8086 Deutscher – 19. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2018

Marc Bernhard (A) aufgestellt, dass es zwangsläufig zu Fahrverboten kom- beitsplätzen. Dieses bizarre Schauspiel muss endlich (C) men muss. beendet werden. (Beifall des Abg. Karsten Hilse [AfD] – (Beifall bei der AfD) Kirsten Lühmann [SPD]: Haben Sie Herrn Noch ein letzter Satz zu den Kollegen der CDU: Hal- Pronold nicht zugehört?) ten Sie sich nur ein einziges Mal an eines Ihrer Wahl- Wenn die Messstation nur 4 Meter weiter von der Stra- versprechen, und sorgen Sie dafür, dass es, wie von der ße weg aufgestellt wird, verringert sich der Stickstoff- Kanzlerin versprochen, zu keinen Fahrverboten kommt. dioxidgehalt schon um 40 Prozent. Der Fall Oldenburg (Beifall bei der AfD) bringt den ganzen Irrsinn auf den Punkt. Dort wurden an einer Straße, die wegen eines Marathonlaufs gesperrt war, fast 40 Mikrogramm gemessen. Das Umweltbun- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: desamt hält die Messwerte nicht nur für plausibel, son- Der Kollege Karsten Möring ist der nächste Redner dern gibt sogar zu, dass das Stickstoffdioxid in der Luft für die CDU/CSU-Fraktion. ohne ein einziges Auto fast den Grenzwert erreicht. (Beifall bei der CDU/CSU) (Kirsten Lühmann [SPD]: Warum wohl? – Gegenruf des Abg. Karsten Hilse [AfD]: Wa- Karsten Möring (CDU/CSU): rum? Sagen Sie es doch mal!) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Redezeit ist gar nicht lang genug, um auf all den Jeglicher Straßenverkehr führt also ganz zwangsläufig Mist zu antworten, den wir eben gehört haben. zu einer Überschreitung dieses willkürlichen Grenzwerts und damit zu Fahrverboten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. [FDP] – Marc (Kirsten Lühmann [SPD]: Das ist unlogisch! – Bernhard [AfD]: Das Versprechen der Kanz- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lerin ist Mist! – Gegenruf der Abg. Dr. Kirsten NEN]: Das verstehe ich nicht! – Gegenruf des Tackmann [DIE LINKE]: Ruhig Brauner!) Abg. Karsten Hilse [AfD]: Das ist klar!) Vielleicht nur ein paar Punkte. Zu allem Überfluss sind die Fahrverbote auch noch völlig nutzlos. In Stuttgart sollen die geplanten Fahrver- Die Verschwörungstheoretiker sitzen auf der rechten bote zu einer Absenkung der NOx-Werte um 4,6 Mikro- Seite des Hauses. Herr Bernhard ignoriert beispiels- gramm führen, bei einem Ausgangswert von 61 Mikro- weise, was Herr Pronold uns gerade über die Reaktion (B) gramm also gerade einmal um lächerliche 7 Prozent. In der EU auf die verschiedenen Stufen im Vertragsverlet- (D) Hamburg sind die Stickstoffdioxidwerte seit Verhängung zungsverfahren bis hin zur Klage vor dem EuGH gesagt eines Fahrverbotes Anfang Juni sogar noch gestiegen. hat. Er behauptet nach wie vor, es seien außer Deutsch- land nur zwei Länder. Ich verstehe auch nicht, warum er Es stellt sich aber eine ganz andere Frage: Wer klagt uns vorwirft, wir würden die Messstellen so platzieren, denn eigentlich diese sinnlosen Fahrverbote und sogar dass Fahrverbote entstehen, während wir hier alles tun, die Sperrung von Autobahnen in ganz Deutschland ein? um Fahrverbote zu vermeiden. Konsistent ist das nicht. (Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Karsten Hilse [AfD]: Sie tun alles, um Fahr- NEN]: Ich zum Beispiel!) verbote zu vermeiden? Also bitte!) Die sogenannte Deutsche Umwelthilfe, ein obskurer Ver- Aber kommen wir zum Kern des Themas, um das es ein mit weniger als 300 Mitgliedern, ein Verein, der sein hier geht, und machen wir uns ein paar Punkte klar; denn Geld damit verdient, dass er kleinen Gewerbetreibenden in der Tat haben wir es hier mit gesundheitlicher Beein- Abmahngebühren abpresst. Höhnisch nennt man das trächtigung zu tun. Bei gesundheitlichen Beeinträchti- dann ökologische Marktüberwachung. In einem anderen gungen, die die Lebenszeit eines Menschen beeinflussen, Milieu würde man von Schutzgelderpressung sprechen. haben wir interne Faktoren, die vom Einzelnen abhän- gen – wie viel er sich bewegt, wie viel er raucht, wie (Beifall bei der AfD – Zuruf von der SPD: So viel er isst –, aber auch externe Faktoren – Arbeitsunfäl- wie Ihre Partei ihr Geld verdient!) le, Verkehrsunfälle, aber auch Umweltbelastungen, Gifte Die Deutsche Umwelthilfe überzieht Städte und Ge- und gesundheitsschädliche Stoffe in der Luft. Deswegen meinden mit Fahrverbotsklagen, finanziert durch Sie von ist völlig klar, dass es unsere Aufgabe in der Politik ist, der Regierung und vor allem durch ausländische Indus­ diese Einflüsse von außen zu minimieren. Dazu gehören triekonzerne wie Toyota. die Luftschadstoffe; das ist völlig klar. ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Jetzt zu der Frage der Grenzwerte. Die Diskussion, auf NEN]: Mit ausländischer Finanzierung ken- die die 40 Mikrogramm zurückgehen, ist in den 90er-Jah- nen Sie sich ja aus! – [BÜND- ren geführt worden. Vielleicht haben wir heute eine an- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum ist Frau dere Grundlage. Wir haben aber inzwischen zahlreiche Weidel eigentlich nicht da?) Studien mehr, die auch dauernd überprüft werden. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungs- Das strategische Ziel ist klar: die Zerstörung der deut- medizin sagt: Ein Grenzwert von 40 Mikrogramm ist ein schen Automobilindustrie und von Millionen von Ar- gesetzter. Es gibt medizinisch keinen zwingenden Grund Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2018 8087

Karsten Möring (A) dafür, dass er bei 40 Mikrogramm liegt, er könnte auch Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür tut die Bun- (C) 20 Mikrogramm oder mehr betragen. desregierung einiges, und dafür tun wir einiges. Wir haben Programme aufgelegt und mit Mitteln in erhebli- (Zuruf von der AfD: Oder 120!) chem Umfang ausgestattet, die zur Reduzierung führen. Es kommt auf die Gesamtsituation an. Denn worauf kommt es an? Es kommt darauf an, dass wir die Verkehre, die sich überwiegend in der Stadt ab- Für uns ist entscheidend, was das bedeutet. Wenn wir spielen – die Lieferverkehre, die städtischen Verkehre, einen Grenzwert setzen, egal ob hier im Parlament oder die Verkehrsbetriebe, die Müllverkehre und, und, und –, in der EU, dann heißt das auf Deutsch: Es ist ein Auf- was die Emissionen angeht, möglichst schnell so schad- trag an uns, so zu handeln, dass dieser Grenzwert ein- stoffarm machen, wie es geht. Dafür haben wir ein gro- gehalten wird. Das ist uns bisher nicht gelungen. Es ist ßes Förderprogramm aufgelegt. Das ist der richtige Weg. uns nicht gelungen, weil wir ihn in der Anfangszeit, als dieser Grenzwert festgelegt wurde, vielleicht nicht ernst Ich hatte heute Nachmittag, zwei Stunden vor dieser genug genommen haben. Das gilt für die ganze Band- Veranstaltung, das Vergnügen, beim Bundesverkehrs- breite der öffentlichen Diskussion; vielleicht den einen ministerium zwei Förderbescheide entgegennehmen zu oder anderen ausgenommen. Der entscheidende Punkt dürfen dabei ist: Wir müssen ihn aber erreichen, weil wir ihn uns (Kirsten Lühmann [SPD]: Oh!) gesetzt haben. Wir werden ihn ja in den nächsten Jahren vielleicht auch noch einmal verschärfen. Dieser Auftrag in Höhe von ungefähr 19 Millionen Euro für die Förde- bleibt. rung von Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme, deren Sinn es ist, Schadstoffreduzierung zu erreichen, in- Jetzt kommt aber die Frage: Wie erreichen wir das, dem man Verkehre steuert. und was machen wir in der Zwischenzeit? Wir stehen ohne Frage unter Zeitdruck. Aber der entscheidende In der letzten Woche gab es allein für Köln 3 Millio- Punkt ist eigentlich: Was müssen wir in der Zwischenzeit nen Euro für die Umrüstung auf Elektromobilität. machen oder – in Anführungszeichen – erdulden? Wir (Zuruf der Abg. Judith Skudelny [FDP]) können der Autoindustrie Vorwürfe machen. Sie hat sich aber mit Ausnahme derjenigen, die auf dem Teststand Im Juni haben wir bereits mehrere Millionen Euro für manipuliert haben, an die gesetzlichen Regeln gehalten. ähnliche Programme bekommen. Diese Bandbreite haben wir oder hat die EU zugelassen. ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ausländische Fahrzeughersteller, die in Deutschland NEN]: Aber nichts für Hardwareumrüstung!) ihre Fahrzeuge absetzen, sagen: Wir haben alles richtig (B) gemacht. – Die können wir auch gar nicht in Haftung Dieses Programm ist der richtige Weg, den wir gehen (D) nehmen. Unsere Autohersteller können wir auffordern: müssen, um unsere Ziele zu erreichen und Fahrverbote Macht etwas, Software-Updates, Nachrüstung, alles zu vermeiden. Mögliche. – Aber der entscheidende Punkt dabei ist: Wir (Beifall des Abg. [CDU/ alle wissen, dass die Luftschadstoffe aus verschiedenen CSU]) Quellen kommen, aus der Industrie, aus der Landwirt- schaft, aus dem Verkehr. Herzlichen Dank an das Plenum, das den Haushalt beschlossen hat, und an das Bundesverkehrsministerium, Die entscheidende Frage ist jetzt: Wieso soll der Ver- das diese Mittel vernünftig ausgibt und auf diese Weise kehrssektor, weil er am leichtesten greifbar ist, in der Zeit, dafür sorgt, dass wir unserem Ziel, die Grenzwerte ein- die wir brauchen, um die 40 Mikrogramm zu erreichen, zuhalten, erheblich näher kommen. Dieser Weg ist der dadurch bestraft werden, dass soundso viele Fahrzeuge richtige; wir werden ihn weitergehen. nicht fahren dürfen? Hier geht es um die Frage: Welche Maßnahmen sind verhältnismäßig? Dass wir jetzt keinen (Beifall bei der CDU/CSU) Druck mehr brauchen, um alles zu tun, um diese Ziele zu erreichen, das liegt, glaube ich, auf der Hand. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall des Abg. Felix Schreiner [CDU/ Vielen Dank. Vorbildlich die Redezeit eingehalten. – CSU]) Die nächste Rednerin ist die Kollegin Judith Skudelny, FDP-Fraktion. Zu der Frage, ob wir Fahrverbote brauchen, sagen einige Gerichte: Ja. – Wir werden aber definieren, dass (Beifall bei der FDP) Fahrverbote bei Messwerten innerhalb einer bestimmten Bandbreite von 10 Mikrogramm über dem Grenzwert Judith Skudelny (FDP): nicht verhältnismäßig sind. Die Beeinträchtigung für die Meine Damen und Herren! Seit Februar dieses Jahres Zeit, in der dieser Grenzwert nicht erreicht wird, steht stellt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in keinem Verhältnis zu der Beeinträchtigung durch die klar: Es kann und es wird voraussichtlich in Deutschland Fahrverbote, vor allen Dingen wenn sie großräumig sind. zu Fahrverboten kommen. Deswegen wollen wir diese Fahrverbote nicht. Gleich- zeitig wollen wir aber alles tun, um diese Grenzwerte zu Schauen wir doch zunächst einmal: Was hat sich seit erreichen. Februar getan? Das Erste, was wir gemerkt haben, ist, dass die Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer in Deutsch- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) land kalt enteignet worden sind: kalt enteignet zum ei-