THOMAS PFUNDNER Aus der Geschichte der Evangelischen zwischen Iller und Donau im 19. Jahrhundert Entstehung und Entwicklung der Holzschwanger Diaspora im Raum und Weißenhorn

Das Ende des Hl. Römischen Reiches Die nächsten alten evangelischen (im deutscher Nation 1806 und die Inte- damaligen amtlichen Sprachgebrauch gration schwäbischer Landesteile in „protestantischen“) Gemeinden Bay- das neue Königreich Bayern brachte erns lagen im Süden in und bei Mem- in politischer wie kirchlicher Hinsicht mingen, im Osten erst wieder in Bur- große Veränderungen. tenbach, im Nordosten in Leipheim Das Religionsedikt vom 10. Januar und Riedheim. 1803 sicherte allen im Reich aner- Zuziehende Evangelische konnten sich kannten Konfessionen, den Katholi- nun an die nächstgelegene Kirchenge- ken, Lutheranern und Reformierten, meinde ihres Glaubens wenden, ge- freie Religionsausübung zu. hörten aber offiziell zur Wohnsitzpfar- Eine seit der Reformation im 16. Jahr- rei der vorfindlichen Konfession. Das hundert um den Ulmer Winkel sich hieß u. a., dass diese Personen bei ziehende konfessionelle Trennlinie Amtshandlungen durch einen auswär- begann sich nun ganz allmählich auf- tigen evangelischen Geistlichen die zulösen. Südlich der Donau und öst- Stolgebühr (Gebühr für die Stola) oder lich der Iller lagen vier ulmisch-evan- Kasualgebühr (für den Fall von Taufe, gelische (lutherische) Orte: Pfuhl, Heirat oder Beerdigung) an den ka- Steinheim, Reutti und Holzschwang. tholischen Pfarrherrn vor Ort abzu- In letzterem Ort war die Landeshoheit führen hatten. Die entsprechenden umstritten, Ulm hatte sich de facto Paragraphen aus dem Religionsedikt hier behaupten können.1 Südlich von 1809 können im Anhang nachge- schlossen sich fuggerisch-katholische schlagen werden. Gebiete an. Die frühneuzeitlichen Pfarreien waren in unserem Gebiet in ihrem Bestand Erste Spuren unverändert geblieben und gehörten geschlossen dem katholischen oder Der früheste Nachweis evangelischer evangelischen Bekenntnis an. Die Aus- Familien in Pfaffenhofen lässt sich in gangslage der Pfarreien zwischen Wit- den Holzschwanger Unterlagen aus zighausen und Reutti hat J. Matzke kar- dem Trauungsbuch entnehmen: tographisch übersichtlich dargestellt.2 1824 Sept 12 heiratet Christian Schir- Kirchlich gehörten zu Holzschwang mer, Müller in Pfaffenhofen aus Hei- bis dahin Hausen, der Häuserhof, Tie- denheim (am Hahnenkamm, ehemals fenbach, Neubronn und Weiler.3 Markgrafschaft Ansbach) Anna Maria

15 Kugler aus Polsingen, als Trauzeuge Einige Orte mit Evangelischen treten wird die „versammelte ganze Gemein- bald ins Blickfeld der kirchenstatisti- de“ 4 angegeben. Zwischen 1825 und schen Tabellen:18 1837 werden neun Kinder der Familie getauft.5 1834 stirbt ein Kind des Mül- 1837 1841 lermeisters und wird in Holzschwang Pfaffenhofen 12 Pfaffenhofen 12 beerdigt.6 Zwischen 1840 und 1845 Hittistetten 1 [Hitti]stetten 1 werden vier Kinder dieser Familie in Weißenhorn 4 Weißenhorn 4 Holzschwang konfirmiert.7 Der Kon- Klausenhof 1 Klaßenhof u. firmator verweist in seinen Einträgen Rothof 4 Umgebung 4 auf den weiten Weg (einfach 5,5 km), Rothenberg 4 den diese Kinder zum kirchlichen Un- Hohenbuch 5 terricht auf sich nehmen mussten.8 Roggenburg 2 1847 wanderten die Schirmers nach Amerika aus.9 1843 1853 Pfaffenhofen 11 Pfaffenhofen, 1832 wird das knapp zwei Monate alte Hittistetten 1 Weißenhorn, Kind Joh. Christian Hoefler aus Pfaf- Weißenhorn 19 Roggenburg 16 fenhofen evangelisch beerdigt.10 Für Hochenbuch 6 1832 werden im Kirchenjahresbericht Roggenburg 1 Hohenbuch, für Pfaffenhofen summarisch 12 Pro- Biber[ach]zell 6 Illertissen, testanten angegeben,11 für 1834 in den Vöhringen 13 Kirchenstatistischen Tabellen 12 9 See- len. 1836 schreibt Pfarrer Bissinger13 Für 1837 wird für die auswärtigen in den Kirchenvisitations-Protokollen: Evangelischen in der Statistik die An- „In benachbarten Orten sind zwar ei- zahl der Kommunikanten verzeichnet. nige protestantische Familien vorhan- Da die Kinder noch nicht teilnahmen, den, jedoch nur die wenigsten seß- so sind mit den verhältnismäßig ho- haft und eine förmliche Integration hen Zahlen vermutlich alle Erwachse- [ist] nicht einzuleiten…“14 und zu 1840 nen gemeint. bemerkt er, dass die Kinder in der Im Kommunikantenverzeichnis für Umgebung aus größtenteils gemisch- 1842 werden erstmals – wenn auch ten Ehen hervorgehen und katholisch knapp – die auswärtigen Teilnehmer getauft würden.15 auch namentlich aufgeführt: Georg Straub von Grafertshofen, J. Nagel von Eine Familie Kastler in Hohenbuch Rennertshofen, Elisab. Nägele u. Leo (Hochbuch) lässt sich über die Kir- Almendinger von Hohenbuch, Herr chenbücher gut nachweisen: Zwi- Landvogt von Dürrfeld[en], Petzold (v. schen 1845 und 1853 werden fünf Wilzburg), G. Müller (v. Nördlingen), Kinder getauft, davon das erste im El- G. Schwenk (v. Neu-Ulm) von Weißen- ternhause, erst das zweite in der Holz- horn, 1843 Fam. Schirmer aus Pfaffen- schwanger Kirche. 1856 wird eines hofen, Jak. Nägele, Conr. Leyrer, Jak. vom Kaplan in der Biberachzeller Kir- Meyer, Christian Gerlach aus Weißen- che getauft und ordnungsgemäß nach horn, Meyer von Roggenburg, Ehepaar Holzschwang gemeldet.16 Deuter aus [Biberach]zell, Traub, Löff- Im Trauungsbuch findet sich erst 1853 ler, Schick aus Weißenhorn.19 wieder eine evangelische Trauung Aus- Es handelte sich „am hlg. Ostertage“ wärtiger, nämlich die des Rentamts- um eine eigene Frühbeichte für die boten-Ehepaars Linder / Dempf zu Il- „unter d[en] Catholiken wohnenden lertissen.17 Protestanten“.20

16 Kleinere Begebenheiten

Pfarrer Bissinger spart nicht an Lob über seine Pfarrkinder: „In keinem Dorfe sieht man so viele fremde Arme, die zufrieden von hinnen gehen.“ 21 Während er seinen Holzschwanger und Hausener Gläubigen hohe Kirch- lichkeit und fleißigen Gottesdienst- besuch anerkennt, so kann er das von den „vornehmen Honoratioren in Weißenhorn u[nd] Pfaffenhofen A.[ugs- burger] C.[onfession]“22 im Jahr 1836 so nicht sagen. Erfreulicher lautet die Eintragung von 1839: „Der Umfang des diesseitigen Pfarrbezirkes ist sehr ausgedehnt. In e[inem] 3 Stunden von hier entfernten Ort, Obereck [Ober- egg], L[an]dg[ericht] Rogg[en]burg, hat sich nun auch mitten unter Katholiken e[in] Protestant häuslich niedergelas- sen, der von Zeit zu Zeit die hiesige Kirche besucht. Derselbe ist e[in] ge- Pfarrer Johann Ulrich Bissinger, in bohrener Würtemberger ... Auch hatte Holzschwang 1832 – 1862 bisher der hießige Pfarrer das Ge- schäfte des Krankenbesuches und der Reichung des h[ei]lig[en] Abendmahls ganz feyerlicher Haltung zu begleiten, an die Protestanten im neugebauten, und dort denselben an den protest[anti- großartig eingerichteten, allgem[einen] schen] Leichenkondukt zu übergeben. Krankenhause des benachbarten Wei- Ehre dem Ehre gebührt.“ 24 ßenhorn; der Geistl[iche] wird jedes Mal auf Kosten der Anstalt abgeholt, Pfarrer Bissinger kommt noch einmal nicht aber sonst honoriert.“ 23 auf den „ungeheuren Andrang“ von katholischen Bettlern im Dorf zu spre- „Im verflossenen Sommer [1839] starb chen und fährt dann fort: „Nichts des- e[ine] fremde Person A. C. [aus Wiblin- toweniger sind wir in der katholischen gen] im benachbarten kath. Dorfe Nachbarschaft die Lutherischen Ketzer, Wullenstetten [bei einem Arzt]. Von und eine bedeut[ende] Spannung ist dort aus sollte d[er] Leichnam auf d[en] unverkennbar. Man hält diesseits tüch- hisigen [Holzschwanger] Gottesacker tig u[nd] fest auf seinen evangelischen gebracht werden. Um nun den hießi- Kirchenglauben u[nd] d[er] Geistl[iche] gen Leichenkondukt, Geistlichen u[nd] unterläßt nicht, auf der einen Seite, Sänger u[nd] d[em] Kreuze an d[er] ohne Polemik, für die Wahrheit hin Spitze, den weiten Weg abzukürzen, eifernd zu machen, auf d[er] anderen gefiel es dem dortigen Geistlichen in Seite hin zu tolerirenden Liebe zu er- Pontificalibus, unter Vorangang der mahnen.“25 kirchl. Sänger u[nd] eines Kreuzes und unter Läutung der Glocken [in Wul- 1843 hören wir: „Der kath[olische] lenstetten und in Hittistetten], den Pf[arrer] in Roggenb[urg] hat im Ver- Sarg bis an die Gemeindemarkung in laufe des Jahres den vergeblichen Ver-

17 such gemacht, einer Protestantin dass er sich eigens zum Dekan in Un- beichtväterl[ich] beyzustehen. Allein terroth und zum Ordinariat nach deren Aeltern holten noch zur rechten Augsburg begeben habe und die Aus- Zeit d[en] evang[elischen] Pf[arrer] von kunft erhalten habe, dass die persön- dahier, der ihr zwar das Abendmahl liche Vorsprache beim protestanti- reichte, aber d[ie] Beerdig[un]g dieser schen Pfarrer jetzt nicht mehr nötig Person (sie ist von Hohenbuch) u[nd] sei. Religionsunterricht habe er beim ihres Kindes dem kath[olischen] Pfarrer von Breitenthal erhalten, wel- Pf[arrer] zu Roggenburg überlassen cher noch an die gesetzlichen Vorga- mußte. Laut pfarramtl. Anz[eige] von ben erinnert habe, zum protestanti- dort, geschah dises auf angemessene schen Pfarrer zu gehen. Mohring habe Weise.“ 26 aber gemeint, „daß ihm dort Gewalt würde angethan werden“. 29 1852 „Eine an sich seltene Kirchen- Die Sache ging bis zur königlichen feyer war im Verlaufe des letzten Regierungsbehörde. Mohring stamm- Herbstes anzuordnen, nemlich die te aus Kirchheim /Teck im Württem- Konfirmation einer in die evange- bergischen, er hatte als „charitativer lische Kirche aufgenommenen Frau- Kirchengenosse“ noch das Abend- ensperson, welche sich bis zu ihrem mahl in Holzschwang genossen, sei- Übertritte im 3 Stunden von hier ent- ner Braut hatte er allerdings verspro- fernten Landg[erichts] Orte Illertissen chen überzutreten. Das Ordinariat aufgehalten hat und mehrere Wochen war der Meinung gewesen, Mohring lang mit dem hiesigen Geistlichen im habe noch keinem bayerischen Pfarr- Verkehr gestanden war.“ 27 amt angehört. Die königl. bay. Regie- rung von Schwaben und Neuburg gab Pfarrer Bissinger und seiner Protest- note Recht und leitete einen entspre- Gewisse Unstimmigkeiten chenden Bescheid an das Ordinariat.

Man gewinnt aus den akribisch ge- führten Akten den Eindruck, dass Ein zweiter Fall ist bekannt und aus- Pfarrer Bissinger auch in den entfern- führlich dokumentiert: testen Außenorten nichts entging, er muss allerdings auch aufmerksame „Es war am 25. Juni laufenden Jahres Informanten gehabt haben, zudem [1838], als ein gewisser G. Wohlfart, kannte er sich mit der bestehenden der als Schäfer bey Nordholz, Land- Gesetzeslage gut aus. g[ericht] Roggenburg, schon seit län- Kultur- und agrargeschichtlich wird gerer Zeit hütet, bey dem diesseitigen hier das interessante Thema der Pfarrer mit dem Gesuch um einen württembergischen Schäfer berührt. Abendmahlsschein meldete; er sey So lesen wir 1837 von folgenden Ver- gesonnen, in seine Heimat sich zu be- handlungen: 28 geben, und bedürfe desselben als ei- nes Vorweises bey seinem Beichtva- Der Schäfer Georg Mohring auf dem ter. – Da nun Wohlfart wirklich hier Klasenhof (Glaserhof) war zur katho- schon einmal kommunicierte, so lischen Kirche übergetreten ohne sich, konnte ihm der erbetene Schein nicht wie es der Gesetzeslage entsprochen vorenthalten werden, nur war dem hätte, persönlich beim zuständigen Pfarrer einigermaßen aufallend, daß evangelischen Pfarramt abzumelden. W. zu einer so ungewöhnlichen Zeit Mohring entschuldigte sich damit, dieses Requisit verlangte, und daß er

18 auf die Frage des Pfarrers: ob er denn schon auf dem Wege nach Hatten- hofen sey? – die Antwort gab: nein, er gehe noch einmal nach Nordholz, und von dort aus erst später in die Heimat. – Da nun ferner der diesseiti- ge Pfarrer schon früher mit zwey an- dern Schäfern in pfarramtlicher Bezie- hung ein besonderes Schicksal hatte, und die Schäfer aus dem Württember- gischen hier in vieler Beziehung kei- nen guten Ruf haben, so witterte der Pfarrer sogleich Unrath, und stellte an ihn mehrere auf Kirche und Kirchlich- keit einschlagende Fragen,...“ 30 Wohl- fart wich aus, verneinte, weitere Schrit- te vorzuhaben, konnte sich aber spä- ter darauf berufen, seiner Pflicht Ge- nüge getan und mit dem Pfarrer per- sönlich geredet zu haben. Von anderen Schäfersleuten hörte Pfar- rer Bissinger, dass Wohlfahrt übertre- ten wolle. Bei einem späteren Besuch traf Wohl- fahrt den Pfarrer nicht an und hinter- ließ „auf einem vorgefundenen Schnitz Papier“ 31 die Nachricht, dass er sich nach Ritzisried zu verheiraten geden- ke und aus der evangelischen Kirche austreten wolle. Pfarrer Bissinger legte seinen Behör- den dar, hintergangen worden zu sein. Außerdem warf er vor, dass Wohlfahrt die „Verleugnung seiner evangelischen Kirchengrundsätze zur Bedingung sei- „Ein Schnitz Papier...“ Übertrittsabsicht ner Verheiratung u[nd] Ansäßigma- eines Schäfers 1838 chung gemacht“ 32 worden sei.

Entsprechend musste bei einem Ge- Die Umpfarrung der ersten such der Baderstochter Maria Schöffl Evangelischen und die Entstehung (geb. Dempf aus Mickhausen, 1852 in der Diasporapfarrei Illertissen) um Eintritt in die evangeli- sche Kirche wiederum genau den Aus- Schon 1848 waren Bestrebungen im trittsumständen nachgeforscht werden, Gange, die verstreut wohnenden Evan- um sie aufnehmen zu können. gelischen offiziell nach Holzschwang Beim Akt ihrer Aufnahme wird be- einzupfarren. 34 1853 erfolgte der erste richtet von der Ablegung des aposto- wichtige Schritt: lischen Glaubensbekenntnisses und der „Augsburg am 21. Oktober 1853. Im Beantwortung von fünf Fragen zu Namen Seiner Majestät des Königs Rechtfertigung, Bibel, Sakramenten u. a.33 von Bayern. Was unter Einem an das

19 kgl. Landgericht Neuulm ergangen, umfangs der Pfarrei ist derselbe geblie- folgt nechstehend zur geeigneten Ver- ben; er besteht aus dem Pfarrdorfe fügung: Holzschwang mit 65 Häusern u[nd] 366 Seine Majestät der Koenig haben nach Seelen, dem Filialdorf Hausen ½ Stun- höchstem Rescripte des kgl. Staatsmi- de westlich entfernt mit 14 Häusern, 1 nisteriums des Innern für Kirchen- Schloße u[nd] 75 Seelen, der Ein- und Schulangelegenheiten vom 15ten öde Häuser mit 12 Seelen, Neubronn v. Mts. allergnädigst zu genehmigen ½ Stunde nordwestlich, mit 2 Häusern geruht, daß die jetzt und in Zukunft u[nd] 5 Seelen; Tiefenbach derselben in den katholischen Pfarrbezirken Richtung mit 3 Häusern, Schlößchen Weißenhorn, Pfaffenhofen, Roggen- u[nd] 23 Seelen; Weiler, ¼ Stunde süd- burg, Vöhringen und Illertissen woh- lich, mit 4 Häusern u[nd] 27 Seelen. Nur nenden Protestanten unbeschadet der der Weiler ‚bei Häuser‘ oder ‚Werzle‘, fundationsmäßigen Rechte dieser Pfar- welcher früher seit Erbauung seines reien mit Ausnahme der Stolgebühren 1ten Hauses als zur Parochie Holz- in die protestantische Pfarrei Holz- schwang gehörig behandelt wurde, schwang, Dekanat Leipheim, umge- wurde durch hohe Consistorial Ent- pfarrt werden. schließung v[om] 4. De[zem]ber 1867 Koenigl. Regierung von Schwaben der Nachbarpfarrei Reutti zugetheilt, und Neuburg, Kammer des Innern, weil er auf der Markung Jedelhausen Welden.“ 35 liegt u[nd] diese von jeher zu Reutti ge- Weitere Schritte folgten: hört. Außerdem gehören zur Pfarrei die Es „ist die Eventualität, daß in der be- in den katholischen Gemeinden Pfaf- nachbarten katholischen Pfarrei Auf- fenhofen, Roggenburg, Biberachzell, heim [Evangelische] sich niederlassen Weißenhorn, Aufheim, Illertissen, Vöh- könnten ins Auge gefaßt und durch ringen, Illereichen 37 zerstreut wohnen- allerhöchste Entschließung d[e]. d[ato]. den Protestanten, dermalen etwa 33 München, den 21. Junius 1860 (pr[ae- Seelen. Die in der Pfarrei Holzschwang sentatum] 27. Juni 1860) dahin ent- wohnenden Katholiken – zur Zeit 4 schieden worden, daß solche dann zu Seelen – sind nach Aufheim imparo- der Pfarrei Holzschwang gehören chiert.“ 38 1857 wird auch einmal Stof- werden. Endlich bestand bisher das fenried als Diasporaort erwähnt.39 Herkommen, daß Protestanten in Ille- 1878 24/28 Aug[ust] kam es nach einer reichen, obwohl noch nirgends inpa- Entschließung des königl[ichen] Staats- rochiert, als nach Holzschwang gehö- ministeriums des Innern zum Ausschei- rig betrachtet würden: eine definitive den der Protestanten aus bisher katho- Ordnung dieser Sache ist durch Deca- lischen Pfarreien. Es sollten „Die Pro- natamtl. Erlaß vom 13. Feb[ruar] 1863 testanten in den Gemeinden Wullen- in Aussicht gestellt worden. Ist durch stetten, Hittistetten und Witzighausen allerhöchste Entschließung d. d. Mün- der protestant[ischen] Pfarrei Holz- chen den 27. Aug[ust] 1860 (pr 10 schwang ... eingepfarrt werden“ 40 (so- Sept[ember] 1860) die confessionelle wie die Protestanten in den Pfarreien Purification den Pfarrsprengel betref- Holzheim, Neuhausen, Straß u. Ka- fend die Auspfarrung sämtlicher im deltshofen der protestantischen Pfarrei Sprengel der prot[estantischen] Pfarrei Steinheim). In einem Schriftwechsel Holzschwang wohnhafter Katholiken zwischen den Pfarrämtern Steinheim und ihre Einpfarrung in die kath. Pfar- und Holzschwang wurde 1897 abge- rei Aufheim genehmigt worden.“ 36 klärt, dass die Diasporachristen in Für 1867–1870 fasst Pfarrer [Karl] Mül- Ettlishofen und Hetschwang sich zu ler zusammen: „Hinsichtlich des Pfarr- letzterem Pfarramt zu halten hätten.41

20 Kleine Reibereien und Stoff für den 1860 ging Pfarrer Bissinger den Vor- Amtsschimmel 42 gängen einer Taufe der Protestantin Regina Kling in Buch auf den Grund. Am 30. Juni 1859 (praes 4. Juli) erstat- Er hatte gehört, dass das Kind, ein tete der Weißenhorner Privatier Carl Mädchen, vom katholischen Pfarrer Frieß dem Pfarramt Holzschwang „ge- getauft worden sei. Er legte die Im- horsamste Anzeige, daß sicheren Er- parochierung des Pfarrbezirks Illertis- kundungen zufolge am verflossenen sen auch auf Buch zutreffend aus. ersten Pfingstfeiertage der katholische Wenn kein anderslautender Ehever- Kaplan N. [Finsterer] in Pfaffenhofen trag vorhanden sei, so würde das auf eine solche empörende Weise weibliche Kind nach der Mutter getauft über den Protestantismus und na- werden, die Geburt und der Tauf- mentlich über Dr. Martin Luther von akt hätten nach Holzschwang berich- der Kanzel herab gepredigt haben tet und die Stolgebühr nach Holz- soll, daß sogar einige der anwesenden schwang überwiesen werden müssen. katholischen Christen zischten und Pfarrer Bissinger interessierte sich Herr Pfarrer N. [Anton Zett] zu Pfaf- auch dafür, ob die Taufe nach katho- fenhofen seinem Kaplan mehrmales lischem Ritus mit Chrisam vollzogen zuwinkte, damit derselbe mit seinen worden sei. Es stellte sich heraus, dass frechen, lasterhaften Redensarten en- im Ehevertrag katholische Kinderer- den solle. Da über diese Predigt bei- ziehung vereinbart worden war. 44 nahe in allen Kreisen gesprochen 1860 fragte der Weißenhorner Eduard wird und wir Protestanten in den Au- Saur, der in einer konfessionsverschie- gen des hier und in der Umgegend denen Ehe mit einer evangelischen ohnedieß sehr abergläubischen Publi- Frau lebte, ob es besser sei, „ein Kind kums hiedurch nur abermals verlie- ohne genügenden Religionsunterricht ren, so glaubte ich Einem Königlichen in der protestantischen Religion“ zu Pfarramte hievon geeignete Anzeige lassen oder von einem katholischen erstatten zu müßen, damit Hochdas- Priester unterrichten zu lassen. Außer- selbe mit bekanntem Pflichteifer un- dem fragte er, ob „ein Laie in der pro- sere Rechte vertreten und höheren testantischen Religion genügenden Ortes geeignete Beschwerde führen Unterricht ertheilen“ könne. Da kein kann… .“ Frieß wies darauf hin, dass Ehevertrag aufgerichtet worden war, vom Landarzt zu Pfaffenhofen über so entschied sich das Ehepaar Saur den Inhalt der Predigt Aufschluss zu vor dem königlichen Landrichter, sei- bekommen wäre. ne beiden Mädchen, die bisher der Pfarrer Bissinger wandte sich am 4. Konfession der Mutter angehörten, „in Juli an das katholische Pfarramt Pfaf- der kath[olischen] Religion erziehen“ fenhofen und erhielt am 18. Juli Ant- zu lassen.45 wort. Darin wies der Ortspfarrer dar- Ansonsten wird nur 1857 in Weißen- auf hin, dass „für den Protestantismus horn (ein Chirurg) und 1870 in Tiefen- Beleidigendes nicht vorkam…“ es sei bach/Illertissen je ein Übertritt zur lediglich vorgekommen, „daß einige- katholischen Kirche aktenkundig.46 mal wiederholte [Wort] ‚lutherisch‘ Würdig verlief die Beerdigung des in der übereifrigen und etwas hefti- von Mörderhand erschossenen 29jäh- gen Art des Herrn Kaplan vorgebracht“ rigen Gendarms Georg Rudl im März worden sei. Wenn auch der Weißen- 1856. Pfarrer Bissinger notierte eigens, horner Privatier mit der Antwort noch dass er „als protest. Geistlicher auf nicht zufriedengestellt war, so ließ d[em] Weißenhorner Gottesacker un- man die Sache auf sich beruhen.43 t[er] Glocken-Geläute s[eine] Standrede

21 u[nd] Einsegnung hielt.“ 47 Zwischen- Erhalten hat sich ein Familienbeschrieb durch wurden auch von den katholi- der Protestanten in Illertissen von 1854 schen Geistlichen Amtshandlungen mit Berufen, Herkunft, Kindererzie- übernommen, wie 1854 die Beerdi- hung und Hinweisen auf hohe Fluk- gung des Kindes Leonhard Linder tuation: 54 durch Pfarrer Curtius zu Illertissen.48 – Christoph Bayer, Färber, aus Kur- hessen, Kinder kath. Details aus der Diaspora und etwas Statistik – Julius Stadelmeyer, Bezirksgeome- ter, aus Anspach, Kinder kath. 1863 – 66: „Die in den kath. Gemein- den Pfaffenhofen, Roggenburg, Biber- – Marg. Sibylla Stadelmeyer, Mutter achzell, Weissenhorn, Aufheim, Wit- des Julius, aus Gunzenhausen zighausen, Illertissen, Vöhringen, Iller- eichen zerstreut wohnenden Prote- – Joh. Reinhd Schönberger, Gendar- stanten, diese – dermalen etwa 34 merie Brigadier aus Weiden i. d. Seelen – zum Theile 5 Stunden vom Pfarrdorfe entfernt, kommen größten- – Gabriel Mayer, Gendarme, aus Leip- theils des Jahres nur 1 mal Charfreitag heim, ledig hieher zu Predigt u[nd] Abendmahl; doch fangen in den letzten Jahren – Wilhelm Brucker, Landgerichtsschrei- Einzelne an, auch außerdem an den ber, aus Augsburg, Witwer, Kinder Hohen Festen sich dazu einzufin- kath. den … .“ 49 Dankbar wird vermerkt, dass eine Weißenhorner Familie be- – Christoph v. Braun, Landgerichtsas- reits zweimal Wachskerzen auf den sessor, aus Nürnberg, ledig Altar der Holzschwanger Kirche ge- stiftet hatte 50; eigens vermerkt wird, – Christoph Mayer, Rentamts-Ober- dass eine Familie (des Forstwarts) aus schreiber, aus Culmbach, ledig, Roggenburg und eine aus Illertissen wieder weggezogen weggezogen sei.51 Für den Gustav-Adolf-Verein, der sich – Simon Heide, Landgerichts-Ober- der Diasporachristen annahm (wie heu- schreiber, aus Culmbach, (verh. te noch) „wird in neuerer Zeit [1859 in Nachtr.), wieder weggezogen Holzschwang] mehr geleistet als früher, und betheiligen sich hierin auch die – David Kleinknecht, Gesell bei eingepfarrten Protestanten in Illertis- Schneidermeister Jaeckle, aus Can- sen, Weißenhorn und Roggenburg.“ 52 stadt Wtt., wieder weggezogen Für 1860 werden an Protestanten auf- gelistet: 53 – Christina Lauerwald, Kindsmagd b. Adlerwirt, aus Ulm, wieder wegge- m w zogen Illertissen 10 2 Föhringen[!] 1 1 – Johanna Pracher, Rentamtsgattin, 7 Weißenhorn 8 4 Kinder, aus Augsburg, wieder weg- Roggenburg 4 1 gezogen Pfaffenhofen 2 2 Zell 1 3 – Beisassin Margaretha, aus Augs- Dürrfelden 2 3 burg, wieder weggezogen

22 – Balthasar Linder, Rentamtsdiener, Der Umfang der Diasporapfarrei aus Rothenburg o.d.T. ändert sich

– Maria Linder, aus Mickhausen, 2 Zwischen 1853 und 1893 war die größte Kinder Ausdehnung der Diaspora erreicht. Durch den vermehrten Zuzug war der – Georg Schlegel, königl. Tax-Beam- Aufgabenbereich gewachsen, und man ter, aus Ansbach, Kinder kath. konnte und musste daran denken, ein- zelne Gebiete neu zu verteilen.56 – Johanna Schellenberg Gattin des k Die Ortschaften um Illertissen57 und Lotto Collecteur, aus Augsburg, Kin- Vöhringen herum wurden von Holz- der kath. schwang aus mitpastoriert, waren je- doch bisher nicht förmlich eingepfarrt. Die Protestanten von Kellmünz waren Erhalten hat sich noch ein Familien- nach ministerieller Entschließung 1869 beschrieb aus Roggenburg 55 von 1853: und die von Illereichen und Altenstadt 1875 der protestantischen Pfarrei St. – Joh. Kastler, Pächtersfamilie zu Hoch- Martin in Memmingen zugeteilt.58 buch Für das Illertal war inzwischen der Hilfsgeistliche Nathan Bauer von Neu- – Loder, Rentamts-Scribent Ulm aus tätig, der später (1895) nach Holzschwang wechselte 59. – Helene Bauer, Gattin des prakt. Arztes 1893 berichtet Bauer: „Nachdem der ergebenst unterzeichnete Hilfsgeistli- – Friedrich Ringler, gräfl. Spaur’scher che bei mündlicher Besprechung am Privatsekretär

– Jesajas Frank Land(gerichts)dieners- Gehilfe Dessen Ehefrau Catharina

– Maximilian Gentele, Bindergeselle im gräfl. Brauhaus und von 1855/56:

– Christian Erb, Forstwart, gem. Ehe, Kinder evang.

– Helene Bauer, gem. Ehe, Kinder kath.

– Friedr. Ringler, gem. Ehe, Kinder kath.

– Sigmund Vogtherr, Cameralprakti- kant, led.

– Heinrich Löffler, Rentamtsscribent, led. P f a r r e r N a t h a n B a u e r 1 9 0 3

23 Pfarrfamilie Julie und Nathan Bauer kurz nach 1900

21. September 1892 vom Königl. Pfarr- eines zum Präparandenunterricht nach amt [Holzschwang] die Ermächtigung Holzschwang gehen soll, sowie von zur Einrichtung von evangelischem sechs oder mehr Kindern unter zwölf Religionsunterricht in Illertissen erhal- Jahren besucht, welche an dem Reli- ten hatte, ist derselbe mit diesem Jah- gionsunterrichte Illertissen teilnehmen re begonnen worden. Derselbe findet könnten; diese könnten um 10 h 57’ von jetzt an regelmäßig am Mittwoch von dort wegfahren und um 3 h 07’ und Samstag von 12 –1 Uhr im Schul- von Illertissen wieder zurückkehren. haus zu Illertissen statt, und es kom- Da aber diese Kinder, soweit sie Reli- men zu demselben aus Illertissen selbst gionsunterricht genießen, ihn in Holz- 6, aus Au 6, aus Jedesheim 2, zusam- schwang, nicht wie die von Illertissen men 14 Kinder. Da dieselben zwar und Umgegend in Unterbalzheim zu verschiedenen Schulklassen angehören, besuchen pflegten, möchte der Hilfs- aber an religiöser Vorbildung und Wis- geistliche – zumal das Königliche sen einander ziemlich gleich sind, d.h. Konsistorium die so notwendige Thä- entweder keinen, oder nur katholischen tigkeit desselben in der illertissener Religionsunterricht angewohnt haben, Diaspora nicht recht gutheißen zu und da unter ihnen keine sind, welche wollen scheint – ehe er Schritte thut, schon in diesem Jahr konfirmiert wer- auch diese Kinder beizuziehen, erst den sollen, dürfte es noch nicht not- einen ausdrücklichen Auftrag des wendig sein, einen gesonderten Konfir- Pfarramts Holzschwang abwarten.“ 60 mandenunterricht zu erteilen. Für 1894 waren sieben Kinder der Ge- Soviel der Hilfsgeistliche in Erfahrung burtsjahrgänge 1880 und 81 als Kon- gebracht hat, wird auch die katholische firmanden angemeldet, die aus Iller- Schule in Vöhringen von 3 protestanti- tissen, Dornweiler, Jedesheim, Ritzis- schen Kindern von 12 Jahren, deren ried und Au stammten.61

24 Der Hilfsgeistliche Bauer erwähnt Auspfarrung aus den katholischen auch die bereitwillige Bereitstellung Pfarreien , Obenhausen, Die- des Rathaussaales Illertissen für evan- tershofen, Jedesheim, und gelische Gottesdienste und seine Be- Au in die protestantische Pfarrei Neu- reitschaft fünf weitere, also sechs Got- ulm eingepfarrt werden“.63 tesdienste zu halten.62 „Dieß wird dem k. prot. Oberkonsi- storium auf den Bericht vom 16. l. Inzwischen war der entscheidende Mts. unter Rückschluß der U[nter]la- Schritt erfolgt, um die Muttergemeinde gen desselben zur weiteren Verfügung Holzschwang zu entlasten: eröffnet. Gez. Dr. von Müller.“ 64 „München, den 28. Mai 1893 Im Namen seiner Majestät des Königs. Durch die 1862/63 eröffnete Bahn war Seine kgl. Hoheit Prinz Luitpold, des Illertissen von Neu-Ulm gut mit der Königreichs Bayern Verweser, haben Bahn zu erreichen. In den Statuten allergnädigst zu genehmigen geruht, des 1894 gegründeten Diasporaver- daß eins Illertissen wurde bereits als Ziel 1. die jetzt und in Zukunft in den ka- angestrebt, dass der 8malige Go[ttes] tholischen Pfarrbezirken Illertissen di[enst] 14tägig stattfinden soll.65 und Vöhringen wohnenden Prote- stanten aus der protestantischen Pfar- Die Illertissener 66 Diaspora wurde zu rei Holzschwang, Dekanat Leipheim, diesem Zeitpunkt auf rund 300 Seelen in die protestantische Pfarrei Neuulm, geschätzt, meist aus dem benachbar- gleichen Dekanats, umgepfarrt und ten Württemberg. Auch die nach daß Memmingen eingepfarrten Evangeli- 2. die jetzt und in Zukunft in den Be- schen von Illereichen und Altenstadt zirken der politischen Gemeinden Rit- hielten sich dazu. Die Weißenhor- zisried, Dietershofen, Jedesheim, Bel- ner Diaspora umfasste Attenhofen, lenberg und Au Beszirksamts Illertis- Biberach, Biberachzell, Bubenhausen, sen, wohnenden Protestanten unter Grafertshofen, Hegelhofen, Meßhofen,

Holzschwanger Kirchgaß von Südosten, Zeichnung Pfarrer Nathan Bauer 1897

25 Oberhausen, Roggenburg, Schießen, Ermöglichung eines regelmäßigen 14- Wallenhausen, Witzighausen, mit ca. tägigen Gottesdienstes, in dritter Linie 100 Seelen, Wullenstetten-Illerzell mit die Gründung einer protestantischen 105, Aufheim mit 38 und Pfaffenhofen Kirchengemeinde Weißenhorn, und und Umgebung mit 13 Seelen.67 sammelt, um diese Zwecke zu errei- chen, das hiezu erforderliche Vermö- gen nach Maßgabe des Statuts.“ 71 Die Verselbständigung von Weißen- horn mit Ay- 1898 wurden die Gottesdienste in Wei- ßenhorn „auf jährlich 10 erhöht, außer Auch nach der Loslösung Illertissens in Wullenstetten u[nd] Weißenhorn wird verblieb der Kirchengemeinde Holz- auch in Aufheim u[nd] Pfaffenhofen Re- schwang ein sehr umfangreiches Di- ligionsunterricht für die protestantischen asporagebiet, das sich mit Wullenstet- Kinder erteilt.72 Die Wochenpredigten ten nach Südwesten und dem Schwer- in Holzschwang werden seit Herbst punkt Weißenhorn weit nach Süd- 1898 abends 6 Uhr gehalten“.73 osten erstreckte. Unterschiedliche Interessen bestimm- Für Weißenhorn führten die Bemü- ten die Gemeindeglieder der Diaspora. hungen für ein eigenes Gotteshaus So sollten die evangelischen Schulkin- zum Erfolg: der aus Aufheim nach Holzschwang, „Am 20. Juli 1900 wurde in Weißenhorn die Eltern weigerten sich aber wegen unter Anwesenheit des Herrn Oberkon- der zusätzlichen Schulsteuer.68 sistorialrats Burger u[nd] vieler Festgä- 1896 im Herbst wurden Bibelstunden ste aus nah und fern durch Herrn De- für die Wullenstetter Diaspora einge- kan Hopf u[nd] unter Beteiligung des führt, nachdem schon ein Jahr vorher kgl. Bezirksamtmanns Katzlmeier von der Pfarrer den dortigen Kindern im Neu-Ulm ein evangelisches Bethaus Schulhaus evangelischen Religionsun- [=Kirche] eingeweiht. Die Gemeinde terricht zu erteilen angefangen hatte. Holzschwang gab hiezu 325 M[ark]. Letzteres begann er im Frühjahr 1897 Trotz der Opferwilligkeit der Gemeinde auch in Weißenhorn. u[nd] vieler Gaben von auswärts blieben 1896 begrüßte der Holzschwanger Kir- ihr immer noch von den ca. 18.000 M chenvorstand freudig die „erfreuliche betragenden Baukosten 11.000 M Schul- Regung evangelischen Bewußtseins“ den, zu deren Tilgung eine Kollekte er- in Weißenhorn und förderte, dass an beten wurde; möge diese Bitte nicht den 2. Feiertagen der drei hohen Feste vergeblich sein zur Stärkung des sehr und an Allerheiligen von 10 –11 Uhr stärkungsbedürftigen Glaubens dieser Gottesdienst im Hasen-Saal gehalten Diasporagemeinde.“ 74 werden könnte. 69 Seit Reminiscere 1897 Die Gemeindeglieder der Diaspora wurden dann jährlich 5 Gottesdienste waren weiter bemüht, eine gute Ver- im Schrannensaal abgehalten.70 sorgung und Selbständigkeit zu erhal- ten. Dazu kooperierte man gerne mit In den Statuten für die evangelische Ay-Senden 75, der Diaspora der Altpfar- Diaspora Weißenhorn (gegründet 28. rei Reutti. In einem Gesuch aus dem November 1897) heißt es: westlichen Diasporagebiet um Aufrich- „Die evangelische Diaspora Weißen- tung eines eigenen Vikariats heißt es: horn . . . erstrebt in erster Linie die Auf- „Für die in Betracht kommenden Pro- rechterhaltung des bisherigen fünfma- testanten, über 600, meist Fabrikarbei- ligen Gottesdienstes im Jahre, in zwei- ter, Taglöhner, Söldner…“ sei es ein ter Linie den Bau eines Betsaales zur weiterer Missstand, „daß die Kirchen

26 Festprogramm zur Einweihung der Weißenhorner evangelischen Kirche (heutiger Name Kreuz-Christi-Kirche) im Jahre 1900

27 in Reutti und Holzschwang nicht zu- Zeitproblem, das sich unter der Wo- reichten, um alle Besucher zu fas- che verschärfte durch die weiten We- sen.“ 76 Auf eine Einladung durch Pfar- ge, die Schulstunden und Bibelstun- rer Diez (Reutti) und Pfarrer Bauer den in der Diaspora, was auf Kosten (Holzschwang) kam es zu einer Ge- der Krankenbesuche ging. Im Jan. meindeversammlung im Gasthaus Trau- 1900 z. B. war der Pfarrer von 31 Ta- be in Ay am Sonntag 20. Januar 1901. Es gen 16 auswärts. Ein Hilfsgeistlicher wurde beschlossen, den Antrag zur Er- müsse unbedingt weiterhelfen.78 richtung eines exponierten Vikariats für die Diaspora (Ay mit Umgebung und Über die beschwerlichen Wege der Weißenhorn) zu stellen. Die Gemein- Pfarrer erfährt man in gelegentlichen deglieder seien bereit, 10 bis 20 Prozent Notizen: ihrer Staatssteuer leisten zu wollen.77 Ein Fuhrwerk für eine 1– 2 stündige Fahrt zur Erreichung Weißenhorns von 1901 wurde im Kirchenvorstand Holz- Holzschwang aus oder Ay-Sendens von schwang eine Bitte der Weißenhorner Reutti sei schwer oder gar nicht zu er- Diaspora behandelt um Vermehrung langen, da die Bauern bei Regen oder der bisherigen 10 Gottesdienste auf schlechtem Wetter ihre Pferde sehr 26. Die erfreuliche Bitte brachte Kir- schonten, einmal seien in Holzschwang chenvorstand und Pfarrer in Verle- für eine Fahrt 10 Mark für 5 km gefor- genheit, wie ihr entsprochen werden dert worden.79 Aus Reutti ist die An- sollte: An Sonntagen, an denen in schaffung eines Dienstpferdes und Wa- Weißenhorn Gottesdienst stattfand, gens bekannt.80 Weißenhorn und Ay- war in Holzschwang von 9.00 h auf Senden waren durch die Eisenbahn 8.00 h verlegt, in Weißenhorn von miteinander verbunden (der erste Zug 9.30 – 10.20 h Gottesdienst, um 13.00 h der Vicinalbahn fuhr 1878), verkehrs- sollte aber in Holzschwang schon technisch eine ideale Kombination für wieder Christenlehre stattfinden, ein das gewünschte exponierte Vikariat.81

Diasporaausschnitt, Handzeichnung um 1900

28 Die Holzschwanger Diaspora um 1900: 82

Pfarrort Seelen Eingepfarrte Orte (Korr) Holzschwang 375 Rogggenburg mit 6 4 Weiler 36 Ingstetten Tiefenbach 18 Meßhofen 1 2 Neubronn 7 Hochbuch 1 (Roggenbg Mennoniten) 3 Filial Weißenhorn 67 66 Witzighausen 2 2 Hausen 95 Wullenstetten 74 74 (ohne Hittistetten)

Eingepfarrte Nichteingefparrte, charitativ pastorierte Aufheim 32 Attenhofen 4 4 Erbishofen 2 Biberach mit dem 7 11 Hirbishofen 30 Dürfelderhof 4 Luippen 2 Biberachzell 4 4 Pfaffenhofen 8 Bubenhausen 2 2 Roth 5 Emmertshofen 1 1 Volkertshofen 1 Grafertshofen 4 4 Hegelhofen 5 5 Illerzell 20 20 Niederhausen 1 1 Oberhausen Schießen 1 1 Thal 3 3 Wallenhausen

Um 1900 erfahren wir von den Haus- Molfenter, Geometer Heinrich Söldner, haltsvorständen in der Diaspora mit Postexpeditor Maier, Gustav Schneider. der Erklärung für eine Gemeindeab- gabe: 83 Grafertshofen: Georg Böhringer, Christian Preiß, Bäcker, Johannes Krauß, Sattler, Karl Weißenhorn: Schwab, Schreiner. Eduard Zachariae, Friedrich Wagner, J. Gg. Schüle, Jakob Hartmann, Georg Wullenstetten: Münz, Gottfried Junginger, Fritz Ober- Martin Stierle, Leonhard Seitzinger, länder, Georg Mayer, Jakob Liebler, Joh. Chr. Rappold, Michael Rapp, Joh. Ulrich Mayer, Markus Schuhmacher, Gg. Beck, Georg Reutter, Fritz Knöllin- Robert Kleinknecht, M. Kretz, Johan- ger, Karl Brandmeier, Johannes Zeh, nes Frieß, Karl Ströbele, Georg Preiß, Maria Wittlinger, Wilhelm Kappus, Albert Vogel, Johannes Herburger, Gottlieb Idler, Ludwig Fröhlich, Jakob Richard Schwab, Georg Frank, Samuel Kern, Johann Häberle, Leonh. Miller.

29 Illerzell: Aus dem exponierten Vikariat sollte Christian und Anna Meier, Friedrich ein ständiges Vikariat entstehen. Als Notz, Adolf Mauch, Johannes Notz, erster Vikar amtierte 1903 –1908 Au- Johann Greiner, Georg Bauer, Chris- gust Faulhaber 85. tian Mäckle Bei der weiteren Verselbständigung der Diaspora stellte sich als Problem Schießen: Jakob Braun heraus, dass von den 26 Gemeinden der Weißenhorner Diaspora 16 nicht Thal: offizielle eingepfarrt waren, was erst Eberhard König, Angelika König, Mar- 1910 erfolgte. 86 Ebenso musste Luip- tin Wischenbart pen (Gemeinde Roth, aber Pfarrei Holzheim) 1908/10 eigens nach Holz- Attenhofen: schwang eingepfarrt werden.87 Im zur Johannes Goll, Theodor Rommel kath. Pfarrei 88 Pfaffenhofen gehörigen Hirbishofen (Gemeinde Roth) lassen Hegelhofen: M. Gapp sich erst 1882 Evangelische nachwei- sen 89. Hirbishofen gelangte nicht zur Bubenhausen: Friedrich Schenk Weißenhorner Diaspora, sondern blieb bei Holzschwang.90 Biberach: Die Bildung von Filialkirchengemein- Ludwig Kälberer, Michael Frasch, Dürf., den und Filialkirchenstiftungen je- Wilhelm Frasch weils für Weißenhorn und für Ay-Sen- den wurde von den Pfarrämtern Holz- Biberachzell: schwang und Reutti verstärkt ange- Friedrich Fink, Georg Liebler, Jakob strebt. Die Evangelischen in Wullen- Schall stetten und Illerzell wollten sich aller- dings nicht zu Weißenhorn, sondern Meßhofen: zum günstiger gelegenen Ay-Senden Christian Greiner Hochbuch, Hans halten.91 Bucher, Roggenburg, Forstwart Adam, Mit dem 12. Mai 1910 wurde dann Wilhelm Keller/Heer. vom Staatsministerium die Filialkir- chengemeinde Weißenhorn geneh- migt.92 Kirchenvorstandswahlen wur- Die Bemühungen der Gemeindeglie- den durchgeführt und 4 KV-Mitglieder der und Pfarrämter führten zu weite- am 1. Januar 1914 ins Amt einge- ren Verbesserungen: führt.93 Ay-Senden wurde 1916 zur Pfarrstelle „Im Namen Seiner Majestät des Königs. erhoben, die Filialkirchengemeinde Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold, Weißenhorn ganz von Holzschwang des Königreichs Bayern Verweser, ha- abgetrennt und zu Ay-Senden hinzu- ben Sich allergnädigst bewogen gefun- gefügt.94 den, unterm 22. August d. Js. [1903] zu Die Betreuung von Weißenhorn durch genehmigen, daß zur Pastorierung der den Sendener Geistlichen blieb bis Protestanten in den politischen Ge- 1948 bestehen. 1949 wurde Weißen- meinden Ay-Senden und Weißenhorn, horn selbständig und 1953 ein eigenes K. Bezirksamts Neu-Ulm, sowie deren Pfarramt.95 Umgebung ein exponiertes zur Prote- Das Gemeindegebiet von Holzschwang stantischen Pfarrei Reutti, Dekanats Lei- verkleinerte sich ein letztes Mal 1949, pheim, gehöriges protestantisches Vi- als der Aufheimer Gemeindebereich kariat in Ay-Senden errichtet werde.“ 84 an Senden abgetreten wurde.96

30 Ausblick §.12. Der Uebergang von einer Religi- ons-Partei zu einer anderen muß alle- Während die ehemaligen Diaspora- zeit bei dem einschlägigen Pfarrer oder orte heute stattliche selbständige Kir- geistlichen Vorstande sowohl der neu chengemeinden geworden sind, so gewählten, als der verlassenen Kirche hat sich Holzschwang nicht nur sei- persönlich erklärt werden. nen ländlichen Charme bewahrt, son- dern auch als Kirchengemeinde unge- §.14. Wenn in einem gültigen Ehe-Ver- fähr wieder die ursprüngliche Pfarrei- trage zwischen Aeltern, die verschie- ausdehnung erhalten sowie die frühe- denen Glaubens-Bekenntnissen zu- re Zahl der Gemeindeglieder. Mit 554 gethan sind, bestimmt worden ist, in Seelen in Holzschwang und 112 See- welcher Religion die Kinder erzogen len in Hausen wird diese Kirchenge- werden sollen, so hat es hiebei sein meinde seit 2002 nur noch als halbe Bewenden. Pfarrstelle besetzt, vereint mit einer weiteren halben Pfarrstelle zusätzlich §.16. Sind keine Ehepakten oder sonsti- für Weißenhorn. Der Wohnsitz des ge Verträge hierüber errichtet, oder ist Inhabers der beiden 0,5 Stellen ist in jenen über die religiöse Erziehung Holzschwang geblieben. der Kinder nichts verordnet worden, so folgen die Söhne der Religion des Va- ters; die Töchter werden in dem Glau- Anhang I bens-Bekennnisse der Mutter erzogen.

Aus dem Religionsedikt 1809 §.28. Wir haben in Unsern über Religi- ons-Freiheit erlassenen früheren Ver- Königlich-Baierisches Regierungsblatt. ordnungen, vorzüglich in dem Edikte München, Mittwoch, den 14. Juni 1809 vom 10. Jänner 1803. (Reggsbl. Vom Jahre 1803, III. St.) die in Unserem Kö- Sp 897 – 920 nigreiche bestehenden drei christli- Edikt über die äußeren Rechts-Ver- chen Glaubens-Konfessionen als öf- hältnisse der Einwohner des König- fentliche Kirchen-Gesellschaften mit reiches Baiern, in Beziehung auf Reli- gleichen Rechten bereits anerkannt, – gion und kirchliche Gesellschaften, welche Verordnungen hiemit bestäti- zur näheren Bestimmung der §§ VI. get werden. und VII. des ersten Titels der Konsti- tution. §.32. Die mit Unserer ausdrücklichen Genehmigung aufgenommenen Kir- München, 24. März 1809 Max Joseph. chen-Gesellschaften genießen die Freiherr von Montgelas. Rechte öffentlicher Korporationen.

§.1. Jedem Einwohner Unseres Reiches §.85. Die Verwaltung des Kirchen-Ver- ist durch den §.VI. der Konstitution mögens kommt, als ein bloß weltli- eine vollkommene Gewissensfreiheit ches Geschäft, und aus dem Grunde gesichert. Er darf demnach in Gegen- Unserer obersten Schuzherrlichkeit, ständen des Glaubens und Gewissens der durch Unser Edikt vom 1. Oktober keinem Zwange unterworfen werden. 1807 von Uns angeordneten obersten Stiftungs-Kuratel zu. §.7. Die Wahl der Religions-Partei ist je- dem Staats-Einwohner nach seiner eige- §.99. Religions-Verwandte einer öffent- nen, freien Ueberzeugung überlassen. lich aufgenommenen Kirche, welche

31 keine eigene Gemeinde bilden, kön- §.116. Kein Geistlicher kann gezwun- nen sich zu einer entfernten Gemein- gen werden, das Begräbnis eines de ihres Glaubens innerhalb der fremden Religions-Verwandten nach Grenze des Reiches halten. den Feierlichkeiten seiner Kirche zu verrichten. §.100. Auch ist ihnen freigestellt, von dem Pfarrer oder Prediger einer ande- §.117. Wird derselbe darum ersucht, ren Konfession an ihrem Wohnorte je- und findet er keinen Anstand, dem ne Dienste und Amtsfunktionen nach- Begräbnisse beizuwohnen, so müssen zusuchen, welche sie mit ihren eige- ihm auch die dafür hergebrachten Ge- nen Religions-Grundsäzen vereinbar- bühren entrichtet werden. lich glauben, und jene nach ihren Reli- gions-Grundsätzen leisten können. §.118. Der Glocken auf den Kirchhö- fen kann jede öffentlich aufgenomme- §.101. In derlei Fällen sollen dem Pfarrer ne Kirchen-Gemeinde bei ihren Lei- oder Geistlichen der fremden Konfessi- chenfeierlichkeiten, gegen Bezahlung on für die geleisteten Dienste die festge- der Gebühr, sich bedienen. sezten Stollgebühren entrichtet werden.

§.102. Diesen auf solche Art der Orts- Anhang II pfarrei einverleibten fremden Religi- ons-Verwandten darf jedoch Nichts Dienstumfang des Holzschwanger aufgelegt werden, was ihrem Gewis- Pfarrers im Jahr 1900 sen oder der jedem Staats-Bürger ga- rantierten Haus-Andacht entgegen ist. PfAHol VIII, IIIb, S.89f. um 1900. Der Pfarrer von Holzschwang hat zur §.103. Den Mitgliedern der öffentlich Zeit folgendes zu leisten: aufgenommenen Kirchen-Gesellschaf- ten steht die Bildung einer eigenen 1. Gemeinde aller Orten frei, wenn sie – Sämtliche Sonn- und Feiertagspre- das erforderliche Vermögen zum Un- digten nebst Christenlehren in der terhalte der Kirchendiener, zu den Pfarrkirche, Ausgaben für den Gottesdienst, dann – im Winterhalbjahr allwöchentlich zur Errichtung und Erhaltung der eine Predigt in der Pfarrkirche, nöthigen Gebäude besizen, oder – im Sommerhalbjahr allwöchentlich wenn sie die Mittel hiezu auf gesez- einen Wochengottesdienst, lich gestattetem Wege aufzubringen – bei allen Trauungen und Beerdi- vermögen. gungen im Pfarrort eine Predigt, – allwöchentlich zwei Stunden Religi- §.115. Wenn ein Religions-Theil keinen onsunterricht im Pfarrort, eigenen Kirchhof besizt, oder nicht – im Winterhalbjahr 3 Stunden wö- bei der Theilung des gemeinschaft- chentlich Konfirmandenunterricht lichen Kirchen-Vermögens einen sol- an die Einheimischen, chen für sich anlegt, so ist der im Ort – die gesamte Seelsorge im Pfarrort befindliche als ein gemeinschaftli- an Kranken u. sonst der Seelsorge cher Begräbnisplaz für sämtliche Bedürftigen. Einwohner des Ortes zu betrachten, zu dessen Anlage und Unterhaltung aber 2. auch sämtliche Religions-Verwandte Die letztere in drei zugehörigen Weilern verhältnismäßig beitragen müssen. die 1,0; 1,5; u. 2,5 km entfernt sind.

32 3. Der Pfarrer von Holzschwang kann – Im Winterhalbjahr alle 14 Tage Wo- deshalb folgende Arbeit gar nicht oder chenpredigt im Filial Hausen 2,4 km, nur in ungenügendem Maße leisten: im Sommerhalbjahr die Kirchweih- predigt in der Filialkirche. 1. In Weißenhorn regt sich namentlich – Die gesamte Seelsorge im Filialort. bei älteren u. kränklichen Leuten das Bedürfnis nach häufigeren Gottes- 4. diensten: Eine Vermehrung derselben – In der näheren Diaspora von Auf- von 10 auf 26 ist beantragt, doch heim, Hirbishofen und Hittistetten, konnte der Kirchenvorstand auf die- Pfaffenhofen, Roth die gesamte sen Antrag wegen Überlastung der Seelsorge, Geistlichen nicht eingehen. – im Winterhalbjahr 2 Stunden wö- chentlichen Relig. Unterricht an die 2. Die Seelsorge kann seit Jahrzehn- prot. Kinder der Schule Aufheim, ten in der Diaspora nicht in ausrei- welche zu diesem Zweck nach chendem Maße geübt werden, wes- Holzschwang ins Pfarrhaus kommen, halb es kaum zu verwundern ist, daß – im Sommerhalbjahr 1 ½ Stunden mehrfach bei solchen, dem Auge der wöchentl. Relig. Unterricht an die- Geistlichen entzogenen Leuten a. a. selben Kinder, den er jedoch in Sittlichkeitsdelikte u. in deren Gefolge Aufheim zu erteilen genötigt ist, da Meineide vorgekommen sind. die Eltern sich weigern, die zu land- wirtschaftlichen Arbeiten verwen- 3. Kranke am Ort u. auswärts, die 1 deten Kinder nach Aufheim [lies: od. 2 wöchentliche Besuche wün- Holzschwang] zu schicken schen u. bedürfen, können oft kaum – Armenpflege [erg] alle 14 Tage besucht werden. – Kirchenverwaltung [erg] 4. Nachpflege der Konfirmierten Jugend 5. Für die entferntere, schwer zu errei- und für den Verkehr mit der erwachse- chende Diaspora: nen Jugend, was den Geistlichen mehr- fach durch kirch. Erlasse zur Pflicht ge- a) macht worden ist, ferner für die her- – in Weißenhorn jährlich 10 Predigten kömmlichen, regelmäßigen Hausbesu- – Allwöchentlich 1 ½ Stunden Rel. Un- che kann keine Zeit erübrigt werden. terricht – Die gesamte Seelsorge an Gesun- 5. Die überkommene Predigtarbeit ist den und Kranken in der stark aus- nur mit Mühe zu bewältigen. Die wün- gedehnten Umgebung schenswerte Sorgfalt kann nur im Sommerhalbjahr auf dieselbe verwen- b) det werden. – in Wullenstetten im Winterhalbjahr Daß insbesondere in den arbeitsrei- alle 4 Wochen Bibelstunde, chen Festzeiten in denen auch sein – das ganze Jahr allwöchentlich 1 ½ seelsorgerlicher Rat am meisten in An- Stunden Religions Unterricht. spruch genommen wird, dem Prediger – Die gesamte Seelsorge die nötige Frische mangelt ist dem der- zeitigen Geistlichen schon lange in c.) drückender Weise bewußt u. kürzlich – besondern Konfirmandenunterricht erst durch die Beurteilung der letztein- in 2 Wochenstunden, wozu die Kin- gesandten Pfingst-Predigt des k Konsi- der nach Holzschwang kommen. storiums bestätigt worden.

33 6. Die pünktliche Erledigung der amt- Ebenso soll nur beiläufig darauf hin- lichen Korrespondenz läßt ebenso gewiesen werden, dass infolge des wie die wissenschaftliche Fortbildung immer mehr fühlbar werdenden Man- zu wünschen übrig. gels an ländlichen Arbeiten der Pfrün- debesitzer genötigt ist, im Sommer- Dass die körperliche Anstrengung der halbjahr auf die Nutzbarmachung der Diasporaversorgung namentlich im hiesigen umfangreichen über 2 Tag- Winter an die Kraft und Gesundheit werk umfassenden Obst- und Gemü- ungewöhnlich hohe Anforderungen segartens selbst, der nicht verpachtet stellt (stundenlange Fahrten in mangel- w. k., einen erheblichen Teil seiner haften Fuhrwerken beschwerliche Fuß- Zeit zu verwenden, wenn derselbe märsche auf schlechten Wegen, wenn nicht brach liegen oder seine Bewirt- kein Fuhrwerk zu bekommen ist), mö- schaftung mehr Kosten verursachen ge hier nur nebenbei bemerkt werden. soll, als der erzielte Ertrag wert ist.

Anmerkungen:

1 s. dazu Geiger, Konrad: Holzschwang – ein Dorf als Zankapfel zweier Herrschaftsträger in: Holzschwang, Hausen, Neu-Ulm 2008, S. 20 –25 und die entsprechenden Literatur- und Quellenhinweise. 2 Matzke, Josef: Die Rechtsverhältnisse der Pfarrei Aufheim und ihrer Filialen, in: Poppa, Rudolf: Aufheim, Geschichte… Weißenhorn 1984, S. 49 –52. 3 Die „Außenbeziehungen“ Holzschwangs wären eine eigene Untersuchung wert. Hier nur soviel: Schon im ältesten Traubuch K 1 (1563 –1735) kommen Männer wie Frauen z. B. zwischen 1563 u. 68 aus Senden, Beuren, Volkertshofen, Kirchberg, Erbishofen, Finningen, Bubenhausen, Unterroth, Illerzell, Kissendorf, Berghülen, Söflingen. Im Taufbuch wird für 1586 eine Taufe für Fam. Rauh aus Luippen erwähnt, in einem Nachtrag für 1617 eine Taufe für Georg Bühler, Weißenhorn. Außerdem hielten sich die adeligen Katzpoeckhs aus Oberhausen wegen ihrer evang. Konfession nach Holzschwang (Trauung 1615). 4 Pfarramt Holzschwang (PfAHol) Kirchenbücher K 8 (Trauungen 1736 –1910). 5 PfAHol K 5 (Taufen 1803 –1809, 1809 –1821, 1821 –1831) und K 7 (Taufen 1831 – 1889). 6 PfAHol K 6 (Beerdigungen 1790 –1886). 7 PfAHol K 25 (Konfirmierte [1821 –1830 Werkt. und Sonnt. Schüler], 1831 –1914). 8 PfAHol K 25 zu 1845. 9 Nebinger, Gerhart: Pfaffenhofen an der Roth, Pfaffenhofen 1982, S. 127. 10 PfAHol K 6. 11 PfAHol VIII, Ia, S. 59 (Kirchenjahresberichte 1816 –1871). 12 PfAHol VIII, IIa (Kirchenstatist. Tabellen 1819 –1873). 13 Pfr. Johann Ulrich Bissinger, 1795 –1862, stammte aus Augsburg. 14 PfAHol II, Va, S. 25 (Kirchenvisitationsprotokolle 1831 –1873). 15 PfAHol VIII, Ia S. 101. 16 PfAHol K 7. 17 PfAHol K 8. 18 PfAHol VIII, IIa. 19 PfAHol K 9 (Kommunikanten 1842 –1882). 20 PfAHol VIII, Ia S. 121. 21 PfAHol VIII, Ia, S. 69. 22 PfAHol VIII, Ia S. 82, so auch zu 1850, S. 145. 23 PfAHol VIII, Ia S. 97. 24 PfAHol VIII, Ia S. 97f. und K 6. 25 PfAHol VIII, Ia S. 99. 26 PfAHol VIII, Ia S. 121.

34 27 PfAHol VIII, Ia S. 152. 28 PfAHol II, III, S. 71 f (Confessionelle Übertritte). 29 PfAHol II, III, S. 86. 30 PfAHol II, III, S. 45. 31 PfAHol II, III, S. 48. 32 PfAHol II, III, S. 61. 33 PfAHol II, III, S. 109 –138 u. 149 –152. 34 PfAHol II, Va, S. 69, 87, 98. 35 Staatsarchiv Augsburg LGäO (Landgericht älterer Ordnung) Illertissen Akten 856; s.a. PfAHol VIII, VIb Pfarrchronik (begonnen von Pfr Bissinger) S. 134; s. a. Landeskirchliches Archiv Nürnberg (LKANü): Bayerisches Dekanat (BD) Leipheim Nr. 111. 36 PfA Hol VIII, Ia, S. 173 f. LKANü BD Leipheim Nr. 111: 1844 in Weiler eine kath Familie, dgl. 1848. 37 LKANü BD Leipheim Nr. 111: 1863 Taufe für die Familie des Bahnwärters Golisch, Station Illereichen, in Unterbalzheim, nachträgl. Genehmigung, noch keine förml. Einpfarrung. 38 PfAHol VIII, Ia, S. 281. 39 PfAHol VIII, IIa, S. a. Statistische Beschreibung im Königreiche Bayern, diesseits des Rheins. Dritte Ausgabe, Nürnberg 1858, Vierte Ausgabe 1865, Fünfte Ausgabe 1881. 40 PfAHol VIII, IIIb, S. 6 und S. 60, (Pfarrstellenbesetzung, Purificationen, Dismembrationen 1871– 1908) auch Ministerialblatt für Kirchen- und Schulangelegenheiten im KG By, 14. Sept 1873, S. 280; Der Akt PfAHol VIII, IIIa über Purfificationen u. Dismembrationen 1831 –1871 fehlt! 41 PfAHol VIII, IIIb, S. 55. 42 Es würde zu weit führen, die konfessionellen Reibereien alle darzustellen, hier nur ein Hinweis: 1853 Protest gegen einen für den Protestantismus ungünstigen Bericht im Neu-Ulmer Anzeigenblat Nr. 29 durch Pfr. Bissinger Holzschwang und Pfr. Riedel, Pfuhl, PfAHol II, X S. 29. 43 PfAHol II,X, S. 45 – 60 (Streit mit kath. Pfarrämtern 1800 –1860). 44 PfAHol II,X, S. 61 –70. 45 PfAHol II, X, S. 79 – 84 46 PfAHol II, III, S. 139 u. 153. 47 PfAHol K 6 (Beerdigungen), 178/308. 48 PfAHol K 6, 298. 49 PfAHol VIII, Ia, S. 183. 50 PfAHol II, Va, S. 111. 51 PfAHol VIII, Ia, S. 184 f. 52 PfAHol II,Va, S. 98, u. S. 107 zu 1860, XIII, VIb (Pfarrchronik) S. 138. 53 PfAHol XI, II (Populationslisten 1813 –1911). 54 PfAHol XI, II. 55 PfAHol XI, II, dabei noch weitere Berichte, wie der einer Taufe 1856 für Fam. Weber, Steinlesmühle Senden. 56 Zur Seelenzahl s. LKANü Pfarrchroniken Nr. 749 (Pfarrbeschreibung 1913/15 Pfr. Fugel) gibt in der Statistik für 1853 520 Seelen an, für 1880 705 Seelen und 1899 den Höchststand von 987 Seelen. 57 100 Jahre Christuskirche Illertissen, Illertissen 1996 (Pfr. Bernd Reuther u.a.). 58 LKANü Bayerisches Konsistorium Ansbach (BKA) Nr. 2890 59 Pfr. Bauer (1868 –1957) stammte aus Pfuhl. Siehe demnächst auch Binder, Ulrich: Ulmisches Pfarrerbuch 1530 –1802/1810 RS Ulm, 1810 – 2008 Dekanat Leipheim bzw. Neu-Ulm, Dekanat Ulm u.a. 60 PfAHol VIII, IIIb S. 25 f. 61 PfAHol VIII, IIIb S. 29 f. 62 PfAHol VIII, IIIb S. 27. 63 Ministerialblatt für Kirchen …15, 18. Juni 1893. 64 PfAHol VIII, IIIb S. 31. 65 PfAIllertissen, Druck: Statuten, Diasporaverein Illertissen, gegründet 11. Februar 1894. 66 LKANü BKA Nr. 2890 Kompetenzstreit wegen der Pastorisierung der Protestanten von Kellmünz und Illereichen 1909. Diese Protestanten halten sich nach Illertissen und sollen Illertissen de facto zugeteilt werden. 67 PfAHol VIII, IIIb, S. 45. 68 PfAHol KV-Protokoll 29. Juli 1894. 69 PfAHol KV-Protokoll 16. Feb 1896. 70 PfAHol XIII, VIb (Pfarrchronik) S. 147.

35 71 PfAWeißh VI, 5 (Holzschwanger Abgabe), Druck der Statuten 1899, s. im Akt auch über die Anerkennung des Vereins, desw. Protokollbuch des Vereins evang. Diaspora Weißenhorn. S.a. Ott, Wolfgang: Katholisch – Evangelisch in Weißenhorn und Umgebung, in: Geschichte im Landkreis Neu- Ulm, 6. Jg (2000) S. 91–101. 72 Auch in Holzschwang kam es 1899 zur Gründung eines evang. Vereins. Als Ziele werden ange- geben: z.B. kirchl. Armenpflege, Volksbibliothek, Verein für äußere u. innere Mission, Gustav- Adolf-Verein, Luther.-Gotteskasten. PfAHol KV Protokolle, 25. Nov 1899. „Die Zusammengehörigkeit der Gemeinde fand Ausdruck in einem Familienabend, veranstaltet von dem 1900 gegründeten evangelischen Verein für kirchliche Zwecke, abgehalten am 17. u. 20. Februar in Holzschwang u. Hausen. Ein Rückblick auf die Zeit der Reformatoren u. Salzburgische Glaubenstreue öffnete Herzen u. Beutel für die evangelische Bewegung in Österreich. Die Gemeinde Tuen bei Teplitz erhielt einen Baustein von 18,60 M[ark].“ PfAHol XIII, VIb Pfrchr S. 149. 73 PfAHol XIII, VIb (Pfarrchronik) S. 147. 74 PfAHol XIII, VIb (Pfarrchronik) S. 149, s. a. die Zeitungsausschnitte darin: „Weißenhorn 24. Juli. Für den neuen Betsaal wurden von Herrn Glockengießer Nadler in Hildesheim zwei Glocken, von der Kirchengemeinde Neu-Ulm ein Lutherbild, von der Paramentenanstalt in Neuendettelsau der Altarbehang, von Gliedern der Gemeinde die Stickerei auf letzterem, der Kanzelbehang, zwei prächtige versilberte Leuchter und die Blumen und Pflanzendekoration gestiftet.“ Außerdem erschien im Druck ein Faltblatt für die Einweihung. 75 S.a.: Bezzel, Hartmut, Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Senden, in: Senden. Beiträge… Weißenhorn 1976, S. 87 – 89. 100 Jahre Auferstehungskirche der evangelisch-lutheri- schen Gemeinde Senden 1909 – 2009 (mit Beiträgen von Willi Beck, Pfr. Christoph Rupprecht u. a.). 76 Errichtung eines Vikariats Ay-Senden, Zeitungsart. in VIII, VIb (Pfrchr) S. 152. 77 PfAHol VIII, IIIb S. 65 mit Zeitungsartikel. 78 PfAHol VIII, IIIb S. 77, KV-Protokoll 27. Jan 1901. 79 PfAHol VIII, IIIb S. 71 f. 80 PfASenden Zur Pfarrbeschreibung Ay-Senden, Masch. Schr. S. 3. 81 Richter, Hans Dieter: Vom Eisenbahnbau zur Industrialisierung, in: Senden. Beiträge zur Geschichte einer jungen Stadt im Illertal, Weißenhorn 1976, S. 171 –173. 82 PfAHol VIII, IIIb S. 87 u. 90; s. a. Plan in PfAWeißh VI, 5 S. 17 (Holzschwanger Abgabe). 83 PfAHol VIII, IIIb 105 f. 84 Ministerialblatt für Kirchen-… No. 27, 3. Sept 1903, S. 351. S. a. Dienstinstruktion für den exponierten Vikar Ay-Senden: PfA Senden, Nr. 29 ( Holzschwanger Abgabe VI) 85 PfAHol KV-Protokoll Nov. 1903. 86 PfAWeißh VI, 6, S. 55 ff. (Holzschwanger Abgabe). 87 PfAWeißh VI, 6, S. 108 ff., s. a. PfAHol KV-Protokoll 10. Feb 1908, 8. Feb 1909. 88 Nebinger, G., Pfaffenhofen… 1982, S. 189. 89 PfAHol K 8 (Trauungen 1736 –1910) 1882 Georg Bauer; 1885 J. Gg. Wegmann, dgl. 1887, 1905 Adam Unselt 90 LKANü Pfarrchroniken Nr. 749 (Pfarrbeschreibung 1913/15 Pfr. Fugel): bezieht sich auf alte pfarr- kirchliche Verbindungen mit Hirbishofen, wonach der Pfarrer von Holzschwang den Kleinzehnt von dorther (Rep F XII, II) bezog. 91 PfAWeißh VI, 6 und StANeu-Ulm 1671. 92 PfAWeißh VI, 6, 174 –177. 93 PfAWeißh VI, 6, S. 186. 94 PfASenden, Zur Pfarrbeschreibung Ay-Senden S. 33; s. a. den prägnanten Bericht von Pfr. Dietz zur Situation 1909 PfASenden Nr. 47. 95 Kreuz-Christi-Kirche. Chronik der evangelischen Kirche zu Weißenhorn, 2000, (Pfr. Andreas Erstling u.a.). 96 PfAHol KV-Protokoll 19. 05.1949.

Bildnachweis: Hier können S. 17, S. 19, S. 27: Pfarramt Holzschwang S. 28: Pfarramt Weißenhorn (VI,5) sich noch die S. 23, S. 24, S. 25: Privatbesitz Georg Bauer Seitenzahlen ändern!? 36