überaus spannende Aspekt wurde bereits vielen Untersuchungen unterzogen und wird nicht Teil dieser Arbeit sein. Im folgenden Kapitel soll der Wandel des politischen Kommunikationssystems in Österreich, den Fritz Plasser und Günther Lengauer 2010 in ihrem Buch „Politik in der Medienarena“ definiert haben, beschrieben werden.

3.1. Der Wandel politischer Kommunikation in Österreich

Viele Studien haben bewiesen, dass es in Österreich und vielen anderen Ländern zu einem Wandel des politischen Kommunikationssystems gekommen ist. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass sich die politische Kommunikation- darunter wird im Anschluss an McNair jegliche Form der Kommunikation politischer Akteure zur Durchsetzung eigener Ziele verstanden (vgl. McNair 2011, 4)- ändert, dann verändert sich auch die Form der Fernsehdiskussionsformate. Es wird also angenommen, dass sich die politische Kommunikation in Österreich im Untersuchungszeitraum verändert hat, und sich deswegen politische Diskussionssendungen ebenfalls in ihrer Form verändert haben. Wechselwirkungen beziehungsweise parallel verlaufende Veränderungen können nicht ausgeschlossen werden und sind deswegen auch Teil der folgenden Untersuchung.

Die Frage was politische Kommunikation überhaupt bedeutet, lässt sich, wie oben bereits beschrieben, nicht leicht beantworten. Wie in vielen anderen sozialwissenschaftlichen Belangen gibt es keine Definition, die uneingeschränkt akzeptiert ist. Für die vorliegende Arbeit soll keine der oben erwähnten, sondern Brian McNairs Definition von politischer Kommunikation verwendet werden. Sie beinhaltet nicht nur die Kommunikation von Politikern in Richtung der Journalisten, sondern auch umgekehrt. McNair geht also davon aus, dass auch Medien politische Kommunikation betreiben und Wechselwirklungen zwischen dem politischen Prozess und der Darstellung desselbigen existieren:

„1. All forms of communication undertaken by politicians and other political actors for the purpose of achieving specific objectives.

2. Communication addressed to these actors by non- politicians as voters and newspaper columnists.

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3. Communication about these actors and their activities as contained in news reports, editorials, and other forms of media discussion of politics” (McNair 2011, 4)

Unter politischer Kommunikation versteht man also laut McNair jegliche Form der Kommunikation politischer Akteure zur Durchsetzung eigener Ziele; Kommunikation, die sich an politische Akteure richtet, sowie die Kommunikation über politische Akteure und deren Tun.

Im Folgenden soll der erste Punkt McNairs behandelt werden, nämlich die Kommunikation politischer Akteure zur Durchsetzung eigener Ziele. In der österreichischen Literatur sind vor allem die Autoren Plasser und Lengauer Vorreiter bei der Untersuchung des österreichischen politischen Kommunikationssystems. Sie ziehen hier speziell die Analyse von Blumler und Kavanagh (1999) heran, die ein Drei-Phasen-Modell entwickelt haben, das sich auch auf Österreich übertragen lässt (vgl. Plasser 2002 o.S. in: Plasser/Lengauer 2010, 20). Anhand dieses Phasenmodells im Kontext einer Untersuchung der Entstehungsgeschichte politischer Diskussionssendungen im deutschsprachigen Raum soll die oben genannte Hypothese untersucht werden. Im Anschluss daran wird der dritte Punkt McNairs, nämlich die Veränderungen der Kommunikation der Medien über die Politik in Bezug auf Österreich näher untersucht werden.

Blumler und Kavanagh (1999) gehen davon aus, dass die erste Phase politischer Kommunikation (pre-moderne Phase) mit den Nachkriegsjahren beginnt und Mitte der 1960er Jahre endet. In dieser Zeit konnte die Kommunikationspraxis als „parteien- und printdominiert“ bezeichnet werden (vgl. Plasser 2006, 526 in: Plasser/Lengauer 2010, 20). Die Mittel der politischen Kommunikation sind vor allem Plakate, die Parteipresse und der Tür- zu Tür- Kontakt. Die Inhalte waren Botschaften mit Substanz unter Heraushebung programmatischer Unterschiede und Appelle an die Treue der StammwählerInnen (vgl. Plasser/ Ulram 2004, 39 in: Plasser 2004). In der Zeit gleich nach dem Zweiten Weltkrieg war das gesamte Medienangebot beziehungsweise auch die Mediennutzung radio- und printorientiert. Mitte der 60er Jahre begann der Aufstieg des Fernsehens als das führende Medium politischer Kommunikation. Zeitgleich schwand die Bedeutung der Parteipresse. Wurden zu Beginn der 1950er Jahre noch halb so viele Parteizeitungen wie Tageszeitungen gedruckt, so waren es 1970 nur mehr ein Fünftel (Plasser/Ulram 2004, 41, in: Plasser/Lengauer 2010, 20). 2010 erreichten

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die verbliebenen Partei-Tageszeitungen nicht einmal mehr zwei Prozent der ÖsterreicherInnen. Gleichzeitig stieg die Zahl der TV-Haushalte innerhalb von sechs Jahren (von 1965 bis 1971) von 33% auf 72% (vgl. Gehmacher 1980, 10 in: Plasser/Lengauer 2010, 20). Heute verfügen, wie bereits an früherer Stelle erwähnt, bereits rund 98% der österreichischen Haushalte über ein Fernsehempfangsgerät (vgl. Patsalidis 2013,14) wie Fernseher, Computer oder Tablet.

Die zweite Phase des österreichischen politischen Kommunikationssystems trat mit Mitte der 1960er Jahre ein und endete um 1980. Der SeherInnenanteil der Zeit im Bild 1 verdoppelte sich, zwischen 1961 und 1966, in der TV-zentrierten Phase von acht auf siebzehn Prozent (vgl. Plasser 2006, 526 in: Plasser/Lengauer 2010, 20). Die Hauptabendnachrichten wurden zu einem wichtigen Informationsmedium der ÖsterreicherInnen. Das Fernsehangebot expandierte weiter, das Internet und die neuen Medien erreichten immer mehr Nutzer und die Versorgung der österreichischen Haushalte mit Kabel- und Satellitenanschlüssen ermöglichte eine Fragmentierung der Mediennutzung. Über 50% des SeherInnenanteils in Österreich entfallen auf ausländische, meist aus der Bundesrepublik Deutschland stammende Fernsehsender. In dieser Phase war die politische Kommunikation vor allem kanditatInnenorientiert. Die Persönlichkeit und die Wahrnehmung des Spitzenkandidaten galten als die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Erreichung von WechselwählerInnen (vgl. Plasser/Ulram 2004, 39 in: Plasser 2004). Diese Entwicklungen bestätigen, dass Österreich in den frühen 1990er Jahren in der dritten Phase der politischen Kommunikation angekommen ist, der multimedialen Evolutionsphase (vgl. Blumler/ Kavanagh 1991 o.S., in: Plasser/Lengauer 2010, 20).

Österreich entspricht dem Typus einer hochentwickelten Mediendemokratie, in der politische, soziale und mediale Realitäten nicht nur zunehmend verschmelzen, sondern sich überwiegend als von Massenmedien und Neuen Medien […] konstruierte und vermittelte Realitäten darstellen. In Summe hat sich das politische Kommunikationssystem Österreichs in den letzten Jahrzehnten von einer parteizentrierten Demokratie zu einer an der Aufmerksamkeitslogik (massen)medialer Politikvermittlung orientierten Mediendemokratie entwickelt (Plasser/Lengauer 2010, 21)

Das Hauptmerkmal dieser Phase ist die Marketingorientierung. Als Mittel werden multimediale Angebote wie Kabel- und Satelliten-TV, Internet, Soziale Medien und Meinungsforschung verwendet. Es kommt zu einer zunehmenden

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Professionalisierung und Spezialisierung der politischen Kommunikation. Die Konkurrenz um die öffentliche Aufmerksamkeit ist härter, nicht nur für die politischen Akteure. Gab es früher die zwei Leitmedien ORF und Kronenzeitung, hat sich, auch durch die Dualisierung des Radio- und TV-Marktes und den Aufstieg des Internets, der Druck auf regionalen und überregionale Medienmärkte erhöht (vgl. Plasser/Ulram 2004, 41-42 in: Plasser 2004).

3.2. Zusammenhang politischer Kommunikation und Diskussionssendungen?

Die Fragen die sich im Folgenden stellen sind: Wie sind Gesprächssendungen und speziell politische Diskussionssendungen entstanden, wie haben sie sich entwickelt und vor allem finden sich Parallelen zu dem von Blumler und Kavanagh (1999) definierten „Drei- Phasen- Modell“? Auch hier muss aufgrund mangelnder österreichischer Literatur auf solche aus der Bundesrepublik Deutschland zurückgegriffen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass viele der genannten Entwicklungen zeitgleich oder mit geringer Verzögerung in Österreich ebenfalls stattfanden.

Ursprünglich kommen die Gesprächssendungen, auch Talkshows genannt, wie so vieles andere auch aus Amerika. Die erste Talkshow wurde dort bereits 1950 entwickelt. In den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts kam es zu einem regelrechten Talkshow-Boom und amerikanische Talkformate waren beliebter denn je. Gleichzeitig begann der Export des Formats nach Deutschland und einige Zeit später auch nach Österreich (vgl. Dörner 2001, 135). Der Autor Hans- Friedrich Foltin (1994) sieht die Entstehung von Diskussionssendungen in Deutschland hingegen bereits in den fünfziger Jahren. Bis Anfang der 1970er Jahre hatten sie ihren Fokus ausschließlich auf politischen Themen und trugen so maßgeblich zur politischen Meinungsbildung der deutschen BürgerInnen bei. Sie waren eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe im politischen Prozess. Ganz zu Beginn stand 1953 der jeden Sonntag von der ARD ausgestrahlte von Werner Höfer moderierte „Internationale Frühshoppen“. Er wurde mehr als 30 Jahre lang ausgestrahlt und bestand jeweils aus fünf JournalistInnen aus unterschiedlichen Ländern (vgl. Foltin 1994, 73ff.). In den 1970er Jahren begann sich das Genre radikal zu verändern. Die elitäre Form, in der sich nur PolitikerInnen und ExpertInnen über ein Thema unterhielten, wurde von einer

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Form abgelöst, die mehr Partizipation der BürgerInnen im politischen Diskussionsraum erlaubte. Die Exklusivität wurde ihm genommen, indem das im Studio anwesende Publikum ebenfalls stärker eingebunden wurde. Es konnte erstmals Fragen stellen und Kommentare oder die eigene Meinung einbringen. Charakteristisch für die Entstehungszeit der Gesprächsrunden waren damals schon der „Live-Charakter“, die Anwesenheit von Saalpublikum und die Vermischung von sachlichen und emotionalen Komponenten (vgl. Tenscher 1999 in: Schicha/Tenscher 2002, 11). In Deutschland waren zum damaligen Zeitpunkt viele Programmverantwortliche des öffentlich-rechtlichen Fernsehens noch skeptisch gegenüber den in Amerika so erfolgreichen unterhaltungsorientierten Talkshows. Trotzdem wurde 1973 erstmals eine explizit- unpolitische, rein aus Prominenten bestehende Talkshow live im Fernsehen übertragen. Anfang der 1980er Jahre waren diese unpolitischen Talksendungen augenscheinlich mehr „Plauderstunden“ als sonst etwas und konnten von Prominenten aus allen Bereichen dazu genutzt werden für sich Werbung zu machen. Das war der Auslöser einer Diskussion über die Verpflichtung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks, grundsätzlich zu informieren und nicht zu unterhalten. Neue Formate und Innovationen fanden im Folgenden für längere Zeit nicht mehr statt (vgl. Schicha/Tenscher 2002, 12). Erst Mitte der 1980er mit der Dualisierung der Fernsehlandschaft kam mit den privaten-kommerziellen Fernsehanbietern wieder mehr Freude am Experimentieren auf. Die privaten Anbieter waren frei vom öffentlich-rechtlichen Auftrag und konnten so neue Formate und Programme entwickeln. Die wirtschaftlich-orientierten Anbieter setzten in ihren neu entwickelten Talkshows auf Entertainment, verbale Auseinandersetzung, Dreistigkeit, Polarisierung, Schlagfertigkeit und Konfrontation und lösten so erneut eine öffentliche Debatte aus (vgl. Foltin 1991 in: Schicha/Tenscher 2002, 12).

„Je nachhaltiger sich die Talkshow als ein eigenständiges, sich von anderen Fernsehformaten unterscheidendes und publikumsattraktives Produkt etablieren konnte, desto stärker beschleunigte sich in den neunziger Jahren schließlich die Ausdifferenzierung verschiedener Subgenres. Nur so konnten an unterschiedlichen Sendeplätzen unterschiedliche Publika- und das heißt für privat- kommerzielle Sender zuvorderst relevante Zielgruppen – erreicht werden.“ (Schicha/ Tenscher 2002, 12-13)

Aus diesen Gründen kam es in den 1990er Jahren zu einem regelrechten Talkshow-Boom, sowohl qualitativ als auch in der Fülle an neuen Formaten. Die

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Angebotspalette an Gesprächssendungen wurde in dieser Zeit stetig größer und das Genre vielfältiger und breiter. So entstanden neben den Late-Night-Formaten auch Versöhnungs-, Jux-, Bekenntnis-, und Thementalkshows. Auch Promi- Talks durften nicht fehlen. Die neuen Talkshow-Typen waren genauso vielfältig wie ihre Zuschauergruppen. Diese Entwicklungen und speziell die quantitative Ausweitung betraf nicht nur die neu entstandenen privat-kommerziellen Sender sondern auch die öffentlich-rechtlichen (vgl. Bente/ Fromm 1997 in: Schicha/Tenscher 2002, 13).

In ihrer Publikation „Talk auf allen Kanälen“ verweisen Tenscher und Schicha ebenfalls auf ein Abflauen des Talkshow-Booms Anfang des 21. Jahrhunderts. Dieses Abflauen betrifft jedoch hauptsächlich die sogenannten Daily-Talks sowie die nachmittäglichen Talkshows mit oberflächlichem Themencharakter. Augenscheinlich führte das Überangebot zu einer Marktsättigung. Die Daily Talks erlebten ihren Höhepunkt fraglos in den 1990er Jahren, konnten speziell bei den neu entstandenen privaten Fernsehanbietern wunderbar gedeihen und verschwanden dann großteils wieder von den Fernsehbildschirmen. Parallel zum Rückzug der Talkformate mit Unterhaltungscharakter „haben sich jedoch bei den öffentlich-rechtlichen Anbietern […] vor allem politische Talkshows […] als stabile Quotenbringer und profilbestimmende Markenzeichen etabliert.“ (Schicha/ Tenscher 2002, 9). Nach dem Verschwinden der Daily Talks erfuhren die politischen Diskussionssendungen jedoch nicht nur in den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Renaissance, auch bei den privaten Anbietern etablierten sich um 1990 ernstzunehmende politische Gesprächsrunden im TV (vgl. Schicha/ Tenscher 2002, 14).

Auch Dörner beschreibt in seinem Buch „Politainment“ die Allgegenwärtigkeit von Gesprächssendungen in der heutigen Fernsehlandschaft. Fast jeder Sender hat ein solches Format im Programm, natürlich jedoch mit unterschiedlicher Herangehensweise und Themen- Sparten. Dörner führt den bereits erwähnten Talkshow-Boom der neunziger Jahre ganz klar auf die Nachfrage des Publikums zurück. Talkshows waren als „Simulation des gegenseitigen Austauschs“ (Dörner 2001, 133) zu jener Zeit von den ZuseherInnen stark gewünscht. In einer Zeit in der Kommunikation, speziell politische, immer mehr über die Massenmedien lief und face-to-face Kommunikation an Bedeutung verlor, ermöglichten Talkshows eine angebliche Partizipation am politischen Geschehen. Nach dem Boom trat

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Mitte der neunziger Jahre eine Übersättigung des Marktes ein, die in eine Konsolidierungsphase Anfang des 21. Jahrhunderts überging (vgl. Schicha/Tenscher 2002, 9-10). Nach der Dualisierung des Fernsehmarktes in Österreich 2001 wurden politische Diskussionssendungen auch im öffentlich- rechtlichen Fernsehen wiederbelebt und etablierten sich in der Medienlandschaft. Einige Jahre später zogen auch die privaten Sender nach und setzten in ihren Politiktalks auf Seriosität und Innovation.

Zusammenfassend lässt sich die Historie und Weiterentwicklung von Gesprächssendungen im Fernsehen wie folgt erfassen: Nachdem das Genre in den 50er, 60er und 70er Jahren (hier herrscht Uneinigkeit in der Literatur) aus den USA importiert wurde, wurde vorsichtig versucht politische Gesprächssendungen auch am deutschen, und noch später auch am österreichischen, Fernsehmarkt umzusetzen. In der Anfangszeit zeichneten sich die Formate speziell durch ihren politisch- elitären Charakter aus. Die Dualisierung des Fernsehmarktes in Deutschland in den 90erJahren und in Österreich Anfang des 21. Jahrhunderts führte zum bereits vielzitierten Talkshow-Boom. Der Wiederum hatte zur Folge dass sich die Formate ausdifferenzierten, sprunghaft vermehrten und einen immer trivialeren Charakter annahmen. Diese Entwicklungen führten zu einer Marktübersättigung und folglich zu einem Rückgang der gesendeten Formate. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts setzten die privaten Sender nach wie vor auf eher nichts sagende und unterhaltende Themen, während die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten weiter ihrer Informationsschiene treu blieben. Aktuell lässt sich jedoch auch bei den privaten Sendern die Tendenz hin zu informativen Diskussionsformaten erkennen. Auch sie setzen vermehrt auf das Info-Segment und versuchen erfolgreich hier mitzuhalten. Auch wenn sich der Erfolg von Talkshows wellenförmig entwickelt hat, so können:

„[…] Gespräche im Fernsehen […] nicht nur als ein kurzfristiges Phänomen der Veränderung der Fernsehlandschaft interpretiert, sondern als augenscheinlicher Indikator tiefer gehender kultureller, medialer und auch politischer Veränderungen angesehen werden, die moderne Gesellschaften in vielerlei Hinsicht prägen.“ (Schicha/ Tenscher 2002, 10).

Vergleicht man diese ersten Entwicklungen nun mit den von Blumler und Kavanagh (1999) definierten „Drei- Phasen- Modell“ wird erkennbar, dass die ersten Talksendungen in der ersten Phase von 1945 bis 1960 entstanden sind.

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In dieser auf Print-zentrierten Phase hatten die Diskussionssendungen einen elitären Charakter und wenig Interaktion mit dem Publikum. In der zweiten von Blumler und Kavanagh definierten TV- zentrierten Phase von Mitte der 1960er bis 1980er Jahre lässt sich bei den Diskussionssendungen eine radikale Veränderung feststellen. Der elitäre Charakter wird von einer Form abgelöst, die mehr Partizipation der BürgerInnen im politischen Diskussionsraum erlaubt. Das anwesende Studiopublikum wird stärker eingebunden und die Nähe zu den ZuseherInnen wird gesucht. Der sogenannte Talkshow-Boom der 1990er Jahre, der darauffolgende Rückgang und die Konsolidierung fallen genau in die dritte multimediale Evolutionsphase. Das Fernsehangebot expandiert weiter, neue Medien treten in Erscheinung, die Politik wird professionalisiert und der Fokus der politischen Kommunikation richtet sich immer mehr auf KandidatInnen und weniger auf Inhalte. Die politische Kommunikation verschob sich auf die Massenmedien, speziell auf das Fernsehen. Talkshows und politische Diskussionssendungen waren eine Möglichkeit zur Partizipation, das erklärt ihren Boom in den neunziger Jahren sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Die Konsolidierungsphase hält nach wie vor an, jeder österreichische Sender außer der ORF hat nur eine politische Diskussionssendung im Programm und nicht mehr. Der ORF produziert derzeit drei solcher Formate, jedoch auf unterschiedlichen Sendern. Die maßgeblichste Veränderung der multimedialen Evolutionsphase bezüglich der Form politischer Diskussionssendungen ist das Aufkommen des Internets 1990 in Österreich. Speziell die neuen sozialen Medien fanden in dieser Phase immer mehr Einzug in die Diskussionssendungen, vor allem in Form der Interaktion mit dem Publikum.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entwicklungen in Deutschland und Österreich ähnlich aber zeitversetzt verlaufen sind. Politische Diskussionssendungen gibt es schon seit den 1950er Jahren und sie passten sich über die Jahre den jeweiligen Anforderungen und dem Zeitgeist an. „Im Zentrum“ ist beispielsweise die Nachfolgesendung von „Offen gesagt“ und hat sich gewissermaßen auch aus dem erfolgreichen „Club 2“ entwickelt. Die Moderatorin Thurnher sieht in „Im Zentrum“ ebenfalls eine Weiterentwicklung von bereits bestehenden Fernsehdiskussionsformaten im ORF. Diese hießen damals „Zur Sache“, „Betrifft“ oder „Contra der Talk“. Früher waren laut Thurnher auch Mischformen aus Reportage, Magazin und Diskussionsformat am

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Sendeprogramm, ein Beispiel wäre die Sendung „Politik am Freitag“ (vgl. Interview mit Thurnher am 23.06.2015), die 1981 das erste Mal auf Sendung ging und als Vorgängersendung für die ORF Sommergespräche gilt (vgl. ORF Kundendienst 2015). In den folgenden Jahren gab es laut Thurnher fließende Grenzen zwischen den Formaten, bis sie dann in den 1990er Jahren einen regelrechten Siegeszug im österreichischen Fernsehen angetreten haben (vgl. Interview mit Thurnher am 23.06.2015). Die Diskussion am Sonntagabend startete 1995 im ORF unter dem Namen „Zur Sache“ und entwickelte sich über die Jahre zu dem heutigen „Im Zentrum“. Im März 2011 ging die auf junges Publikum abzielende Diskussionssendung „Contra- der Talk“, „bei dem der via Videochatfenster auf einer sogenannten Facewall die Zuschauer eingebunden“ (Der Österreichische Journalist 2015) wurden, auf ORF eins auf Sendung. Die Sendung wurde wegen schwacher Quoten bereits nach neun Monaten wieder eingestellt (vgl. Der Österreichische Journalist 2015).

Grundsätzlich lassen sich also bei der Entstehung von Gesprächsformaten eindeutige Parallelen zu dem von Blumler und Kavanagh (1999) definierten „Drei- Phasen- Modell“ erkennen, die Entwicklungen der Formate jedoch sind zu unterschiedlich, um eine allgemeine Aussage für alle treffen zu können. Klar wird jedoch, dass speziell die Dualisierung der Fernsehlandschaft einen wichtigen Einschnitt in die Geschichte politischer Diskussionssendungen darstellt. Vergleicht man die Veränderungen der politischen Kommunikation mit jenen von politischen Diskussionssendungen kann festgehalten werden, dass sie nicht parallel verliefen, sich jedoch Zusammenhänge und Ähnlichkeiten erkennen lassen. Klar wird jedoch, dass sich nicht wie zuerst angenommen die Form politischer Diskussionsformate ändert, wenn sich die politische Kommunikation ändert, sondern dass sich beide am Auftreten neuer Medien orientieren. Mit dem Auftreten und der Verbreitung des Fernsehens passten sich nicht nur die politische Kommunikation sondern auch die Diskussionsformate an. Zu Beginn hatten nur wenige Menschen ein TV-Gerät und die Sendungen einen elitären Charakter. Mit der Entwicklung des Fernsehens hin zu einem Massenmedium öffneten sich auch die Diskussionsformate durch Einbindung des Publikums für eine größere ZuseherInnenschaft. Die politische Kommunikation erfolgte nicht mehr über Parteizeitungen oder Flugblätter sondern auch ganz stark über das Medium Fernsehen.

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Ein erneuter Einschnitt stellte das Auftreten neuer Medien wie des Internets und aktuell sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter dar, die politische Kommunikation als auch die Fernsehformate mussten sich erneut anpassen. Die ZuseherInnen mussten nicht mehr nur integriert werden, sondern es musste ihnen die Möglichkeit gegeben werden zu partizipieren, zum Beispiel durch Mitdiskutieren im Internet. Und auch die politische Kommunikation spielt sich heute zu einem großen Teil in den sozialen Netzwerken ab, kein/e PolitikerIn kommt beispielsweise mehr ohne eine eigene Facebook- Seite aus.

Die Hypothese, dass sich die politische Kommunikation- darunter wird im Anschluss an McNair jegliche Form der Kommunikation politischer Akteure zur Durchsetzung eigener Ziele verstanden (vgl. McNair 2011, 4)- ändert, dann verändert sich auch die Form der Fernsehdiskussionsformate, lässt sich demzufolge falsifizieren. Veränderungen bewirkte ganz klar in jeder Phase das Aufkommen neuer Medien.

In der folgenden Abbildung werden die Phasen politischer Kommunikation im Zusammenhang mit der Entwicklung politischer Diskussionsformate noch einmal graphisch dargestellt.

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Abbildung 4: Zusammenhang Phasen politischer Kommunikation und Entwicklung politischer Diskussionssendungen

3.3. Kommunikation der Medien über die Politik

Die politische Kommunikation von Seiten der Politik an die WählerInnen war in den letzten Jahrzehnten also massiven Veränderungen unterworfen. Diese Veränderungen sind nicht einseitig verlaufen, sondern sind Ergebnisse von Wechselwirkungen. Das Mediensystem beispielsweise reagierte mit einer

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zunehmenden Vermischung von Information und Unterhaltung („Infotainment“), „Boulevardisierung“ und „Talkshowisierung“ (vgl. Plasser/Ulram 2004, 41-42 in: Plasser 2004). Der dritte Punkt von Brian McNairs Definition was politische Kommunikation ist “Communication about these actors and their activities as contained in news reports, editorials, and other forms of media discussion of politics” (McNair 2011, 4), die Kommunikation der Medien über die Politik soll im nächsten Abschnitt in Bezug auf Österreich untersucht werden. Der zweite Punkt, nämlich die Kommunikation, die sich von Seiten der Nicht-PolitikerInnen wie WählerInnen oder KolumnenschreiberInnen in Zeitungen an politische Akteure richtet, soll im Folgenden ausgespart werden.

In vielen Studien, die sich mit langfristigen Veränderungen der redaktionellen Aufarbeitung politischer Ereignisse und Vorgänge beschäftigten, konnte vor allem ein Wandel im Stil und der Qualität der Politikberichterstattung beobachtet werden. Zu den folgereichen Trends zählen dabei:

 „Infotainment“: eine zunehmende Vermischung von Politik und Unterhaltung  Zunahme an „soft news“: Verbreitung von Inhalten durch die Medien ohne direkten Politikbezug  „sportive Darstellung von Politik“: durch die intensive Bezugnahme auf Meinungsforschung wird vor allem die Wahlkampfberichterstattung zu politischen Ereignisabläufen dramatisiert (vgl. Rosenberger/Seeber 2003, in: Plasser 2006, 533).  „meta- politische“ Themen werden interessanter: Die Fragen nach der Strategie oder der Taktik politischer Akteure, speziell im Wahlkampf und in Bezug auf mögliche Koalitionen, werden wichtiger als inhaltliche Problem- und Themenlagen (vgl. Pallaver und Pig 2003, In: Plasser 2006, 553)  „Negativität der Berichterstattung“: die redaktionelle politische Berichterstattung weist einen negativen Grundtenor auf  „Personalisierung und Privatisierung“: Die Berichterstattung fixiert sich auf Spitzenakteure und bleibt dabei weitestgehend kontextlos (vgl. Plasser 2006, 533). Auch in der österreichischen Politikberichterstattung sind Ansätze der oben genannten Trends erkennbar. Wie beispielsweise Pallaver und Pig 2003 in einer Untersuchung der österreichischen Massenmedien und deren redaktionelle

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Politikberichterstattung feststellen konnten. In Österreich zeichnet sich die Nachrichtenlogik durch die folgenden Charakteristiken aus:

„Personalisierung und hochgradige Eliten- Zentrierung“: Ein großer Teil der redaktionellen Berichterstattung (30─40%) setzt sich fast ausschließlich mit Motiven, Handlungen und Aussagen politischer Spitzenakteure auseinander. In Wahlkampfphasen kommt diese Hierarchisierung der Meldungen erfahrungsgemäß noch stärker zum Tragen (vgl. Pallaver/ Pig 2003 in: Plasser 2006, 533). Untersucht man die mediale Darstellung der Persönlichkeitsprofile von SpitzenpolitikerInnen so dominieren mit über 50% die unpolitischen und rollenfremden Eigenschaften vor den rollennahen, politischen Eigenschaften (vgl. Plasser 2006, 533).

„Negativität der Berichterstattung“: Kontroversen stehen im Rundfunk, bei Printmedien und im Fernsehen im Vordergrund, bei Fritz Plassers Untersuchung im Jahr 2003 setzte sich sogar 45% der redaktionellen politischen Berichterstattung mit Konflikten auseinander. Noch dazu kommt eine negative Themendarstellung. Die Untersuchung kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass im besagten Jahr fast die Hälfte der untersuchten Beiträge über politische Vorgänge und Akteure ein negatives Bild gezeichnet. Parteivorsitzende sowie Parlamentsparteien wurden in 70% der Fälle negativ dargestellt. Eine Ausnahme der überwiegend negativen medialen Berichterstattung über politische Akteure stellen die TV-Nachrichten des ORF dar. Dieser enthält sich, wohl aufgrund seines öffentlich-rechtlichen Auftrags, einer expliziten Bewertung der PolitikerInnen (vgl. Plasser 2006, 533). Aber auch bei manchen ORF Moderatoren steht dezenter Sarkasmus auf der Tagesordnung.

„Entpolitisierung und De- Thematisierung der Berichterstattung“: Bereits in den 80er und 90er Jahren wurde ein Trend zur De- Thematisierung in der Politikberichterstattung inhaltsanalytisch nachgewiesen (vgl. Plasser, Sommer und Scheucher 1996 in: Plasser 2006, 533). Im Untersuchungsjahr 2003 dominierten zwar sachpolitische Themen die österreichische Berichterstattung, doch bereits 50% der täglichen „Zeit im Bild 1“ des ORF bestritten chronikale Themen (vgl. Plasser 2006, 533). Unter chronikalen Themen versteht man aktuelle Ereignisse im In- und Ausland wie Morde, Polizeimeldungen, Verkehrsunfälle, Brände, Kuriositäten und so weiter. Im selben Jahr hatte bereits

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jeder zweite „Aufmacher“, eine Überschrift auf der ersten Seite, der österreichischen Tageszeitungen kein, oder nur im weitesten Sinne eine politisches Ereignis zum Thema. Grundsätzlich ist eine Verdrängung tatsächlicher Politikberichterstattung durch sogenannte „soft news“ erkennbar (vgl. Plasser 2006, 533). Unter „soft news“ versteht man im Allgemeinen Nachrichten, die nicht aus den Kernbereichen Wirtschaft, Politik, Kultur oder Sport stammen, sondern vielmehr aus der persönlichen Lebenswelt. Sie beziehen sich meist auf Menschen, haben also einen „human touch“.

Ein weiterer Indikator für die Veränderung der redaktionellen Politikberichtserstattung in Österreich und der Entpolitisierung ist die „Konzentration auf das Image beziehungsweise die Motive politischer Akteure“ (Plasser 2006, 533). Die Beschäftigung mit Sachthemen rückt in den Hintergrund während ereignisbezogene und de-kontextualisierte Politikberichterstattung zunimmt. Ein aktuelles Beispiel wären die zahlreichen medialen Beiträge über die Teilnahme eines Großteils der Regierung am Gottesdienst am 31.08.2015 für die bei dem Flüchtlingsdrama auf der A4 gestorbenen einundsiebzig Menschen. Auch der Besuch einiger Minister und des Bundespräsidenten am 19.08.2015 im Asylerstaufnahmelager Traiskirchen ist zwar im weitesten Sinne politisch, jedoch eher ereignisbezogen als kernpolitisch. Sachpolitische Diskussionen werden meist im Zusammenhang mit solchen ereignisbezogenen Ereignissen, wie oben genannt, dargestellt und danach im Wesentlichen nicht weiter behandelt. Es findet eine episodische Rahmung und keine thematisch-kontextuelle Rahmung statt (vgl. Plasser 2006, 534).

Ein weiterer Indikator ist die „Verknappung der Politikberichterstattung“. Im Jahre 2003 war die durchschnittliche Länge eines Originalton- Statement eines politischen Akteurs fünfzehn Sekunden. Sie sind somit zwar in Österreich noch immer doppelt so lange als in den USA, sind jedoch im Rückgang begriffen (vgl. Plasser 2006, 534).

Der letzte Indikator den Pallaver und Pig in diesem Zusammenhang beobachten konnten, ist die „strategische Interpretativität der Berichterstattung“. Im Untersuchungsjahr 2003 wiesen 20% der Nachrichtenbeiträge der überprüften tagesaktuellen Massenmedien „journalistisch- interpretative- bzw. eindeutig- spekulative Elemente auf“ (Plasser 2006, 534). In Fernsehnachrichten wurde

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dieses Phänomen interessanterweise am wenigsten und in Nachrichtenmagazinen am häufigsten beobachtet. Solche „Was wäre wenn“- Überlegungen genauso wie strategische Kommentierung sind journalistische Stilmittel, die zu einer schon genannten sportiven Dramatisierung beitragen (vgl. Plasser 2006, 534). Das wichtigste Stilmittel des Journalismus ist die Sprache, mit ihr kann Realität geschaffen werden. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein vergleicht beispielsweise die Sprache, und speziell die politische Sprache, mit einem Werkzeugkasten. Darin enthalten sei „ein Hammer, eine Säge, ein Maßstab [sic!], ein Lot, ein Leimtopf und der Leim. Viele der Werkzeuge sind einander in Form und Gebrauch verwandt.“ (Wittgenstein in: Eppler 1992, 130)

Im nächsten Punkt, soll die moderne Politikvermittlung, speziell im Fernsehen, und deren Wandel näher untersucht werden. Politische Diskussionssendungen haben im Kern eine Vermittlung von Politik zur Aufgabe und sind folglich von den unten beschriebenen Entwicklungen massiv betroffen.

4. Moderne Politikvermittlung

Seit den 1990er Jahren lässt sich in ganz Westeuropa ein genereller Wandel in Bezug auf die Politikvermittlung im Fernsehen feststellen, sie wird personenbezogener. In der publizistischen und wissenschaftlichen Debatte wird dieses Phänomen auch als „Talkshowisierung“ der Politik diskutiert (vgl. Sarcinello/ Tenscher 1998 in: Tenscher 2002, 56). Der Begriff und seine Folgen und Ursachen auf die Politikvermittlung im Fernsehen soll im Folgenden behandelt werden.

Die Talkshowisierung umfasst zwei zunächst voneinander unabhängige und später ineinandergreifende Tendenzen, nämlich

„(1) die zunehmenden Möglichkeiten für Politiker zur dauerhaften Telepräsenz auch außerhalb von Wahlkämpfen sowie (2) deren wachsende Bereitschaft […] die sich bietenden unterschiedlichsten Plattformen zu einem Auftritt vor laufenden Kameras- mit allen Chancen und Risiken- zu nutzen.“ (Tenscher/Geisler 2002 in: Tenscher 2002, 56)

Es geht einerseits um die qualitativen und quantitativen Umgestaltungen der Fernsehlandschaft durch Dualisierung und Kommerzialisierung und andererseits um die weichende Angst der PolitikerInnen vor diesen „neuen“ Formaten und die Akzeptanz derselben als Möglichkeiten sich und ihre Politik darstellen zu können.

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Die Talkshowisierung ist hier nur ein Aspekt einer sich wandelnden und modernisierenden politischen Kommunikation. Diese Veränderung der politischen Kommunikation passiert vor dem Hintergrund eines sozialen, politischen und medialen Wandels. Massenmediale Kommunikation hat im Laufe des 20. Jahrhunderts den soziokulturellen Wandel beschleunigt und einen gesamtgesellschaftlichen Modernisierungsprozess eingeleitet, der auch enorm die Politikvermittlung beeinflusst. Primärerfahrungen über Politik werden in den Hintergrund gedrängt und die Identitätsbildung und Alltagserfahrungen durch das Angebot der Massenmedien geprägt (vgl. Tenscher 2002, 55-58).

„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (Luhmann 1996, 9 in: Tenscher 2002, 58). Das Luhmannsche Diktum hat in den vergangenen Jahren sogar noch an Gültigkeit gewonnen. In der „Mediengesellschaft“ werden die traditionellen Interessensvermittlungsorganisationen wie politische Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Verbände etc. im Bereich der Politikvermittlung durch die Massenmedien ersetzt. Weitere in Bezug auf das moderne Kommunikationssystem verwendete Begriffe sind „Amerikanisierung“ und die bereits mehrfach erwähnte „Mediendemokratie“. Unter „Amerikanisierung“ versteht man beispielsweise die zunehmende Professionalisierung in der Vermittlung von Politik, moderne Marketingmaßnahmen sowie Personalisierungstendenzen. Die Politik wird zunehmend als bürgerferner und abseits der Öffentlichkeit stattfindender Prozess wahrgenommen (vgl. Schulz 1997, 186ff. in: Tenscher 2002, 59).

Unter „Mediendemokratie“ versteht man eine Verschiebung der zentralen politischen Informations- und Willensbildungskompetenzen weg von den politischen Parteien hin zu den Massenmedien (vgl. Sarcinelli 1998 in: Tenscher 2002, 59). Symptome dieser Mediendemokratie sind unter anderem das Wegbrechen von traditionellen Konfliktlinien innerhalb der Gesellschaft, die früher einen prägenden Einfluss auf die Wahlentscheidungen und parteiliche Zugehörigkeit der Menschen hatten (vgl. Tenscher 2002, 59). In Österreich wird das an der ehemals starken ideologischen Trennung zwischen den beiden großen Parteien nämlich der SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreich) als Partei der Arbeitnehmer und der ÖVP (Österreichische Volkspartei) als Partei der Arbeitgeber und Bauern deutlich. Die vormals scharfen ideologischen Grenzen

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brechen immer mehr auf und beide Parteien versuchen auch das Klientel des Anderen zu bedienen. Ein weiteres Symptom der Mediendemokratie ist die steigende Zahl an WechselwählerInnen. Politische Akteure sind bei ihrer Suche nach Anerkennung und Legitimation von Seiten dieser „ungebundenen“ WählerInnen mehr denn je auf die Vermittlerfunktion der Massenmedien angewiesen. Die früher so erfolgreichen Kommunikationswege wie Parteizeitungen, Parteiveranstaltungen usw. erreichen aufgrund der schwindenden Mitgliederzahlen sowie der schwachen Parteibindung immer weniger Menschen. Deshalb muss die Politik speziell in Wahlkampfzeiten auf massenmediale Vermittlungsformen zurückgreifen (vgl. Niedermayer 2000, 195, in: Tenscher 2002, 59).

Gerade in den letzten Jahren geht die Politikvermittlung im Fernsehen über den Informationsbereich hinaus und erreicht immer mehr die unterhaltungsorientierten Formate. PolitikerInnen haben Gastrollen in Daily Soaps, „Wetten dass…?“ oder Talkshows. Dieses Phänomen wird auch als „Politainment“ beschrieben, die „Entertainisierung des Politischen“ (Dörner 2001). Es handelt sich um eine Vermischung von Politik und Entertainment garniert mit „populärer Medienkultur (vgl. Dörner 2001, 31). Der Plattform Fernsehen mit seinen vielen gesprächsorientierten Formaten kommt in Hinblick auf die Modernisierung der Politikvermittlung eine besondere Rolle zu. In Bezug auf moderne Politikvermittlung und Politiktalks im Fernsehen muss an dieser Stelle noch einmal auf die „Talkshowisierung des Politischen“ zurückgekommen werden. Wie bereits oben erwähnt, versteht man darunter die wachsende Bereitschaft politischer Akteure sich im Fernsehen, und nicht nur im Wahlkampf- plaudernd, talkend, streitend und vor allem diskutierend zu zeigen. Diskutiert wird vor allem in politischen Diskussions- und Interviewsendungen. Diese behandeln ausschließlich politische Themen, die Gäste sind dementsprechend Akteure aus der Politik oder aus politiknahen Bereichen und die Moderation übernehmen üblicherweise anerkannte und bekannte FernsehjournalistInnen oder PolitikkorrespondentInnen. In diesen Formaten kann die Grenze des klassischen Informationsjournalismus aufgehoben werden. PolitikerInnen schätzen vor allem das Fehlen von missliebigen Kürzungen der O-Töne (aufgenommene Kommentare) sowie journalistische Randbemerkungen. Diesen positiven Aspekten von politischen Diskussions- und Interviewsendungen stehen jedoch

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auch Risiken für die PolitikerInnen gegenüber. Der Ablauf ist beispielsweise nicht vorhersehbar, im Vergleich zu inszenierten Veranstaltungen wie Parteitagen. In Livesendungen wird dieser Unsicherheitsfaktor sogar noch verstärkt. Es findet von Seiten der Politik ein ständiges Abwägen von Chance und Risiko statt. Spannend ist, dass diese Gegebenheiten zu einem Selektionsprozess geführt haben. PolitikerInnen mit Kommunikations-, Medien- und Darstellungskompetenzen spielen in den vergangenen Jahren in der Ausbildung und Rekrutierung politischer Akteure eine immer größere Rolle. Anfang der 90er Jahre war ein regelrechter „Talkshow-Boom“ im Fernsehen zu beobachten und von diesem haben bis heute vor allem PolitikerInnen profitiert, welche in der Lage waren, sich auf die neuen Spielregeln einzulassen und denen von Seiten der Medien und des Fernsehpublikums Popularität und Authentizität zugebilligt wurden (vgl. Tenscher 2002, 59-65). Unbestritten ist, dass sich auch in Österreich in den vergangenen Jahren einiges auf dem Gebiet der poltisch- gesellschaftlichen Diskussionssendungen getan hat, nicht zuletzt bei den privaten Fernsehanbietern. Ganz nach dem Motto „Jeder Sender, der etwas auf sich hält, hat eine Diskussionssendung im Programm“ (Gasteiger 2012,1) schießen neue Sendungskonzepte aus dem Boden der Fernsehlandschaft.

4.1. Politikvermittlungen im Fernsehen

Betrachtet man das Genre der politischen Diskussionssendung, so liegt eine Beschäftigung mit dem Gegenstand der Politikvermittlung im Fernsehen und speziell in Talkformaten nicht fern. Talkshows allgemein und dementsprechend auch jene mit politischem Themenfokus sind zumeist eine Mischung aus einerseits Unterhaltung und Inszenierung sowie andererseits informativen und sachlichen Elementen. Wie sich das auf das Produkt Talkshow auswirkt und welche Mechanismen es bei der Politikvermittlung im Fernsehen gibt, soll im folgenden Kapitel behandelt werden.

„Die öffentliche Darstellung von Politik hat sich in den letzten Jahrzehnten immer stärker in das Medium Fernsehen verlagert.“ (Klein 1989, 64)

Medien sind für demokratische Gesellschaften von enormer Bedeutung da sie den primären Kanal für politische und nicht-politische Informationen darstellen. Aufgrund der technischen und strukturellen Eigenheiten hat das Fernsehen in diesem Kontext eine Sonderstellung. Durch seine Allgegenwärtigkeit zählt es zu

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den wichtigsten Vermittlern von politischer Information innerhalb der Gesellschaft (vgl. Tenscher/ Geisler 2002, 173 in: Patsalidis 2013, 44). Diese Besonderheiten des Fernsehens lassen sich noch mit den Aspekt des uneingeschränkten Zugangs zu Nachrichten, Informationen und Bilden ergänzen. Medien handeln als Informationsmultiplikatoren und bringen durch ihre traditionell große Reichweite den politischen Diskurs in die Mitte der Gesellschaft. Neben der gesellschaftlichen Funktion spielen Massenmedien auch eine wichtige politische Funktion, denn an der Berichterstattung über politische Entscheidungen, Geschehnisse, Veränderungen und Entwicklungen orientieren sich die BürgerInnen einer Gesellschaft und treffen ihre Wahlentscheidung. Um demokratische Strukturen zu erhalten, müssen beide genannten Funktionen ausgeübt werden (vgl. Dörner 2002, 38 in: Patsalidis 2013, 44).

4.2. Politikvermittlung im Fernsehen- Ergebnisse aus Deutschland

Im folgenden Kapitel werden Ergebnisse zur Politikvermittlung im Fernsehen aus der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt. In Österreich wurden bisher keine vergleichbaren Studien durchgeführt und aufgrund der geographischen, kulturellen und sprachlichen Nähe können interessante Ähnlichkeiten zwischen den Fernsehlandschaften und deren Entwicklungen aufgezeigt werden. Nichts desto trotz gibt es natürlich, speziell in der quantitativen Beschaffenheit, große Unterschiede zwischen dem deutschen und dem österreichischen Medienmarkt. Die herangezogenen Untersuchungen liegen zwar schon einige Jahre zurück, in einem Fall fünfzehn Jahre, haben jedoch nichts an ihrer Aussagekraft verloren. Darüber hinaus sind Informationen über diesen Bereich der Medienlandschaft für Privatpersonen außerhalb des Medienbereichs schwer zugänglich. Zunächst wird der Gegenstand der Politikvermittlung im TV behandelt, hier speziell die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern. Hier wird speziell die Bedeutung politischer Diskussionssendungen thematisiert. In einem nächsten Schritt soll dann untersucht werden was sich die ZuseherInnen von politischen Diskussionssendungen erwarten und wie sich die ÖsterreicherInnen über Politik informieren.

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4.2.1. Deutsche Fernsehsender im Qualitätsurteil der Zuseher

Die deutschen Autoren Zubayr und Geese verwenden in ihrer Abhandlung eine Befragung des TNS Infratest Instituts, das im Jahre 2010 eine mündliche Repräsentativbefragung von 3000 Erwachsenen über vierzehn Jahren durchführte. Die Befragung handelte von den Unterschieden zwischen den öffentlich- rechtlichen und den privaten Senderprofilen in Deutschland. Die Qualität der Programmstruktur sowie die Stärken und Schwächen der Sender aus der Publikumswahrnehmung sollten bewertet werden. Die ZuseherInnen sollten also ein Werturteil abgeben, dessen Ergebnisse im Folgenden beschrieben werden (vgl. Zubayr/Geese 2011, 230).

Die von Zubayr und Geese untersuchte Kategorie der Senderbindung wird in der vorliegenden Arbeit vernachlässigt. Der Fokus liegt viel mehr auf den Unterschieden aus Zusehersicht zwischen den privaten und den öffentlich- rechtlichen Sendern und deren Programmprofilen.

Das öffentlich-rechtliche Programm in Deutschland besteht aus dem ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) und Das Erste (auch ARD). Es muss sich, genauso wie in Österreich, immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, sich dem Privatrundfunk, speziell in Gestaltung und Struktur, anzunähern beziehungsweise sich nicht mehr von ihm abzuheben. Aus den Umfrageergebnissen ist laut Zubayr und Geese jedoch abzulesen, dass die deutsche Bevölkerung diese Auffassung nicht teilt. Sie erkennt ganz im Gegenteil nach wie vor gravierende Unterschiede zwischen den beiden großen Akteuren des dualen Fernsehsystems in Deutschland, speziell bei der Informationsleistung. Hier sehen die ZuseherInnen die größten Unterschiede zwischen den Programmprofilen. Den beiden öffentlich-rechtlichen Sendern ZDF und ARD wird mit 70% die meiste Informationsvermittlung zugesprochen. Im Gegensatz dazu behaupten nur 38% der Befragten das über den Privatsender RTL. Die übrigen Privatsender erreichen einen noch geringeren Prozentsatz in der Kategorie Informationsleistung. Die öffentlich-rechtlichen Sender werden zudem bevorzugt bei gesellschaftlich relevanten Ereignissen genutzt (über 50%) und bekommen eine größere Bedeutung im Meinungs- und Willensbildungsprozess zugeschrieben als ihre privaten Konkurrenten. Bei ihnen sind es nur 13%. Auch bei der Anregung zu einer gesellschaftlichen Diskussion

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sowie Weckung des Interesses der BürgerInnen am politischen Geschehen sehen die befragten Personen die öffentlich-rechtlichen Sender klar im Zentrum. In den Kategorien „ausführliche Berichte über Tagesereignisse“, „sachkundige Korrespondenten“ und „schneller Überblick über den Tag“ erreichen sie weit höhere Zustimmungswerte gegenüber den Privaten (vgl. Zubayr/Geese 2011, 231).

Auch die Glaubwürdigkeit ist eine bedeutende Kategorie in dem die beiden öffentlich-rechtlichen Sender Das Erste und ZDF klar die Nase vorne haben. Am Glaubwürdigsten mit 70% ist Das Erste, danach der ZDF mit 63%. Alle Privatsender bewegen sich in der Kategorie Glaubwürdigkeit und Ausmaß des Vertrauens bei rund 20% (vgl. Zubayr/Geese 2011, 233).

Die wohlwollende Bewertung der öffentlich-rechtlichen Sender stößt jedoch an ihre Grenzen, wenn nicht die informierende, sondern die unterhaltende Funktion des Fernsehens zur Sprache kommt (Zubayr/Geese 2011, 233).

Für Entspannung, Ablenkung und Zerstreuung, da sind sich die SeherInnen einig, können die Privatsender jedoch besser sorgen als die öffentlich-rechtlichen Mitstreiter. Allgemein wird das Programm der Privatsender als innovativer, neuartiger und moderner wahrgenommen. Die höchsten Werte in dieser Kategorie weist RTL mit 40─50% auf, gefolgt von ProSieben, Sat.1 und dann Das Erste und ZDF, die beide einen Wert von 20─30% erzielen. Die beiden Autoren kommen zu dem Schluss, dass sich keine signifikanten Profilangleichungen zwischen den deutschen öffentlich-rechtlichen und den privaten Sendern feststellen ließen. Sowohl im Bereich der Unterhaltungs- als auch der Informationsformate (vgl. Zubayr/Geese 2011, 233-234).

„Zusammengefasst bleibt die Informationsleistung im Qualitätsurteil des Publikums […] die große Stärke der öffentlich-rechtlichen Sender. Die Privatsender hingegen vermögen es besser, für Zerstreuung und Ablenkung zu sorgen. Dass die Profile der großen Vollprogramme an Kontur verlieren […] lässt sich aus den Daten dieser Umfrage […] nicht ableiten“. (Zubayr/Geese 2011, 241)

4.2.2. Politikvermittlung im deutschen Fernsehen

Im Folgenden sollen die Ergebnisse einer Erhebung beschrieben werden, welche in einem Untersuchungszeitraum von vier Wochen im Jahr 2000 durchgeführt

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wurde und dessen Gegenstand alle Nachrichtensendungen und Formate mit Politikbezug der Sender Das Erste, ZDF, Sat.1, RTL und ProSieben waren. Ziel war es einen Vergleich zwischen dem Politikangebot des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks anstellen zu können (vgl. Krüger 2002, 77). Die Analyse zeigte deutlich „Vergleicht man den Umfang des Politikangebots bei den Sendern, gilt nach wie vor: Die öffentlich- rechtlichen Hauptprogramme dominieren klar die Politikvermittlung“. (Krüger 2002, 78) Bei den öffentlich- rechtlichen Sendern Das Erste und ZDF entfielen 15─16% der täglichen Sendedauer auf Politik oder politiknahe Themen. Bei den Privaten waren es hingegen nur 2─4%. Berechnet man wie viele Minuten täglich Politikangebot gesendet wird so sind es bei Das Erste 58 Minuten, beim ZDF 53 Minuten, bei RTL 14 Minuten und bei Sat.1 und ProSieben sogar nur jeweils 7 Minuten. Das bedeutet, dass der überwiegende Großteil der Politikvermittlung im deutschen Fernsehen in den öffentlich-rechtlichen Kanälen stattfindet. Es lässt sich also annehmen, dass politisch interessierte Menschen vermehrt diese Sender nutzen, um sich über Politik zu informieren. Umgekehrt bedeutet das, dass PolitikerInnen, die möglichst viele politisch interessierte Menschen ansprechen und erreichen wollen, sich der öffentlich-rechtlichen Kanäle bedienen. In welchen Formaten wird aber politische Information angeboten? Mit 53% entfallen mehr als die Hälfte auf Nachrichtensendungen. Dies erscheint logisch, da so gut wie alle Sender tagesaktuelle Nachrichten im Programm haben (vgl. Krüger 2002, 78-81).

Untersucht man die politischen Diskussionssendungen im deutschen Fernsehen, so lässt sich feststellen, dass bei den öffentlich-rechtlichen Sendern 9 Minuten am Tag und den privaten Anbietern nur zwischen 0─2% täglich auf dieses Genre entfallen (vgl. Krüger 2002, 79).

„Durch ihre umfangreichere Politikdarstellung in Magazinen, monothematischen Dokumentationen, Reportagen und Berichten sowie in Talkshows und anderen Gesprächsformen sorgen ARD und ZDF für eine formale Vielfalt, die bei RTL, SAT.1 und ProSieben in dieser Breite nicht besteht.“ (Krüger 2002, 81)

Die Politikberichterstattung läuft bei den privaten Sendern fast gänzlich über Nachrichtensendungen. Krüger beschreibt, dass man Talksendungen mit Politikbezug während des doch sehr kurzen Untersuchungszeitraums im deutschen Privatfernsehen vergeblich suchen muss (vgl. Krüger 2002, 81). Diese Tatsache lässt sich so nicht auf Österreich übertragen. Obwohl der ORF zwar mit

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„Im Zentrum“ und seinen beiden anderen Diskussionssendungen mit Politikbezug „60 Sekunden Politik“ und „Inside Brüssel“ dieses Genre dominiert, so hat doch jeder österreichische Privatsender zumindest eine solche wöchentliche Diskussionssendung. Die Ergebnisse der Untersuchungen erklären auch, weshalb PolitikerInnen häufiger auf den Sendern ZDF und Das Erste auftreten als auf den Privaten. Da das Zeitkontingent für politisch-gesellschaftlich relevante Themen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen höher ist, können mehr Akteure zu Wort kommen und das ergibt wiederum eine intensivere, ausführlichere und tiefergehende Behandlung der Themen (vgl. Krüger 2002, 81).

4.2.3. Wie urteilen die ZuseherInnen über politische Diskussionssendungen und Magazine?

Im Folgenden wird eine Analyse aus dem Jahr 2002 herangezogen, die eine Repräsentativbefragung mit insgesamt 4000 Interviews als Basis hat. Sie sollte die Bedeutung politischer Diskussionssendungen und Magazine für die deutschen BürgerInnen untersuchen. Vorrangig sollte herausgefunden werden wie und vor allem nach welchen Kriterien das Publikum Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bewertet. Im Zentrum stand die Informationsleistung der Formate mit Politik- Fokus und deren Bedeutung für die ZuseherInnen (vgl. Darschin/ Zubayer 2002, 2010). Auch diese Studie bezieht sich rein auf die Bundesrepublik Deutschland, trotzdem können viele Ergebnisse zum Teil verallgemeinert und auf den österreichischen Fernsehmarkt übertragen werden. In der nachfolgenden Zusammenfassung der Ergebnisse und Erkenntnisse wird das Hauptaugenmerk auf den politischen Diskussionssendungen liegen. Die Ergebnisse zu deutschen Magazinen mit Politikbezug sind für die vorliegende Arbeit nicht relevant und werden daher ausgespart.

Grundsätzlich muss man feststellen, dass das Angebot an Magazinen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland weit größer ist als jenes an Diskussionssendungen. Im Untersuchungsjahr 2002 schauten 48 Millionen Deutsche TV-Magazine und nur 26 Millionen Diskussionssendungen. Interessant ist, dass die meisten Menschen, die Diskussionssendungen konsumieren, dies zusätzlich zu den TV-Magazinen tun, das bedeutet, die beiden Formate

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konkurrieren nicht um das Publikum. Grundsätzlich bewertet das Publikum deutsche Diskussionssendungen durchaus positiv. Menschen über 49 haben meist eine starke Senderbindung und bewerten die Formate des öffentlich- rechtlichen Segments besonders positiv. Jüngere Personen mit einer Vorliebe für die Privatsender bewerten politische Diskussionssendungen deutlich negativer (vgl. Darschin/ Zubayr 2002, 211-212). Die Untersuchung zur Bewertung von Diskussionssendungen wurde in einzelne Unterkategorien untergliedert. Im Folgenden sollen die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen dargestellt werden.

 Prominente Diskussionsteilnehmer, Aktualität der Themen und Pluralität der Meinungen wichtig

Die wesentlichsten Faktoren bei der Bewertung von Diskussionsformaten waren für die befragten Personen prominente beziehungsweise bekannte Diskussionsteilnehmer, ein aktuelles Thema und eine Vielfalt der geäußerten Meinungen innerhalb der Sendung. Anders ausgedrückt: Die perfekte Diskussionssendung muss interessante Gesprächspartner und hochaktuelle Themen vereinen. Wichtig ist auch, dass viele verschiedene Meinungen und Aspekte in der Sendung Platz finden und die eingeladenen PolitikerInnen notfalls gezwungen werden auf die Argumente der anderen Diskussionsteilnehmer einzugehen. Positiv werden auch eine große politische Vermittlungsleistung und ein hoher Informationsgehalt gewertet (vgl. Darschin/ Zubayr 2002, 210-211).

Diese drei Faktoren sind auch, unter anderem, Teil des zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Arbeit angestellten Vergleichs zwischen den österreichischen Diskussionssendungen.

 Politische Diskussionssendungen gelten als unverzichtbar

Für einen Großteil der 4000 Befragten sind politische Diskussionssendungen für die deutsche Fernsehlandschaft unverzichtbar. Kritik an den entsprechenden Formaten wird kaum geübt. In diesem Zusammenhang muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass hier nur die SeherInnen und LiebhaberInnen solcher Sendungen zu Wort kamen. Menschen die Diskussionsformate ablehnen, meiden deren Konsum und sind ihnen gegenüber grundsätzlich negativ eingestellt. Festgehalten muss auch werden, dass viele ZuseherInnen PolitikerInnen unterstellen, nur zum Zwecke der Selbstinszenierung an den

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Diskussionsrunden teilzunehmen. Der Vorwurf gilt jedoch dezidiert den PolitikerInnen und nicht den Diskussionsformaten allgemein (vgl. Darschin/ Zubayr 2002, 210-220). Eine große Mehrheit der ZuseherInnen sieht politische Diskussionssendungen „als Pflichtprogramm für politisch Interessierte und als Sendungen, die einen wichtigen Beitrag zur politischen Diskussion in Deutschland (leisten)“ (Darschin/ Zubayr 2002, 213).

 ModeratorInnen wichtig für Akzeptanz

Nicht nur die Glaubwürdigkeit des Fernsehsenders, sondern auch jene des/der InformationsvermittlerIn ist ein wichtiger Faktor bei der Akzeptanz und Bewertung von politischen Diskussionsformaten. Für den/die ModeratorIn beziehungsweise DiskussionsleiterIn ist relevant, dass sie etwas von Politik verstehen, für jedes Thema bei den ZuseherInnen Interesse wecken können und schlagfertig sind. Für die Bewertung des Publikums sind auch der Moderationsstil, das Auftreten und persönliche Eigenschaften der ModeratorInnen wichtig (vgl. Darschin/ Zubayr 2002, 2013)

 Steigendes politisches Selbstvertrauen

Interessant ist, dass Menschen, die regelmäßig Politiktalkshows konsumieren, ein höheres politisches Selbstvertrauen angeben. 78% der Befragten sind sich sicher, politische Dinge besser zu verstehen und einzuschätzen. Daraus lässt sich schließen, dass KonsumentInnen politischer Diskussionssendungen aktiver politisch partizipieren und am gesellschaftlichen und politischen Alltag teilhaben (vgl. Darschin/ Zubayr 2002, 217).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass politische Diskussionssendungen ein wichtiger Bestandteil der öffentlich-rechtlichen TV-Landschaft sind und von den ZuseherInnen großteils positiv bewertet werden. Klar wird jedoch, dass der persönliche Hintergrund und das grundlegende Interesse an Politik ausschlaggebend für die Nutzung und in Folge dessen auch Bewertung solcher Formate sind.

Diskussionssendungen sind also ein wichtiger Bestandteil politischer Informationsvermittlung. Im Folgenden soll kurz behandelt werden wie sich die ÖsterreicherInnen über Politik informieren.

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4.3. Wie informieren sich die ÖsterreicherInnen über Politik?

Das Medium über das sich die ÖsterreicherInnen am häufigsten über Politik informieren ist das Fernsehen. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage von statista- das Statistik- Portal zu Informationskanälen über politische Themen in Österreich 2014. Häufig über das Fernsehen informieren sich immerhin 49% der ÖsterreicherInnen, gefolgt von Tageszeitungen mit 40% und Radio mit 39%.

(Fast) Häufig Gelegentlich Selten Nie

Übers Fernsehen 49% 30% 12% 9%

Über Tageszeitungen - in Papierform 40% 29% 16% 16%

Übers Radio 37% 31% 18% 15%

Über Tageszeitungen - Online 25% 28% 20% 27%

Über Gespräche mit Freunden, Bekannten, Kollegen oder 22% 45% 20% 13% Familienmitgliedern

Übers Internet (anders als Online- 19% 24% 25% 31% Zeitungen oder Social Networks)

Über Social Networks (Facebook, 12% 15% 19% 53% Twitter,...)

Über Zeitschriften oder Magazine - in 11% 26% 31% 32% Papierform

Über Zeitschriften oder Magazine - 7% 21% 29% 42% Online

Abbildung 5: Über welchen Kanal oder welche Medien informieren Sie sich über Politik in Österreich 2014 (statista 2015)

„Das Fernsehen übernimmt demzufolge die Rolle als wichtigstes politisches Massenmedium und Vermittlungsinstanz zwischen dem politischen System und der Gesellschaft oder, enger gefasst, zwischen dem Politiker und dem Bürger“ (Bußkamp 2002, 21).

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Auch wenn aus der Tabelle hervorgeht, dass das Fernsehen die Hauptquelle politischer Information ist, so bleibt trotzdem fraglich in welchem Ausmaß die ZuseherInnen das Informationsangebot nutzen. Die Fernsehnutzung stieg in den letzten Jahren enorm, während aber die Zuschauerzahlen von Nachrichtensendungen gleich blieben oder im Fall der „Zeit im Bild 1“ sogar zurückgingen, stieg die Nutzung von unterhaltungsorientierten Sendungen. Ein Grund warum das Fernsehen trotzdem so eine große Rolle in der Politikvermittlung spielt, ist seine hohe Glaubwürdigkeit. Obwohl dieser subjektive Eindruck der Seriosität des Fernsehens seit 1985 kontinuierlich abnahm, belegt sie noch immer Platz eins. Gefolgt von Zeitungen und Radio (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 26).

5. Definitorische Eingrenzung und Begriffserläuterung

Bevor ein Vergleich zwischen den politischen Diskussionssendungen im österreichischen Fernsehen angestellt werden kann, sollen im Folgenden noch die wichtigsten Begriffe definiert und relevante Fakten zusammengefasst werden.

5.1. Was ist eine Diskussionssendung?

Politische Fernsehdiskussionen sind ein sehr spezielles Genre von Politik im Fernsehen. Es handelt sich um von ModeratorInnen geleitete, in der Regel live gesendete, meist sich um aktuelle politische Themen drehende, in der Anzahl der Diskutanten begrenzte Gesprächsrunden von Politikern, Experten und Journalisten (vgl. Holly/Kühn/Püschel 1998,1. In: Tenscher 1998, 199). Ergänzt wird diese Definition von Schicha und Tenscher indem sie hinzufügen, dass ein Seriencharakter des Formats, ein oft vorhandenes Studiopublikum und natürlich das Gespräch als Schlüsselrolle für den formalen und inhaltlichen Ablauf der Sendung bestimmt weitere wichtige Merkmale von Gesprächssendungen sind (vgl. Schicha/Tenscher 2002, 10). Fernsehmachern kommen politische Diskussionssendungen insofern entgegen, als dass sie billig zu produzieren sind, eine unterhaltsame Darstellung von Politik ermöglichen (Stichwort Infotainment), den ZuseherInnen verwertbare, neue Informationen zum Thema liefern, einen „human touch“ enthalten, Verhaltensweisen politischer Akteure aufzeigen und

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immer noch vergleichsweise hohe Einschaltquoten liefern (vgl. Holly/Kühn/Püschel 1998,1. In: Tenscher 1998, 199).

Bei einer Diskussion im Vergleich dazu handelt es sich laut der Autorin Ulrike Grässel um „dialogisierende SprecherInnen, die untereinander gleichberechtigt sind, nicht um eine/n EinzelsprecherIn und nicht um unter- oder übergeordnete GesprächsteilnehmerInnen“ (Grässel 1991, 112). Unter gleichberechtigt versteht sie, dass alle TeilnehmerInnen zu jeder Zeit die Chance haben seine/ihre Meinung in der Debatte darzulegen. Diese Chancen können einfach direkt genutzt werden oder durch die Diskussionsleitung vermittelt werden. Eingeschränkt sind die DiskussionsteilnehmerInnen in Fernsehdiskussionen meist durch die Festlegung des Themas, durch denjenigen der die Debatte leitet, sowie die Geübtheit beziehungsweise Ungeübtheit einzelner Teilnehmer und den Umstand einer begrenzten Zeit. Fernsehdiskussionen finden meist im öffentlichen Bereich statt. Hier kommt neben der Diskussionsleitung und den TeilnehmerInnen noch eine dritte Komponente hinzu, das (zumeist) schweigende Publikum. Grässer beschreibt diese als „den Zuhörer für den die ganze Diskussion gedacht ist“. (Grässel 1991, 113).

Für politische Akteure können Diskussionssendungen insofern sinnvoll sein als das sie sowohl eine effektive als auch subtile Form der Selbstdarstellung ermöglichen. Tenscher beschreibt hier die unmittelbaren Einflussmöglichkeiten der politischen Akteure die jene auf die Personal- und Themenauswahl und den Ablauf der Sendung üben können. Diese seien besonders bei öffentlich- rechtlichen Sendern gegeben (vgl. Tenscher 1998, 200). Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass diese angeblichen Einflussmöglichkeiten weniger bei der Themenwahl jedoch bei der Auswahl der Gäste immer wieder zu beobachten sind. Bei einer Sendung eines öffentlich-rechtlichen Senders, gab es beispielsweise viele Telefongespräche mit PolitikerInnen oder PressesprecherInnen in der Zeit der Sendungsvorbereitung in denen immer wieder der Satz fiel „Wenn der und der kommt, komme ich aber nicht“ beziehungsweise „Wenn der oder die nicht kommt, komme ich auch nicht“. Zweiteres jedoch weniger häufig. Diese „Spielchen“ wurden beinahe vor jeder Sendung gespielt und besonders häufig bei innenpolitisch etwas heiklen Themen. In solchen Fällen muss die Letztentscheidung immer beim Sendungsverantwortlichen liegen, inwieweit man sich als Redaktion bei der

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Auswahl der Gäste „erpressen“ lässt, verhandelt, die Sendung ohne diese bestimmte Person macht oder sich für ein anderes Sendungsthema entscheidet. Auf diese politische Einflussnahme auf die JournalistInnen wird in einem eigenen Kapitel noch einmal näher eingegangen.

Interviewsendungen wie „Klartext- der Talk einer neuen Generation“ oder die ORF- Sommergespräche sind Diskussionssendungen in vielen Punkten sehr ähnlich. Hinsichtlich der Kosten, den Erwartungshaltungen der ZuseherInnen und nicht zu vergessen den Selbstdarstellungsmöglichkeiten der zu Interviewenden. Der Unterschied liegt nur in der Gesprächsordnung und der Teilnehmerzahl. Hier diskutieren nicht mehrere TeilnehmerInnen und eröffnen so einen offenen Diskurs, sondern es handelt sich vielmehr um ein starres Frage- Antwort- Schema. Das Gespräch wird auch hier, wie bei Diskussionsrunden, für den/die ZuseherIn inszeniert. Für den Interviewten bietet sich die Möglichkeit ihr/sein Durchsetzungsvermögen und ihre/seine Eloquenz unter Beweis zu stellen, und durch die geschickte Umgehung von Fragen und Retourfragen an den/die JournalistIn selbst in die Rolle des Gesprächskontrolleurs zu kommen. Das Ergebnis dieser scheinbaren Auseinandersetzung zwischen dem Interviewer und dem Interviewten ist ein für die Zuschauerschaft recht spannungsreiches und unterhaltsames „Confrontainment“ (vgl. Holly 1994, 422ff., in Tenscher 1998, 200).

Der/die ModeratorIn hat eine kommunikative Stellung in der Fernsehdiskussion, denn ihm/ihr fällt die Aufgabe zu, das Gespräch zu leiten. Des Weiteren ist es wichtig für eine Ausgewogenheit der Gesprächsbeiträge zwischen den Diskutierenden zu sorgen, so dass jeder von ihnen genug Zeit für seine Argumente hat. Ebenfalls in dessen Verantwortung liegt die thematische Lenkung der Debatte. Er kann den thematischen Ablauf wesentlich steuern, und hat somit eine Sonderstellung inne. Auf der inhaltlichen Ebene stehen die Diskutanten hierarchisch jedoch höher als der Moderator, da sie Experten des jeweiligen Themas und/oder Entscheidungsträger sind (vgl. Brandstetter 2007, 8ff.). In politischen Diskussionssendungen, die oft sehr komplexe Themen behandeln, muss der/die ModeratorIn noch vielmehr als z.B. in Talk-Shows das mitgeteilte Fachwissen der eingeladenen Experten dem Fernsehpublikum zugänglich machen (vgl. Brandstetter 2007, 102). Man erinnere sich nur an die zahlreichen „Im Zentrum“ Sendungen im Sommer 2015 zum Dauerbrenner

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Griechenland, in denen immer wieder hochkomplexe wirtschaftliche Themen von der Moderatorin Thurnher für das Laien-Publikum verständlich gemacht werden mussten.

5.2. Talkformate im österreichischen Fernsehen

„Jeder Sender, der etwas auf sich hält, hat eine Diskussionssendung im Programm. Der ORF macht’s schon seit vielen Jahren am Sonntagabend, derzeit unter dem Titel „Im Zentrum“. Doch auch die Privatsender haben gelernt, dass politische Diskussion ihrem Image und medienpolitischen Standing nicht schadet. Konkurrenz belebt das Geschäft, finden die Verantwortlichen beim ORF und freuen sich über die ambitionierten Redaktionsteams beim Privatfernsehen. Aber wer macht was, warum und wann?“ (Gasteiger 2012,1)

Unter dem vielsagenden Titel „Zeit für gepflegten Streit“ analysierte die Kurier- Journalistin Anna Gasteiger 2012 die heimische Politiktalk-Landschaft. Sie stellt einen Vergleich der damals drei wichtigsten politischen Diskussionssendungen Österreichs an: „Im Zentrum“, „Pro und Contra“ und „Am Punkt“. Die Sendung „Am Punkt“ wurde inzwischen eingestellt und die Nachfolgesendung „Klartext“ aufgrund des anderen Formats in dieser Arbeit nicht untersucht. Aus diesem Grund finden hier nur Gasteigers Bewertungen zu „Im Zentrum“ und „Pro und Contra“ Erwähnung. In dem Artikel handelt es sich um keine wissenschaftliche Untersuchung sondern vielmehr um eine journalistische Erhebung, welche sich genau um die Thematik dieser Arbeit dreht. Sie bietet einen guten Überblick über die untersuchten Formate und soll deshalb an dieser Stelle ihren Platz finden.

„Ein paar Leute sitzen im Kreis und reden eine Stunde lang über Politik. Klingt langweilig – ist es oft auch. Und manchmal auch großes Kino: […] Und im Idealfall spannendes, anspruchsvolles Programm für interessiertes Fernsehpublikum.“ (Gasteiger 2012, 1)

Gasteiger beschreibt die Formate anhand der Kategorien „Das Konzept“, „Die/Der ModeratorIn“, „Die Themen“, „Die Gäste“, „Die Quoten“, „Der Anspruch“ und schließt mit einer zusammenfassenden Bewertung (vgl. Gasteiger 2012, 1).

Das Konzept der ORF-Sendung „Im Zentrum“ klassifiziert Gasteiger als „konfrontative Diskussion über Partei- und Gesellschaftspolitik“ (Gasteiger 2012,1). Die PULS 4 Sendung „Pro und Contra“ beschreibt Gasteiger als BürgerInnentalk. Die Sendung hat sich seit Gasteigers Untersuchung weiterentwickelt. ZuseherInnenbeteiligung wird großgeschrieben. So können Fragen nicht nur während der Sendung aus dem Publikum gestellt werden, sondern auch im Vorfeld oder währenddessen über soziale Netzwerke wie

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Twitter oder Facebook. Die Moderatorin agiert als Vermittlerin zwischen ZuseherInnen und DiskustantInnen und stellt sicher, dass die gestellten Fragen beantwortet werden.

In der Kategorie „Moderation“ hält sich Gasteiger kurz und nennt nur die Namen der jeweiligen Moderatorinnen Ingrid Thurnher (ORF) und Corinna Milborn (PULS 4) (vgl. Gasteiger 2012, 2).

Der Aspekt der gewählten „Themen“ wird breiter erfasst und verdient auch nähere Betrachtung. Bei „Im Zentrum“ stand früher „oft Parteipolitik im Vordergrund, in den letzten Jahren wurde das Format breiter“ (Gasteiger 2012,1), bei „Pro und Contra“ werden hingegen „von knallhart politischen bis hin zu weicheren Themen“ (Gasteiger 2012, 2) viele unterschiedliche Bereiche behandelt. Beim ORF hingegen ist das Feld an Themen zwar breiter, es werden jedoch größtenteils „hochpolitische“ beziehungsweise „wirtschaftliche“ Themen behandelt, während hingegen bei PULS 4 auch gesellschaftliche „Soft-Themen“ ihren Platz finden.

Besonders spannend ist die Kategorie der „Gäste“. In der Redaktion von „Im Zentrum“ erfolgt die Auswahl der Gäste themenspezifisch (Gasteiger 2012, 2). Jeder relevante Aspekt soll besprochen und jede Seite soll gehört werden. Die politische Ausgewogenheit ist Voraussetzung. Auch sollten die Gäste, besonders Experten, klarerweise „Talker“, das heißt fernsehtauglich sein und bestenfalls zum diskutierten Thema bereits etwas publiziert haben. PULS 4 hingegen ist es wichtig, die politisch verantwortlichen Akteure ins Studio zu bekommen. Ähnlich wie bei „Im Zentrum“ ist es ihnen wichtig ein klares Pro und Kontra in der Diskussionsrunde zu erreichen (vgl. Gasteiger 2012, 2).

Das Setting der beiden Formate ist laut Gasteiger unterschiedlich, wurde „Im Zentrum“ ja damals noch aus dem Foyer des ORF-Zentrums gesendet. Heute senden sie aus einem Studio, das demjenigen von PULS 4 nicht unähnlich ist. In beiden Sendungen sitzen die Gäste links und rechts der Moderatorin auf gepolsterten runden Hockern. Auch die Anordnung der Gäste ist ähnlich, die Gäste mit ähnlichen Meinungen sitzen sowohl beim ORF als auch bei PULS 4 wenn möglich nebeneinander. Gleich ist auch die Anwesenheit von Publikum, das kreisförmig um die Diskussionsrunde angeordnet ist.

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Betrachtet man die Quoten, so liegt „Im Zentrum“ mit durchschnittlich 20% Marktanteil klar voraus (vgl. ORF Kundendienst 2015). Bei PULS 4 ist mit einem Marktanteil von 5% noch Platz nach oben (vgl. Gasteiger 2012, 2). Die Quoten sind je nach Themen und Gästen immer großen Schwankungsbreiten unterworfen.

Gasteigers Recherchen zufolge will „Im Zentrum“ die „Bühne sein, wo der wichtigste Talk der Woche stattfindet“ (Gasteiger 2012,1) und „Pro und Contra“ „lebendiger als die anderen“ (Gasteiger 2012, 3) sein (vgl. Gasteiger 2012, 3). Die zusammenfassende Meinung der Journalistin ist, dass „Im Zentrum“, dem Diskussions-Flaggschiff des ORF, eine Profilschärfung gut täte und charakterisiert PULS 4 als „härter und rotziger als die Konkurrenz- die jungen Wilden“(Gasteiger 2012,3).

Gasteiger zeigt in ihrem Artikel gut die Relevanz politischer Diskussionssendungen in der österreichischen Medienlandschaft auf. Die Konkurrenzsituation und der Quotendruck zwischen den TV-Sendern steigen mit dem wachsenden Angebot an Politiktalks. Demzufolge ist Gasteigers Untersuchung für den Kontext der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit von großer Relevanz.

5.3. Nicht behandelte Diskussionssendungen

Es gibt in Österreich auch noch andere Politik-Talks, sowohl vom ORF als auch von privaten Medien, die jedoch in dieser Arbeit nicht herangezogen werden. Trotzdem soll im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden.

Seit 2011 gibt es auf dem Spartensender ORF-III den Politiktalk „Inside Brüssel“ moderiert von Peter Fritz. Der Brüsseler ORF-Büroleiter sendet als Gastgeber jede Woche live aus dem EU-Parlament. Er folgt Raimund Löw nach der nun das ORF- Büro in Peking leitet. Jeden Donnerstag um 21:00 Uhr wird mit EU- Abgeordneten und europäischen Medienvertretern live über europäische Politik diskutiert. Die ZuseherInnen sollen so einen tiefen Einblick hinter die Kulissen des EU-Betriebs bekommen. Zwischendurch werden, wie auch bei „Im Zentrum“, Beiträge wie z.B. Kurzreportagen zu wochenpolitischen Ereignissen, die Europa bewegt haben, gezeigt. Laut Peter Fritz soll die Sendung Klarheit schaffen wie das europäische System funktioniert, welche Auswirkungen Entscheidungen auf

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EU-Ebene auf Österreich haben und welche Probleme und Schwächen es hat. Zum ersten Mal wurde „ Inside Brüssel“ am 27. Oktober 2011 auf ORF III ausgestrahlt, damals noch unter der Moderation von Raimund Löw. Von Peter Fritz stammen auch die Idee und das Konzept zur Sendung. Das Genre unter dem die Informationssendung läuft ist Talkshow beziehungsweise EU-Magazin mit einer Länge von 45 Minuten. Verglichen mit „Im Zentrum“ aber auch „Pro und Contra“ und „Der Talk im Hangar 7“, weist „Inside Brüssel“ eine geringere Reichweite und weniger prominente Gäste auf. Da es ein rein EU-spezifisches Format ist, ist es für die vorliegende Untersuchung zu vernachlässigen (vgl. ORF III Kultur und Information 2015) (vgl. APA OTS 2015).

Eine weitere Diskussionssendung, ebenfalls auf ORF III ist „60 Minuten Politik“. Die von ORF- Chefredakteur Christoph Takacs und einem wechselnden Gastmoderator aus den Printmedien moderierte Sendung wurde 2013 das erste Mal ausgestrahlt und sendet seither wöchentlich jeden Donnerstagabend gegen 22.30 Uhr, mit einer Länge von 60 Minuten aus dem Österreichischen Parlament. Der zentrale Gedanke des Formats ist es, den politischen Entscheidungsträgern über brisante politische Themen der vorangegangenen Woche das Wort zu erteilen. Eingeladen werden sechs Gäste, unter anderem Klubobleute, ParlamentspräsidentInnen und BereichssprecherInnen. Die sechzig Minuten in denen Argumente ausgetauscht und politische Handlungsweisen erklärt werden, sind nicht geschnitten und werden ohne Unterbrechung aufgezeichnet (vgl. ORF III Kultur und Information). Ebenso wie „Im Zentrum„ und „Inside Brüssel“ ist dieses Format also live. Die Sendung „Pro und Contra“ hingegen wird aufgezeichnet und eine Stunde später gesendet. Gedreht wird im Pressezentrum des Österreichischen Parlamentes. Das Selbstverständnis des Sendeformats ist es, authentische politische Informationen zu geben sowie durch die umfassende öffentliche Information die direkte Demokratie zu fördern. „Näher dran an den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Österreich“ (ORF III Kultur und Information 2015), das möchte die Politikdiskussionssendung bieten. Ein politischer Wochenabschluss, der die relevanten Themen der vergangenen Woche zusammenfasst und auf den Punkt bringt.

Ein weiterer Politiktalk im österreichischen Fernsehen ist „Klartext - mit Martin Thür - der Talk einer neuen Generation“ von dem Privatsender ATV. Die Sendung folgte dem Politiktalk „Am Punkt“ nach, die im Mai 2014 eingestellt wurde.

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Inzwischen gingen bereits zwei Staffeln auf Sendung, die dritte kommt im Herbst 2015. Das Format ist keine klassische Diskussionssendung in der mehrere PolitikerInnen und ExpertInnen an einem Tisch sitzen und über ein Thema sprechen, es sind vielmehr Einzelinterviews zwischen ATV-Journalist Martin Thür und den wichtigsten Köpfen Österreichs. Pro Ausgabe, die gut eine halbe Stunde dauert, sind es meist bis zu drei InterviewpartnerInnen, alle zum selben Gegenstand. Die einzelnen Gespräche dauern im Schnitt fünf Minuten und sind im Anschluss an die Sendung auch auf Youtube zugänglich. Hier kann man sich entweder die ganze Sendung oder nur die einzelnen Clips ansehen (vgl. falter.at 2014). Ein bisher unbekanntes Konzept und auch der Grund warum die Sendung in dieser Arbeit nicht näher behandelt wird. Ein Vergleich ist nur zwischen möglichst ähnlichen Formaten möglich, und da bei „Klartext“ keine Diskussion zustande kommt ist es nicht mit den untersuchten Formaten zu vergleichen. Nichts desto trotz mischt die Sendung am österreichischen Informationsmarkt mit und ist eine nähere Betrachtung wert. Sie soll immer montags um 22.20 Uhr die Woche quasi eröffnen. Dieselbe Sendezeit wählte „Pro und Contra“, es konkurrieren dementsprechend Montagabend zwei Privatsender um die Aufmerksamkeit des Publikums (derStandard.at 2014). „Klartext“ ist nicht live, als Grund nennt Martin Thür den Umstand, dass in Livesendungen PolitikerInnen permanent absagen würden, da sie angeblich keine Zeit hätten. Eine Studiodiskussion wollte er nicht machen, da der Inhalt da oft untergehe so Thür. „Wer laut ist und drüberfahren kann, tut sich oft leichter als etwa ein stiller Wissenschaftler. Der kommt dann kaum zu Wort.“ (Martin Thür 2014 in: falter.at 2014). Das Format hat auch seine Schwächen, da die Interviews immer nur fünf Minuten dauern, ist es schwer in die Tiefe zu gehen, die Gefahr besteht, an der Oberfläche zu bleiben und nur die üblichen Standardsätze der PolitikerInnen liefern zu können (vgl. falter.at 2014). Trotzdem erreichte die erste Staffel im Schnitt 56.000 ZuseherInnen. Martin Thür, der seit 2002 für die ATV-Nachrichten tätig war und das Format entwickelt hat, ist sicher nach dem erfolgreichen Start mit "mehr Kameras, mehr Zeit und mehr weiblichen Gästen" (Martin Thür 2015, in: Kurier.at 2015) im Herbst weiter durchzustarten (vgl. Kurier.at 2015).

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5.4. Wer wird eingeladen?

Welche Kriterien muss ein Mensch erfüllen, um in eine politische Diskussionssendung im Fernsehen eingeladen zu werden? Mit dieser Frage hat sich das deutsche Datenanalyse-Büro "Dacosto" beschäftigt nachdem der CDU- Politiker Wolfgang Bosbach mit neun Auftritten in vier Sendungen innerhalb eines Jahres zum am häufigsten eingeladenen Gast 2014 wurde. Untersucht wurden vier große Polit-Talks Deutschlands: „Anne Will“ (ARD), Mybrit Illner“ (ZDF) „Günther Jauch“ (ARD- wird Ende 2015 eingestellt) und „Hart aber fair“ (ARD). An zweiter, dritter und vierter Stelle kamen ebenfalls männliche Politiker. Erst der fünfte Platz ging an eine Frau, Sahra Wagenknecht (Die Linke). Ausgewertet wurden 164 Sendungen mit insgesamt 826 Gästen. Ein viel spannenderes Ergebnis der Untersuchung war jedoch, dass Männer doppelt so häufig eingeladen wurden als Frauen. Der Frauenanteil in den Politik-Talks lag 2014 überhaupt nur bei 28%. Weniger überraschend die Tatsache, dass 37% der Talkgäste PolitikerInnen waren, am häufigsten Unionspolitiker. Durchschnittlich war der Talkgast 54,8 Jahre alt und das Top-Thema des Jahres 2014 war mit insgesamt siebzehn Sendungen der radikale Islam, gefolgt von Wladimir Putin und dem Ukraine- Konflikt (vgl. Spiegel.de, 2015).

Es lässt sich also festhalten, dass ein männlicher CDU- Politiker um die 50 die besten Chancen hat in eine deutsche Polit-Talkshow eingeladen zu werden. Der geringe Frauenanteil innerhalb der Talkrunden lässt sich auch in Österreich nicht übersehen. Gibt es doch immer wieder Themen, bei denen die beiden weiblichen Moderatorinnen Thurnher und Milborn allein oder bestenfalls mit einer anderen Frau im Studio sitzen. Das haben die beiden untersuchten politischen Fernsehdiskussionen in jedem Fall gemein. Gründe könnten der geringe Frauenanteil in der Forschung, im Hochschulbereich und auch in der Politik sein. Und das sind genau jene Bereiche aus denen die Gäste für Fernsehsendungen bekanntermaßen akquiriert werden. Die Moderatorin der ORF-Sendung „Im Zentrum“ sieht die Schwierigkeit vor allem darin Frauen zum Mitdiskutieren zu animieren. Besonders bei heiklen Themen z.B. über die Finanzwirtschaft, den Ukrainekonflikt oder Europäische Politik ist es laut Thurnher schwer, Frauen als Diskutantinnen zu gewinnen. Sie betont auch, dass die Verteilung von Männer-

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und Frauenrollen in der „wirklichen Gesellschaft“ und speziell in politischen oder wirtschaftlichen Funktionen nach wie vor unausgewogen ist. Thurnher kann mit der Besetzung ihrer Diskussionssendung „Im Zentrum“ diese Tatsache nur in sehr geringem Ausmaß ausgleichen oder verändern. Für sie ist es wichtig Gäste mit der größtmöglichen Kompetenz und Entscheidungsgewalt zu haben. „Also warum fragt man sich dann selber soll ich die dritte Stellvertreterin nehmen nur weil sie eine Frau ist wenn ich den Chef haben kann?“ (Interview mit Thurnher am 23.06.2015). Bei der Einladungsentscheidung werden Frauen nicht bevorzugt behandelt, sondern die bestmöglichen Gäste eingeladen, und es ist schön wenn diese Frauen sind. Thurnher ist davon überzeugt, dass es nicht die Aufgabe der Medien sein kann, oder zumindest nur zu einem gewissen Grad, etwas zu korrigieren was die Politik bzw. die Wirtschaft nicht zustande bringt. „Das kann ich nicht. Selbst mit noch so gefinkelter Einladungspolitik kann ich das nicht zurechtrücken dieses Bild.“ (Interview mit Thurnher am 23.06.2015). Für sie liegt es jedoch auch zu einem großen Teil im Charakter der Frauen selbst (vgl. Interview mit Thurnher, 23.06.2015)

„Wenn wir eine Frau anrufen und sie fragen ob sie bei uns diskutieren will, fallen ihr furchtbar viele Gründe ein warum sie das nicht tun will, wenn wir einen Mann anrufen, sagt er ja ich komme gern, um welches Thema geht es denn?“ (Interview mit Thurnher, 23.06.2015).

Als Gründe warum die eingeladenen Frauen die Einladung ablehnen, nennt Thurnher Kinderbetreuungspflichten und Unsicherheit in Bezug auf das zu diskutierende Thema. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Thurnher zwei Gründe für den geringen Frauenanteil in den untersuchten politischen Diskussionssendungen sieht. Erstens den ebenfalls geringen Anteil an Frauen in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft sowie zweitens das geringe Selbstbewusstsein bezüglich der eignen Kompetenz im speziell diskutierten Fachgebiet.

6. Spannungsfeld Politik und Journalismus

Einen anderen besonders interessanten Aspekt brachte ebenfalls die Moderatorin der ORF2-Sendung „Im Zentrum“ Ingrid Thurnher in die Untersuchung ein. Sie bedauert, dass vor allem die zunehmende politische

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Blockade ihre Arbeit als Journalistin erschwere und die Spannungsintensität zwischen der Politik und den Redaktionen erhöhe.

„Politische Einflussnahme funktioniert zum Beispiel durch Diskussionsverweigerung. Wenn zum Beispiel eine bestimmte politische Partei nicht möchte, dass ein bestimmtes Thema bei uns in einer Sendung diskutiert wird, dann gibt’s halt einfach einen Maulkorb oder so. Dann darf halt niemand oder will plötzlich niemand mehr von dieser Partei kommen und damit wird das verhindert“ (Interview mit Thurnher am 23.06.2015).

Ähnliches beschreiben auch die Autoren Plasser, Lengauer und Meixner in ihrem 2004 veröffentlichten Buch „Politischer Journalismus in der Mediendemokratie“. Rund drei Viertel der von ihnen befragten Politikredakteure gaben an, das Verhältnis zwischen PolitikerInnen und JournalistInnen sei in den letzten Jahren konfliktreicher und schwieriger geworden. Und sogar über 90% der innenpolitischen RessortleiterInnen waren dieser Ansicht, wobei kein einziger von ihnen kooperativere Tendenzen beobachten konnte. Grund dafür ist aus Sicht der befragten JournalistInnen eine „defizitäre Streit- und Konfliktkultur“ der politischen Eliten (Plasser/Lengauer/Meixner 2004, 291, in: Plasser 2004). Als Beispiele hierfür wird Kritikverweigerung, eine mangelnde Bereitschaft auf kritische Fragen der JournalistInnen einzugehen, die Verweigerung von Antworten, unkooperatives Verhalten und Angriffe auf die Integrität der verantwortlichen RedakteurInnen genannt. Ein weiteres Problem sei die Vermengung privater und professioneller Beziehungen zwischen JournalistInnen und PolitikerInnen. Diese befinden sich in einer Symbiose, also einem wechselseitigen Vorteilsgewinn, der Tausch von Informationen gegen Publicity. Gerät diese Beziehung jedoch aus dem Lot, kann es zu persönlichen und emotionalen Konflikten führen. Eine beschriebene Taktik der Politik sei es, laut den befragten ReporterInnen, ausgewählte JournalistInnen zu bevorzugen und missliebigen oder als „gegnerisch“ eingestuften Informationen zu verweigern. Politische Spitzenakteure und deren BeraterInnen sind des Weiteren laut den JournalistInnen immer weniger dazu bereit einen kritischen und autonomen Journalismus zu akzeptieren. Vor allem in einem der zentralsten Formen politischer Kommunikation, dem Interview, noch schlimmer dem Live-Interview, geht den meist jahrelang in der Kommunikation trainierten Interviewten die Möglichkeit abhanden, die Situation vollends zu kontrollieren und sich selbst in Szene zu setzen.

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Legendär wurde das Interview Jeremy Paxmans 1997 mit dem früheren britischen Innenminister Michael Howard. Der Starmoderator der BBC- „Newsnight“ stellte dem Politiker in einem einzigen Interview ein und dieselbe Frage zwölf Mal hintereinander. (vgl. Wolf 2007b, 275, in: Filzmaier/Plaikner, Duffek 2007). Das Selbstbewusstsein der JournalistInnen wächst, wie Michael Haller in seinem Werk „Das Interview. Ein Handbuch für Journalisten“ feststellt. Der Journalist von heute „will (…) nicht mehr nur Empfänger offiziöser Mitteilungen oder nur Multiplikator von Depeschen sein, sondern selbst auf die Beantwortung wichtiger oder vermeintlich wichtiger Fragen dringen“ (Haller 2001, 25). Von Politikerseite werden daher immer häufiger Interviews verweigert. Passt das Thema des Interviews nicht in die eigene Kommunikationsstrategie oder ist es zu gefährlich, die letztlich unberechenbaren Fragen des Journalisten zu beantworten, wird die Kommunikation oft schlichtweg verweigert (vgl. Wolf 2007b, 277, in: Filzmaier/Plaikner, Duffek 2007). Ein gutes Beispiel bietet hier die Fehde zwischen dem ORF- Starmoderator Armin Wolf und dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann. Fayman kam vom Sommer 2012 bis Anfang 2015 in keine der von Wolf moderierten ZIB 2-Sendung. Die ZIB 2 (Zeit im Bild) ist die Nachrichtensendung des ORF täglich um 22:00 Uhr. Später kam der Bundeskanzler nicht wie andere PoltikerInnen ins ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg sondern die Fragen wurden im Vorhinein im Kanzleramt aufgenommen und später eingespielt.

„Durch gezielte Informationsverweigerung journalistische Recherchen zu unterbinden, Einladungen zu einem Studiogespräch abzulehnen, Ersuchen um einen Interviewtermin zu ignorieren wie stereotypes Herunterspielen einer aktuellen Problem- oder Krisensituation“ (Plasser/Lengauer/Meixner 2004, 294f., in: Plasser 2004) sind nur ein paar der Varianten einer defensiven Nachrichtensteuerung durch die Politik. Führende JournalistInnen bemerken immer öfter eine erhöhte Intensität in den Versuchen politischer Akteure auf die tagesaktuelle Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Weitere Beispiele sind ein Überangebot von Pressekonferenzen und arrangierten Ereignissen, knappes Zusammenlegen von Ereignissen, um eine ausführliche Recherche zu erschweren und stetige De- Thematisierungsversuche unerwünschter Themen. Unter weniger defensive Interventionsversuche fallen Anrufe beim Chefredakteur/ bei der Chefredakteurin das Androhen von Konsequenzen und Versuche die Neu- und Umbesetzungen

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redaktioneller Positionen zu beeinflussen. Überproportional betroffen sind hier vor allem JournalistInnen aus TV- und Hörfunkredaktionen. Als Folge werden JournalistInnen vermehrt gezwungen, sich auf Verhandlungen mit politischen Eliten einzulassen um überhaupt journalistisch verwertbare Informationen zu erhalten (vgl. Plasser/Lengauer/Meixner 2004, 295f., in: Plasser 2004)

Abbildung 6.: Praktiken der Einflussnahme politischer Akteure auf die tagesaktuelle Berichterstattung aus Sicht der redaktionellen Eliten (Plasser/Lengauer/Meixner 2004, 296)

Diese Tauschgeschäfte sind vor allem deshalb wichtig, da eine verstärkte Reichweiten- und Auflagenorientierung in den Medien feststellbar ist. In der kleinräumigen Medienlandschaft Österreichs ist der Exklusivitätsanspruch ein zentraler Wettbewerbsvorteil. Die Abhängigkeit von politischen Eliten und deren Informationsangebot wird durch Stressfaktoren, Zeit- und Aktualitätsdruck sowie technischen Produktionszwängen sogar noch erhöht. Für ausführliche Eigenrecherchen bleibt immer weniger Zeit. Eine schon seit Jahren prekäre Personalsituation, in der immer mehr junge und dementsprechend weniger erfahrene JournalistInnen eingesetzt werden, erhöht die Gefahr unkritischer

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Berichterstattung. JungjournalistInnen verfügen über weniger Routine, professionelles Selbstvertrauen und die nötigen Sachkenntnisse, um die politischen Akteure und vor allem deren Informationsangebote herauszufordern und kritisch zu prüfen (vgl. Plasser/Lengauer/Meixner 2004, 297, in: Plasser 2004).

Eine andere Theorie stellt Thomas Meyer in seinem Buch „Die Unbelangbaren“ (2015) auf. Er beschreibt wie politische Journalisten mitregieren und welche Auswirkungen das auf die Demokratie haben kann. Zum einen sieht er eine zunehmende Bereitschaft vieler Medienleute sich nicht nur durch ihre Berichterstattung in den politischen Prozess einzumischen sondern ebenfalls den Moralapostel der Politik zu spielen. Zum anderen führt der permanente Zeitdruck dazu, dass für genaue Recherchen, Distanz zur Politik und kritische Selbstreflexion real keine Zeit mehr bleibt (vgl. Meyer 2015, 8).

Bei „Im Zentrum“ „beschränkten“ sich die Versuche der Einflussnahme zumeist auf Beschwerden und Kritik bezogen auf die Auswahl der Studiogäste, dem Vorwurf politischer Einseitigkeit bei der Auswahl derselben und das in Zweifel ziehen journalistischer Lagebeurteilungen.

In einem Interview mit dem Magazin Falter 2008 antwortete Thurnher auf die Frage, ob sie manchmal auch den politischen Druck spüre, dass PolitikerInnen durchaus im ORF anrufen um zu intervenieren, jedoch noch nie bei ihr persönlich. „Mag sein, dass sie anrufen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Politiker sich bei mir persönlich gemeldet hat. Sollten sie woanders anrufen, können sie das gerne tun“ (Thurnher 2008). Sie geht jedoch nicht so weit zu sagen, dass politischer Druck nie an sie weitergereicht wurde. Da das Gespräch im Vorfeld der ORF- Wahlkonfrontationen im Sommer 2008 stattfand, die Thurnher damals zum zweiten Mal moderierte, fügt die Moderatorin an, dass sie bei den Konfrontationen keinerlei Anweisungen oder Einschränkungen habe. „Wenn ein Politiker möchte, dass ein Thema nicht vorkommen soll, muss er mir erst einmal erklären, warum“ (Thurnher 2008 in Falter).

Die langjährige Journalistin und Moderatorin sieht ihre journalistische Arbeit vor allem durch den Umstand erschwert, dass die österreichischen Politikerinnen und Politiker bis zur Unkenntlichkeit „vertrainiert“ werden und teilweise Angst vor jeder Äußerung haben, die sie als Person tun könnten, weil sie ihnen in ihrem

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politischen Umfeld übel genommen werden könnte. Sie spricht hier die bereits an früherer Stelle erwähnte Professionalisierung der Politik an. Laut Thurnher sind große Teile der Politik bereits „gestreamlined“, „gemarketingt“, abgeglichen und aufpoliert. Das mache gerade Diskussionssendungen schwierig, da sie bis zu einem gewissen Grad darauf angewiesen sind, authentische Persönlichkeiten zu haben, die sich trauen etwas zu sagen, einen Standpunkt zu haben, dazu zu stehen und ihn zu verteidigen. An direkte politische Einflussnahme während ihrer langen journalistischen Karriere kann oder will sich Thurnher nicht erinnern. “Ich kann mich nicht erinnern, dass mich jemals jemand angerufen hätte, oder zumindest nicht in den letzten 20 Jahren, und mir erklärt hätte, ich dürfe etwas Bestimmtes nicht. Diese Dinge funktionieren viel subtiler“ (Interview mit Thurnher am 23.06.2015). Die politische Einflussnahme, speziell auf den ORF passiert laut Thurnher auf Ebene der ORF-Gremien und über die ORF-Gesetze. Diese Gesetze sind laut der Journalistin so konzipiert, dass der Gesetzgeber die Kontrolle über den ORF behalten kann. Politische Einflussnahme über direkten Kontakt mit JournalistInnen findet laut ihr eher nicht statt. Das größte Problem sieht sie darin, dass gewisse Gruppierungen durch Diskussionsverweigerung Themen einfach tot schweigen können. Indem sie niemanden an der Diskussion teilhaben lassen, blockieren sie die Diskussion. „Wenn du keinen Diskutanten hast, dann kannst auch nicht diskutieren so funktioniert das.“ (Interview mit Thurnher am 23.06.2015).

6.1. Arten politischer Kommunikationskultur

Die Autoren Plasser und Lengauer ziehen in Bezug auf die Arten politischer Kommunikationskultur immer wieder die Autorin Pfetsch Barbara heran. Sie beschreibt in ihrem Buch „Politische Kommunikationskultur“ (2003) die Beziehungen zwischen JournalistInnen und politischen SprecherInnen in Deutschland und den USA und erstellte eine Typologie politischer Kommunikationskulturen. In ihrem fünf Jahre später gemeinsam mit Peter Maurer entstandenen Werk „Mediensysteme und politische Kommunikationsmilieus im internationalen Vergleich“ (2008), indem sie noch weitere Modelle anderer Autoren mit einschloss, entwickelte sie vier verschiedene Typen politischer Kommunikationskulturen (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 56).

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Medienorientierte Kommunikationskulturen werden durch ein distanziertes und professionelles Verhältnis zwischen PolitikerInnen und JournalistInnen charakterisiert. Beide orientieren sich an verbindlichen Spielregeln, die Kooperation und wechselseitige Interaktion vorgeben (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 56).

In „PR- orientierten politischen Kommunikationskulturen“ (Plasser/Lengauer 2010, 56f) müssen die Spielregeln über Kooperation und Interaktion zwischen den Akteuren zuerst ausverhandelt werden. Dies führt zu einem stärkeren Naheverhältnis und persönlichen Beziehungs- und Kommunikationsnetzwerken zwischen journalistischen und politischen Eliten. Beide Akteursgruppen orientieren sich vorrangig an redaktionellen Selektions- und Aufmerksamkeitsregeln (vgl. Plasser/Lengauer 2010, 56f.).

Die dritte Kommunikationskultur, nämlich die partei(politische), beschreiben Pfetsch und Maurer wie folgt:

In einer partei(politischen) Kommunikationskultur prägen hingegen die institutionelle Machtlogik und dichte Interaktionsbeziehungen zwischen den Kommunikationsakteuren den Handlungsspielraum politischer Kommunikation, was in einer geringen Distanz zwischen Journalisten und Politikern wie informellen Versuchen der Einflussnahme auf die politische Berichterstattung ihren Niederschlag findet (Pfetsch/Maurer 2208, 104-105 in: Plasser/ Lengauer 2010, 57)

Die vierte beschriebene politische Kommunikationskultur, die strategische, ist geprägt von einer starken politischen Machtlogik und zur selben Zeit einer großen Rollendistanz zwischen PolitikerInnen und JournalistInnen. Hier werden keine Vereinnahmungen von JournalistInnen oder der Aufbau von informellen Netzwerken versucht, sondern PolitikerInnen setzen auf „strategisch geplante Informations- und Kommunikationsangebote, die nach redaktionellen Aufmerksamkeitsregeln gestaltet werden“ (Pfetsch/Maurer 2208, 104-105 in: Plasser/ Lengauer 2010, 57).

Betrachtet man die oben beschriebenen Untersuchungen kann zu dem Schluss gekommen werden, dass Österreich sowohl Züge einer partei(politischen) als auch einer strategischen Kommunikationskultur aufweist.

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7. Methoden und Untersuchungsdesign

Jede empirische Untersuchung verlangt nach einer methodischen Vorgehensweise. Bezüglich der vorliegenden Masterarbeit wurde daher eine Methode gewählt, die die Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellung optimal ermöglicht. Das methodische Gerüst besteht erstens aus einem überblicksmäßigen Scan der Themen und Gäste, der ausgewählten Formate, im Untersuchungszeitraum. Zweitens erfolgt eine vertiefende qualitative Analyse dreier ausgewählter Sendungen nach den Kategorien Themenauswahl, Gästeauswahl, Moderation, Partizipation und Interaktion, sowie Setting. Der Themenscan soll zeigen, welche Themen in den Sendungen behandelt wurden und wo die Schwerpunktsetzung der Sendungsmacher liegt. Der Gästescan hingegen soll zeigen, welcher Sender die exklusiveren Gäste ins Studio holt und wie sich die Verteilung zwischen PolitikerInnen und ExpertInnen darstellt. Einen Blick hinter die Kulissen bietet das im Juni diesen Jahres geführte Interview mit der Moderatorin der ORF 2 Sendung „Im Zentrum“ Ingrid Thurher.

Im nachfolgenden Kapitel werden Überlegungen zur Methodenwahl erläutert sowie die ausgesuchten österreichischen TV-Sender und deren zu untersuchenden Sendeformate vorgestellt.

7.1. Die Methode

Die forschungsleitende Fragestellung, die durch die nachfolgende Untersuchung der ausgewählten Diskussionssendungen beantwortet werden soll ist, wie bereits in der Einleitung erwähnt: „Welche Unterschiede gibt es zwischen den politischen Diskussionssendungen öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehanbieter?“. Anhand einer quantitativen und qualitativen Analyse, unter Zuhilfenahme der definierten Kategorien sollen die Besonderheiten der verschiedenen politischen Diskussionssendungen in Österreich durchleuchtet werden. Zu diesem Zweck ist eine intensive Beschäftigung mit den tatsächlichen Strukturen der einzelnen Formate von Nöten.

Den Anfang der Untersuchung macht eine kurze quantitative Aufschlüsselung der Gäste und Themen der ausgesuchten politischen Diskussionssendungen. Diese zunächst noch oberflächliche Betrachtung soll einen Überblick über die

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Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Kategorien Gäste und Themen liefern und gleichzeitig zur Selektion dienen. Anhand der Scans soll der kleinste gemeinsame Nenner gefunden werden, also drei ähnlich geartete Sendungen die als Stichprobe für eine intensivere Betrachtung dienen. Jede der drei Sendungen soll aus forschungsrelevantem Interesse von einem anderen Sender stammen (ORF 2, ServusTV und PULS 4). Anhand des ausgewählten Kategorienkatalogs werden im Anschluss jene drei Sendungen qualitativ untersucht und beschrieben.

Der Untersuchungszeitraum beschränkt sich auf einen Zeitraum von vier Wochen. Beginn war der 31.08.2015 und Ende der 27.09.2015. Dieser Zeitraum konnte aus organisatorischen Gründen nicht anders gewählt werden, da jedes der Formate eine mehrmonatige Sommerpause einhält und dementsprechend vorher kein untersuchbares Material verfügbar war. Im untersuchten Zeitraum wurden zwölf politische Diskussionssendungen von den Sendern ORF 2, PULS 4 und ServusTV produziert und sind somit Teil der Untersuchung. In der nachfolgenden Analyse wird kein Anspruch auf Vollständigkeit gestellt, es wird lediglich ein Ausschnitt des bestehenden Angebots an Diskussionssendungen und der vielfältigen Unterschiede zwischen den Formaten der privaten Fernsehanstalten und des öffentlich-rechtlichen ORF untersucht. ServusTV kann bereits im Vorfeld ein Sonderstatus zuerkannt werden, da er zwar privat organisiert aber durch seine Anbindung an RED BULL im Vergleich finanziell ausgesprochen gut aufgestellt ist.

Um eine Diskussionssendung zu analysieren gibt es unzählige Möglichkeiten. Die Autorin Heike Bußkamp beispielsweise machte 2002 in ihrem Buch: „Politiker im Fernsehtalk- Strategien der medialen Darstellung des Privatlebens von Politikprominenz“ eine Untersuchung inwieweit PolitikerInnen im Fernsehtalk die Darstellung ihres Privatlebens nutzen können. Die meisten bereits veröffentlichten Untersuchungen über Diskussionssendungen handeln von Talk- Shows sowie Wahlkampfdiskussionen und analysieren beispielsweise sprachliche Aspekte und Einfluss auf das WählerInnenverhalten. Die verwendeten Methoden lassen sich jedoch auf die hier untersuchten Formate, in denen sowohl PolitikerInnen als auch JournalistInnen und ExpertInnen miteinander diskutieren nur bedingt anwenden. Es wurde daher eine eigene Methode entwickelt welche die Beantwortung der Forschungsfrage bestmöglich

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zulässt. Die zu diesem Zwecke definierten Untersuchungskategorien: Gäste, Themen, Moderation, Partizipation des und Interaktion mit dem Publikum, sowie Setting sollen an späterer Stelle noch genauer beschrieben werden.

7.2. Die Vergleichsobjekte

Die Auswahl der Vergleichsobjekte gründet einerseits auf persönlichen Erfahrungen und Interesse sowie andererseits auf nachweislichen Gemeinsamkeiten der Formate. Hinzu kommen auch Überlegungen zur Zugänglichkeit zu Informationen und Eingrenzung des Themas. „Im Zentrum“ ist das Steckenpferd des ORF in Bezug auf Diskussionsformate. Wie bereits oben beschrieben, bietet er gegenwärtig noch zwei weitere an, „Inside Brüssel“ und „60 Sekunden Politik“. Diese sind jedoch in punkto Bekanntheitsgrad und Reichweite weit hinter „Im Zentrum“. „Pro und Contra“ bei PULS 4 ist das Pendant dazu im Privatfernsehen, auch wenn es quotentechnisch erfahrungsgemäß nicht mithalten kann. ServusTV ist mit einem aktuellen Marktanteil von 1,5% ein kleiner Fisch, die Sendung „Der Talk im Hangar 7“ kann jedoch, wohl auch aufgrund der guten finanziellen Situation, punkto Qualität, Gästen und Themen durchaus mithalten. Die Zusammenstellung der zu untersuchenden TV-Formate inkludiert also eine öffentlich-rechtliche Sendung sowie zwei welche von Privatsendern ausgestrahlt werden. Diese Auswahl erklärt sich durch die Dominanz in der öffentlichen Debatte des ORF allgemein und „Im Zentrum“ im speziellen. Das macht die Auswahl der Sendeformate sinnvoll und legitim.

Die angestellte Untersuchung bezieht sich rein auf Formate des aktuellen österreichischen TV- Marktes und stellt keine Langzeitanalyse der ausgewählten politischen Diskussionssendungen dar.

Wie bereits eingangs erwähnt gründet die Auswahl der Vergleichsobjekte auf den beobachteten Gemeinsamkeiten der Formate bezüglich der Themenstruktur und den eingeladenen Gästen. Da sich alle drei als politische Diskussionssendung einstufen lassen, sollen vermutlich ähnliche Zielgruppen angesprochen werden. Ebenfalls kann angenommen werden, dass sie ähnliche Strukturen und Ansprüche aufweisen. Alle drei Formate werden am Spätabend, also nach 21 Uhr, ausgestrahlt.

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Im folgenden Abschnitt werden die drei untersuchungsrelevanten Sender ORF 2, PULS 4 und ServusTV sowie die drei ausgewählten politischen Diskussionssendungen „Im Zentrum“, „Pro und Contra“ und „Der Talk im Hangar 7“ beschrieben und die wichtigsten Zahlen, Daten und Fakten dazu zusammengefasst.

7.2.1. Der öffentlich-rechtliche Sender ORF2

Abbildung 7.: ORF 2 Logo (ORF Kundendienst, 2015)

Als der Schwesternsender von ORF eins ist ORF 2 der zweite Teil des doppelsäuligen TV- Vollprogrammangebots des ORF.

„Ein vielfältiges Angebot aus den Bereichen Information, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Bildung, Sport, Lebenshilfe sowie Film und Unterhaltung steht für die Seher zur Auswahl. Ob anspruchsvoll oder unterhaltend, informativ oder entspannend, die ORF-Programme bieten Sendungen zu allen Interessengebieten.“ (ORF Kundendienst 2015)

So beschreibt der ORF selbst die Maxime seiner beiden Hauptkanäle. Die Vollprogramme bieten täglich vierundzwanzig Stunden am Tag Programm. Der Sender ORF 2 hat einen starken Österreich- und Kulturfokus. Das Flaggschiff, die meistgesehene Sendung, von ORF 2 ist die „Zeit im Bild“ um 19:30 Uhr. Sie bildet das Zentrum seiner Nachrichtenvermittlung sowie seines Informationsangebots. (vgl. ORF Kundendienst 2013)

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7.2.2. Der Privatsender ServusTV

Abbildung 8: ServusTV Logo (www.servustv.com, 2015)

ServusTV ist noch ein relativ junger österreichischer und viel diskutierter Privatfernsehsender. Als Nachfolgesender von SalzburgTV (seit 1995) ging ServusTV erst 2009 auf Sendung. Er befindet sich zusammen mit dem Magazin „Servus“ im Besitz der Red Bull Media House GmbH und hat seinen Sitz in Wals- Siezenheim (Salzburg). Die Red Bull Media House GmbH ist eine Tochterfirma der Red Bull GmbH und gehört dementsprechend zum Imperium des vielfachen, österreichischen Millionärs Dietrich Mateschitz. Viel diskutiert ist der Sender aufgrund seiner, für einen privatkommerziellen Anbieter, hohen Anzahl an Dokumentationen, Talkshows und Magazinen. Dieses Sendeschema wurde dabei sogar schon mehrfach mit dem Begriff „öffentlich-rechtliche Inhalte“ kommentiert (vgl. Woelke 2012, 13 in: Steiniger/Wölke 2012). Interessant ist, dass er ebenfalls einen unüblich geringen Spotwerbungsanteil von nur 3,8% aufweist. Im Vergleich etwa zeigte PULS 4 2009 in 12,5% der täglichen Sendezeit Werbeeinschaltungen (vgl. ebd 2012, 24). ServusTV weist ebenfalls einen hohen Anteil an Fernsehpublizistik auf. Darunter versteht man vor allem Nachrichten-, Talk-, Reportage-, Dokumentations- und Magazinsendungen. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen vor allem bei Sachthemen, im speziellen Natur und Umwelt, Kultur und Gesellschaft sowie Sportthemen. Was das betrifft ist ServusTV mit ORF eins vergleichbar. In punkto tagesaktueller Fernsehpublizistik bietet der Sender aber wenig, ein großer Teil des 24-Stunden-Vollprogramms bestreitet er mit in geringem zeitlichen Abstand wiederholten Sendungen (vgl. ebd 2012, 44).

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7.2.3. Der Privatsender PULS 4

Abbildung 9: PULS 4 Logo (PULS 4.com, 2015)

Der österreichische Privatsender PULS 4 hat seinen Sitz in Wien und gehört zum Unternehmen der ProSiebenSat.1 Media AG. Geführt wird das Privat TV- Unternehmen von Markus Breitenecker (vgl. PULS 4 Impressum, 2015). PULS 4 war früher der Wiener Stadtsender und wurde erst 2007 von der ProSiebenSat.1 Media AG übernommen. Seit 2008 wurde PULS 4 somit zum dritten großen österreichischen TV- Anbieter, neben dem ORF und ATV. Die „4“ bei PULS 4 kommt daher, dass der Sender neben ORF eins, ORF 2 und ATV der vierte österreichische Sender mit landesweitem Vollprogramm inklusive eigenen Nachrichten wurde. Inzwischen wurde die österreichische Fernsehlandschaft noch um den Privatsender ServusTV ergänzt. Mit dem ehrgeizigen Slogan „Das gibt es nur hier. PULS 4“ soll die Abgrenzung zu den anderen Kanälen klargemacht und die eigene Exklusivität unterstrichen werden.

„PULS 4 ist Fernsehen für das neue Österreich. Optimistisch, neugierig, mutig und voll Lebenslust präsentieren sich die Infotainmentformate von PULS 4. Eine pinke Welt – weltoffen, zukunftsorientiert aber mit Schmäh und einem Augenzwinkern.“ (ProSiebenSat.1 PULS 4, 2015)

Mit dieser frechen Selbstbeschreibung soll die Philosophie des Senders auf den Punkt gebracht werden. Der Privatsender möchte nach eigenen Angaben eine perfekte Symbiose aus Information, Unterhaltung und modernen Visionen schaffen. Neben Sportübertragungen (UEFA Europa League, Super Bowl) Society- Magazinen, Castings- Shows (z.B. Austria’s next Topmodel), US- Serien, Doku- Soaps und Hollywoodfilmen konnte PULS 4 auch Angebote im Informationsbereich schaffen. Das Talkformat „Pro und Contra“ sowie die täglichen „PULS 4 News“ sind die Träger der Informationsschiene des Privatsenders (vgl. ProSiebenSat.1 PULS 4, 2015). Eine andere Wahrnehmung hat der Medienjournalist Harald Fiedler wie er 2012 auf „derStandard.at“ klar

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machte. Er sieht PULS 4 und seine Programminhalte irgendwo „zwischen Fußball, Sex und Volksmusik“ (Fiedler, 2012).

7.2.4. „Im Zentrum“

Abbildung 10: "Im Zentrum"- Logo (tickets.ORF.at, 2015)

„In der Sendung „im Zentrum“ wird das politische Thema der Woche inklusive seinem gesellschaftspolitischen Hintergrund von bis zu fünf Gesprächspartnern diskutiert.“ (ORF Kundendienst, 2015)

„Im Zentrum“ ist eine Fernsehtalkshow des öffentlich-rechtlichen ORF und löste 2007 die Vorgängersendung „Offen gesagt“ ab. Sie wird wöchentlich am Sonntag um 22:00 nach der „Zeit im Bild“ auf ORF 2 ausgestrahlt und behandelt hauptsächlich politische Themen. Zu Beginn wurde die Sendung gemeinsam von Peter Pelinka, Elmar Oberhauser und Gabi Waldner moderierte. Waldner und Oberhauser schieden bereits im Herbst desselben Jahres aus der Sendung aus und wurden 2008 von Ingrid Thurnher ersetzt die zuvor viele Jahre die „Zeit im Bild 2“ moderierte. Pelinka und Thurnher moderierten die Diskussionssendung danach alternierende, Pelinka zum Schluss nur mehr vier Sendungen im Jahr, und 2014 schied er endgültig aus. In den Jahren zwischen 2007 und 2011 wurde die Sendung aus dem Wiener Haas- Haus gesendet, übersiedelte jedoch 2011 ins ORF-Zentrum am Küniglberg. Dort wurde das Studio zuerst im Foyer und ohne Studiopublikum gesendet, wechselte jedoch bereits 2013 in das Studio von Sport am Sonntag. Der durchschnittliche Marktanteil der bewegt sich bei rund 20% (vgl. Interview mit Thurnher am 23.06.2015).

Die Moderatorin der Sendung Ingrid Thurnher brach in ihrer Jugend ihre Studien der Publizistik und der Theaterwissenschaft ab und bekam die Möglichkeit das Schubertseminar zu besuchen. Bereits im Jahre 1985 wurde sie nach einem Sprechtest vom Fleck weg beim ORF als Moderatorin eingestellt. In der Folge machte sie TV- Ansagen, war als Redakteurin im ORF- Landesstudio

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Niederösterreich tätig, moderierte „Land und Leute“, „Niederösterreich heute“ sowie „Österreich Bild“. Im Jahre 1995 wechselte sie dann in die Königsklasse, nämlich die Moderation des ORF- Nachrichtenformats „ZIB 2“. Außerdem moderierte sie von 2007 bis 2008 die „Zeit im Bild“ nach dem dessen ursprünglicher Moderator Armin Wolf in Bildungskarenz ging (vgl. ORF Kundendienst „Ingrid Thurnher 2015). In dieser Funktion kam es auch zu dem legendären Interview mit dem deutschen Komödianten Otto Walkes der nicht auf ihre Fragen antwortete und sich stattdessen unter dem Tisch versteckte.

„Seit März 2008 konzentriert sich Ingrid Thurnher auf den Polittalk und präsentiert mit "im ZENTRUM" und den "Runden Tischen" die wichtigsten tagespolitischen Diskussionssendungen des ORF.“ (ORF Kundendienst „Ingrid Thurnher 2015)

Neben ihrer Tätigkeit als Moderatorin von „Im Zentrum“ und des ereignisbezogenen „Runden Tisches“ moderiert Thurnher auch immer wieder TV-Konfrontationen wie zuletzt 2011 die ORF-Sommergespräche (vgl. ORF Kundendienst „Ingrid Thurnher 2015).

„Ingrid Thurnher kann auf höchste Sympathiewerte bei den Zuseherinnen und Zusehern verweisen und wurde bereits sieben Mal als "beliebteste Moderatorin" mit dem TV-Publikumspreis Romy geehrt.“ (ORF Kundendienst „Ingrid Thurnher 2015).

Für die Fernsehdirektorin des ORF Kathrin Zechner ist „Im Zentrum“ das ORF- Flaggschiff seiner „hochqualitativen und konfrontativen Diskussionen“ (derStandard.at 2012a), denn es bietet Platz für gesellschaftspolitische Debatten und ist somit ein Diskussionsforum für die Zivilgesellschaft (vgl. derStandard.at 2012a). Thurnher beschreibt “Im Zentrum” als aktuell, brisant und konfrontativ (vgl. Interview mit Thurnher am 23.06.2015).

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7.2.5. „Pro und Contra“

Abbildung 11: Logo "Pro und Contra- der PULS 4 News- Talk (www.puls4.com 2015)

„Pro und Contra - Der PULS 4 News Talk“ wird von dem Privatsender PULS 4 produziert und einmal wöchentlich am Montag um 22:25 ausgestrahlt. Sie folgte

2011 der Diskussionssendung „Talk of Town - Darüber spricht Österreich“ nach. Seit dem September 2012 wird sie von Corinna Milborn moderiert, die zuvor Manuela Raidl ablöste (vgl. Kurier 2012). Seit September 2015 moderiert Milborn abwechselnd mit Thomas Mohr. Milborn war zuvor stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „News“ sowie Moderatorin der eingestellten ORF- Diskussionssendung „Club 2“ (vgl. Der Standard 2012b). Bei „Pro und Contra“ wird das Publikum sehr stark eingebunden, die Menschen können Fragen an das Podium stellen und es sind immer wieder auch prominente Gäste anwesend die ihre Meinung zum diskutierten Thema kundtun können. Speziell an der Sendung ist, dass sie aufgezeichnet wird und eine halbe Stunde später erst auf Sendung geht. Erklärt wird dieser Umstand durch die Werbepausen die das Format in drei Teile teilt. Die Diskussion muss also mehrfach unterbrochen werden um Platz für die eingespielte Werbung zu lassen.

Die Moderatorin der Sendung Corinna Milborn legte eine steile Karriere hin. Angefangen hatte alles in Guatemala wo Milborn als junge Studentin für die guatemaltekische Exilopposition Zeugenaussagen und Beweise gegen den Ex- Diktator Efraín Ríos Montt gesammelt und den Vereinten Nationen und der Europäischen Union übergeben hatte. Zum damaligen Zeitpunkt studierte sie Geschichte, Politikwissenschaft und Entwicklungspolitik in Wien und zeitweise auch im spanischen Granada. Bevor Milborn zu PULS 4 kam war sie unter anderem auch im „Trade & Investment Team“ des „World Wide Fund for Nature“ (WWF) sowie beim Wirtschaftsmagazin „Format“ und dem Wochenmagazin „News“ tätig (vgl. falter.at 2013) Später wechselte sie zum ORF und moderierte dort unter anderem auch den „Club 2“ bei dem sie schon viel Erfahrung für ihre

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jetzige Position sammeln konnte (vgl. Interview mit Thurnher am 23.06.2015). Im Jahre 2004 kam sie zu PULS 4 und arbeitete sich zur neuen Infodirektorin hoch. In dieser Position ist sie für die Nachrichtenformate „Café Puls“, „Austria News“ sowie die Politik- Talks zuständig. Befördert wurde Milborn mitten unter ihrer Schwangerschaft. Sie sollte PULS 4, trotz Babypause, zu einer starken Informationsquelle und echten Alternative des ORF machen. Corinna Milborn beherrscht fünf Sprachen, neben Englisch und Deutsch spricht sie noch Russisch, Spanisch und Chinesisch. Schon sehr früh begann sich Milborn mit dem Thema Migration und Gerechtigkeit zu beschäftigen die auch heute noch ihre journalistische Arbeit stark prägen. Sie schrieb auch mehrere Bücher unter anderem „Gestürmte Festung Europa“ oder „Ware Frau“ die ihr viel Lob und Erfolg einbrachten (falter.at 2013).

Der Moderator Thomas Mohr wurde in Wien geboren und ist seit 2004 für PULS 4 tätig. Dort moderiert er Formate wie die „PULS 4 News“ und eben „Pro & Contra – der PULS 4 News Talk“. Bevor er sich dem Fernsehen zuwandte studierte Mohr Kartographie und war unter anderem als Redakteur beim Radio tätig (vgl. PULS 4.com 2015).

7.2.6. „Der Talk im Hangar 7“

Abbildung 12: Logo "Der Talk im Hangar 7" (www.servustv.com 2015)

„Jede Woche diskutieren beim "Talk im Hangar-7" nationale und internationale Experten über relevante Fragen unserer Zeit. Dabei steht immer das Thema im Mittelpunkt: Brisant, hintergründig, lösungsorientiert - keine politischen Plattitüden und kein sinnloser Schlagabtausch.“ (ServusTV 2015)

Der TV-Talk „Der Talk im Hangar 7“ wird jeden Donnerstag um 22:15 auf ServusTV ausgestrahlt und möchte vor allem auf starke Themen und Gäste setzen. Themenschwerpunkte sind Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft, Philosophie sowie gesellschaftsrelevanten Themen wie

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Gesundheit und Bildung. Es sollen speziell auch Themen behandelt werden die sonst selten zur Sprache kommen. Die Sendung wurde im Oktober 2009 erstausgestrahlt. Gesendet wird aus einer sehr besonderen und auch aufwändigen Location, nämlich dem Hangar 7 am Flughafen Salzburg. Zwischen historischen Flugzeugen und umringt von rund 100 Gästen wird hier seit 2011 regelmäßig diskutiert. Immer mit dabei die Band „Sonic Interiors“ die für die musikalischen Akzente sorgen (vgl. Der österreichische Journalist Online 2011).

Moderiert wird die Sendung von zwei Männern, nämlich von Helmut Brandstätter und Michael Fleischhacker (vgl. ServusTV 2015). Für Michael Brandstätter war es, als er 2014 zu ersten Mal die Moderation übernahm, eine Premiere. Er war zuvor Chefredakteur bei der Tageszeitung „Presse“ sowie beim „Standard“ und der Grazer Zeitung „Kleine Zeitung. ServusTV war somit sein erster Ausflug ins Fernsehgeschäft. Er stehe jedoch für tiefgründigen Journalismus, da ist der Privatsender aus Salzburg überzeugt (vgl. Salzburger Nachrichten 2014).

„Der Talk im Hangar 7“ möchte bewusst nicht auf Konfrontation sondern auf gehaltvolle Gespräche setzen. Der Sendungschef Thomas Schmidle ist sich sicher „wir fordern unsere Zuschauer zum Mitdenken auf“ (Der österreichische Journalist Online 2011). Auch wenn es manchmal anstrengend für ihn ist so geht Information immer über Unterhaltung. Um diese hochqualitative Information bieten zu können, gönnt sich ServusTV eine Vorlaufzeit von bis zu einem halben Jahr (vgl. Der österreichische Journalist 2011). Sehr ungewöhnlich, legen zum Vergleich Sendungen wie „Im Zentrum“ erst zwei bis drei Tage vorher das endgültige Sendungsthema fest. Diese Vorlaufzeit ermöglicht zwar das Erscheinen von hochkarätigen Gästen, die Aktualität kann jedoch leicht verloren gehen.

Ein ganz besonderer Gast war der ehemalige Astronaut Neil Armstrong der 2010 neben anderen internationalen Gästen am Sofa vom „Der Talk im Hangar 7“ Platz nahm (vgl. Der österreichische Journalist 2011). Nicht zu verwechseln ist „Der Talk im Hangar 7“ mit dem „Sport und Talk aus dem Hangar-7". Diese Diskussionssendung wird ebenfalls von ServusTV produziert und beschäftigt sich jeden Montagabend mit den verschiedensten Sportthemen (vgl. ServusTV 2015).

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8. Vergleich der politischen Diskussionssendungen

In der empirischen Forschung und speziell in Studien ist es oft nicht möglich die Grundgesamtheit zu untersuchen (vgl. Mayer 2009, 39). Auch im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit kann aus forschungsökonomischen Gründen und unter Berücksichtigung der Zugänglichkeit zu Untersuchungsmaterial nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit untersucht werden. Aus diesem Grund muss auf Basis der folgenden quantitativen Untersuchung eine Stichprobe definiert und die thematische Bedeutsamkeit der qualitativ untersuchten Subjekte in den Vordergrund gestellt werden.

8.1. Die Untersuchungskategorien

Wie bereits erwähnt, wurden für die qualitative Untersuchung der Stichprobe verschiedene Untersuchungskategorien bestimmt anhand derer die ausgewählten Sendungen analysiert werden.

 Moderation, Partizipation und Interaktion

Wie bereits an früherer Stelle beschrieben, spielt die Moderation in Talkformaten eine wesentliche Rolle für den Ablauf der gesamten Sendung. Neben der diskussionsleitenden Funktion muss der/die ModeratorIn auch dafür sorgen, dass die Wortbeiträge fair verteilt sind und demokratische Gesprächsverhältnisse herrschen. Besonders kommunikative Amateure müssen gegenüber Profis gerecht behandelt (vgl. Bourdieu 2011, 32ff.) und deren Redezeit gegenüber unterbrechenden Profis von dem/der ModeratorIn oft verteidigt werden.

In der zu untersuchenden Teilkategorie Moderation, Partizipation und Interaktion sollen speziell der Moderationsstil, die Interaktion mit dem Publikum und die Partizipation der ZuseherInnen direkt im Studio oder über Social Media untersucht werden. Hier wird vordergründig eine Analyse des Videomaterials notwendig sein.

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 Gäste und Themen

Bekannte politische MeinungsführerInnen, PolitikerInnen und mediale Eliten sind am häufigsten am Diskussionsparkett im Fernsehen zu sehen.

„Man muß [sic!] ein gehöriges Maß an Macht, Prominenz, Sozialkapital oder zumindest Nachrichtenwert mitbringen, um die „Gatekeeper“ der Medienkultur zu passieren und in das öffentliche Forum hineinzugelangen. Sichtbar gemacht […] werden die Eliten der Republik.“ (Dörner 2001, 141)

Eine Diskussionssendung steht und fällt mit ihren Gästen, das ist ganz klar. Die leere Diskussionsbühne wird von ihnen bespielt und mit Leben befüllt. „Zeig mir deine Gäste und ich sage dir, wie gut deine Sendung ist- dieses Motto bringt die Bedeutung der Gästeauswahl auf den Punkt, denn mit einer leeren Gesprächsbank diskutiert es sich wahrlich schlecht“ (Patsalidis 2013, 74). Gäste können jedoch erst eingeladen werden wenn klar ist über welches Thema diskutiert werden soll. Die Themenwahl ist also der Grundstock jeder Diskussion.

In dieser Untersuchungskategorie sollen also die Gäste und auch die Themen der zu analysierenden Sendungen verglichen und gegenübergestellt werden. Welche Diskussionsthemen wurden gewählt und welche Gäste wurden zu diesem Zwecke eingeladen? Hier soll untersucht werden, wie sich die Gäste auf die Gattungen Prominenz, PolitikerInnen (speziell Regierungsmitglieder und Klubobleute) und ExpertInnen verteilen. Wie hoch oder niedrig ist der Prozentsatz an Frauen? Wie verteilen sich die Wortbeiträge im Sendungsverlauf? Zu Erklärung: Als Wortbeitrag gilt an dieser Stelle ein Statement über fünf Sekunden und ohne Unterbrechung.

 Setting

Die Gleichheit der DiskussionsteilnehmerInnen, die Fairness und die vorherrschende Demokratie die in einer Diskussion vorherrschen soll, müssen sich im Studiosetting wiederspiegeln. Der/Die ModeratorIn ist hier in seiner/ihrer Rolle als Schiedsrichter meist mittig platziert (vgl. Bourdieu 2011, 36) und hat einen guten Überblick was am Podium und im Publikum passiert. Auch die Positionierung der Gäste ist relevant. Einfluss auf die Diskussion nimmt ebenfalls die Anwesenheit eines Saalpublikums beziehungsweise die Anzahl der DiskussionsleiterInnen. Auch die Anordnung der Sitz- oder Stehgelegenheiten

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sind hier spannende Untersuchungskategorien. In diesem Zusammenhang soll auch die Zuschaltung von DiskussionsteilnehmerInnen sowie die Zuspielung bei Beiträgen oder Bildern untersucht werden. Auch zur Untersuchung dieser Kategorie wird Videomaterial herangezogen.

8.2. Auswertung der Ergebnisse

Im folgenden Kapitel werden einerseits die Ergebnisse des quantitativen Gäste- und Themenscans sowie andererseits die Ergebnisse der qualitativen Analyse anhand von definierten Kategorien der drei als Stichprobe ausgewählten Sendungen präsentiert. Zunächst werden im ersten Abschnitt die aus dem quantitativen Scan erhobenen Daten vorgestellt und in einem zweiten Schritt die drei Sendungen aus dem Untersuchungsmaterial ausgewählt. Im zweiten Abschnitt folgt dann die detaillierte Analyse nach dem erstellten Kategorienschema.

8.2.1. Quantitativer Gäste- und Themenscan

Insgesamt umfasst der Gäste- und Themenscan jeweils vier Sendungen von „Im Zentrum“, vier von „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“ und vier „Der Talk im Hangar 7“. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich vom 31.08.2015- bis zum 27.09.2015, also genau ein Monat.

Im folgenden Abschnitt sollen die drei Sendungen detailliert analysiert und die Ergebnisse der Gäste- und Themenscans genau beschrieben werden.

8.2.2. Die Themen

Im Untersuchungszeitraum beherrschte die Flüchtlingskrise ganz Europa und spiegelte sich dementsprechend auch in den Diskussionssendungen wieder. Die Sendungen „Pro und Contra- Der PULS 4 News Talk“ und „Im Zentrum“ behandelten daher in den meisten Fällen nicht nur dasselbe Thema sondern die geführte Diskussion verlief auch unter ähnlichen Gesichtspunkten. In der ersten Sendung nach der Sommerpause am Montag den 31.08.2015 betitelte PULS 4 ihre Sendung mit „Flüchtlingschaos in Europa. Wo sind die Lösungen?“. „Im Zentrum“ lief am Sonntag den 06.09.2015 unter dem Sendungsmotto „Die Grenzen Europas- Wohin mit den Flüchtlingen?“. In beiden Sendungen wurden

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die Ereignisse der Tage vor der Sendung thematisiert, an denen tausende Menschen am Wiener Westbahnhof strandeten nachdem Ungarn sie plötzlich ungehindert ausreisen ließ. Es wurden in beiden Sendungen die eingeführten Grenzkontrollen, das Aussetzen der „Dublin III- Verordnung“ und die Abschaffung der Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union zur Sprache gebracht. Nur ServusTV tanzte mit dem Thema „Österreichs Festivalsommer: Zu viel des Guten“ am Donnerstag den 03.09.2015 aus der Reihe. Während die beiden anderen Sender voll und ganz auf das Flüchtlingsthema setzten, wurde beim „Der Talk im Hangar 7“ die österreichischen Festspiele und deren kostspielige staatliche Subventionen besprochen. Erst in der zweiten Untersuchungswoche vom 07.09.2015 bis zum 13.09.2015 war auch ServusTV beim beherrschenden Thema angekommen und zwar mit der Fragestellung „Flüchtlinge in Europa: Tun wir genug?“. Auch bei „Pro und Contra“ wurden in der zweiten Untersuchungswoche die Themen Solidarität und die österreichische Asylpolitik unter der Headline „Flüchtlingsstrom- Grenzenlose Solidarität oder Grenzen schließen?“ besprochen. Bei „Im Zentrum“ lief die Diskussion unter „Gekommen um zu bleiben- Wie kann Integration funktionieren“. Während also bei PULS 4 erneut über die zahlreichen Flüchtlinge die nach Österreich und Europa einreisten diskutiert wurde, war man bei „Im Zentrum“ schon einen Schritt weiter und sprach über die möglicherweise notwendige Integration der in Österreich um Asyl Ansuchenden. Während der dritten Untersuchungswoche vom 14.09.2015 bis zum 20.09.2015 wurde dann ein engerer thematischer Konnex sowohl in der Formulierung als auch im Diskussionsfokus zwischen den Formaten erkennbar. Den Start machte PULS 4 am Montag mit „Tausende Menschen auf der Flucht- Was nützen die Grenzkontrollen?“. ServusTV folgte am Donnerstag mit „Grenzen dicht: Zerbricht Europa an der Flüchtlingsfrage“ und den Abschluss machte ORF 2 der am Sonntag die Frage „Scheitert Europa?- Das Chaos in der Flüchtlingspolitik“ zur Diskussion stellte. In allen drei Sendungen war ein starker Fokus auf Europa erkennbar, erklärt durch den wachsenden Druck aus den Mitgliedsländern nach einer europäischen Lösung in der Flüchtlingsfrage. Aus diesem Grund wurde für die qualitative Analyse die dritte Untersuchungswoche als Stichprobe ausgewählt. In der vierten und letzten Untersuchungswoche vom 21.09.2015 bis zum 27.09.2015 fanden die Landtags- und Gemeinderatswahlen in Oberösterreich statt und wurde von „Pro und Contra“ sieben Tage vor der Wahl

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mit einem „Pro und Contra Wahl- Spezial Oberösterreich“ mit den oberösterreichischen Spitzenkandidaten diskutiert. „Im Zentrum“ sendete direkt am Wahlsonntag ein „Im Zentrum Spezial zum politischen Erdbeben in Oberösterreich“. Wieder einmal einen anderen Weg ging „Der Talk im Hangar 7“ der am Donnerstag vor der Wahl das Thema „Leiden im Labor: Brauchen wir noch Tierversuche?“ zur Diskussion stellte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Untersuchungszeitraum vom 31.8.2015 bis zum 27.09.2015 zwölf Sendungen produziert wurden von denen acht das Thema Flucht (3 „Im Zentrum“, 3 „Pro und Contra“, 2 „Der Talk im Hangar 7“), zwei die Landtags- und Gemeinderatswahlen in Oberösterreich (1 „Im Zentrum, 1 „Pro und Contra“) und zwei sonstige Themen behandelten (beide von „Der Talk im Hangar 7“).

Abbildung 13: Themenscan alle Sendungen von 31.08.2015- 27.09.2015

8.2.3. Die Gäste

Was die Einladungspolitik der einzelnen Sender betrifft, lässt sich festhalten, dass es bis auf den ungarischen Regierungspolitiker Gegerly Pröhle zu keinen Überschneidungen bei der Gästeselektion kam. Herr Gegerly war in der ersten Untersuchungswoche sowohl bei „Im Zentrum“ als auch bei „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“ zum Thema Flüchtlinge zu Gast. Auch in der internen Einladungspolitik zeigt sich, dass im Untersuchungszeitraum kein Gast zweimal

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an der Diskussion teilnahm. Die Gästeauswahl der untersuchten Formate scheint relativ unabhängig voneinander zu sein.

Auffällig ist, dass „Im Zentrum“ sowohl bei den Themen als auch bei den Gästen sehr stark auf Politik, „Der Talk im Hangar 7 auf Expertentum und „Pro und Contra“ auf Betroffenheit setzt. Bei Frau Thurnher waren von zwanzig eingeladenen Gästen zehn PolitikerInnen. Unter PolitikerInnen werden hier Menschen verstanden die aktuell eine politische Funktion entweder im Inland oder im Ausland innehaben. Bei „Der Talk im Hangar 7“ sind aktive BerufspolitikerInnen hingegen tabu (vgl. Der österreichische Journalist 2015), der Fokus liegt auf Expertentum wie JournalistInnen, SoziologInnen, PolitologInnen usw. Bei „Pro und Contra“ werden gerne Menschen eingeladen die nahe dran am aktuellen Geschehen sind, wie AktivistInnen oder Betroffene. Interessant bei PULS 4 ist, dass häufig Betroffene zusätzlich im Publikum sitzen und ihre Geschichte erzählen und/oder Fragen an das Podium stellen können. Bei der Sendung vom 31.08.2015 zum Thema „Flüchtlingschaos in Europa. Wo sind die Lösungen?“ beispielsweise saßen zwei österreichische Kabarettisten und viele LokalpolitikerInnen wie BürgermeisterInnen im Publikum, die in der zweiten Hälfte mit Fragen und Anmerkungen in die Sendung eingebunden wurden. Auch in der Woche danach saßen freiwillige Helfer im Auditorium die direkt davon erzählen konnten wie sie die ankommenden Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof versorgten und informierten wie auch andere bestmögliche Hilfe leisten können.

Betrachtet man die Anzahl der Gäste am Podium so liegt „Der Talk im Hangar 7“ mit vierundzwanzig (~6) ganz klar in Führung. Gefolgt von „Im Zentrum“ mit zwanzig (~5) und „Pro und Contra“ mit achtzehn Gästen (~4,5).

Von der folgenden Abbildung ist abzulesen, wie viel Prozent der insgesamt 62 Gäste Männer und wie viele Prozent Frauen waren. Es wird deutlich, dass Frauen in den Diskussionssendungen klar in der Unterzahl sind. Erklärungsversuche hierzu wurden an früherer Stelle dieser Arbeit bereits unternommen.

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Frauen- und Männeranteil

23%

Männer Frauen

77%

Abbildung 14: Männer- und Frauenanteil Schlüsselt man den Männer- und den Frauenanteil der drei untersuchten Formate auf, so wird deutlich, dass bei „Der Talk im Hangar 7“ von insgesamt vierundzwanzig Gästen nur fünf Frauen anwesend waren (21% Frauen, 79% Männer). Bei „Pro und Contra“ zeigt sich ein ähnliches Bild, von gesamt achtzehn Gästen waren nur drei weiblich (17% Frauen, 83% Männer). Bei „Im Zentrum“ waren von zwanzig Gästen immerhin acht Frauen zu Gast (40% Frauen, 60% Männer). Während also bei den beiden Privatsendern über 80% der Gäste männlich waren, weist der öffentlich-rechtliche Sender immerhin einen Frauenanteil von knapp von fast die Hälfte auf.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die politische Diskussionssendung „Im Zentrum“ des öffentlich-rechtlichen Senders ORF 2 mehr Gemeinsamkeiten mit dem Format „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“ vom Privatsender PULS 4 hat, als jener mit dem ebenfalls von einem Privatsender produzierten „Der Talk im Hangar 7“. Speziell bei der Themensetzung sind große Ähnlichkeiten erkennbar und auch die Diskussionen finden auf einem ähnlich hohen politischen Niveau statt. „Im Zentrum“ weist jedoch einen starken Politik-Fokus auf während „Pro und Contra“ auch gesellschaftlich(-triviale) Themen behandelt. Unterschiede finden sich nur bei den Gästen, denn während Frau Thurnher auf hochrangige PolitikerInnen setzt, sind bei Frau Milborn häufig Menschen zu Gast die zwar weniger Entscheidungskraft jedoch trotzdem eine mindestens genauso hohe Expertise aufweisen. „Der Talk im Hangar 7“ ist schwerer zu beurteilen. Die Themensetzung findet oft schon Monate im Voraus statt was es erschwert auf

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aktuelle Ereignisse einzugehen. Zwar wurden im Untersuchungszeitraum zwei Sendungen zu aktuellen Geschehnissen produziert, die anderen zwei jedoch entbehrten jeder Aktualität. Mit seinem kulturellen und gesellschaftspolitischen Fokus bringt ServusTV auch Themen die zum gesendeten Zeitpunkt wenig in der Bevölkerung diskutiert werden. Sie bedienen eine sehr spezielle und begrenzte Zielgruppe während der ORF und PULS 4 auf einen breiten Publikumszuspruch angewiesen sind. ServusTV definiert die Zielgruppe für das Programmschema „Aktuelles“ unter das auch „Der Talk im Hangar 7“ fällt als weiblich, Trendsetter, einkommensstark und haushaltsführend (vgl. ServusTV 2015). Auch bezüglich den Gästen finden sich große Unterschiede sowohl zu „Im Zentrum“ als auch zu „Pro und Contra“. „Der Talk im Hangar 7“ setzt hier vermehrt auf Expertentum und Prominenz wie SchauspielerInnen usw.

Der vorgenommene Themen- und Gästescan hatte zum Ziel das Untersuchungsmaterial einzugrenzen und die Auswahl des Analysematerials begründen zu können. Zur qualitativen Analyse der Diskussionssendungen soll die Woche vom 14.09.2015 bis zum 20.09.2015 herangezogen werden. In diesem Zeitraum war die größte thematische Überschneidung bei allen drei Sendungen zu beobachten. Es gab zwar keine Parallelen in Bezug auf die Gästeauswahl, jedoch stand nicht nur bei allen dreien das Thema Flüchtlinge zur Diskussion, sondern alle Formate hatten erstmals einen Fokus auf die europäische Dimension des Problems. Konkret bedeutet das, dass für die finale empirische Analyse die „Pro und Contra“-Folge vom 14.09.2015, die „Der Talk im Hangar 7“-Folge vom 18.09.2015 und die „Im Zentrum“-Folge vom 20.09.2015 als Untersuchungsmaterial ausgewählt werden.

8.3. Qualitative Analyse der Diskussionssendungen

Die ausgesuchten Diskussionsformate werden im folgenden Teil deskriptiv beschrieben und in Bezugnahme auf die definierten Kategorien „Moderation, Partizipation und Interaktion“, „Gäste und Themen“ sowie „Setting“ einer näheren Analyse unterzogen.

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8.3.1. „Im Zentrum“(ORF 2)

Gegenstand der qualitativen Analyse ist wie bereits oben beschrieben die „Im Zentrum“-Folge vom Sonntag den 20.09.2015 zum Thema „Scheitert Europa?- Das Chaos in der Flüchtlingspolitik“. Die Sendung dauerte eine Stunde und sechs Minuten (01:06:03), wurde wie immer auf ORF 2 ausgestrahlt und von Ingrid Thurnher moderiert.

 Thema

„Sonntagabend die Live-Diskussion hier in ORF 2. Guten Abend meine Damen und Herren. […] Welche Solidarität den genau? Da schieben sich die Länder die Verantwortung zu wie eine unbequeme Last die sie nur so schnell wie möglich loswerden wollen. […] Und so marschiert der Flüchtlingstross vom Balkan, durch Österreich durch, vorbei an immer mehr Zäunen, Militär und Polizeikontrollen.“ (Ingrid Thurnher. In: Im Zentrum. ORF 2. 20.09.2015. 01 Minute)

Mit diesen Worten eröffnet Ingrid Thurnher die Sendung und macht sogleich zu Beginn auf die Dringlichkeit und Relevanz des Themas aufmerksam. Die Themenauswahl überrascht nicht, überlagerte doch das Flüchtlingsthema zu dem Zeitpunkt durch sein Ausmaß alles andere. Allgemein wird bei „Im Zentrum“ versucht die BefürworterInnen, die GegnerInnen und die ExpertInnen an einen Tisch zu bekommen. Der/die ExpertIn soll dem Thema neutral gegenüberstehen und nur mit seiner/ihrer Expertise zur Diskussion beitragen.

Die Moderatorin der Sendung Ingrid Thurnher sieht neben den augenscheinlichen Unterschieden wie Werbeunterbrechungen die Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Formaten speziell in der Themensetzung.

„Bei der Themensetzung ist es so, dass wir manchmal wenn wir das Gefühl haben ein Thema ist wahnsinnig brisant, selbst wenn es nicht auf ein breites Publikumsinteresse stößt, wir es trotzdem machen. Weil wir eben einen öffentlich-rechtlichen Auftrag haben und den auch ernst nehmen.“ (Interview mit Thurnher am 23.06. 2015)

Bei „Im Zentrum“, so jedenfalls Thurnher, stehen nicht die Zuschauerzahlen im Vordergrund sondern die Notwendigkeit eine Diskussion über bestimmte Themen zu führen. Private Fernsehanstalten finanzieren sich zu einem großen Teil aus Werbung und die Zuschauerzahlen bestimmen den Tarif. Dementsprechend muss speziell bei der Themensetzung das Publikumsinteresse berücksichtigt werden.

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 Gäste

Bei der „Im Zentrum“-Folge vom 20.09.2015 waren gesamt vier Gäste anwesend, außerdem wurde eine Schaltung nach Dubrovnik (Kroatien) geschaltet. Die Gäste wurden nach einleitenden Worten über das Thema und Einspielung der „60 Sekunden“ von der Moderatorin vorgestellt. Die „60 Sekunden“ sind der Beitrag der zu Beginn jeder Sendung eingespielt wird und in einer Minute die relevanten Ereignisse zum Sendungsthema zusammenfasst. Die Vorstellung der Gäste durch die Moderatorin erfolgt in Kombination mit dem Vorlesen eines Statements der jeweiligen Person zum Sendungsthema. Dadurch ist von Beginn an klar, wer welchen Standpunkt vertritt und dementsprechend findet auch die Platzierung statt.

 Ulrike Lunacek: Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments (Die Grünen)  Harald Vilimsky: EU-Abgeordneter (FPÖ)  Wolfgang Bosbach: Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages (CDU)  Giorgos Chondros: Mitglied im Syriza- Zentralkomitee, Griechenland  Dubravka Šuica: EU-Abgeordnete (HDZ), Kroatien- live aus Dubrovnik zugeschaltet

Es handelt sich um eine sehr internationale und politisch orientierte Diskussionsrunde. Drei EU-PolitikerInnen, ein Bundestagsabgeordneter und ein Mitglied der Syriza Regierung in Griechenland. Nur die beiden EU-Abgeordneten haben einen, wenn auch indirekten, Österreich-Bezug. Die Geschlechterverhältnisse sind unausgeglichen, von fünf Gästen sind nur zwei Frauen.

Bis auf die „60 Sekunden“ gab es nur mehr eine weitere Zuspielung während der Sendung. Bezüglich wichtigen Rolle Ungarns wurden Aussagen des ungarischen Premierminister Viktor Orbán über die Flüchtlingswelle gezeigt.

Insgesamt konnten während der Sendung 45 Wortbeiträge gezählt werden. Frau Lunacek liegt mit 15 Redebeiträgen an erster Stelle, gefolgt von Herrn Vilimsky mit 11 verbalen Beiträgen, Herrn Bosbach mit 9 Wortspenden, Herrn Chondros mit 6 Äußerungen und Frau Šuica per Zuschaltung mit nur 4 Wortbeiträgen.

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Abbildung 15: Verteilung der Wortbeiträge bei "Im Zentrum" Es lässt sich demzufolge eine deutliche verbale Dominanz der beiden Gäste mit Österreichbezug Ulrike Lunacek und Harald Vilimsky beobachten. Wolgang Bosbach liegt knapp dahinter während Giorgos Chondros erst gegen Ende der Sendung vermehrt zu Wort kommt. Frau Dubravka Šuica kann aufgrund der Zuschaltung nie direkt in die Diskussion eingreifen und wird nur drei Mal von Frau Thurnher zu ihrer Meinung und Einschätzung befragt. Das erklärt ihren letzten Platz mit nur vier Wortspenden.

Bei der Gästeauswahl zeigt sich, dass ein starker internationaler Politikfokus vorliegt. Frau Lunacek ebenso wie Herr Vilimsky sollte als EU-Abgeordnete den europäischen Standpunkt vertreten. Während Vilimiskys Argumente und Lösungsvorschläge sich jedoch immer nur auf Österreich beziehen, forderte Frau Lunacek eine europäische Lösung für die Flüchtlingskrise. Mit Herrn Bosbach ist die deutsche, mit Herrn Chondros die griechische und mit Frau Šuica die kroatische Perspektive vertreten. Die Faktoren Prominenz und Betroffenheit sind in dieser Gästerunde nicht vertreten. Keiner der Gäste ist direkt von der Sachlage betroffen oder wurde rein ob seiner/ihrer Bekanntheit eingeladen.

 Setting

Das Studio von „Im Zentrum“ ist in verschiedene Blau- und Orangetöne getaucht und wirkt dezent und einladend. Das Publikum sitzt in einem Halbkreis auf einer Tribüne und bildet rund um den Gäste- Halbkreis ein rundes Plenum. Die

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Diskutanten sind in einem sichelförmigen Halbkreis angeordnet und sitzen auf beigen gepolsterten Sesseln mit einem Beistelltischchen. In der Mitte befindet sich die Moderatorin, im Hintergrund eine große Leinwand auf der die Zuspieler und auch zur Diskussion passende Bilder gezeigt werden. Da für die Aufzeichnung der Sendung das Studio von „Sport am Sonntag“ umgebaut wird, muss im Falle von Sondersendungen auf das „Zeit im Bild 2“ Studio ausgewichen werden. Hier sitzen die Gäste an einem runden Glastisch und es ist kein Saalpublikum anwesend.

Abbildung 16:: Positionierung der Gäste bei "Im Zentrum" Die Anordnung der Gäste findet immer nach ihren Standpunkten statt. Contra sitzt auf einer Seite der Moderatorin gegenüber von Pro. Die örtliche Positionierung geht also Hand in Hand mit der inhaltlichen. Natürlich ist die Zuteilung nach Pro und Contra nicht in jedem Fall eindeutig gegeben, dann bestimmt die Redaktion die beste Sitzordnung.

Im Falle der Sendung vom 20.09.2015 sitzen auf der linken Seite der Moderatorin mit Herrn Vilimsky und Herrn Bosbach diejenigen die dem Flüchtlingsstrom sehr skeptisch gegenüberstehen und der Meinung sind das es so nicht weiter gehen kann, während auf der rechten Seite mit Frau Lunacek und Herrn Chondros jene Personen sitzen, welche eine eher linke Position einnehmen und sich für eine beinahe uneingeschränkte Aufnahme der Flüchtlinge aussprechen.

 Moderation, Partizipation und Interaktion

Die Moderatorin tritt in der ganzen Diskussion neutral auf und erteilt im Verlauf der Sendung den verschiedenen Gästen in annähernd gleichem Maß das Wort. Die unterschiedliche Anzahl an Redezeiten erklärt sich nur bei Frau Šuica durch

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die Moderatorin und in allen anderen Fällen durch die Diskussion unterhalb der Gäste. Thurnher greift lediglich korrigierend und aktiv ein, wenn sich die Diskutanten zu weit vom eigentlichen Sendungsthema entfernen. Sie achtet sehr genau darauf jeden zu Wort kommen zu lassen und auch ruhigere Gäste in die Diskussion miteinzubeziehen. In Punkto Kleidung fällt auf, dass sie wenn möglich in neutralen Farben gekleidet ist und beispielsweise bei einer Konfrontation SPÖ und ÖVP keine rote Bluse trägt.

Neben ihrer Funktion als Leiterin des Gesprächs, erklärt Thurnher auch gewisse Sachverhalte für das Publikum zu Hause und im Studio. Sie gibt Zusatzinformationen zum besseren Verständnis und deckt grobe Unwahrheiten der Diskutanten sofort auf. Grundsätzlich steht und fällt die Sendung mit der Moderatorin Thurnher. Nachdem der Zweitmoderator Peter Pelinka nicht mehr zur Verfügung steht, kann die Sendung bei einem Ausfall Thurnhers nicht stattfinden.

In der qualitativ untersuchten Sendung gibt es keine Interaktion mit dem Publikum. Weder können Fragen gestellt werden, noch sitzt ein/eine Betroffene/r im Publikum und wird von Thurnher befragt. Dem Publikum ist es erlaubt zu klatschen, jedoch nur in einem angemessenen Ausmaß. Weiter wird von der Redaktion dafür gesorgt, dass die Begleiter der politischen Gäste nicht Teil des Publikums sind aus Angst sie könnten während der Sendung unangenehm auf sich aufmerksam machen.

Betreffend der Partizipationsmöglichkeiten des Publikums lässt sich festhalten, dass diese nur vor der Sendung via E-Mail, Facebook oder Twitter gegeben sind, jedoch nicht während der Sendung. Die ZuseherInnen können Fragen oder Themenvorschläge machen und diese werden dann eventuell von der Redaktion aufgegriffen. Aufforderungen zur aktiven Beteiligung oder Partizipation über Social Media und andere Kommunikationstools gibt es nur wenn beispielsweise Betroffene für das Publikum gesucht werden, jedoch nie während der Sendung. Dagegen bietet Facebook und Twitter eine Plattform auf der sich die ZuseherInnen untereinander, manchmal auch unter Beteiligung der Redaktion, austauschen können.

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8.3.2. „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“(PULS 4)

Gegenstand der qualitativen Analyse ist die „Pro und Contra“-Folge vom Montag den 14.09.2015 zum Thema „Tausende Menschen auf der Flucht- Was nützen die Grenzkontrollen“. Die Sendung dauerte fünfzig Minuten (50:56), wurde auf PULS 4 ausgestrahlt und von Thomas Mohr moderiert.

 Thema

„Guten Abend auf PULS 4. Herzlich Willkommen zu Pro und Contra, in einem Land in der Mitte. Denn Deutschland hat nun begonnen seine Grenzen zu kontrollieren und Ungarn hat seit heute seine Grenzen geschlossen […] und schickt zehntausende Flüchtlinge einfach so Richtung Westen weiter. Österreich liegt da inmitten, das Bundesheer versucht jetzt die Kontrolle über die Grenze irgendwie wieder herzustellen und die zehntausend gestrandeten Flüchtlinge müssen irgendwie versorgt werden. Wie kann und wie wird das weitergehen? Das werden wir heute in Po und Contra diskutieren.“ (Thomas Mohr. In: Pro und Contra. PULS 4. 14.09.2015. 01. Minute)

Mit diesen Worten begrüßt Thomas Mohr die ZuseherInnen zu Hause und im Studio. Das Sendungsthema wurde aufgrund des beschlossenen Assistenzeinsatzes des österreichischen Bundesheeres an der Grenze zu Ungarn gewählt. Die Aktualität der Angelegenheit ist nicht zu übersehen und der Moderator stellt den Anspruch wesentliche Fragen zu klären und einen Blick in die Zukunft zu wagen.

 Gäste

Die geladenen Gäste sind sehr vielfältig. Wie auch bei „Im Zentrum“ kommen unter anderem zwei Abgeordnete des EU-Parlaments zu Wort. Weiter zu Gast sind ein Mitglied des Bundesheeres, um Fragen zum Assistenzeinsatz beantworten zu können, eine Aktivistin sowie der Bürgermeister der am stärksten vom Flüchtlingsstrom betroffenen Gemeinde Nickelsdorf. Das Hauptaugenmerk der Sendung liegt ganz klar auf dem Aspekt der Betroffenheit. Insgesamt waren bei der „Pro und Contra“-Folge vom 14.09.2015 sechs Gäste anwesend. Sie und der Moderator werden zu Beginn der Sendung von einer Off- Stimmer vorgestellt.

 Othmar Karas: EU-Abgeordneten (ÖVP)  Josef Weidenholzer: EU- Abgeordneter (SPÖ),  Anahita Tasharofi: Fluchthelferin und Gründerin des Vereins "Flucht nach Vorn"

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 Karl Schmidseder: Generalleutnant, Einsatzleiter im Verteidigungsministerium  Gerhard Zapfl: Bürgermeister von Nickelsdorf (SPÖ)  Ursula Stenzel: FPÖ-Kandidatin für die Wien-Wahl 2015

Frau Stenzel, die durch ihre langjährige Moderation der „Zeit im Bild“ im ORF österreichweit bekannt ist, wechselte kurz vor der Sendung von der ÖVP zur FPÖ und war deswegen stark in den Medien präsent. Sie erfüllt in dieser Diskussion den Faktor Prominenz mehr als den Faktor Expertise. „Pro und Contra“ setzt wie bereits an früherer Stelle beschrieben, weniger auf politisches Expertentum oder Verantwortlichkeit, sondern auf Betroffenheit. Zu Gast sind Menschen die nahe am Geschehen dran sind und ihre Beobachtungen auch schildern können. Direkt betroffen ist speziell Herr Zapfl als Bürgermeister, die Aktivistin und Fluchthelferin Tasharofi sowie der Generalleutnant Schmidseder.

Insgesamt wurden im Verlauf der Sendung 35 Wortbeiträge der Podiumsgäste gezählt. Davon entfallen zehn Redebeiträge auf Josef Weidenholzer, acht auf Ursula Stenzel, fünf auf Anahita Tasharofi und jeweils vier auf Othmar Karas, Karl Schmidseder und Gerhard Zapfl. Aus dem Publikum wurden drei Leute befragt auf die ebenfalls je ein Wortbeitrag kommt. Frau Stenzel und Herr Weidenholzer wiesen ganz klar die emotionalste Diskussionsführung auf und kamen so auch am häufigsten zu Wort.

Abbildung 1716: Verteilung der Wortbeiträge "Pro und Contra"

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 Setting Im Studio dominieren Blautöne mit einigen pinken Akzenten. Grundsätzlich ist eine große Ähnlichkeit mit dem „Im Zentrum“-Studio erkennbar. Die vier bis sechs Gäste sitzen auf beigen Stühlen in der Mitte des Studios rund um einen ovalen Glastisch. Die/der ModeratorIn zentral und rechts und links davon die Diskutanten. Wie auch bei „Im Zentrum“ sind die Gäste nach ihren Positionen platziert. Das Studiopublikum befindet sich ebenfalls in einem Halbkreis, manche stehend, manche sitzend rund um die Diskussionsrunde. Bei „Pro und Contra“ ist es üblich Fragen aus dem Publikum zu stellen und Betroffene werden zwischen den Zuschauern platziert und berichten aus dieser Position von ihren Erfahrungen. Ebenfalls rund um die Diskussionsrunde befinden sich Fernsehbildschirme, auf denen während der gesamten Sendung Bilder und Videos gezeigt werden. Grundsätzlich weist das Format viele Inszenierungselemente auf. Während die Gäste sprechen, werden beispielsweise für die ZuseherInnen zu Hause Videos eingeblendet um das Gesagte zu veranschaulichen.

Da die Anordnung der Gäste bei „Pro und Contra“ fast ident mit jener bei „Im Zentrum“ ist, wird an dieser Stelle keine eigene Grafik dazu angeführt.

 Moderation, Partizipation und Interaktion

Der Moderator Thomas Mohr tritt grundsätzlich sehr neutral auf und beteiligt sich nicht vordergründig an der Diskussion. Jedoch stellt er häufig Zwischenfragen und unterbricht Gäste die zu lange sprechen oder sich vom Sendungsthema entfernen.

„Wir brauchen jetzt nicht den Wienwahlkampf vorziehen. Die Frage war eine andere!“ (Thomas Mohr. In: Pro und Contra. PULS 4. 14.09.2015. 17. Minute)

Im angeführten Beispiel nimmt Mohr eine klar korrigierende Rolle ein. Wie auch bei „Im Zentrum“ übernimmt der Moderator bei „Pro und Contra“ eine strukturgebende Funktion. Er stellt direkt Fragen, greift von den Diskutanten aufgeworfene Fragestellungen auf und gibt sie elegant weiter. Deutlich ist, dass mehr Diskussion unter den Gästen entsteht wie etwa bei Frau Thurnher. Die Diskutanten stellen sich gegenseitig Fragen und es entsteht ein angeregtes Streitgespräch. Ob dies ein Ergebnis der Moderation Mohrs ist, lässt sich an dieser Stelle nur schwer beantworten. Die zweite Moderatorin Corinna Milborn,

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die Moderation erfolgt alternierend, weist einen ähnlichen Moderationsstil auf. Sie nimmt jedoch verstärkt die Rolle der Vermittlerin zwischen Podium und Publikum ein und stellt sicher, dass alle Fragen angemessen beantwortet werden.

Zu Beginn der Sendung werden nicht nur die Gäste am Podium, sondern auch jene die sich im Publikum befinden und in der zweiten Hälfte der Sendung miteinbezogen werden, von einer Off-Stimme vorgestellt. Die Fragen und Stellungnahmen dieser Personen im Publikum machen das Format lebendig und sind ein wichtiger Baustein des gesamten Sendekonzepts. Auswirkungen hat es klarerweise speziell auch auf die Sendezeit. Bei „Pro und Contra“ werden allerdings nur sehr selten Zuspieler gezeigt, die ebenfalls viel Raum einnehmen würden. Interessant ist auch, dass das Saalpublikum wesentlich mehr Reaktion und Interaktion zeigt als bei „Im Zentrum“. In der untersuchten Sendung klatschte es neun Mal nach Aussagen der Diskutanten. Bei Frau Thurnher war dies kein einziges Mal zu beobachten. Am Verhalten der ZuhörerInnen zeigt sich auch eine Pluralität der Meinungen im Publikum. Es wird drei Mal bei Frau Tasharofi, drei Mal bei Herrn Karras und einmal bei Herrn Schmidseder geklatscht. In allen sieben Fällen nach positiven Aussagen in Bezug auf die Flüchtlingsthematik. Frau Stenzel von der Gegenseite hingegen wird vom Publikum einmal mit klatschen und einmal mit lachen bedacht.

Die Partizipationsmöglichkeiten des Publikums sind bei „Pro und Contra“ im Vergleich mit den beiden anderen Diskussionsformaten am größten. Die Sendung wird durch zwei Werbeunterbrechungen in drei annähernd gleich lange Teile gegliedert. Im ersten Teil hat, in der untersuchten Sendung, jeder Diskutant mindestens einmal die Möglichkeit seinen/ihren Standpunkt darzulegen. Im zweiten Teil, nach der ersten Werbeunterbrechung, kommt eine Aktivistin aus den Zuschauerreihen zu Wort die ihre Frage direkt an Frau Stenzel richtet. Es entspinnt sich eine Diskussion zwischen den beiden Frauen die Mohr schließlich mit einer Frage an Herrn Weidenholzer unterbricht. Im dritten Teil wird einer Dame von einer NGO (Non-Governmental Organisation) das Wort erteilt die nach ihrem Statement ebenfalls eine Frage an das Podium richtet. Der Verlauf der Sendung wird vom Publikum maßgeblich mitgestaltet und bietet so eine Plattform für Fragen und Antworten. Wie bei „Im Zentrum“ kann auch bei „Pro und Contra“ vor, während und nach der Sendung auf Facebook und Twitter mitdiskutiert werden.

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8.3.3. „Der Talk im Hangar 7“ (ServusTV)

Gegenstand der folgenden qualitativen Analyse ist die „Der Talk im Hangar 7“- Folge vom Donnerstag den 18.09.2015 unter dem Motto „Grenzen dicht: Zerbricht Europa an der Flüchtlingsfrage?“. In der Sendung werden die Grenzschließungen innerhalb Europas sowie die Folgen der Flüchtlingskrise auf den gesamten Kontinent thematisiert. Die Sendung dauerte 65 Minuten (01:05:07), wurde auf ServusTV ausgestrahlt und von Helmut Brandstätter moderiert.

 Thema

„Herzlich willkommen beim Talk im Hangar 7. Und weiter strömen tausende, ja zehntausende Flüchtlinge nach Europa und zwar täglich. Zunehmend erleben wir in einigen Ländern chaotische Zustände. […] Europa steht vor der größten Herausforderung aller Zeiten.“ (Helmut Brandstätter. In: Der Talk im Hangar 7. ServusTV. 18.09.2015. 01 Minute)

Ähnlich zu „Im Zentrum“ behandelte „Der Talk im Hangar 7“ die Frage wie mit dem Flüchtlingsstrom umgegangen werden soll und welche kurz- und langfristigen Konsequenzen er auf Europa hat. Immer mehr Grenzen werden geschlossen und Europa weiß keine Lösung, mit dieser Ausgangslage bittet ServusTV zur Diskussion. Thematisch finden sich große Parallelen zu „Im Zentrum“ die gleichermaßen die Grenzschließungen und die Wirkung auf Europa zur Diskussion stellten. Bei „Pro und Contra“ wurde zwar ebenfalls das Flüchtlingsthema behandelt, der Fokus lag jedoch speziell bei den Grenzschließungen sowie auf dem Versuch einiger EU-Mitgliedsländer eine Quotenregelung für die Schutzsuchenden zu erreichen.

 Gäste

Bei der „Der Talk im Hangar 7“-Sendung vom 18.09.2015 waren sechs Gäste im Studio anwesend. Es gab darüber hinaus eine Schaltung nach Paris. Die Runde setzte sich hauptsächlich aus internationalen ExpertInnen zusammen. Aktive PolitikerInnen waren nicht dabei.

 Gerald Knaus: Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative (Paris)  Gunnar Heinsohn: Ökonom und Soziologe (Bremen)  Petr Robejsek: Politologe (Hamburg)  Manfred Nowak: Menschenrechtsexperte (Wien)

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 Andreas Unterberger: Publizist und Journalist (Wien)  Nina Kustorica: Regisseurin und Geflohene (Wien)  Ursula Plasser: Botschafterin in Paris und ehemalige österreichische Außenministerin

Von den insgesamt 67 getätigten Wortbeiträgen entfallen die meisten auf Herrn Unterberger mit vierzehn. Ebenfalls aktiv an der Diskussion beteiligten sich Herr Nowak mit zwölf und Herr Knaus mit zehn Wortspenden. Auf Herrn Robejsek kommen neun, auf Frau Kustorica acht und auf Herrn Heinsohn und Frau Plassnik jeweils sieben Wortmeldungen.

Vergleicht man die Redebeiträge aller drei untersuchten Sendungen so kann man erkennen, dass in allen Fällen ein bis drei Gäste die Gespräche dominieren, aber trotzdem alle Gäste mehrmals während einer Sendung zu Wort kommen.

Abbildung 18: Verteilung der Wortbeiträge. „Der Talk im Hangar 7“ Bei der Auswahl der Gäste zeigt sich, dass die Faktoren Sachkenntnis und ExpertInnentum eine wichtige Rolle spielen. Herr Nowak, Herr Knaus und Herr Robejsek übernehmen in der Runde ganz klar die Rolle der Experten. Frau Plassnik erfüllt einerseits den Faktor Prominenz- als ehemalige Außenministerin Österreichs- und andererseits weist sie als Botschafterin ein hohes Level an Sachkenntnis in EU-Belangen auf. Frau Kustorica erfüllt den Aspekt der Betroffenheit, da sie selbst vor vielen Jahren als Flüchtling nach Österreich gekommen ist. Als journalistischer Meinungsführer kann Herr Unterberger

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klassifiziert werden der gemeinsam mit Herrn Heinsohn die negative Position in Bezug auf den Flüchtlingsstrom einnimmt. Grundsätzlich präsentiert „Der Talk im Hangar 7“ eine sehr internationale Runde, mit insgesamt vier international bekannten Gästen.

 Setting

Das ServusTV-Studio wird, wie auch bei „Im Zentrum“ und „Pro und Contra“, von blauen Farbschattierungen dominiert. Die Location ist sehr besonders und aufwändig, mitten zwischen historischen Flugzeugen im Hangar 7 am Flughafen Salzburg. Hinter den Diskutanten befinden sich drei Bildschirme auf denen Videos gezeigt werden sowie mannshohe Leinwände mit Bildern. Die Gäste sitzen, ähnlich wie bei den anderen beiden untersuchten Diskussionssendungen, in einem Halbkreis rund um den Moderator. Platz nehmen sie auf beigen Stühlen und in der Mitte befindet sich ein eigenwillig geformter Glastisch. Aufgrund der Ähnlichkeit des Settings wird auch hier auf eine Darstellung der Positionierung der Gäste verzichtet. Im Gegensatz zu „Im Zentrum“ und „Pro und Contra“ jedoch, sind sie nicht je nach ihrem Standpunkt und Meinung rechts oder links vom Moderator positioniert, sondern bunt gemischt. Neben Frau Kustorica beispielsweise saß rechts Herr Unterberger und links Herr Heinsohn, die beide höchst konträre Positionen zu ihr einnahmen. Es scheint als würden jene Gäste mit den konfrontativsten Meinungen, vielleicht als Erleichterung für die Kameraführung, nebeneinander platziert werden.

Zu Beginn der Sendung werden die Gäste von einer Off- Stimme nacheinander vorgestellt und ebenfalls in zwei kurzen Sätzen deren Position zum diskutierten Thema zusammengefasst. Es folgen einführende Worte des Moderators sowie ein Zuspieler. Der Zuspieler zeigt, vergleichbar mit den „60 Sekunden“ bei „Im Zentrum“, eine Zusammenfassung der Ereignisse in Bezug auf die Sendungsthematik. Ein weiterer Beitrag der die Sendung thematisch unterteilt, wird nach der Hälfte der Sendungszeit gezeigt. Der dritte Zuspieler, eine von der Redaktion durchgeführte Straßenbefragung zum Thema, wird am Ende des Formats gespielt. Insgesamt gab es während der Sendung nur eine Werbepause und die zehn Minuten vor Ende. Bevor die Diskussion fortgesetzt wurde, wurde ein kurzer Trailer eingespielt der zusammenfasste was bisher diskutiert wurde.

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 Moderation, Partizipation und Interaktion

Bei der Analyse der Moderation zeigte sich, dass sich zwischen den Moderatoren Thurnher und Mohr wenige Unterschiede, jedoch zwischen Thurnher, Mohr und Helmut Brandstätter große Unterschiede zeigten. Brandstätter führt die Diskussion zwar ebenfalls professionell und ruhig, jedoch greift er häufiger ein. Je länger die Diskussion dauert, desto mehr gibt Brandstätter von sich und seiner eigenen Meinung preis, macht sarkastische Äußerungen und verhält sich zum Teil als sei er selbst ein Diskutant. Einige Beispiele sind:

„Assad bombardiert ja sein Volk nicht weil sie so viele Syrer sind. Da sind wir uns schon klar oder?“ (Helmut Brandstätter. In: Der Talk im Hangar 7. ServusTV. 18.09.2015. 24. Minute)

„Ich weiß nicht welche Religion Sie haben, es ist mir auch wurst (Sic!)!“ (Helmut Brandstätter. In: Der Talk im Hangar 7. ServusTV. 18.09.2015. 47. Minute)

„Das sind Nazis, sagen wir es wie es ist!“ (Helmut Brandstätter. In: Der Talk im Hangar 7. ServusTV. 18.09.2015. 55. Minute)

Brandstätter nimmt sich bei der Moderation kein Blatt vor den Mund und führt sie auf pointierte Art. Entwickelt sich die Diskussion in eine ungewollte Richtung entzieht Brandstätter bewusst das Wort und fordert kurze Antworten ein.

„Ok verstanden, ok verstanden!“ (Helmut Brandstätter. In: Der Talk im Hangar 7. ServusTV. 18.09.2015. 39. Minute)

„Können wir zurückkommen zum Thema!! (Helmut Brandstätter. In: Der Talk im Hangar 7. ServusTV. 18.09.2015. 45. Minute)

Grundsätzlich tritt Herr Brandstätter als äußerst aktiver Diskussionsleiter auf. Er bleibt zwar immer höflich, ist aber stark darauf bedacht das Gespräch in die von ihm gewollte Richtung zu lenken. Beendet wird die Sendung von einem Appell Brandstätters an das Publikum und die SeherInnen zu Hause sich an den guten Dingen zu orientieren. Thurnher und Mohr hingegen beschränken sich am Ende der Sendezeit lediglich darauf auf die nachfolgenden Programme hinzuweisen.

Interaktion mit dem Publikum gibt es bei „Der Talk im Hangar 7“ keine. Es ist zwar ein Saalpublikum von 100 Menschen anwesend, jedoch wird es weder während der Sendung gezeigt noch bekommt der Fernsehzuschauer seine Anwesenheit mit.

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Auch die Partizipationsmöglichkeiten der ZuseherInnen beschränken sich auf Diskussionen auf Twitter oder Facebook. Auf diese Möglichkeiten wird während der Sendung mit Inserts hingewiesen. Damit ist „Pro und Contra- Der PULS 4 News Talk“ eindeutig das Format mit der meisten Interaktions- und Partizipationsmöglichkeiten des ZuseherInnen zu Hause und im Studio.

8.3.4. Zusammenfassung

Aus der Untersuchung wird klar, dass die politische Diskussionssendung „Im Zentrum“ mehr Gemeinsamkeiten mit dem Format „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“ aufweist, als jenes mit dem ebenfalls von einem Privatsender produzierten „Der Talk im Hangar 7“. Ein wirklicher Unterschied zwischen den politischen Diskussionssendungen des öffentlich-rechtlichen ORF und privater Anbieter lässt sich dementsprechend in dieser Untersuchung nicht feststellen.

Betrachtet man die Kategorie Gäste wird deutlich, dass „Im Zentrum“ sehr stark auf Politik, „Der Talk im Hangar 7“ auf Expertentum und „Pro und Contra“ auf Betroffenheit setzt. Bei „Der Talk im Hangar 7“ werden Berufsgruppen wie JournalistInnen, SoziologInnen, PolitologInnen usw., bei „Pro und Contra“ Menschen die nahe dran am aktuellen Geschehen sind und bei „Im Zentrum“ vermehrt Menschen mit Entscheidungskraft und hoher politischer Stellung eingeladen. Während die beiden Sendungen den Anspruch haben möglichst viele Menschen mit ihrer Sendung zu erreichen und auch deren Interessen abzudecken, bedient „Der Talk im Hangar 7“ eine nur sehr kleine Zielgruppe. Dass sich bei „Im Zentrum“ eher hochkarätige Gäste einfinden kann durch seine höheren Quoten erklärt werden. In einer Untersuchung im Jahre 2000 wurden politische Sprecher befragt welche Programme für deren politische Kommunikation wichtig seien. Hierbei gaben 50% an, dass die Programme öffentlich-rechtlicher Sender für sie interessant seien, und nur ein Drittel der Befragten sagten dasselbe über jene der privaten Sender. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Befragten die Qualität der Diskussionsformate von Privaten als geringer einstufen und daher weniger Nutzen für sich erkennen sich in einem solchen Format zu zeigen (vgl. Bußkamp 2002, 26). „Folglich ließe sich eine Zurückhaltung gegenüber privaten Sendern auch als eine vorbeugende Maßnahme der Politik interpretieren“. (Bußkamp 2002, 26) Bezogen auf Österreich kann eher davon ausgegangen werden, dass die politischen Akteure

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in ihrer begrenzten Zeit die sie für Auftritte in Diskussionsformaten zur Verfügung haben, ein möglichst großes Publikum erreichen möchten. Das erklärt ihre größere Präsenz in Formaten des ORF und speziell bei „Im Zentrum“, das mit viel mehr ZuseherInnen aufwarten kann als seine private Konkurrenz.

In der Kategorie Thema zeigt sich, dass sowohl bei „Im Zentrum“ als auch bei „Pro und Contra“ der Faktor Aktualität ausschlaggebend ist. Während jedoch „Im Zentrum“ seinen Fokus auf öffentlich-relevante Themen legt, ist er bei „Pro und Contra ganz klar auf brisanten und polarisierenden Diskussionen. Bei „Der Talk im Hangar 7“ kann oder will man nicht immer aktuelle Ereignisse aufgreifen und plant Sendungen auch lange im Voraus. Hier werden verstärkt wissenschaftliche und gesellschaftliche Themen aufgegriffen. „Der Talk im Hangar 7“ ist bezüglich des Themenspektrums sehr breit, er umfasst Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Bei „Im Zentrum“ liegt der Fokus ganz klar auf Politik und weniger auf Gesellschaft während bei „Pro und Contra“ Thematiken aus beiden Bereichen gleichgestellt sind.

Direkt betroffene Menschen, wie etwa Flüchtlinge, kommen in keiner der Sendungen zu Wort. Nur bei PULS 4 wird das Live-Publikum zur Plattform der Betroffenen, wenn in der untersuchten Sendung auch „nur“ von HelferInnen. Bei „Der Talk im Hangar 7“ wurde immerhin mit Frau Kustorica eine Person eingeladen die einmal von der Flüchtlingsthematik direkt betroffen war. Der öffentlich-rechtliche ORF ist hier am schlechtesten aufgestellt.

Die Ausgeglichenheit der Geschlechterverhältnisse lässt bei allen untersuchten Formaten stark zu wünschen über, hier ist „Im Zentrum“ mit einer Frauenquote von 40% Vorreiter.

Die Partizipationsmöglichkeiten des Publikums sind bei „Pro und Contra“ im Vergleich mit den beiden anderen Diskussionsformaten am größten. Der Verlauf der Sendung wird vom Publikum maßgeblich mitgestaltet und bietet so eine Plattform für Fragen und Antworten.

Es zeigte sich, dass sich die Moderatoren Thurnher und Mohr in punkto Moderationsstil wenig unterscheiden, Brandstätter jedoch durch seinen legeren, manchmal auch emotionalen und sehr persönlichen Stil heraussticht.

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Die Studiogestaltung ist bei allen Sendungen sehr ähnlich. Die einzigen Unterschiede sind im Setting zu finden, beispielsweise bei der Anwesenheit und Platzierung des Saalpublikums sowie der Diskutanten nach Pro und Contra ihrer Positionen.

Grundsätzlich bieten alle drei untersuchten Diskussionssendungen eine sehr gute Möglichkeit sich über Politik zu informieren, unterschiedlichen Standpunkten zu lauschen und sich eine Meinung zu bilden. Jede von ihnen liefert eine ausgewogene Diskussion, interessante Gäste und spannende Themen. Besonders beeindruckt hat mich persönlich „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“, der meiner Meinung nach in Punkto Qualität und Seriosität immer näher an „Im Zentrum“ heranrückt und in nächster Zeit sogar daran vorbeiziehen könnte. Immer mehr SpitzenpolitikerInnen und EnscheidungsträgerInnen aus Wirtschaft und Gesellschaft finden ihren Weg ins PULS- Studio. Die Diskussion findet auf einem ebenso hohen Niveau wie bei „Im Zentrum“ statt. Besonders ansprechend ist die starke Einbindung des Saalpublikums und der ZuseherInnen zu Hause. „Im Zentrum“ zeigt im Gegensatz dazu nach wie vor einen etwas elitären Charakter mit wenig Kontakt nach „draußen“. Wie Gasteiger schon 2012 feststellte, täte dem Format eine Profilschärfung gut (vgl. Gasteiger 2012). „Der Talk im Hangar 7“ ist im Gegensatz zu den beiden anderen, die eine breite Masse an Menschen ansprechen möchten, auf eine relativ kleine Zielgruppe zugeschnitten. Die Diskussion findet rein unter ExpertInnen statt und greift Themen auf die nur selten der österreichischen Mehrheit gerade unter den Nägeln brennt. Die Diskussionen sind weniger konfrontativ dafür umso gehaltvoller. Aus diesem Grund wirkt das Format zeitweise anstrengender als andere, jedoch sollte es keineswegs negativ gesehen werden die ZuseherInnen zum Mitdenken anzuregen.

9. Fazit und Resümee

Politische Diskussionssendungen in Österreich im Spannungsfeld von Medien und Politik. Diese Überschrift stand am Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit politischen Diskussionssendungen öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehanbieter in Österreich. Thematisch eingebettet in das Phänomen der Dualität, der modernen Politikvermittlung und dem Spannungsfeld

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Politik und Journalismus fehlt es ihr weder an gesellschaftlicher Relevanz noch an Aktualität.

Anschließend an eine theoretische Einführung, wurden im ersten großen Teil der vorliegenden Arbeit die Zusammenhänge zwischen den Phasen politischer Kommunikation nach dem zweiten Weltkrieg mit der Entwicklung politischer Diskussionssendungen untersucht. Die Hypothese, dass wenn sich die politische Kommunikation- darunter wurde im Anschluss an McNair jegliche Form der Kommunikation politischer Akteure zur Durchsetzung eigener Ziele verstanden (vgl. McNair 2011, 4)- ändert, dann verändert sich auch die Form der Fernsehdiskussionsformate, ließ sich nach ausführlicher Literaturrecherche nur falsifizieren. Die Veränderungen in Form und Wirkung bewirkten ganz klar in jeder Phase das Aufkommen neuer Medien. In der ersten Phase von Ende des 2. Weltkriegs bis zu den 1960er Jahren lief die politische Kommunikation über direkten persönlichen Kontakt und die Printmedien. Es war außerdem die Zeit in der das Fernsehen Einzug erhielt und die ersten Versuche in Richtung politischer Diskussionssendungen gemacht wurden. In der zweiten TV-zentrierten Phase von Mitte der 1960er Jahre bis zu den 1990er Jahren erreichte das Medium Fernsehen immer mehr Menschen. Dementsprechend fand nicht nur die politische Kommunikation vermehrt über dieses Medium statt, sondern auch das Genre der politischen Diskussionssendungen öffnete sich und ermöglichte dem Publikum mehr Partizipation. In der dritten multimedialen Entwicklungsphase begann der Siegeszug des Internets und mit ihm die Entstehung neuer sozialer Medien. Die politische Kommunikation musste sich an diese neue Entwicklung anpassen und um ihre WählerInnen zu erreichen auch diese Kanäle bespielen. Die politischen Diskussionssendungen mussten ebenfalls diese neuen Medien in ihr Sendungskonzept integrieren und neben Partizipation auch Interaktion mit dem Publikum ermöglichen.

Sicher ist jedoch, dass das Aufkommen neuer Medien nur ein Teil der Veränderung war. Das Publikum beispielsweise hat sich seit der Entstehung der ersten Diskussionssendungen ebenfalls stark verändert. War es früher passiv und ließ sich von den Gesprächen im Fernsehen geradezu „belehren, so möchte es heute am Geschehen teilhaben, möchte mitreden und seine Meinung kundtun.

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Die quantitative und qualitative Analyse der Formate „Im Zentrum“ (ORF 2), „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“ (PULS 4) und „Der Talk im Hangar 7“ (ServusTV) lieferte reichhaltige Ergebnisse und ermöglichte die Beantwortung der Fragestellung nach den Unterschieden politischer Diskussionssendungen zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanbietern. Der adäquate Methodenmix, unter Zuhilfenahme definierter Kategorien wurde auf das Untersuchungsmaterial angewandt und machte deutlich, dass ein wirklicher Unterschied nicht besteht. Das Format „Im Zentrum“ weist mehr Gemeinsamkeiten mit dem Format „Pro und Contra- der PULS 4 News Talk“ auf, als jenes mit dem ebenfalls von einem Privatsender produzierten „Der Talk im Hangar 7“. Einziger großer Unterschied liegt in der Einbeziehung der ZuseherInnen zu Hause vor dem Fernseher und im Publikum. Hier hat „Pro und Contra“ eindeutig die Nase vorne.

Alle drei Formate wollen im Grunde dasselbe erreichen, nämlich eine fundierte Orientierungshilfe zu bieten, setzen es jedoch auf unterschiedliche Weise um. Sowohl beim ORF als auch den beiden Privatsendern gibt es gute Ideen und innovative Ansätze. Wie in vielen anderen Dingen des Lebens kann auch bei den politischen Diskussionssendungen die Zeit nicht stehen bleiben. Denn wie es so schön heißt: „The show must go on“!

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10. Literaturverzeichnis

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10.1. Videoquellen

Der Talk im Hangar 7. SERVUSTV. 65 Minuten. 18.09.2015. 22.50-23:55 Im Zentrum. ORF, ORF 2. 66 Minuten. 20.09.2015. 22:00- 23:06 Pro und Contra. Der PULS 4 News Talk. PULS 4. 50 Minuten. 14.09.2015. 22:25- 23:15

10.2. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: TV- Nutzungszeiten nach Altersgruppen. In: ORF Medienforschung (2014). Online unter: http://mediaresearch.orf.at/ (Zuletzt besucht am 18.08.2015) Abbildung 2:TV-Marktanteile 2014. In: ORF Medienforschung (2014). Online unter: http://mediaresearch.orf.at/ (Zuletzt besucht am 18.08.2015) Abbildung 3: Medienkonzerne im Überblick – 2015- die STANDARD-Übersicht (2015). In: derStandard.at (2015). Online unter: http://derstandard.at/2000018063748/Oesterreichs-groesste-Medienhaeuser- 2015-die-STANDARD-Uebersicht (Zuletzt besucht am 25.08.2015) Abbildung 4: Zusammenhang Phasen politischer Kommunikation und Entwicklung politischer Diskussionssendungen Abbildung 5: Über welchen Kanal oder welche Medien informieren Sie sich über Politik in Österreich? (2014). In: statista- Das Statistik- Portal (2015). Online unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/329699/umfrage/umfrage-zu- informationskanaelen-zu-politischen-themen-in-oesterreich/ (Zuletzt besucht am 24.08.2015)

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Abbildung 6: Praktiken der Einflussnahme politischer Akteure auf die tagesaktuelle Berichterstattung aus Sicht der redaktionellen Eliten. In: Politischer Journalismus in der Mediendemokratie. In: Plasser, Fritz (2004): Politische Kommunikation in Österreich. Ein praxisnahes Handbuch, Band 29. Schriftreihe des Zentrums für Angewandte Politikforschung Band 29, Wien: WUV- Universitätsverlag. S. 296.

Abbildung 7: ORF 2 Logo. Kundendienst.ORF.at. Online unter: http://kundendienst.orf.at/ (Zuletzt besucht am 21.09.15) Abbildung 8: ServusTV Logo. Online unter: http://www.servustv.com/at/ (Zuletzt besucht am 21.09.2015) Abbildung 9: PULS 4 Logo. Online unter: http://www.puls4.com/ (Zuletzt besucht am 21.09.2015) Abbildung 10: "Im Zentrum"- Logo. Online unter: http://tickets.orf.at/home/stories/imzentrum (Zuletzt besucht am 21.09.2015) Abbildung 11: Logo "Pro und Contra- der PULS 4 News- Talk. Online unter: www.puls4.com (Zuletzt besucht am 21.09. 2015) Abbildung 12: Logo "Der Talk im Hangar 7". Online unter http://www.servustv.com/at/Sendungen/Talk-im-Hangar-7 (Zuletzt besucht am 22.09.2015) Abbildung 13: Themenscan alle Sendungen von 31.08.2015- 27.09.2015 Abbildung 14: Männer- und Frauenanteil alle Sendungen von 31.08.2015- 27.09.2015 Abbildung 15: Verteilung der Wortbeiträge bei "Im Zentrum" am 20.09.2015 Abbildung 16: Positionierung der Gäste "Im Zentrum" Abbildung 17: Verteilung der Wortbeiträge "Pro und Contra" am 14.09.2015 Abbildung 18: Verteilung der Wortbeiträge. „Der Talk im Hangar 7“ am 18.09.2015

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11. Anhang

11.1. Interview mit Ingrid Thurnher am 23.06.2015

Gesprächsdauer 32:22 min.

Wie ist denn die Entstehung von im Zentrum verlaufen?

Naja im Zentrum war eigentlich die Weiterentwicklung von Fernsehdiskussionsformaten, die es zuvor schon gab im ORF. Die hießen dann „Zur Sache“, „Betrifft“, ganz früher gab es auch noch Mischformen aus Reportage, Magazin und Diskussionsformat ich glaube das hieß „Politik am Freitag“… es hat dann eigentlich fließende Grenzen gegeben aber ich glaube dass insgesamt die Talk Formate im Fernsehen einen unglaublichen Siegeszug angetreten haben irgendwann in den 90er Jahren wahrscheinlich weil man halt gemerkt hat, dass live fernsehen, also live Diskussion im Fernsehen ist das womit Medien- Macher speziell Fernsehmacher einen demokratischen Diskurs , Dialog am nähesten kommen können. Weil Live Diskussion im Fernsehen hat keine Zensur, hat keinen Schnitt, hat keine Bearbeitung sondern ist sag mal authentisch, ist live und die Leute können, und das ist unser Anspruch, auch an diese Sendung, können hautnah miterleben, wie unterschiedliche politische Konzepte, Meinungen, Ideologien, Herangehensweisen an ein Problem live aufeinanderprallen, wie sie argumentiert werden, wie Standpunkte untermauert werden argumentativ. Direkter als live kann man es nicht machen, das hat natürlich viele Implikationen, weil die Leute, Politikerinnen und Politiker und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon ganz genau wissen und lernen wie man in einer Diskussion anders argumentieren muss als wie wenn man alleine auf einer Bühne steht und das Projekt halt vorstellt oder in einer Pressekonferenz, einer Rede oder schriftlich überhaupt oder in einem Einzelinterview als in einer Diskussion wo man sich mit den politischen Mitbewerber dann auseinandersetzen muss. So jetzt war das eine lange Wurst von der Entstehung von Talk Formaten und ihrem Siegeszug und wir sehen ja heute wenn wir nach Deutschland schauen, es gibt fast keinen Tag ohne Polittalk in den deutschen Medien, halt in jedem tag auf einem anderen Sender einer. Aber es hat schon etwas für die Leute wo sie sich wiederfinden können und dazu kommen wir glaube ich noch.

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Genau, und diese Talk Formate kommen ja ursprünglich aus Amerika, sind dann nach Deutschland gekommen und dann mit einiger Verzögerung nach Österreich, hat es da irgendein deutsches oder amerikanisches Vorbild gegeben für „ Im Zentrum“, habt ihr euch da an irgendwas anderem orientiert?

Ich glaube „Im Zentrum“ war wie schon erwähnt eine Weiterentwicklung von schon bestehenden Talk Formaten, die es auch im ORF gab und dass ist halt, dass die Zeichen der Zeit, irgendwann mal macht man sich dann auch selbstständig und koppelt sich ab von internationalen Vorbildern aber aus irgendwelchen Gründen koppeln sich alle in die gleiche Richtung ab. Es scheint jedenfalls zu sein, ich glaub es hat viel mit den technischen Möglichkeiten zu tun wie sich solche Formate entwickeln es hat viel mit den Verfügbarkeiten zu tun aber auch viel mit dem Vorhandensein einer Diskussionskultur in einem Land zu tun ob da was geht, in welche Richtung es sich entwickelt oder nicht. Aber dass man jetzt sagen könnte da gabs auf NBC das und jenes Format und genau so wollten wirs machen, dass war sicher nicht so. „Im Zentrum“ hat ja auch schon sehr viele verschiedene Erscheinungsbilder gehabt unter dem gleichen Dach. Früher mal saß man halt gerne über den Dächern von Wien und hat gerne in einer kleinen eingeschworenen Runde unter sich geredet, heute haben wir das Gefühl es ist besser man ist zu ebener Erde, Auge in Auge mit dem Publikum, offen und transparent für alles was da kommt und sozusagen hat eine andere Wirkung auch auf die Zuschauerinnen und Zuschauer als man hat den Eindruck so wie das früher im Haas Haus war, da unterhält sich eine gepflegte Runde von Herrschaften über irgendein Problem aber ich bin nicht dabei und das wollten, das war sicher eine Zeit lang eben so und da war das der Weisheit letzter Schluss und wir haben das Gefühl gehabt, jetzt ist es Zeit, längst gewesen, dass man sagt jetzt machen wir was Neues und öffnen uns. Das hat einerseits mit diesem Denkansatz zu tun und andererseits hat es damit auch zu tun das man auch zuhause ab und zu mal neue Möbel kauft und einen neuen Anstrich macht und vielleicht mal eine Wand einreist und so um das Wohnen zeitgemäß zu halten. Wir wollten eben auch zeitgemäß sein.

Seid ihr deswegen umgezogen?

Genau

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OK. Warum ist eigentlich der Club 2 eingestellt worden?

Ja da kann ich dir nur sagen es war eine Entscheidung der Geschäftsführung den einzustellen, man könnte argumentieren, dass er Club 2 ein Diskussionsformat war, der eben schon eine sehr sehr lange Geschichte hatte und das er vielleicht, also so jedenfalls war die Argumentation nicht mehr ganz so zeitgemäß ist, wie Talks heutzutage sind. Der Club 2 hatte eigentlich zwei Prinzipien: einerseits es diskutieren dort keine Politikerinnen und Politiker und andererseits gibt es keine festgelegte Sendezeit, man keiner diskutieren so lange man will. Das ist in einer Zeit entstanden, als politische Diskussionen, nachfolgend der ganzen 68er Bewegung, irgendwie die ganze Nation in Atem gehalten haben. Jeder und jede von Schülerzeiten an bis zu Pensionisten offensichtlich oder es hat zumindest so ausgesehen ständig politisch diskutiert hat. So eine ganz andere Zeit als wir sie jetzt haben. Aber vielleicht kommt sie auch wieder. In dieser Zeit hat man dann gesagt wir können auch in einem Land wo die Zahl möglicher Diskussionsteilnehmer ja so wahnsinnig begrenzt ist in einem Kanal auch nicht zwei Diskussionsformate uns leisten. Also ich vermisse den Club 2 nach wie vor ich fand er war großartig aber wir haben natürlich auch erlebt das wir am Dienstag festgestellt haben, das ist das Thema der Woche und da wollte es natürlich am Mittwoch der Club 2 machen und am Sonntag die Sendung „Im Zentrum“ nur mit einer jeweils anderen Besetzung und das wurde sehr oft redundant und das war natürlich schwierig auch. Also es war schön ihn zu haben, es war auch schwierig, so würd ich das definieren.

Wenn du drei Adjektive hättest wie würdest du „Im Zentrum“ beschreiben?

Aktuell, Brisant, Konfrontativ

Das war schnell. Schauen wir uns die Unterschiede zwischen den Privaten und dem ORF an. Welche Unterschiede siehst du zum Beispiel zwischen „Im Zentrum“ und „Pro und Contra“?

Jetzt einmal abgesehen von den augenscheinlichen Unterschieden wie Werbeunterbrechungen und so etwas, glaube ich, dass wir da vor allem über die Themensetzung reden müssen. Bei der Themensetzung ist es so, dass wir manchmal wenn wir das Gefühl haben ein Thema ist wahnsinnig brisant, selbst wenn es nicht auf ein breites Publikumsinteresse stößt, wir es trotzdem machen.

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Weil wir eben einen öffentlich- rechtlichen Auftrag haben und den auch ernst nehmen. Deswegen sagen wir Themen bei denen wir im Vorhinein wissen, dass sie jetzt keine besonders hohen Zuschauerzahlen haben werden setzen wir trotzdem auf die Agenda weil wir uns dazu verpflichtet fühlen sie auch bei uns irgendwie zur Diskussion kommen zu lassen und das ist sicher ein ganz großer Unterschied.

Und du hast das Gefühl, dass es bei den Privaten eher um Zuschauerzahlen geht?

Naja vielleicht nicht besonders bei diesem Format, aber im Wesentlichen wissen wir dass sich Private aus Werbung finanzieren müssen und es daher für sie sehr wichtig ist welche Zuschauerzahlen sie haben weil die bestimmen den Tarif der Werbung. Also diesen Druck den tun wir manchmal einfach weg wenn wir wissen da ist ein Thema das hat vielleicht jetzt nicht 400- oder 500.000 Zuschauer aber es hat ein hohes gesellschaftspolitisches Interesse und wir müssen es uns leisten, wir wollen es uns leisten auch über solche Themen zu diskutieren.

Und bist du froh, dass du nicht zwei Mal in der Sendung unterbrechen musst?

Ja!

Und sagen musst jetzt ist Werbung?

Ja, Schon (lacht)

OK, weil sicher der Diskussionsfluss dann auch unterbrochen wird oder?

Sicher ja ich bewundere die Corrina Milborn unendlich dass sie das immer wieder hinbekommt.

Und die Corrina war ja früher auch im ORF soweit ich weiß.

Genau hat auch glaube ich als Moderatorin vom Club 2 viel Erfahrung mitnehmen können für das was sie jetzt macht.

Gut, jetzt kommen Sachen die ich eh ungefähr schon weiß dadurch dass ich bei euch war aber nur dass wir es auch auf Band haben.

Was für SeherInnenbedürfnisse sollen durch „Im Zentrum abgedeckt werden?

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Ich glaube das es für uns wichtig ist ein Thema dann aufzubereiten, wenn wir das Gefühl haben es brennt den Menschen schon unter den Nägeln und dann sollen sie sich dort auch wiederfinden. Sie sollen das Gefühl haben das wird nicht nur bei mir zuhause am Esstisch oder am Stammtisch oder am Arbeitsplatz ist da ein Ding da das brennt unter den Nägeln sondern das wird auch wahrgenommen von den Medien von der Politik, das wird diskutiert, da wird nach Lösungen gefragt, gesucht und möglicherweise auch welche gefunden und wenn nicht dann wird zumindest dargestellt ein gewisses Problembewusstsein. Mit anderen Worten wir wollen das die Leute wenn sie sich diese Sendung anschauen dass wir den Leuten helfen sich eine Meinung zu bilden wenn sie sich bis jetzt noch keine gebildet haben oder sich zumindest in der Meinung eines oder einer der Diskussionsteilnehmer wiederfinden. Weil wir das Gefühl haben da kann man auch viel kanalisieren, man kann aber auch die Leute von festgefahren Argumentationsmustern vielleicht auch ein bisschen wegbringen und sie auch öffnen für neue Argumente was sehr wichtig ist. Weil die meisten Leute beschäftigen sich ja nicht hauptberuflich jetzt sag mal zum Beispiel mit dem Thema TTIP. Sie hören da vielleicht mal was oder lesen etwas in der Zeitung, einen kleinen winzigen Ausschnitt aus der Wirklichkeit und glauben sich darauf eine Meinung pro & contra bilden zu können und da können sie in einer solchen Diskussionssendung erfahren, das ist ja nicht mit diesem ganz kleinen Guckloch das ich bis jetzt gesehen habe abgetan sondern es gibt eben auch dazu andere Argumente, es gibt auch dazu erweiternde Gedanken und davon kann man profitieren.

Ist die Zuseherschaft von „Im Zentrum“ überaltert?

Das glaube ich nicht.

Wie setzen sich die Zuschauerzahlen zusammen?

Naja ich glaube wir könnten das natürlich jede Woche bei der Marktforschung erfragen, wir wissen das wir einen Altersschnitt haben dem der „Zeit im Bild“ entspricht. Also wir merken nur auch und das bescheren uns die sozialen Medien in einem bisher unbgekanntem Ausmaß, dass wir ganz sicher nicht nur 60- jährige Zuschauer haben und wir sind wir viele Leute während einer solchen Sendung das machen was sie beim Tatort auch machen, gleichzeitig das social

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media beobachten Twittern, auf Twitter auf Facebook mitdiskutieren teilnehmen teilhaben an diesem Thema uns insofern glaube ich dass sich der Zuschauerschnitt das Zuschauerprofil auch verändert mit diesem social media, wie das ja auch der Tatort beobachtet lustigerweise.

Also dass es wieder jünger wird? Das auch…

Ja

..die jüngeren wieder Interesse finden?

Das glaube ich schon, ja. Weil sie merken, dass plötzlich ein Kanal da ist der sozusagen ihre Diskussionslust auch mitbefeuert über die social media. Und das hat natürlich wieder Rückwirkungen auf uns und das hat also das hängt eines mit dem anderen zusammen vielleicht denken wir auch deswegen vielleicht auch bei der Gästezusammensetzung über andere Namen nach weil wir hier selber auch mit diesen social media zu tun haben, da drin sind, vertreten sind, mitlesen, mitdiskutieren und das verändert vielleicht auch unsere eigene Wahrnehmung und unser eigener “aproach“ an ein Thema oder Zusammensetzung einer Liste.

Welche Kriterien sind bei der Themenauswal wichtig? Also wie genau wird das Thema der Woche dann entschieden?

Es muss ein Thema sein number one über das man diskutieren kann wo es verschiedene Standpunkte gibt. Wenn wir z.B. haben ein Ereigniss das es in dieser Brutalität und Grausamkeit sicher noch nie gegeben hat mit diesem Amoklauf in Graz dann wird man am Tag nach dem Ereignis nicht darüber diskutieren weil es gibt kein pro & contra Amoklauf. Das ist ein Thema das sich zumindest in diesem zeitlichen Zusammenhang ganz sicher für eine Diskussion nicht eignet. Es eignet sich für Reportagen, Interviews, Hintergrundberichte, für sehr sehr viele Dinge aber nicht für eine Diskussion. Weil number one es muss konfrontativ sein. Wir brauchen unterschiedliche Standpunkte die in einer Diskussion aufeinandertreffen können, unterschiedliche Sichtweisen die sich aneinander messen können sonst kommt keine Diskussion zusammen. Es muss, das ist für uns das zweite wichtige Element, das Thema muss zu einem gewissen Grad schon bei der Bevölkerung angekommen sein. Das heißt im Idealfall stoßen wir in einen Zeitpunkt hinein mit der Themensetzung, die irgendwo zwischen

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Diskussion und Meinungsfindung unseres potentiellen Publikums stattfindet. Weil wenn ein Thema überhaupt noch nicht angekommen ist, dann wissen die Leute überhaupt nicht worüber da eigentlich diskutiert wird. Da müssen wir vorher ein langes Erklärstück bieten um den Leuten überhaupt zu sagen um das geht’s. Da müssen die erst lernen was sind eigentlich die pro&contra Argumente bevor sie einer Diskussion überhaupt folgen können. Würde uns genauso gehen, wir müssten uns auch erst einmal einlesen, also werden wir Themen hernehmen, bei denen wir glauben dass auch am Stammtisch im Wirtshaus, zuhause am Esstisch ein Diskussionsbedarf da ist. Und dann ist es auch für uns richtig. Also dass ist ganz ganz wichtig also ein Thema dann abzuarbeiten wenn es eine gewisse Konjunktur erreicht hat, wenn wir da noch das Gefühl haben die Leute haben das Gefühl da könnte ich mitreden, da fühle ich mich verstanden, da fühle ich mich abgeholt, da fühle ich mich aufgehoben, da hab ich das Gefühl da wird etwas wahrgenommen das mich auch beschäftigt, dann ist es richtig.

Und die Gästeauswahl, wie geht die vonstatten?

Die geht so vonstatten, dass man immer mal eine Traum- Diskussionsrunde hat.

Die A-runde.

Die A-runde, den Besten, also man macht mal so eine Art plot, so eine Art Schema auf dem Papier und sagt das sind die Befürworter, das sind die Gegner, das ist vielleicht ein Expertin ein Experte der dem ganzen neutral gegenübersteht aber zumindest weiß wie sind die Gesetze dazu, wie was auch immer, die wissenschaftlichen Erkenntnisse solche Dinge ja. Und dann kann man nach diesem Schema auf dem Papier eine Traumrunde erstellen und versuchen sie zusammenzustellen. Die Wirklichkeit zeigt, dass das nicht immer so einfach ist wie man sich das vorstellt. Weil der Sonntagabend ein Termin ist zumindest so kurzfristig wo die Traumrunde nicht immer so verfügbar ist und dann ist es halt meistens nicht der aller erste perfekte Gast sondern vielleicht der zweite oder dritte den man sich für diese bestimmte Position überlegt hat, ja. So kommen die Gästerunden zustande, das ist manchmal nicht so einfach.

Aber liegt es wirklich nur daran das am Sonntagabend keiner Zeit hat oder wird da auch politische Spielchen gespielt?

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Ja selbstverständlich, manche kommen nur wenn der andere auch kommt, manche kommen sicher nicht wenn der andere kommt. Dann ist natürlich auch das Thema, das heikle Thema der Frauen, gerade in vielen Bereichen über die wir diskutieren, man nehme nur die ganzen finanzwirtschaftlichen Themen die wir in den letzten Jahren so viel hatten ,man nehme alles was mit Europäischer Politik, Ukrainekonflikt als mit all diesen fast muss man sagen martialischen Themen zu tun hat wo wir einfach oft wahnsinnige Schwierigkeiten haben Frauen zu animieren bei uns mitzudiskutieren. Es gibt, wir können auch diesbezüglich auch nur das abbilden was ist in der Verteilung von Männer- und Frauenrollen in der wirklichen Gesellschaft und vor allem in diesen politischen Funktionen, wirtschaftlichen Funktionen erleben wir ganz einfach das das dort nach wie vor eben nicht ausgewogen ist und wir können das nur bis zu einem ganz geringen Anteil befürchte ich durch die Besetzung unserer Diskussionsrunden ausgleichen oder verändern dieses Bild. So und dieser Kampf ist ein sehr schwieriger jede Woche aufs neue weil wir auch erleben, dass Frauen uns dann sagen ich kann leider diesen Sonntag nicht, ich habe Kinderbetreuungspflichten oder muss am Montag früher aufstehen oder habe zu diesem speziellen Thema nur zwei Spezialartikel publiziert, nur zwei Artikel veröffentlicht während mein Stellvertreter gleich drei geschrieben hat also fragen sie ihn. Wir zitieren immer gerne diesen Spruch zu dem wir dann auch irgendwie selber gelangt sind ja wenn wir eine Frau anrufen und sie fragen ob sie bei und diskutieren will fallen ihr furchtbar viele Gründe ein warum sie das nicht tun will, wenn wir einen Mann anrufen, sagt er ja ich komme gern, um welches Thema geht es denn? Das erleben wir sehr sehr oft.

Und was würdest du sagen woran liegt das? An der Persönlichkeit der Frauen an sich oder am Umfeld?

Ja ich glaube da spielt vieles zusammen ja, es ist noch immer in vielen Bereichen so, grad jetzt in der Finanzwelt oder allem was mit Krieg zu tun hat und mit früher typisch männlichen Instrumentarien dort sind halt Männer in den Führungsrollen nach wie vor. Und was wir aber schon wollen, und das ist mir auch wichtig, wir wollen immer die möglichst sozusagen kompetentesten Gäste haben, die auch Entscheidungskompetenzen haben. Also warum fragt man sich dann selber soll ich die dritte Stellvertreterin nehmen nur will sie eine Frau ist wenn ich den Chef

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haben kann? Und in dieser inneren Kontroverse spielt sich dann halt ständig ab. Günther Jauch der kürzlich bekanntgegeben hat dass er jetzt bald aufhören möchte mit seiner Talkshow, mit seinem Polittalk hat in einem, oder wird in einem Spiegelbericht zitiert mit den Worten: “Ich will nicht explizit Frauen einladen, ich will immer die besten Gäste haben und es ist schön wenn das Frauen sind“ aber das man natürlich immer die besten Gäste haben will ist logisch und es kann nicht die Aufgabe der Medien sein oder zumindest nur zu einem gewissen Grad etwas zu korrigieren was die Politik, was die Wirtschaft nicht zustande bringt. Dass kann ich nicht. Selbst mit noch so gefinkelter Einladungspolitik kann ich das nicht zurechtrücken dieses Bild.

Das ist wirklich ein sehr spannender Aspekt von dem Ganzen.

Absolut ja.

Was erschwert deine Arbeit als Journalistin?

Was erschwert meine Arbeit als Journalistin? Ich habe das Gefühl in letzter Zeit erleichtert einiges die Arbeit von uns Journalisten weil wir einfach so viel leichter Zugang zu Informationen bekommen, so viel schneller Zugang zu Informationen bekommen, was vielleicht in unserem speziellen Bereich unsere Arbeit erschwert ist der Umstand, dass unsere Politikerinnen und Politiker bis zur Unkenntlichkeit „vertrainiert“ werden und teilweise Angst vor jeder Äußerung haben die sie als Person tun könnten weil sie ihnen vielleicht in ihrem politischen Umfeld übel genommen würden. Es ist alles „gestreamlined“, es ist alles „gemarketingt“, abgeglichen und ge- PR aufpoliert und das finde ich macht gerade Diskussionssendungen schwierig weil wir ja auch bis zu einem gewissen Grad darauf angewiesen sind, authentische Persönlichkeiten zu haben, die sich trauen was zu sagen, die einen Standpunkt haben, dazu stehen, ihn verteidigen ohne dass sie ständig im Hinterkopf die Schere haben, kriecht da eh nicht ein Problem in meiner eigenen Partei und das ist also das streamlining oft in den Parteien das erschwert die Diskussion oft sehr weil wir sehen Politiker und Politikerinnen die man wahrscheinlich zu jeder Tages und Nachtzeit aufwecken kann und sie können immer ihr Ding herbeten und es hört sich immer gleich an, aber man vermisst manchmal die Kraft der Überzeugung dahinter, das ist etwas was schwierig ist für uns.

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Wie frei fühlst du dich in deiner Arbeit vor politischer Einflussnahme?

Sehr frei.

Sehr frei?

Ja

Musst du etwas dafür tun?

Ich kann mich nicht erinnern dass mich jemand je angerufen hätte, oder zumindest nicht in den letzten 20 Jahren und mir erklärt hätte ich dürfe etwas bestimmte nicht. Diese Dinge funktionieren viel subtiler, sie funktionieren zum Beispiel durch Diskussionsverweigerung. Wenn zum Beispiel eine bestimmte politische Partei nicht möchte, dass ein bestimmtes Thema bei uns in einer Sendung diskutiert wird dann gibt’s halt einfach einen Maulkorb oder so. Dann darf halt niemand oder will plötzlich niemand mehr von dieser Partei kommen und damit wird das verhindert weil wir natürlich … wir wollen ja nicht über jemand Dritten diskutieren sondern mit jemanden. Wir wollen ja den um den es geht am Tisch haben und mit in der Runde haben. So funktionieren diese Dinge, das ist viel subtiler als es ruft jemand an und droht oder oder so etwas.

Es wird ja den politischen Parteien vorgeworfen ihren Einfluss im ORF geltend machend zu wollen. Hast du den schon jemals gespürt?

Nein das funktioniert ja auf einer ganz anderen Ebene. Dieser Einfluss funktioniert über die Gremien und über die Gesetze die der Gesetzgeber ja also macht um die Kontrolle über den ORF zu behalten. Das funktioniert über eine ganz andere Ebene als über den direkten Kontakt mit Journalisten. Die andere Seite ist natürlich wie nah sind einander Journalisten und Politiker, wie weit existiert da eine Verhaberung die einen die Distanz erschwert und die möglichst objektive, den möglichst objektiven Blick auf die Dinge und da gibt es unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema. Es gibt Journalisten die sagen man muss mit Politikern auch einmal beim Heurigen sitzen können und sich mit ihnen auseinandersetzen, es gibt welche die sagen nein es muss einen klaren Strich geben, die sagen es muss privat und beruflich getrennt sein und die Objekte/Subjekte meiner Berichterstattung können nicht meine Freunde sein. Ich

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bin eher von der zweiten Kategorie, also ich pflege keine privaten Kontakte zu Politikerinnen und Politikern und kann damit gut umgehen.

Du hast vorher von den Gremien gesprochen wo das abläuft, was sind das für Gremien und wie kann man sich das vorstellen?

Das ist das ORF- Gesetz, das ist der Stiftungsrat, dort wird über die Handhabung wird bestimmt, wie groß der Einfluss der Politik auf den ORF überhaupt sein kann. Wenn du mal dir anschaust, wenn eine Geschäftsführung findet ich muss jetzt ein neues Sendeformat oder ein neues Sendeschema machen, dass diese oder jene Gewichtung hat, dann muss das im Stiftungsrat abgesegnet werden. Dort sitzen zwar keine Politiker drinnen aber es gibt die berühmten Freundeskreise die da einen der anderen Richtung nahe stehen, ja und da, aber das ist wirklich ein ganz anderes Thema über das wir hier reden, ein ganz anderes, ein sehr gefährliches. Also ehrlich jetzt nicht zum Zitieren aber das ist da musst du mit jemandem reden der fürs ORF-Gesetz… na wirklich da hat… Wir können schon als Journalisten darüber reden aber, da muss man oft verhandeln ja da muss man oft, da bin ich nicht in der Situation dass mach ich nicht ich kanns nur von der Ferne beobachten drum würde ich ungern haben dass du so etwas schreibst von mir jedenfalls.

Gut wenn ich was nicht schreiben soll musst du es einfach sagen.

Ja aber das hat ja mit Talkformaten eigentlich gar nichts mehr zu tun da sind wir schon sehr weit weg.

Ja es ist ein Zusatzthema was mich einfach interessiert, wie frei Journalisten arbeiten können und auch wie frei du arbeiten kannst und auch wie frei die Corinna arbeiten kann.

Also ich habe nicht den Eindruck, bis auf eben den Punkt das gewisse Gruppierungen durch Diskussionsverweigerung Themen einfach tot schweigen können. Also würde ich dich bitten was ich jetzt sage aber als wir vor zwei Wochen eine Diskussion machen wollten über die SPÖ in der Krise haben uns alle SPÖ- Funktionäre die sozusagen irgendwie, kann man ja auch sagen da gibt es zwei Seiten: die einen stehen hinter dem Faymann-Kurs und die anderen hinter dem Nissel- Kurs wenn man es so banal jetzt betrachten würde. Dann

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haben uns die einfach alle abgesagt, und wenn du keinen Diskutanten hast dann kannst auch nicht diskutieren so funktioniert das.

Das war eh vor einigen Monaten auch schon.

Wie du ja weißt genau.

Wie genau funktioniert die Hierarchie, also wer steht, wie geht die Hierarchie von dir nach oben? Wer sind deine Chefs?

Ich habe viele Chefs.

Genau, genau, wie genau funktioniert das?

Genau der Robert Stoppacher ist der Leiter der Redaktion Diskussionen er ist dem Chefredakteur unterstellt, das ist der Fritz Dittelbacher, der Fritz Dittelbacher ist der Fernsehdirektorin der Fr. Zechner unterstellt und dann gibt es eben noch den Hr. Generaldirektor.

Also so funktioniert die Hierarchie. Und wenn jetzt die ganze Redaktion geschlossen überlegt wir würden gern dieses Thema, irgendein Thema machen und wir haben auch Diskutanten dazu, die durchaus akzeptabel sind und es kommt aber dann von oben nein das Thema nicht. Passiert das oder seid ihr da als Redaktion wirklich frei?

Also ehrlich, wir kennen alle diese Mechanismen wie so etwas zustande kommt und hätten wir da eine so grundsätzlich unterschiedliche Annäherung, dann steht einer von uns beiden auf einer, auf der Schaufel thematisch. Weil wir wissen ja wir haben vorher die Kriterien definiert. Aktuell muss es sein, brisant muss es sein, konfrontativ muss es sein. Also da braucht man nur am Dienstagmorgen wenn die ganze Redaktion zusammen kommt die Nase in die Luft renken und man weiß welche Themen sind es und welche nicht. Also dass wir nicht diese Woche zum Beispiel in der Griechenland die ganze europäische Politik dominiert und in Atem hält auf die Idee kommen würden zu diskutieren ob jetzt, keine Ahnung in Italien die Olivenölexporte explodieren oder irgend so einen Schwachsinn ist ja logisch. Es gibt ja, wir beherrschen ja alle das gleiche Handwerk, wir wissen ja was ein Thema ist. Worüber wir uns manchmal unterschiedlicher Meinung sind ist die Annäherung an ein Thema und das ist aber

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ganz normal. Da sind wir uns innerhalb der Redaktion auch oft unterschiedlicher Meinung. So machen wir das, nein besser so, besser so und müssen erst durch Diskussion halt draufkommen was halten wir dann alle gemeinsam für das Beste? Was ist machbar? Manchmal geht’s halt auch nicht so wie man will und das finde ich schon wichtig weil es kann ja auch mal sein dass wir völlig daneben stehen und wir den falschen approach in ein Thema haben und etwas anderes überlegen sollten. Dann kommt halt mal ein Input von dort. Aber dass wir diametral entgegengesetzte Vorstellungen haben welche Themen, welches Thema in einer Woche das Richtige ist.

Nein so habe ich das aber auch gar nicht gemeint sondern eher so (…) das etwas politisch so brisant ist dass man dann sagt zu brisant zu gefährlich lassen wir lieber.

Zu brisant? Nein sicher nicht, sicher nicht.

Also da seit ihr wirklich als Redaktion frei und?

Aber das würde auch niemand tun warum sollte das jemand dass so brisant ist das jemand denkt zu brisant dann zu sagen dann dürfen wir es nicht diskutieren das wäre ja absurd.

Ja, eh absolut, genau. Aber ihr seid immer dann in Absprache mit Fritz und mit der Kathi?

Naja, wir schlagen unser Thema vor und in ganz vielen Fällen wird das von allen anderen auch so gesehen dass das das Thema der Woche ist, es gibt natürlich Wochen da gibt es nicht das eine ganz große Thema sondern es gibt 3, 4 so medium Size Themen und das ist dann oft auch Geschmacksache ob jetzt das eine oder das andere besser gefällt und so entwickeln wir dann das halt und machen mal einen Vorschlag für eine Runde wie wir das umsetzen können. Wie besprochen hält das nicht immer so und dann müssen wir uns halt was Neues überlegen aber müssen wir jetzt nicht verschweigen warum sollten wir auch. Kann ja auch jemanden anderen etwas einfallen, wo wir froh sind dann darüber.

Ja natürlich. Hast du das Gefühl ich habe etwas nicht gefragt was noch relevant wäre?

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Nein ich glaub wir haben eigentlich alles oder?

Ich glaube auch dann sag ich danke

Bitte!

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