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ISSN 0940-3256 August 2008

Inhalt – Contents

Editorial ...... 1 Originalarbeiten – Original articles Schuster, S.: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den ORNITHOLOGISCHER Naturschutz – Flight feather moult of waterfowl at (the Bodensee) ...... 3 Kraus, M. & W. Krauss: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weiher - gebiet“ in den Jahren 1951 bis 2007 – Dabbling ducks of the Genus Anas at the „Frankonian Pond Area“ 1951–2007 ...... 23 Walter, D. & R. Pfeifer: Ein Sprosser-Fängling Luscinia [luscinia] luscinia im Oberallgäu – mit Anmerkungen zum Auftreten der Art in Bayern – A Thrush-Nightingale Luscinia [l.] AnzeigerAnzeiger luscinia caught near Kempten, Oberallgäu, and comments on the occurence of the species in Bavaria ...... 41 Kracher, B.: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuro- päischen Agrarregion – Important hunting habitats of Montagu’s Harrier Circus pygar- gus in an agricultural region of Central Europe ...... 51 Wink, U.: Lokal hohe Siedlungsdichte des Neuntöters Lanius collurio im Ammersee-Gebiet – High local density of a population of the Red-backed Shrike Lanius collurio in the region of the Ammersee ...... 66 Kurze Mitteilungen – Short communications Wink, U.: Baumbruten des Uhus Bubo bubo auf einem Schwarzstorch Ciconia nigra-Horst im ORNITHOLOGISCHER ANZEIGER, Band 47 Heft 1 ORNITHOLOGISCHER bayerischen Alpenvorland – First recorded breeding of Eagle Owl Bubo bubo in a nest of the Black Stork Ciconia nigra in the Alpenvorland...... 77 Diskussion – Discussion Schödl, M. (2007): Schutzmaßnahmen erhöhen den Bruterfolg des Flussregenpfeifers an der Oberen Isar. Ornithol. Anz. 46: 121 – 128. Anmerkungen (J. H. Reichholf)...... 80 Erwiderung (M. Schödl) ...... 81 Eindrücke von den 1. Bayerischen Ornithologentagen in Bayreuth ...... 83 Bericht über die Ordentliche Mitgliederversammlung am 14. März 2008 ...... 92 Nachrichten ...... 96 Schriftenschau ...... 97

Band Heft 1

Ornithologische Gesellschaft in Bayern e. V. 47. ORNITHOLOGISCHE GESELLSCHAFT IN BAYERN e.V. (gegr. 1897) titel ornith. anzeiger 47-2 08_neu:titel ornith. anzeiger 45/2 06 06.08.2008 8:45 Uhr Seite 4

Ornithologischer Anzeiger Manuskript-Richtlinien – Instructions for authors

Redaktion Der Ornithologische Anzeiger veröffentlicht Beiträge aus dem Gesamtbereich der Ornithologie. Bevorzugt Schriftleiter: Robert Pfeifer, Dilchertstr. 8, D-95444 Bayreuth, werden faunistische Langzeituntersuchungen, Arbeiten zu Ökologie, Brutbiologie, Morphologie, Biogeo - Tel. +49-(0)921/515278, E-Mail: [email protected] graphie, Systematik und Verhalten von Vögeln, außerdem Grundlagenarbeiten für den Naturschutz. Grafik: Dietmar E. Seiler, München Neben Originalarbeiten sind auch Übersichtsarbeiten (reviews) sehr erwünscht. Originalarbeiten Englische Bearbeitung: Jonathan Guest, Kronach sollten unveröffentlichte Ergebnisse eigener Untersuchungen enthalten, Übersichtsarbeiten ein Thema unter umfassender Literaturauswertung kritisch referieren. The Journal is covered by BioSciences Information Service of Biological Abstracts Außerdem besteht die Möglichkeit zur Veröffentlichung von Kurzen Mitteilungen. Sie dienen der raschen Information über neue Erkenntnisse von überregionaler Bedeutung. Faunistische Einzelbeob - ISSN 0940-3256 achtungen sind hierfür in der Regel nicht geeignet. Möglich ist auch der Abdruck von sachlichen Diskussionsbeiträgen über vorangegangene Arbeiten Copyright © 2008 by Ornithologische Gesellschaft in Bayern e.V., München im Ornithol. Anz. Die Entscheidung über ihre Veröffentlichung liegt allein beim Schriftleiter. Diskussionsbeiträge werden immer dem Autor zur Stellungnahme vorgelegt. Diskussionsbeitrag und Printed in Germany – Alle Rechte vorbehalten – All rights reserved Stellungnahme erscheinen gleichzeitig. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying or otherwise, without the prior permission of the copyright owner. Manuskripte sind in deutscher oder englischer Sprache abzufassen. 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ORNITHOLOGISCHER ANZEIGER

Zeitschrift bayerischer und baden-württembergischer Ornithologen

Band 47 – Heft 1 August 2008

Ornithol. Anz., 47: 3–22

Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz

Siegfried Schuster

Gänsesäger-Mausertrupp im Rheindelta, September 2007. – Aggregation of moulting Goosander in the Austrian delta in September 2007. (Foto: S. Trösch)

Flight feather moult of waterfowl at Lake Constance (the Bodensee) This paper describes the moulting sites, timing and numbers of the 17 waterbird species regular- ly moulting their flight feathers at Lake Constance. The data presented include 90 observations of Black-throated Divers in flight feather moult (flightlessness), 60 of them in February. Numbers of moulting Great-crested Grebes at the lake have quadrupled during the last 30 years, with up to 2500 birds moulting at a shallow-water site near Friedrichshafen which had become a nature reserve in 1983. Increases in moulting populations were also observed in Mute Swan, Greylag Goose, Ruddy Shelduck and almost all duck species. Predation pressure by Yellow-legged Gulls, on the other hand, has led to declines in the moulting populations of the smallest waterbird species, Little Grebe and Black-necked Grebe. The Goosander moulting site at the Rhine delta in Vorarlberg (Austria) is visited by up to 500 birds, almost exclusively females. The most common waterbird moulting its flight feathers at Lake Constance is the Coot with a population of some 20,000 individuals. 4 Ornithol. Anz., 47, 2008

The different moulting strategies employed by the various species are discussed as well as the species’ strategies to minimise (predation) risks and distrurbance during the 3 to 7 weeks of total flightlessness. Moulting times are changing markedly at present, in the face of climate change, and some species are moving their moulting sites much further north. These changes have immediate relevance for conservation management of important moulting sites. Key words: flight-feather moult, moulting times, population size, Lake Constance, relevance for nature conservation Siegfried Schuster, Amriswiler Straße 11, D-78315 Radolfzell E-Mail: [email protected]

Einleitung Schuster et al. 1983, Heine et al. 1999). Auf die Flügelmauser achteten aber nur wenige Alle Wasservögel mausern die Flügelfedern in Ornithologen, weil das eindeutige Erkennen der der Regel synchron. Sie werfen alle Schwingen Flugunfähigkeit beim schwimmenden Vogel auf gleichzeitig ab und sind dann 3 – 7 Wochen größere Entfernung schwierig ist. In der flugunfähig. In Mitteleuropa gilt das für alle Literatur finden sich deshalb auch immer wie- See- und Lappentaucher, Schwäne, Gänse, der fehlerhafte Angaben. Selbst in der neuen, Entenvögel, Rallen und Alken (Stresemann & ausführlichen Avifauna der Schweiz (Maumary Stresemann 1966). et al. 2007) wird die Wasser vogel mauser sehr Die meisten Arten mausern nach der Brut, stiefmütterlich und zum Teil missverständlich oft noch während der Jungenaufzucht, einige behandelt. aber auch im Winter bzw. zeitigen Frühjahr Die grundlegenden Untersuchungen zur (Prachttaucher, Ruderente). Häufig mausern Mauser bei Vögeln beruhen auf „Vögeln in der einjährige und mehrjährige zu verschiedenen Hand“, also auf Museumsbälgen, Totfunden Zeiten, ebenso Männchen und Weibchen. Auch oder Fänglingen. Auch diese gängigen Metho - die Mauserplätze sind bei den Geschlechtern den haben allerdings Nachteile. So schreiben sehr verschieden. Stresemann & Stresemann (1966) beim Schwarz - So verwundert es nicht, dass zwar Massen- halstaucher Podiceps nigricollis: „In keinem deut- Mauserplätze etwa der Brandgänse auf dem schen Museum ließ sich ein adulter Schwarz - Knechtsand, der Kolbenente am Bodensee oder halstaucher mit wachsenden Handschwingen der Tafelente im Ismaninger Teichgebiet allbe- nachweisen. Sogar in Leningrad fehlt dieses kannt sind, dass man aber auch in neueren Stadium.“ Prompt geben sie für den Schwarz- Regional- und Landesavifaunen über dieses für halstaucher eine falsche Mauserzeit an. den Naturschutz sehr relevante Verhalten Über Fänglinge adulter Enten und Bläss- wenig und in sehr unterschiedlicher Ausführ- hühner zur Mauserzeit wurde vor allem aus lichkeit liest (Bauer & Berthold 1996, Bezzel et Ismaning und vom Untersee berichtet (Köhler al. 2005, Mädlow et al. 2001). Die umfangreichs - 1980, Köhler 1991, P. & U. Köhler 1996, Pannach ten mitteleuropäischen Befunde zur Wasser- 1972, Schlenker 1979). Fangaktionen größeren vogelmauser stammen aus dem Ismaninger Umfangs fanden aber fast ausschließlich unter Teich gebiet (z. B. v. Krosigk & Köhler 2000). In den besonders günstigen Verhältnissen im den Landesavifaunen gehen vor allem Berndt & Ismaninger Teichgebiet statt. Drenckhahn (1974) sowie Berndt & Busche (1991, 1993) für Schleswig-Holstein ausführlich auf die Wasservogelmauser ein. Am Bodensee Material und Methode werden Wasservögel seit Jahrzehnten intensiv beobachtet. Die Entwicklung der Brutbestände, Am Bodensee wurde in den letzten Jahrzehnten des Durchzugs und der Winterbestände wurde mit unterschiedlichen Methoden versucht, mit unterschiedlichen Methoden systematisch Flügelmauser bei Wasservögeln zu erkennen, erfasst und in zahlreichen Veröffentlichungen ohne den Vogel als Fängling oder Balg in der festgehalten (Jacoby, Knötzsch & Schuster 1970, Hand zu halten. Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 5

Abb. 1. Übersichtskarte Bodensee mit wichtigen Wasservogel-Mauserplätzen. – General map of Lake Constance show ing important moulting sites for waterbirds. a) Verhalten: Schon Noll (1954) fiel am Untersee genen Flügelfedern beim Schwimmen in auf, dass die Blässhuhntrupps ab Mitte einer vom Flankengefieder gebildeten August vor seinem Ruderboot nicht mehr ins „Tasche“ stecken (Köhler & Köhler 2006). Schilf flüchteten, sondern aufs offene Wasser. c) Beim Flügeln ist Flugunfähigkeit an den ganz Er brachte diese Verhaltensänderung aller- kurzen Flügelstummeln gut zu erkennen, dings nicht mit dem Ende der Flügelmauser auch bei Lappentauchern. Allerdings flügeln in Ver bindung. Grundsätzlich kann man auf Wasservögel in der ersten Hälfte der Flügel - mausernde Graugänse, Gründelenten, mauser selten. Viel leichter ist die Diagnose: Kolbenenten und Blässhühner schließen, keine Flügelmauser. wenn diese im Sommer truppweise dicht vor d)Das Aufsammeln von Flügelfedern im Spül - dem Schilf liegen und sich bei Gefahr ins saum führt nach günstigen Windrichtun gen Schilf zurückziehen. Nur die Taucher, der zu guten Ergebnissen. Höckerschwan, die Rost gansund die meisten Tauchenten und Säger verhalten sich anders. In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf den b) Auch am schwimmenden Vogel lässt sich oft zur Flügelmauser mit wochenlanger Flugun - erkennen, ob er sich in Flügelmauser befin- fähigkeit gewählten Plätzen, Biotopen und det. Das Rückengefieder bildet dann in Zeiten, weil diese für den Naturschutz auf dem Körpermitte einen deutlichen Knick, wenn Wasser höchst wichtigen Fragen bisher zu die Handschwingen fehlen. Bei Sicht von wenig beachtet wurden (Abb. 1). oben erkennt man aus der Nähe auch, ob die Die eigenen Beobachtungen stammen von wachsenden Handschwingen bereits den der Halbinsel Mettnau bei Radolfzell mit (seit Bürzel erreichen, also die Flugunfähigkeit 1997) zur Hauptmauserzeit Mitte Juni bis Mitte bald beendet ist. Bei den Lappentauchern ist September durchschnittlich jährlich 30 Beob - diese Diagnose nicht möglich, weil die gebo- achtungstagen und vor allem von der Radolf- 6 Ornithol. Anz., 47, 2008

Abb. 2. Radolfzeller Aachmündung mit geschützter Flachwasserzone – die Fischerboote (weiße Punkte) liegen außerhalb des Schutzgebietes; der große Schilfteich ist ein wichtiger Ausweichplatz bei Störungen. – Mouth of the River Aach in Radolfzell and its protected shallow-water area. Fishing boats (white dots) lie outside of the protected area; the large reedy pond is an important alternative sheltered area in case of disturbance. Foto: Plessing, Mai 2007

Abb. 3. Wollmatinger Ried von Norden mit der Hegnebucht vorn und dem Ermatinger Becken südlich der Dammstraße zur Insel Reichenau. – The nature reserve Wollmatinger Ried viewed from the north, with Hegne Bay in the foreground and Ermatingen Bay south of the causeway to the isle of Reichenau. Foto: Plessing, Mai 2008 Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 7 zeller Aachmündung, an deren Südgrenze ein Prachttaucher Gavia arctica. Bei Stresemann & frei zugänglicher Anlegesteg ideale Beob- Stresemann (1966) und Bauer & Glutz (1966) achtungs möglichkeiten bietet (Abb. 2). Hier waren die Mauserverhältnisse bei dieser Art wurde zur Mauserzeit an durchschnittlich 50 noch wenig geklärt. Tagen pro Jahr gezählt und protokolliert, im Vom Bodensee liegen inzwischen über 90 Niedrigwasserjahr 2003 sogar an 65 Tagen. registrierte Prachttaucherbeobachtungen mit Die beiden wichtigsten Mausergebiete am Flügelmauser vor. Das sind überwiegend Sicht- Bodensee, das Wollmatinger Ried bei beobachtungen von der sogenannten Seetau - (Abb. 3) und das Vorarlberger Rheindelta (Abb. cherstrecke zwischen Konstanz und Romans- 8) westlich von Bregenz, wurden zur Haupt- horn (Abb. 1) und Federfunde von B. Schüren - mauserzeit in den letzten zehn Jahren je etwa berg vom gegenüberliegenden deutschen Ufer fünfmal jährlich aufgesucht. Gezählt wurde zwischen Friedrichshafen und Meersburg. Von dabei meist in Zehner gruppen. Bei manchen den 90 Mauserbefunden stammen allein 60 aus Arten sind Zählungen nur spätnachmittags dem Februar – das ist die Hauptmauserzeit. oder abends sinnvoll, wenn die Mauservögel Extrem werte vom Bodensee mit je einem flug- zur Nahrungssuche aus dem Schilf kommen. unfähigen Prachttaucher sind der 28.12.2003 Ausgewertet wurden auch die spärlichen (Verf.) und der 28.3.2007 (H. Leuzinger). Auf Angaben zur Mauser von Wasservögeln aus der Seetaucherstrecke überwintern und mau- den drei Bodensee-Avifaunen (Jacoby et al. sern alljährlich etwa 30 Prachttaucher – über- 1970, Schuster et al. 1983 und Heine et al. 1999) wiegend zweijährige und adulte Vögel. und aus den viermal jährlich erscheinenden Von Ende Mai bis September sind See - „Ornithologischen Rundbriefen für das taucherbeobachtungen am Bodensee wegen des Bodenseegebiet“. starken Sportbootverkehrs selten, aber in drei Angeschwemmte Mauserfedern wurden Jahren wurden zwischen 2. Juni und 8. August nur an wenigen Tagen und an wenigen Orten auch 6 Vögel in Flügelmauser beobachtet – es gesammelt, wenn der Wind frisch abgeworfene waren immer vorjährige (Schuster et al. 1983, Flügelfedern von den Mauserplätzen nicht ins Heine et al. 1999). Diese Befunde stimmen mit Schilf, sondern an einen Kiesstrand getrieben Literaturangaben aus Bayern überein, z.B. Bär & hatte, z. B. von der Radolfzeller Aachmündung Jochums (1995) und Wüst (1981). an die Radolfzeller Seepromenade oder von der Seetaucherstrecke ans gegenüberliegende deut- Zwergtaucher Tachybaptus ruficollis. Sicht- sche Ufer bei Hagnau-Immenstaad (vor allem beobachtungen zur Mauser sind bei dieser Art B. Schürenberg). Hier liegt für zukünftige wegen der kurzen Flügel, die in seitlichen Unter suchungen noch ein großes Potential. „Flügel taschen“ stecken,fast unmöglich. Hin - weise auf Mauserplätze geben wochenlang im August (September) stabile Zahlen von Alt - Ergebnisse vögeln am gleichen Ort. Die vermutlichen Mauserplätze liegen in wasserpflanzenreichen Bei allen untersuchten Arten fiel die große Flachwasserzonen, bis 1988 vor allem im Spanne der Mauserzeit auf, die weit über die Ermatinger Becken (bis zu 350 Ind. im August), Flugunfähigkeitsdauer beim einzelnen Indivi - dann erfolgte mit zunehmendem Prädations- duum hinausreicht. Es mausert also nie eine druck durch Mittelmeermöwen Larus michahellis ganze Population gleichzeitig. Bei vielen Arten eine Verlagerung vor allem an die Mündung der beginnen die einjährigen Nichtbrüter früher mit Radolfzeller Aach (bis zu 190 Ind., Heine et al. der Mauser als die Brutvögel. Auch Männchen 1999, im August 2006 hier nur noch 70 und und Weibchen mausern oft zu verschiedenen August/September 2007 nur noch 44 Ind.). Zeiten und an verschiedenen Orten. In den fol- Nach Bandorf (1970) dauert die Flügelmauser genden Art-Kapiteln wird vor allem der nur 3 – 3,5 Wochen, kann aber zwischen Ende Mauserhöhepunkt hervorgehoben, aber auch Juni und Anfang November liegen. Die Haupt- Abweichungen werden dargestellt. Die Gesamt- mauserzeit am Untersee ist im August/Anfang zahl der in einem Gebiet mausernden Wasser - September. vögel ist in der Regel höher als die Zahl zum Ob die Brutvögel (2. bzw. 3. Brut im Mausermaximum. August/September) am Brutplatz mausern, ist 8 Ornithol. Anz., 47, 2008

NSG NW NW HW HW NW In mindestens zehn weiteren Flachwasser - NW NW zonen am Bodensee unter 100 ha Fläche bilden sich alljährlich Mausertrupps von 50 – 350 Adulten, aber immer zusammen mit ortsansäs- sigen Familien. Bei extremem Niedrigwasser können sich an solchen Plätzen viel mehr

ï Maximum Mausergäste einfinden, z. B. 1070 am 19.8.2003 in den Buchten der Insel Mainau, die erst seit 1997 unter Schutz gestellt wurden (D. Heu- schen). Individuen An allen Mauserplätzen fallen die starken Schwankungen von Jahr zu Jahr auf, wobei in

0 500 1000 2000 Niedrigwasserjahren mehr Haubentaucher am 80 84 88 92 96 00 04 Bodensee mausern, wohl weil die Zahl der Nichtbrüter in solchen Jahren groß ist. So lagen Abb. 4. Haubentaucher-Bestände im August/ am 12. September 1982 bei Normalwasserstand 1. Septemberhälfte am Hauptmauserplatz vor dem nach Ergebnissen der Wasservogelzählungen Eriskircher Ried (Nr. 8 in Abb. 1). NW/HW auf dem ganzen See 3400 Haubentaucher, am Niedrigwasser/Hochwasser, NSG Schutz der 14. September 1986 bei Niedrigwasser dagegen Wasserfläche. Daten G. Knötzsch. – Numbers of moult- 6900. Zwischen 2000 und 2007 haben sich die ing Great Crested Grebes during August and early September at the most important moulting site off the Zahlen dagegen auf hohem Niveau von rund nature reserve Eriskircher Ried (number 8 in general 10 000 stabilisiert, darunter durchschnittlich regional map). NW/HW = Low water, high water levels, 15% diesjährige ohne Schwingenmauser (Orni - NSG = protected area of the lake. tholo gische Arbeitsgemeinschaft Boden see). Die drei großen Mauserplätze waren an dieser ebenso unklar (aber sehr wahrscheinlich) wie Entwicklung unterschiedlich beteiligt. Stö- vieles andere. Am 10.8.2007 hatte ein adulter rungen an den Mauserplätzen gab es durch ille- Zwergtaucher, der einen größeren Jungvogel im gal die Sperrzonen durchquerende Kanuten Brutgebiet betreute, beim Putzen keine Flügel - und am Untersee durch einzelne Berufsfischer, federn – ein anderer Altvogel, ebenfalls mit die ganz legal in die gesperrten Wasserflächen einem größere Jungen, war dagegen voll flugfä- einfahren dürfen. Hier muss eine Regelung hig. Am 22.8.2003 flogen 10 von 21 Zwerg- gefunden werden. tauchern bei Störungen in der Südbucht der Hauptmauserzeit ist im August und in der Halbinsel Mettnau auf (Verf.). ersten Septemberhälfte, Extremwerte fehlen wegen der oben genannten Schwierigkeiten Haubentaucher Podiceps cristatus. Haupt - weitgehend. mauser plätze am Bodensee sind offene Flach - wasserzonen von mehreren 100 Hektar Größe: Schwarzhalstaucher Podiceps nigricollis. das Rheindelta (Wetterwinkel und Rohrspitz Außerhalb der beiden Hauptmauserplätze mit 500 – 1200 Vögeln), die Hegnebucht des Ermatinger Becken und Rheindelta (Abb. 1) bil- Gnadensees mit ähnlicher Größenordnung deten sich auch in anderen Flachwassergebieten (Abb. 3) und vor allem das Eriskircher Ried. Die jahrweise Ansammlungen im August, so 1972 Entwicklung dieses großen, überregional und 1973 in der Luxburger Bucht bei Romans- bedeutenden Mauserplatzes hängt eng mit der horn bis zu 100, im Zeller See 1996 und 1998 Ausweisung von 330 Hektar Wasserfläche als ebenfalls bis zu 100. Die Mauserbestände lagen Naturschutzgebiet Ende 1983 zusammen. am Bodensee in den 1980er Jahren bei 600 Vorher mauserten hier nur etwa 500 Hauben- Vögeln. Da nur etwa 70 Paare brüten, müssen taucher. Im August 1988 wurden erstmals 2000 Mausergäste von außerhalb zuziehen. Der Mausergäste erreicht, in weiteren 6 Jahren bis Mauserplatz im Wetterwinkel des Rheindeltas 2007 wurden im August/September hier über ist wegen des zunehmenden Bootsverkehrs im 2000 Haubentaucher gezählt, bisherige Maxima Sommer, aber wohl auch mit der Zunahme des waren 2600 im August 1994 und 2730 im August Haubentauchers und durch zunehmenden 2003 (Abb. 4). Prädationsdruck der Großmöwen zur Jahrtau - Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 9

bei Radolfzell beide Altvögel gleichzeitig. Die Flugunfähigkeit beginnt Mitte Juni bei den 1- 2- jährigen (am 19. Juni 1977 waren bei Radolfzell 16 von 44 immaturen bereits flugunfähig), aber noch am 25.8.2002 waren an der Hornspitze 40 adulte flugunfähig. ï Maximum Graugans Anser anser. Die kleine Bodensee- Population mit knapp 400 Exemplaren stammt überwiegend aus einer offenen Schauanlage bei Individuen Salem und breitet sich weiter aus. Gut unter- sucht wurde nur ein Mauserplatz mit rund 30

0 100 200 300 400 Altvögeln in einem aufgestauten 15 ha großen 82 85 88 91 94 97 00 03 06 Ried mitten im Wald bei Allensbach zwischen Konstanz und Radolfzell, wo sich die Mauser- Abb. 5. Schwarzhalstaucher-Mauserbestände (Juli)/ vögel im Schilf verstecken. Die Mauser beginnt August an den beiden wichtigsten Plätzen Rheindelta hier frühestens am 9. Mai und zieht sich bei ein- (dunkel) und Ermatinger Becken. – Numbers of moult- zelnen Vögeln bis Ende Juli hin. Am 30. Juni ing Black-necked Grebes at the two most important moult - 2005 konnten 11 von ursprünglich 30 Mauser- ing sites in the Austrian Rhine delta and the Ermatingen vögeln nur ganz kurze Strecken fliegen und am Bay. 17. Juli 2006 waren im Bündtlisried noch 6 flug- sendwende erloschen (Abb. 5). Seitdemsanken unfähig. Bei der Jungenaufzucht mausern im die Mauserbestände im jetzt noch einzigen Gegensatz zum Höckerschwan beide Altvögel Mausergebiet Ermatinger Becken (Abb. 3) auf gleichzeitig. Aus dem Bündtlisried bei Allens - 100 – 200 ab (H. Jacoby). bach wandern die Familien meist vorher zu Fuß Daten zur Flugunfähigkeit liegen aus ganz über Wiesen und durch Wald an größere Mitteleuropa nur wenige vor: H. Jacoby fand Gewässer ab (1–3 km weit). am 23. Juli 1988 einen von Mittelmeermöwen getöteten Altvogel in Schwingenmauser im Rostgans Tadorna ferruginea. Als sich vom 2. Ermatinger Becken. Dieser Fund ergänzt gut die August bis 8. September 2003 vor dem Eris- bisher einzigen europäischen Daten zur kircher Ried erstmals permanent 30 Rostgänse Schwingenmauser aus Ismaning (Köhler & aufhielten, wurde dies zunächst als Mauser trupp Köhler 2006). gedeutet. Erst mit den Erfahrungen am Mauserplatz Radolfzeller Aachmündung (Nr. 4 Höckerschwan Cygnus olor. Am Bodensee in Abb. 1) wurde klar, dass Rostgänse im Juli mauserten in den letzten Jahren im Juli/August mausern und ab Anfang August in der Regel etwa 2000 ein- und mehrjährige Höcker- wieder flugfähig sind. Zur Mauser versammeln schwäne. Am wichtigsten Mauserplatz, dem sich die 100 Rostgänse hier etwa 500 m vor dem Ermatinger Becken (Nr. 1 in Abb. 1), hat sich die Ufer auf der freien Wasserfläche dicht an der Zahl der mausernden Nichtbrüter in wenigen Schutzgebietsgrenze. Die Entwicklung am Mau- Jahren auf fast 1000 verdoppelt. Auch in ande- serplatz Radolfzeller Aachmündung ist in Abb. 6 ren Flachwasserzonen können sich 100 und dargestellt. Sofort nach der Mauser wird der mehr Höckerschwäne zur Mauser sammeln, so Platz geräumt. Ein Teil der Vögel taucht dann im Rheindelta (bis 300), an der Hornspitze (bis fast 100 km entfernt im Raum Rheinfelden/ Ba- 600), an der Radolfzeller Aachmündung (bis sel auf (K. Kuhn mdl.). Im Juli/August 2007 ver- 100). Nahrungsgrundlage sind dichte Unter - lagerte sich der Mauserplatz von der Aachmün - wasser pflanzenbestände, oft Characeen. dung etwa 6 km nach Südosten an die ebenfalls Mauserzeit ist Juni bis August, bei Junge geschützte Wasserfläche vor der Hornspitze. führenden Paaren mausert zuerst das Weib- Anders als Schwäne und Graugänse mau- chen, dann erst das Männchen (Bauer & Glutz sern die Rostganspaare während der Jungen- 1968). Von allen Regeln kann es Abweichungen aufzucht nicht. Selbst bei einer erst Mitte Juli geben. So mauserten bei einer erst Ende August geschlüpften Spätbrut trugen beide Altvögel an geschlüpften Spätbrut mit 2 pulli am 16.9.1995 der Aachmündung bis zum 18. August noch das 10 Ornithol. Anz., 47, 2008

NSG NW ï Maximum ï Maximium Individuen Individuen 0 200 400 600 800 1200 0 20406080100120

02 03 04 05 06 07 89 92 95 98 01 04 07 Abb. 6. Rostgans-Mauserbestände im Juli/Anfang Abb. 7. Schnatterenten-Mauserbestände im Juli/ August am Mauserplatz Radolfzeller Aachmündung Anfang August an der Radolfzeller Aachmündung. (Nr. 4 in Abb. 1). – Numbers of moulting Ruddy NSG = Schutz der Wasserfläche. – Numbers of moulting Shelducks during July/early August at the mouth of river Gadwall during July/early August at the mouth of the river Aach in Radolfzell. Aach in Radolfzell. NSG = protected area of the lake.

alte Großgefieder, und erst am 19. August ver- Die Stockente Anas platyrhynchos soll hier schwand ein Altvogel zur Mauser und der nicht behandelt werden, weil sie keine größeren andere verließ zwei Tage später die fast flüggen Mausergesellschaften bildet, sondern weit ver- Jungen. Von einer zum Egelsee bei Frauenfeld teilt auch auf Kleingewässern der Umgebung zugewanderten Familie wurden im Juli das mausert, auch die Männchen. Wir schätzen den Männchen und einer von 6 Jungvögeln im Mauserbestand auf mindestens 2000 Vögel. Rahmen des offiziellen schweizerischen Rost - gans-Ausrottungsprogramms abgeschossen, Schnatterente Anas strepera. Von überregiona- am 28. Juli flog dann das Weibchen mit den ler Bedeutung sind zwei Mauserplätze der eben flüggen Jungvögeln ab (H. Leuzinger). Schnatterente, das Wollmatinger Ried und die Noch am 6. September 2006 waren bei Moos 12 Mündung der Radolfzeller Aach mit zusammen Rostgänse flugunfähig. mindestens 2000 Mauservögeln, ganz überwie- gend Männchen. Brandgans Tadorna tadorna. Einzelne ein- und In den 1960er Jahren galten am Bodensee mehrjährige Vögel fliegen offenbar nicht zu den Trupps von 50 Altvögeln kurz vor Mauser - bekannten Mauserplätzen an der Elbemün - beginn um Mitte Juni noch als große Ausnahme dung, wo sich rund 80 000 Brandgänse – auch (Jacoby et al. 1970). Mit der Verfünffachung der aus dem westlichen Mittelmeerraum – sammeln Brutbestände dieser eher südeuropäischen (Heinicke & Köppen 2007). Vom 17. Juli bis Entenart zwischen 1970 und 1990 auf 100 Brut- Mitte August 2007 mauserte an der Radolfzeller paare war eine Erhöhung der Mauserzahlen zu Aachmündung ein vorjähriger Vogel seine erwarten. Im Wollmatinger Ried verfünffachten Flügelfedern und vom 24. August bis 25. Sep- sich die Mauserbestände von den 1970er Jahren t ember ein adulter. bis 1990 auf 1000 – 1500 Vögel. Ab 1989 entstand ein zweiter Mauserplatz an der Mündung der Gründelenten Radolfzeller Aach mit zunächst 200 Mauser - Von den Gründelenten spielen am See als vögeln (Abb.7). Erst seit der Unterschutz- Mauser gästenur Schnatter- und Stockente eine stellung der Wasserfläche 1996, wozu am deut- Rolle. Drei andere Gründelentenarten (Krick-, schen Unterseeufer auch die Schweiz zustim- Knäk- und Löffelente) brüten nur in sehr kleiner men muss, verdoppelten und verdreifachten Zahl, und die Beobachtungen mausernder sich hier die Bestände (Abb. 2 und 7). Die Sperr- Altvögel sind entsprechend spärlich. zonen sind mit rotweißen Bojen und Natur- Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 11 schutzschildern markiert und müssen nach dem zwar wie üblich 1500 Schnatterenten erfasst (S. formalen Schutz von der Wasserschutzpolizei Werner), an der viel kleineren Aachmündung kontrolliert werden. mit wenig Versteckmöglichkeiten aber nur 300 Wie alle Gründelenten sowie Kolbenente (Verf.). Dagegen gab es im Juli 2001 bei durch- und Blässhuhn leben mausernde Schnatter- schnittlich 1,20 m höheren Wasserständen in enten überwiegend im Schilf versteckt und sind beiden Gebieten zusammen nur rund 1000 nur abends zu erfassen, wenn sie zur Nahrungs- sichtbare Schnatterenten, denn es ist unklar, wie suche an die Schilfränder und in die Flach - viele im Schilf versteckt blieben. Ein Beispiel für wasser zonen schwimmen. Hinzu kommt eine Verlagerungen bot ein Hagelsturm am 8. Juli offenbar breite zeitliche Staffelung der Mauser, 2004, der große Schilfflächen im Wollmatinger sodass auch in der Hauptmauserzeit Ende Juni Ried, darunter das Schnatterenten-Mauser- bis Anfang August immer Erpel flugfähig sind. zentrum, verwüstete. An der 15 km entfernten So wurden am 9. Juli 2005 an der Aachmün - Aachmündung wurden danach bis zu 1200 Ind. dung über 500 Schnatterenten durch einen gezählt (vorher 260, Abb. 7). Wegen der breiten Zeppelin aufgescheucht. Am 1. August 2002 Staffelung der Mauserzeiten liegen die Gesamt- waren im selben Gebiet über 500 Ind. flugfähig zahlen der am Bodensee mausernden Schnatter- und lagen außerhalb der Schilfzone, aber viele enten wahrscheinlich viel höher als 2000 Indivi- waren noch im Schilf. In Niedrigwasserjahren, duen. wenn sogar im Juli die Schilfflächen nicht unter Wasser stehen, sind zwar die Mauservögel gut Tauchenten zu erfassen, aber es ist denkbar, dass ein Teil der Der Mauserplatz Wollmatinger Ried/Ermatin - Mauser population wegen der ungünstigen Um - ger Becken hat für die Kolbenente eine jahr- weltbedingungen rechtzeitig andere Mauser- zehntelange Tradition. Mauserplätze für Tafel-, plätze aufgesucht hat. Im Niedrigwasser som - Moor- und Reiherenten haben sich dagegen erst mer 2003 wurden im Juli im Ermatinger Becken seit etwa 1990 entwickelt.

Abb. 8. Lagune im Vorarlberger Rheindelta mit den 10 Steininseln (Lachmöwenkolonie) und den neu gebauten breiten Durchlässen zur Fußacher Bucht im Hintergrund. Vorn der weißliche Rheinkanal. – Lagoon in the Austrian Rhine delta including ten artificial islands (with Black-headed Gull colonies) and the newly-built ducts to Fussach Bay in the background. The whitish waterway in the foreground is the canalized river Rhine. Foto: Plessing, Mai 2008 12 Ornithol. Anz., 47, 2008

Kolbenente Netta rufina. Kolbenenten verhal- zonen einzelne Störungen durch Ruderboote ten sich auch bei der Flügelmauser teils wie nie ganz ausgeschlossen werden können – Juli Gründelenten und teils wie Tauchenten. Im und August sind Höhepunkte der Bootssaison. Ermatinger Becken schätzte Szijj (1965) den Die privilegierten Berufsfischer sind sogar zu Mauserbestand im Juli/August auf 300 – 500 Fahrten in die Sperrzonen hinein berechtigt. Männchen. Um die Jahrtausendwende lagen Seit 1992 hat sich aber in der „Lagune“ zwi- die Schätzungen bei 1500 bis 2000. Wie bei der schen Hochwasserdämmen im Vorarlberger Schnatterente bleiben die Mauservögel tagsüber Rheindelta ein Tafelerpel-Mauserplatz mit 1000 im Schilf und erscheinen erst abends zur – 1500 Ind. entwickelt (Tab. 1 und Abb. 8). In Nahrungssuche auf dem freien Wasser. Und wie diesem 30 ha großen abgeschlossenen Becken bei der Schnatterente ist immer ein großer Teil gibt es keinerlei Störungen durch Boote, neuer- der Mausererpel flugfähig, so am 11. Juli 1998 dings aber durch einen regelmäßig überfliegen- und am 8. August 1999 im Ermatinger Becken. den Touristik-Zeppelin und durch Linienflüge Vor allem in Jahren mit späten Bruten wegen großer Maschinen zum Flugplatz Altenrhein/ Niedrigwasser tragen viele Männchen noch En - Schweiz. Vor allem aber ist das Wasser im abge- de Juli das Prachtkleid und können dann natür- schlossenen Becken mit einer unzureichenden lich auch fliegen, z. B. 2002 und 2007. Verbindung zum Bodensee im Sommer 2006 In den 1990er Jahren bildete sich in der „umgekippt“. Eine Vervielfachung der Wasser- nahe zu schilffreien Lagune im Rheindelta ein zufuhr ist im Frühjahr 2008 mit zwei breiten Männchen-Mauserplatz zusammen mit Tafel- Durchlässen im südlichen Abschlussdamm rea- und Reiherenten aus (Abb. 8). Hier zeigt sich lisiert worden. Damit kann dieser potenziell die Kolbenente also im Gegensatz zum Mauser - wichtigste Entenmauserplatz nach dem Woll - platz Wollmatinger Ried als Tauchente. Im matinger Ried und der Aachmündung hoffent- Juli/August mausern hier mehrere 100 männ- lich gerettet werden. liche Kolbenenten, im Niedrigwasserjahr 2003 Vor den großen Schilfzonen am Untersee sogar 1300 Ind. (Tab. 1). sammeln sich im Juli/August an mehreren Kleine Mausertrupps aus 100 – 200 Kolben - Stellen je bis zu 200 Tafelenten, die sich wegen enten gibt es aber außer im Ermatinger Becken der Großmöwen dicht am Schilf oder sogar in und im Rheindelta auch in anderen Schilf - den ersten Schilfmetern aufhalten. Zum Mau - gebieten, vor allem am Untersee. Zum Mauser - ser höhepunkt halten sich etwa 1500 Tafelenten höhepunkt im Juli/August sind am Bodensee am Bodensee auf, darunter 70% Männchen. Im etwa 3000 Kolbenenten (überwiegend Männ - September/Oktober liegen die Zahlen zehn- bis chen) versammelt. zwanzigmal höher, wobei dann der Männchen- anteil in den großen Trupps 80 – 90% beträgt. Tafelente Aythya ferina. Am Bodensee konnte Die Mauser kann schon Ende Juni beginnen, sich ein großer Mauserplatz der auf dem freien z. B. am 28.6.2007 an der Aachmündung 5 flug- Wasser mausernden Tauchenten gar nicht ent- unfähige Männchen. Mauserhöhepunkt ist wickeln, weil auch in den geschützten und nur Ende Juli. durch einzelne Bojen markierten Flachwasser -

Kolbenente Tafelente Reiherente Tab. 1. Mauserbestände von Kolben-, Netta rufina Aythya ferina Aythya fuligula Tafel- und Reiherenten in der „Lagune“ des Vorarlberger Rheindeltas (siehe 1998 200 380 820 Abb. 8). Tagesmaxima zur Hauptmau- 1999 720 410 1800 serzeit Juli bis Mitte August bei Kolben- 2000 250 600 1700 und Tafelente, August bei Reiherente – 2001 350 600 850 Daten D. Bruderer und S. Schuster. – 2002 250 950 1500 Population sizes of moulting waterbirds in 2003 1300 1900 2850 the lagoon of the Austrian Rhine delta (fig. 2004 900 650 720 8). Diurnal maxima of Red-crested Pochard 2005 1050 1500 1200 and Pochard between July and mid-August, 2006 800 500 540 and of Tufted Ducks in August (data by 2007 300 1 2 D. Bruderer and author).

Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 13

Moorente Aythya nyroca. Als einzige heimi- Etwa die Hälfte der 200 Mausererpel hielt sich sche Entenart unternehmen nach Bauer & Glutz im offenen Sportboothafen auf. Das war auch in (1968) die Männchen der Moorente keinen den folgenden Jahren der Fall. Mauserzug, sondern mausern einzeln oder zu zweit oder zu dritt in der Nähe der Brutplätze. Eiderente Somateria mollissima. Nach den gro- Das gilt seit 1973 auch für den Bodensee- ßen Einflügen ins Binnenland 1971 und 1988 bil- Untersee, seit 1998 sogar alljährlich und in deten sich am Bodensee jahrelang im Juli/ zunehmender Zahl. Die 3 – 4 Wochen dauernde August der Folgejahre Mausertrupps mit über Flugunfähigkeit wurde zwischen der 1. Juli- 50 (ab 1972) bzw. über 200 (ab 1989) Vögeln, vor hälfte und dem letzten Augustdrittel festgestellt allem in der Schachener Bucht bei (Nr. 9 (Leuzinger & Schuster 2005). Im Sommer 2007 in Abb. 1). Mit zunehmenden Freizeitaktivitäten kam es zu einer neuen Entwicklung, indem im verlor dieser Mauserplatz (ohne Schilfflächen) Wollmatinger Ried 14 Moorenten mauserten (H. für Eiderenten und auch für Haubentaucher Jacoby) und im Bündtlisried 5 Ind. (Verf.). Nach seine Funktion fast vollständig (Seitz in Heine et der Flügelmauser versammeln sich Moorenten al. 1999). genauso wie die nächstverwandten Tauchenten an bestimmten Plätzen zur Kleingefieder mau - Schellente Bucephala clangula. Mit der ser: seit 1996 bis zu 100 Moorenten im Septem- Zunahme auf 50 Brutpaare in Bayern (Bezzel et ber/Oktober in einer kleinen Bucht des Mindel- al. 2005) stieg die Zahl der Mausergäste am Bo- sees bei Radolfzell bzw. im nur 2 km entfernten densee im Juli/August ab Mitte der 1970er Bündtlisried (Heine et al. 1999, G. Thielcke, Jahre auf durchschnittlich 14 an, seit 1980 vor Verf.). allem im Eriskircher Ried. Die Entwicklung hat sich nach 2000 nicht fortgesetzt – jetzt verweilen Reiherente Aythya fuligula. Fast zeitgleich mit meist nur noch einzelne Mausergäste. dem Zusammenbruch der Mausertradition im Ismaninger Teichgebiet bei München 1992/93 Gänsesäger Mergus merganser. 1977 entstand begann am Bodensee die Mausertradition der an der Rheinmündung in den Bodensee ein Reiherente in der Lagune im Rheindelta im Schwingenmauserplatz mit zunächst 100, in August 1992 schlagartig mit 2500 Mausererpeln den Folgejahren bald über 200 Vögeln (Schuster und setzte sich im August 1993 und 1995 mit et al. 1983). Er ist bis heute besetzt – in aller- Zahlen in gleicher Höhe fort. In den folgenden dings unterschiedlichen Zahlen zwischen 180 zehn Jahren schwankten die Zahlen hier sehr und 500 Ind. (Abb. 9). Als Ruheplätze dienen stark (Tab. 1 und Abb. 8). Aus den bei der Tafel - die Steinbuhnen im Rhein, weil im Juli/August ente genannten Gründen blieben mausernde die Sandbänke in der Regel noch unter Wasser Reiherenten 2007 dann ganz aus (Tab. 1). In den liegen. Ab 2006 ruhten die meisten Mauservögel 1970er und 1980er Jahren hatte sich auf dem auf den neu errichteten niedrigen Dämmen an Mindelsee bei Radolfzell ein Erpelmauserplatz der Mündung des alten Rheins an der österrei- gebildet, der oft schon ab Mitte Juli besetzt war, chisch-schweizerischen Grenze. Einzelne Weib- z. B. 700 Ind. am 22. Juli 1983 und 1700 am 30. chen der Alpenpopulation mausern auch an Juli 1975. Die Maxima flügelmausernder Männ- anderen Stellen, so am Untersee, am Ammersee chen lagen aber wohl nur selten über 500. Erst (G. Jung), am Unteren Inn (Schuster 2007) und im September/Oktober sammelten sich hier bis sogar bis zu 100 in der Westschweiz (Maumary zu 30 000 Reiherenten zur Kleingefiedermauser. et al. 2007). Auf dem 115 ha großen Mindelsee darf nur ein Es gibt aus den letzten Jahren mehrere Beob - Ruderboot verkehren. Als Ende der 1980er Jahre achtungen, die ausnahmslos zeigen, dass die mehrere Flachwasserzonen auf dem Untersee Rheindelta-Mauservögel fast ausschließlich mit rotweißen Bojen als Schutzgebiete ausge- Weib chen sind (P. Willi mündl. und Verf.). Die wiesen wurden, verteilten sich die Reiherenten Hauptmauserzeit liegt zwischen Mitte Juli und mit je mehreren 100 auf die Südbuchten der Ende August. Ein flügelverletztes Weibchen Halbinsel Mettnau und die Aachmündung. Ein hatte schon am 20. Juni 2002 am Untersee alle außergewöhnlicher Reiherenten-Mauserplatz Schwin gen abgeworfen (Abb. 10). Im Rhein - bildete sich im August des Niedrigwasserjahres delta wurden mehrfach noch bis Mitte Oktober 2003 an der Mündung der Stockacher Aach. flugunfähige Weibchen beobachtet, z.B. 10 am 14 Ornithol. Anz., 47, 2008

Männliche Gänsesäger auch der Alpenpopu- lation scheinen also tatsächlich zum Mausern nach Nordskandinavien zu fliegen. Direkte Ringfunde fehlen allerdings bisher.

Ruderenten Oxyura spec. Die in Mittelasien mit

ï Maximum Ausläufern bis in den Mittelmeerraum brüten- de Weißkopf-Ruderente Oxyura leucocephala mausert als wohl einzige Entenart wie der Prachttaucher im Januar (Februar?), und zwar Individuen die Hälfte des kleinen Weltbestandes auf eini- gen Seen in Pakistan (Kolbe 1972). Verf. hat

0 100 200 300 400 500 einen kleinen Mauserplatz mit 100 Ruderenten (zwei Drittel Männchen) in der Nähe der Gua- 77 81 85 89 93 97 01 05 dalquivirmündung in Südspanien im Januar Abb. 9. Gänsesäger-Mauserbestände Ende Juli/Au- 2006 und 2007 genauer untersucht und fand im gust im Vorarlberger Rheindelta. – Numbers of moul- Januar jeweils fast alle Vögel in Großgefieder - ting Goosander during late July and August in the mauser (Flügel und Schwanz). Austrian Rhine delta. Dagegen mausert die nächstverwandte Schwarz kopf-Ruderente Oxyura jamaicensis, die im westlichen Nordamerika und in den Anden Südamerikas brütet und die sich nach Aus - setzungen in Großbritannien stark vermehrt hat, wie alle anderen Entenarten nach der Brut- zeit im Juli/August, so ein Männchen vom 2. – 22. Juli 2007 an der Aachmündung. In Maumary et al. (2007) findet sich ein gutes Foto einer flü- gelmausernden Schwarzkopf-Ruderente vom 2. Juli 1990 vom Zoo Basel, ohne dass auf die Mauser hingewiesen wird.

Blässhuhn Fulica atra. Blässhühner ziehen sich Abb. 10. Gänsesäger in Flügelmauser. Mettnau bei wie Schnatterenten zur Flügelmauser ins Schilf Radolfzell, 13. August 2007. – Goosander in flight-feath- er moult near Radolfzell on 13 August 2007. zurück. Von fast 2000 adulten, die am 6. August Foto: S. Trösch 2007 am Mauserplatz Radolfzeller Aachmün - dung/Untersee versammelt waren, lagen viele 11. Oktober 1998, 20 am 14. Oktober 2004 und 10 noch dicht am Schilf – darunter waren nach am 17. Oktober 2006. Damit erstreckt sich die Stichprobenzählungen mindestens 50% noch in Mauserzeit der Weibchen im Rheindelta auf Flügelmauser. Unter den 200 – 300 Meter weiter über vier Monate. Man kann davon ausgehen, draußen im Flachwasser liegenden etwa 600 dass die niedrigeren Mauserzahlen zwischen Vögeln waren dagegen nur etwa 10% flugunfä- 1993 und 2006 mit dem zunehmenden Freizeit - hig. Die Bodenseebestände im Juli/Mitte Au- druck am Bodensee zusammenhängen und dass gust zum Höhepunkt der Mauser erreichen in dieser Zeit die Vögel mit Erreichen der etwa die Größenordnung 20 000. Sie konzentrie- Flugunfähigkeit das Gebiet rasch verließen. Der ren sich zu 75% vor den fünf schilfreichsten neue Mauserplatz am neu erbauten Altrhein - Gebieten (Tab. 2). damm war 2007 zunächst noch störungsarm. Bereits ab Ende Mai sind alljährlich nachts Die Gesamtzahl der am Bodensee mausern- Zugrufe zu hören von Vögeln, die aus nördli- den Gänsesäger könnte also weit über 500 lie- chen Richtungen die Flachwasserzonen im gen. Die Alpenpopulation wird auf über 1000 Untersee ansteuern. Auch beim Blässhuhn gilt Brutpaare geschätzt (Maumary et al. 2007). In die Grundregel, dass immer nur ein Teil der den letzten Jahren war nur einmal ein Männ- Population flugunfähig ist. Die Mauser beginnt chen unter den Mauservögeln, im Juli 2007. Mitte Juni mit Nichtbrütern (Glutz v. Blotzheim, Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 15

Durchschnitt Spanne Tab. 2. Blässhuhn- Mauserbestände Wollmatinger Ried 5000 3000 – 8000 Bodensee Rheindelta 3500 3000 – 4600 1998–2007. – Radolfzeller Aachmündung 1700 1200 – 2300 Population sizes of moulting Coot at Mettnau mit Markelfinger Winkel 1000 900 – 1200 Lake Constance from Hornspitze Untersee 900 600 – 1200 1998-2007.

Bauer und Bezzel 1973) und endet erst Ende Wasser- und Sumpfvögeln diese risikoreiche September, obwohl der Einzelvogel immer nur Vari ante der Flügelmauser – mit zeitweiliger etwa vier Wochen flugunfähig ist. Eckdaten Flugunfähigkeit – durchgesetzt? Offensichtlich sind der 19. Juni 2001 (mehr als 10 abgeworfene haben Prädatoren im dichten Uferbewuchs nur Handschwingen an einem Rastplatz bei geringe Chancen, Mauservögel zu erbeuten. Radolfzell) und der 14. September 2006 (noch Und offensichtlich bieten manche Gewässer im mindestens 6 flugunfähige adulte bei Moos). Juli/August so viel Nahrung, dass Flug- Die meisten Federn lassen sich im Spülsaum in bewegungen nicht unbedingt notwendig sind. der 2. Julihälfte finden. Am 6. Juli 2007 hatten Viele Entenarten und das Blässhuhn ziehen sich von 100 Altvögeln erst 2 die Flügelfedern voll- zur Mauser in große Schilfbestände zurück. ständig abgeworfen. Am gleichen Tag flüchte- Schwäne und Gänse sind zudem für die meisten ten an anderer Stelle 500 adulte auf dem Wasser Prädatoren zu groß, die auf den offenen Wasser- „laufend“ und flügelschlagend mehrere hun- flächen mausernden Tauchenten, die größeren dert Meter vor zwei Mittelmeermöwen ins Lappentaucher und die Seetaucher können län- Schilf. Kein einziges Blässhuhn flog über dem gere Strecken tauchen und so Feinden entkom- Wasser. Bei einzelnen Vögeln fielen die runden men. Die kleinen Taucherarten mausern oft im Flügelspitzen auf – möglicherweise hatten die offenen Wasser von Flachwasserbuchten, wo sie meisten Vögel schon 1–2 äußere Hand - seit wenigen Jahren dem Druck von Groß - schwingen abgeworfen. möwen ausgesetzt sind. Am Bodensee sind nur die Mauseransammlungen bei Zwerg- und Schwarzhalstauchern in den letzten Jahren auf Diskussion Bruchteile dezimiert worden (Tab. 3) – und damit auch die Brut- und Winterbestände. Hier Bei der Flügelmauser der Vögel – also der wird die Auslese wohl zu einer anderen Ersetzung der meist knapp ein Jahr alten Hand- Mauserstrategie führen, vor allem zur dezentra- und Armschwingen – fallen diese in der Regel len Mauser an den Brutplätzen. Beim Zwerg- nicht gleichzeitig aus, sondern nacheinander. taucher gibt es entsprechende Beobachtungen Dadurch wird die Flugfähigkeit des Vogels lü - aus dem Bodenseegebiet. Auch die bei Bandorf ckenlos gewährleistet, was für die meisten (1970) für den Zwergtaucher angegebene ex- Vögel lebenswichtig ist. Die Flügelmauser zieht trem lange Mauserperiode von vier Monaten sich dann aber viele Wochen, im Extremfall, z. B. könnte bedeuten, dass die kleinste Wasser - bei Seeschwalben, über acht Monate hin (Strese - vogel art auch bei der Mauser am flexibelsten mann & Stresemann 1966). reagieren muss. Von dieser Regel weichen einige Ordnungen der Wasser- und Sumpfvögel völlig ab, indem Mauserplätze zentral oder dezentral? Einige sie die Handschwingen synchron – also alle Wasservogelarten konzentrieren sich zur Mauser gleichzeitig – abwerfen und dann natürlich auf einen oder ganz wenige Plätze. So kommen mehrere Wochen flugunfähig sind. In Mittel- wahrscheinlich fast alle west-, mittel- und nord- europa trifft das zu für alle See- und Lappen- europäischen Brandgänse, aber auch die kleine taucher, alle Schwäne, Gänse, Entenvögel, Mittelmeerpopulation, zur Mauser im Juli/ Rallen und Alken. August auf dem Knechtsand zwischen Elbe- und Wesermündung zusammen. Die rund 80 000 Warum mausern Wasservögel synchron? Vögel nehmen dabei Flugwege von teilweise Warum hat sich in der Evolution gerade bei über 1000 km in Kauf (Bauer & Glutz 1968). 16 Ornithol. Anz., 47, 2008

Art MauserhöhepunMauserhöhepunktk Tagesmaximum Trend

Prachttaucher Jan./Febr. Jan./Febr. 35 O Gavia arctica Zwergtaucher August August 400 - Tachybaptus ruficollis Haubentaucher Aug./Sept. Aug./Sept. 10000 + Podiceps cristatus Schwarzhalstaucher Juli/Aug. Juli/Aug. 400 - Podiceps nigricollis Höckerschwan Juli/Aug. Juli/Aug. 2000 + Cygnus olor Graugans Mai/Juni Mai/Juni 400 + Anser anser Rostgans Juli Juli 120 + Tadorna ferruginea Schnatterente Juli Juli 2000 + Anas strepera Stockente Juli Juli 2000? O Anas platyrhynchos Löffelente Juli Juli 50? O Anas clypeata Kolbenente Juli Juli 3000 + Netta rufina Tafelente Juli/Aug. Juli/Aug. 2000 + Aythya ferina Moorente Juli/Aug. Juli/Aug. 20 + Aythya nyroca Reiherente Aug. Aug. 2000 + Aythya fuligula Eiderente Juli/Aug. Juli/Aug. (200) - Somateria mollissima Schellente Aug. Aug. 15 O Bucephala clangula Gänsesäger Aug./Sept. Aug./Sept. 200 O Mergus merganser Blässhuhn Juli (Aug.) Juli (Aug.) 20000 O Fulica atra

Tab. 3. Größenordnung und Bestandstrends (O = kaum verändert) von Wasservögeln am Bodensee zum Mauserhöhepunkt 1997–2006 (Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee). – Population estimates and trends (O = little or no change) for moulting waterbirds based on daily maxima during peak moulting periods 1997–2006 at Lake Constance (data from international Ornithological Working Group Lake Constance OAB).

Noch spektakulärer verläuft der Mauserzug lation sammeln mit Anflugwegen von 2500 bzw. der Gänsesägermännchen an die Mündung des 3000 km (Hofer & Marti 1988). Schon Mitte Juni Tana-Flusses in Nordnorwegen, wo sich im 2007 lagen an den Flussmündungen am Juli/August/September fast 40000 Vögel aus Varangerfjord/Nordnorwegen mehr als 1000 ganz Nordeuropa, aber auch aus Schottland Gänsesäger, zu 95% Männchen (Verf.). und wahrscheinlich auch aus der Alpenpopu - Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 17

Vergleichbare Größenordnungen wie bei gen werden? Die kleinen Arten bleiben schließ- Brand gans und Gänsesäger bietet bei der Tafel - lich nur rund 20 Tage flugunfähig. ente nur der größte mitteleuropäische Mauser- Hier bietet sich folgende Erklärung an: Die platz am Ijsselmeer in Holland mit fast 40 000 Hauptmauserzeit der Wasser- und Sumpfvögel Vögeln Anfang August (Bezzel 1985). In Meck- fällt in die heißesten Monate des Jahres im Juli lenburg und Brandenburg mausern an mehre- und August. Da kann es schnell zur Austrock- ren Plätzen insgesamt 20 000 Tafelenten (Heini - nung flacher Gewässer oder zumindest zum cke & Köppen 2007). Mehrere Beispiele aus Trockenfallen der Uferzonen kommen. Wasser- neuerer Zeit zeigen, dass solche zentralen Mas- vögel aus dem Mittelmeerraum haben schon sen-Mauserplätze auch hohe Risiken bergen, immer Mauserplätze teilweise in nördlicheren die sogar Auswirkungen auf größere Brutpo - Gebieten aufgesucht, z. B. Kolbenenten und pulationen nach sich ziehen können. In Süd - Brandgänse. deutschland bildete sich schon ab den 1930er Im Zuge des Klimawandels müssen wir – Jahren ein Mauserplatz von Tafelenten-Männ- zumindest im südlichen Mitteleuropa – ver- chen im Ismaninger Teichgebiet, der 1961 mehrt mit heißen und trockenen Sommern rech- bereits fast 10 000 Mauservögel umfasste und nen, wie etwa die Jahre 2003 und 2006 gezeigt 1969 die 20 000-Marke erreichte (Wüst 1981). Ab haben. Dann können Füchse und andere 1993 brachen hier die Zahlen auf nur noch 1000 Raubsäuger in die trockenen Schilfgebiete ein- Vögel ein, weil die Nahrungsbasis durch besse- dringen und diese als Mauserplätze gefährden. re Reinigung der Münchener Abwässer nicht Genauso bedrohlich können übrigens starke mehr gegeben war (v. Krosigk & Köhler 2000). Wasseranstiege mit reduzierter Nahrungs- Bis heute blieb unklar, wo die 20000 Ismaninger verfügbarkeit sein. Eine möglichst kurze Phase Tafelerpel seitdem mausern. Es war aber auffäl- der Flugunfähigkeit bringt also Vorteile gegen- lig, dass mit dem Verlust dieses großen Mauser- über dem Unsicherheitsfaktor kurzfristig stark platzes die Brutbestände in Mitteleuropa schwankender Wasserstände. Nach Rutschke zurückgingen. Auch bei der Reiherente brach (1989) wurde zumindest bei der Stockente eine die Ismaninger Mausertradition mit bis zu weitere Verkürzung der Mauserzeit dadurch 15 000 Vögeln 1992/93 aus den bei der Tafelente festgestellt, dass zuerst nur die drei längsten genannten Gründen ein (v. Krosigk & Köhler Handschwingen H10 bis H8 ausfallen und die 2000). Auch die Strategie jahrzehntelang tradi- Vögel dadurch noch einige Tage flugfähig blei- tionell beibehaltener Mauserplätze (vor allem ben. Ähnliche Hinweise, die aber noch durch bei Entenvögeln, die auf der offenen Wasser- Fang erhärtet werden müssen, gibt es am fläche mausern) kann also schlagartig zu Ende Untersee beim Blässhuhn. P. und U. Köhler sein. (2006) berichteten von einem Reiherenten - Das andere Extrem zu den Massen-Mauser- weibchen, das erst im November mauserte und plätzen sind kleine Mausergebiete mit wenigen noch alte fest sitzende Handschwingen HS 9 tausend oder sogar nur einigen Dutzend Vö- und HS 10 trug, während die anderen Hand- geln, z. B. bei den beiden häufigsten Wasser- und Armschwingen in Blutkielen 50 mm bzw. vogelarten Stockente und Blässhuhn, oder sogar 20 mm lang waren. Einzelmauserplätze am Brutplatz oder in der In Zukunft werden sich mit der zunehmen- Nähe wie bei der Moorente und wohl auch den Klimaerwärmung bei den Mauserplätzen beim Zwergtaucher. Es bleibt eine reizvolle sicherlich noch große Veränderungen ergeben. Aufgabe, den Gründen für die sehr unterschied- lichen Mauserstrategien bei den einzelnen Nie mausert die gesamte Population gleichzei- Wasservogelarten auf die Spur zu kommen. tig. Als weitere Strategie zur Vermeidung von Verlusten durch die zeitweilige Flugunfähigkeit Risikominimierung bei der Mauser. Die Erklä - muss neben der Wahl bestimmter Mauserplätze rung der aus dem Rahmen fallenden Synchron- und der möglichst kurzen Mauserdauer auch mauser der Handschwingen bei Wasser- und die – weitgehend unbeachtete – Tatsache gese- Sumpfvögeln mit dem geringen Prädatoren- hen werden, dass niemals eine ganze Popu - druck an solchen Mauserplätzen hat aber noch lation gleichzeitig flugunfähig wird. Schon einen anderen Aspekt. Warum muss bei gerin- Oelke (in Bauer & Glutz 1968) registrierte am gem Feinddruck die Mauser dann rasch vollzo- Brandgans-Mauserplatz Knechtsand immer 20 18 Ornithol. Anz., 47, 2008 bis 25% flugfähige Vögel. Bandorf (1970) fand Verschiebungen von Mauserzeiten und beim Zwergtaucher an insgesamt 110 Tagen Mauserplätzen mit dem Klimawandel. Wäh - flugunfähige Altvögel, obwohl der Einzelvogel rend der Datensammlung für diese Arbeit erga- nur 20 Tage nicht fliegen kann. Auch v. Krosigk ben sich bei mehreren Wasservogelarten deutli- und Köhler (2000) betonen, dass immer ein che Veränderungen, die nur mit der Klima - beachtlicher Teil der in Ismaning anwesenden erwärmung erklärt werden können. So ergaben Mauservögel noch oder bereits wieder flugfähig sich beim Prachttaucher im Januar 2008 mehre- ist. Die Ismaninger Mauserzahlen gelten des- re sehr frühe Mauserdaten, z. B. fand B. Schü - halb immer nur für die Hauptmauserzeit, den renberg schon am 9. Januar 2008 die erste abge- Mauserhöhepunkt. Dann haben Teile der Popu - worfene Handschwinge und I. Weiß sah schon lation die Mauser bereits beendet und sind wie- am 11.1.2008 am Starnberger See zwei flugunfä- der abgeflogen, während andere Populations - hige Prachttaucher. Beim Höckerschwan stam- teile erst nach dem Mauserhöhepunkt eintreffen men mehrere extreme Mauserdaten aus dem und verspätet mit der Mauser beginnen. Die Jahr 2007 mit einem um 5,5° C zu warmen April Gesamtzahl der Mauservögel ist deshalb größer und jeweils um 2° C über dem Durchschnitt lie- als die genannten Maximalzahlen. Das gilt genden Mai- und Junitemperaturen. Schon am genauso auch für die Bodenseezahlen. 1. Juni 2007 waren 10 von 60 Höckerschwänen bei Radolfzell in Flügelmauser, und noch am Zunahme der Wasservogel-Mauserbestände in 4. Oktober 2007 lagen mehrere frische Hand - Mitteleuropa. Die Brut- und Winterbestände schwingen am Ufer und mindestens 2 adulte der meisten Wasservogelarten haben in Europa Schwäne waren noch flugunfähig. Ebenso flug- in den letzten 40 Jahren zugenommen oder sind unfähig war ein allein führendes Weibchen mit zumindest stabil geblieben (u. a. Maumary et al. 2 Jungen noch im Dunenkleid am 6. Oktober. 2007). Das wird auf eine bessere Regelung der Wegen der Niederschlagsarmut konnten Jagd, auf die Entstehung zahlreicher neuer ste- Schwäne in diesem Jahr erst sehr spät zum hender Gewässer (Stauseen, Baggerseen), vor Brüten ins Schilf schwimmen. In diesem allem aber auf die größere Nährstoffmenge in Extremjahr zog sich die Flügelmauser beim den Gewässern (Eutrophierung) zurückgeführt. Höckerschwan also am Untersee 4 ½ Monate Diese Entwicklung spiegelt sich auch an den hin. Mit der rasch voranschreitenden Klima- Mauserplätzen am Bodensee wider: von 18 erwärmung werden weitere zeitliche Verschie - quanti fizierbaren mausernden Vogelarten bungen der Mauser zu erwarten sein. haben hier in den letzten zehn Jahren nur drei Die deutlichsten Verschiebungen von Mau - abgenommen (Zwergtaucher, Schwarzhals- serplätzen nach Norden im Zuge des Klima- taucher und Eiderente), sechs Arten haben ihren wandels gab es bei den beiden eher südeuropäi- Mauserbestand kaum verändert, aber bei neun schen Entenarten. Am Bodensee mausern seit Arten sind die Mauserbestände deutlich ange- 1990 in den beiden Hauptgebieten Wollmatinger stiegen (Tab. 3). Ganz besonders gilt dies für Ried und Radolfzeller Aachmündung unverän- den Haubentaucher, dessen Mauserbestände dert zusammen 2000 Schnatterenten (überwie- am Bodensee H. Jacoby (in Schuster et al. 1983) gend Männchen). Der größte mitteleuropäische in den 1970er Jahren noch auf 2000 schätzte und Schnatterenten-Mauserplatz im Ismaninger die sich seit 2000 etwa vervierfacht haben. Teichgebiet bei München wuchs bis Ende der Berndt & Drenckhahn (1974) bezeichneten 1990er Jahre dagegen auf über 6000 Vögel an (v. Haubentaucheransammlungen auf dem Selen- Krosigk & Köhler 2000). Im 800 km nördlich ter See mit bis zu 1500 und auf dem Schaalsee gelegenen Mecklenburg gibt es inzwischen (Schleswig-Holstein/Mecklenburg) von 1000 sechs Mauserplätze mit je über 1000 Vögeln und Haubentauchern noch als die einzigen bekann- maximal 4100 (Heinicke & Köppen 2007). ten großen Mauserplätze in Europa. Auf dem Der wohl größte mitteleuropäische Mauser - Schaalsee mausern inzwischen 2300 Hauben - platz der Kolbenente im Ismaninger Teichgebiet taucher (Heinicke & Köppen 2007). Auf dem bei München ist inzwischen sogar auf 12 000 Ijsselmeer/Holland wurden im August/ angewachsen (Köhler briefl., 2003). Auch bei die- September sogar bis zu 40 000 gezählt (Vlug ser südeuropäischen Entenart war mit dem 1996). Klimawandel eine weitere Zunahme zu erwarten. Wie die Entwicklung weitergehen wird, deuten Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 19 die auf inzwischen 500 Mauservögel angewach- die Vielfalt der hier vorhandenen Lebensräume, senen Bestände in der Müritz- und Schaalsee- vor allem große Flachwasserzonen, kleine und Region in Mecklenburg an (Heinicke & Köppen große schilfreiche Buchten, Vielfalt an tierischer 2007). Hier wird die Verschiebung der Verbrei- und pflanzlicher Nahrung, nur wenige Kilo - tungsschwerpunkte vieler europäischer Vogel- meter entfernte Ausweichplätze und vor allem arten durch den Klimawandel um über 500 km für den Bootsverkehr weitgehend gesperrte und nach Norden, wie sie von Huntley et al. (2007) dadurch störungsarme Wasserflächen möglichst prognostiziert wird, bereits Realität. Rund 500 mit festen Kleinstrukturen als Rast- und Mauservögel – das waren in den 1960er Jahren Putzplätze. Vor allem die beiden zuletzt die Bestände am damals einzigen mitteleuropäi- genannten Voraussetzungen für Mauserplätze schen Mauserplatz im Wollmatin ger Ried. sind vom Menschen zu gewährleisten und noch Wahrscheinlich sind auch Bestandszunah - weiter zu verbessern. Am Bodensee gibt es men und damit die Entstehung neuer Mauser- dafür einige sehr positive Beispiele (s. Hauben- plätze bei der Moorente zumindest teilweise auf taucher, Gänsesäger u. a.). den Klimawandel zurückzuführen. Moorenten brüteten bisher fast ausschließlich in Südosteu - ropa, breiten sich aber seit rund zehn Jahren Konsequenzen für den Naturschutz nach Ost- und Süddeutschland aus. Auf den Ismaninger Fischteichen wird seit 1975 eine Am Bodensee wurden erst ab 1980 nach jahre- neue Entwicklung mit bis zu 16 flügelmausern- langen Vorarbeiten der Ornithologischen Ar- den Moorenten im Juli/August registriert beitsgemeinschaft und auf Druck der Natur- (Köhler & v. Krosigk 2006). Im Sommer 2007 schutzverbände auch Wasserflächen als Natur- mauserten hier sogar 25 Moorenten (Köhler et schutzgebiete ausgewiesen. Weil der Bodensee al. 2007) und gleichzeitig gab es erstmals fast eine internationale Wasserstraße ist, mussten 20 flügelmausernde Männchen am Bodensee, jeweils für die Ausweisung von geschützten nämlich 14 in der Hegnebucht des Wollma- Wasserflächen der baden-württembergische tinger Riedes (H. Jacoby) und 5 im Bündtlisried und der schweizerische Verkehrsminister zu- (Verf.). Dazu kommen noch die erfolgreich brü- stimmen. tenden Weibchen, die wie bei den anderen Inzwischen sind am deutschen Boden - Wasservogelarten während der Jungenaufzucht seeufer 7 Flachwasserzonen geschützt. Die am Brutplatz mausern, z. B. am 18. Juli 2007 auf Initiatoren für diese Maßnahmen gingen in den der Halbinsel Mettnau. Hier bahnen sich also 1970er und 1980er Jahren davon aus, dass für mit der Zunahme des Brutbestandes ganz neue viele Wasservogelarten sichere Mauserplätze Entwicklungen an. genauso wichtig sind wie sichere Brutplätze. Tauchende Wasservögel sind in der Zeit der Artenvielfalt bei den Mauservögeln. Im Isma - Flügelmauser ganz besonders gefährdet, weil ninger Teichgebiet und Speichersee bei Mün- die noch in Blutkielen steckenden neuen Federn chen mausern regelmäßig 17 Wasservogelarten sehr empfindlich sind. Während der ersten und weitere 8 unregelmäßig oder in sehr klei- Wachstumsphase der Federn wird deshalb nur nen Zahlen (Köhler briefl.). Am viel größeren selten getaucht und die Vögel verlieren viel Boden see mausern 20 Wasservogelarten regel- Gewicht. Die Mauser kostet sehr viel Energie mäßig (einschließlich der quantitativ nicht zu (Vlug 1996). Durch laufende Veränderungen der beziffernden Arten Teichhuhn und Wasserralle) Umwelt entstehen aber vor allem während der und 12 weitere unregelmäßig bzw. in sehr klei- Hauptmauserzeit im Juli und August neue nen Zahlen, nämlich Eistaucher, Rothalstaucher, Gefährdungen für die am Bodensee mausern- Ohrentaucher, Singschwan, Weißwangengans, den 20 Wasservogelarten, die weitere Maßnah- Kanadagans, Brandgans, Krickente, Spießente, men notwendig machen: Bergente, Eisente, Büffelkopfente und Schwarz- 1. Die Naturschutzbehörden, aber auch die kopfruderente (Tab. 3). Naturschutzverbände und die Ornithologen sollten der sensiblen Phase der Mauser bei Voraussetzungen für Mauserplätze. Die Wasservögeln mit wochenlanger Flugun - Grund lage für die große Artenvielfalt bei den fähig keit viel mehr Aufmerksamkeit schen- am Bodensee mausernden Wasservogelarten ist ken als bisher. 20 Ornithol. Anz., 47, 2008

2. Bei offensichtlichen gravierenden Störungen Hinterland hat den Bodensee und viele ande- der Mauserplätze muss rasch eingegriffen re kleinere Ge wässer vor dem „Umkippen“ werden können, weil Mauser-Traditions - bewahrt. Fast überall ist wieder Badequalität plätze unter Umständen schnell aufgegeben erreicht. Das führt schon jetzt zu einer extre- werden. Das gilt für die in den letzten Jahren men Vermin derung des Nährstoffangebots erteilten Einzelerlaubnisse für das Kitesurfen, im Wasser. Die Fangerträge der Berufsfischer für niedrig fliegende Heißluftballone und für sinken seit Jah ren. Auch die Nahrungsbasis die Flug routen der Zeppeline am Bodensee, für viele rastende und überwinternde die auch bei vorschriftsmäßiger Mindest- Wasservögel wird von Jahr zu Jahr kleiner. flughöhe von 300 m wegen ihrer Größe Denkbar wäre ein politisch auszuhandelnder Panik reaktionen hervorrufen. Kompromiss, am Bodensee vor allem über 3. Bisher legale Störungen der Mauserplätze einen nicht zu überschreitenden und einen durch Berufsfischer am Bodensee, die in Ufer- niedrigeren nicht zu unterschreitenden nähe Reusen und Netze stellen und kontrol- Phosphatgehalt. Das war im Bodensee der für lieren, müssen mittelfristig durch Rechts- die biologische Produktion essenzielle Mini - regelun gen abgestellt werden. Die Rechts gü - mumstoff. Die Kläranlagen sollten mit neuen ter einer traditionellen, aber heute unrenta- Aufgaben weiterentwickelt werden, vor blen Flachwasser fischerei müssen gegen die allem zur Eliminierung schädlicher Stoffe wie Notwendig keit weniger ungestörter Mauser - Schwermetalle, stabilisierte Kohlenwasser - plätze für mitteleuropäische Wasservogel - stoff verbindungen und hochwirksamen popu lationen neu abgewogen werden. Arznei mittel resten aus dem Abwasser. 4. Im Zuge des Klimawandels werden sich die Niedrigwasser-, Mittel- und Hochwasser- Dank. Für wichtige Ergänzungen danke ich D. Linien wahrscheinlich verschieben. Der Bruderer, H. Jacoby, G. Knötzsch, B. Schüren- Natur schutz muss rechtliche Möglichkeiten berg und S. Werner, für Literaturhinweise R. entwickeln, Schutzgebiete für Wasservögel Schlenker. Die Grafiken erstellte H. Bromberger, wenigstens zeitweise daran anzupassen. die englischen Texte verdanke ich H.-G. Bauer. Überregional bedeutende Mauserplätze wer- den sich mit der Klimaerwärmung weiter nach Norden verschieben. Wie rasch klimabe- Literatur dingte Veränderungen erfolgen, hat die Ent- stehung eines Mauserplatzes von bis zu tau- Bär, U. & F. Jochums (1995): Übersommernde send Mittelmeermöwen Larus michahellis seit und mausernde Prachttaucher Gavia arctica 1980 gezeigt und die Verlagerung von Über- in Bayern. Limicola 9: 1–6. winterungsplätzen für fast tausend Große Bandorf, H.(1970): Der Zwergtaucher. Neue Brachvögel Numenius arquata aus dem Mittel- Brehm-Bücherei, Wittenberg-Lutherstadt. meerraum an den Bodensee seit 1990. Bauer, H.-G. & P. Berthold (1996): Die Brutvögel 5. Das Beispiel der Lagune im Vorarlberger Mitteleuropas. Aula-Verlag, Wiesbaden. Rheindelta – eine durch Steindämme rundum Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Das abgegrenzte, 30 Hektar große Flachwasser- Kompendium der Vögel Mitteleuropas. zone ohne jeden Freizeitbetrieb – zeigt, dass Aula-Verlag, Wiebelsheim. auch künstlich abgegrenzte Gewässer wichti- Bauer, K. & U. N. Glutz v. Blotzheim (1966): ge Mauserplätze werden können. Der Schutz Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 1, dieser Lagune als idealer Wasservogel - Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt mauser platz muss gewährleistet werden. Bei a.M. Verbauungen an anderen Flussmündungen Bauer, K. & U. N. Glutz v. Blotzheim (1968): muss man auf diese Erfahrungen zurückgrei- Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 2, fen. Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt 6. Zur Erhaltung der Artenvielfalt mausernder a.M. Wasservögel gehört auch die Diskussion über Bauer, K. & U. N. Glutz v. Blotzheim (1969): die Nährstofffracht im See. Die perfektionier- Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 3, te Ab wasserreinigung in gut ausgebauten Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt Kläranlagen rings um den See und im a. M. Schuster, Siegfried: Die Flügelmauser bei Wasservögeln am Bodensee: Konsequenzen für den Naturschutz 21

Berndt, R. & D. Drenckhahn (1974): Die Köhler, P. & U. Köhler, E. v. Krosigk & B. Hense Vogelwelt Schleswig-Holsteins. Bd. 1, Kiel. (2007): Die Moorente Aythya nyroca am Berndt, R. & G. Busche (1991): Die Vogelwelt „Ismaninger Speichersee mit Fischteichen“: Schleswig-Holsteins. Bd. 3, Neumünster. Fortschreibung der Mauserbestände in den Berndt, R. & G. Busche (1993): Die Vogelwelt Jahren 2003 – 2007 und Brutverdacht 2007. Schleswig-Holsteins. Bd. 4, Neumünster. Ornithol. Anz. 46: 129–133. Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Kolbe, H. (1972): Die Entenvögel der Welt. Mitteleuropas. Nichtsingvögel. Aula-Verlag, Radebeul. Wiesbaden. Krosigk, E. v. & P. Köhler (2000): Langfristige Bezzel, E., J. Geiersberger, G. v. Lossow & R. Änderungen von Abundanz und räumlicher Pfeifer (2005): Brutvögel in Bayern. Verlag Verteilung mausernder Wasservogelarten E. Ulmer, Stuttgart. nach Änderungen von Trophiestatus, Heine, G. et al. (1999): Die Vögel des Fischbesatz und Wasserstand im Ramsar- Bodenseegebietes. Ornithol. Jh. Baden- Gebiet „Ismaninger Speichersee mit Württ. 14/15 Fischteichen“. Ornithol. Anz. 39: 135–158. Heinicke, T. & U. Köppen (2007): Vogelzug in Leuzinger, H. & S. Schuster (2005): Wann und Ostdeutschland I 1. Ber. Vogelwarte wo mausern Moorenten Aythya nyroca ihre Hiddensee 18. Schwingen? Ornithol. Beob. 102: 37–39. Hofer, J. & C. Marti (1988): Beringungsdaten zur Mädlow, W. et al. (2001): Die Vogelwelt von Überwinterung des Gänsesägers am Sem- Brandenburg und Berlin. Rangsdorf pacher See: Herkunft, Zugverhalten und Maumary, L., L. Valloton & P. Knaus (2007): Die Gewicht. Ornithol. Beob. 85: 97–122. Vögel der Schweiz. Sempach und Huntley, B., R. Green, Y. Collingham & S. Willis Montmollin (2007): A Climatic Atlas of European Noll, H. (1954): Die Vogelwelt des Untersees. Breeding Birds. Lynx Editions, Barcelona. Mitt. Naturf. Ges. Schaffhausen 25. Jacoby, H., G. Knötzsch & S. Schuster (1970): Die Pannach, G. (1972): Funde in Süddeutschland Vögel des Bodenseegebietes. Ornithol. Beob. und Österreich gekennzeichneter Bläss- 67: Beiheft. hühner. Auspicium 4: 375–384. Köhler, P. (1980): Ringfunde in Süddeutschland Rutschke, E. (1989): Die Wildenten Europas. beringter Schnatterenten. Auspicium 7: 25– Berlin. 28. Schlenker, R. (1979): Ringfunde der Kolbenente. Köhler, P. (1991): Schwingenwachstum, Gewicht Auspicium 6: 417–420. und Flugfähigkeit bei freilebenden Schuster, S. et al. (1983): Die Vögel des Schnatterenten Anas strepera . Ornithol. Verh. Bodenseegebietes. Konstanz. 25: 65–74. Schuster, B. & S. (2007): Unterer Inn Köhler, P. & U. Köhler (1996): Eine Auswertung (Niederbayern/Oberösterreich) Juli 2007. von Ringfunden der Tafelente (Aythya ferina) Mitt. Zool. Ges. Braunau 9: 169–174. angesichts der zusammenbrechenden Mau- Stresemann, E. & V. (1966): Die Mauser der ser tradition im Ismaninger Teichgebiet. Vögel. J. Ornithol. 107, Sonderheft. Vogelwarte 38: 225–234. Szijj, J. (1965): Ökologische Untersuchungen an Köhler, P. & U. Köhler (2006): Späte, unvollstän- Entenvögeln des Ermatinger Beckens dige und zeitverzögerte Schwingenmauser (Boden see). Vogelwarte 23: 24–71. bei einer Reiherente Aythya fuligula. Orni- Vlug, J. (1996): Frühzeitiger Abgang der Brut- thol. Anz. 45: 67–68. gebiete und Mauserzug bei vier europäi- Köhler, P. & U. Köhler (2006): Zur postnuptialen schen Lappentaucherarten. Corax 16: 373– Schwingenmauser des Schwarzhalstauchers 387. Podiceps nigricollis und anderer Lap - Wüst, W. (1981): Avifauna Bavariae. Bd. 1. pentaucher Podicipedidae. Avifaunistik in Ornithol. Ges. Bayern, München. Bayern 3: 40–46. Köhler, P. & E. v. Krosigk (2006): Entwicklung Eingereicht am 8. April 2008 eines Mauserzuges und Schwingenmauser Revidierte Fassung eingereicht am 16. Mai 2008 bei mitteleuropäischen Moorenten Aythya Angenommen am 22. Mai 2008 nyroca. Vogelwarte 44: 113–121. 22 Ornithol. Anz., 47, 2008

Siegfried Schuster, Jg. 1936, Realschullehrer i. R., seit 1958 am Bodensee aktiv in der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft und im DBV/NABU, von 1989 – 1997 NABU-Landesvorsitzender in Baden- Württemberg, seit 1996 Arbeitsschwerpunkte Auswirkungen des Klimawandels in der Natur und Mauser bei Wasservögeln. Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 23

Ornithol. Anz., 47: 23–40

Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“ in den Jahren 1951 bis 2007

Manfred Kraus und Werner Krauß

Dabbling ducks of the genus Anas at the „Frankonian Pond Area“ 1951-2007 11 species of dabbling ducks occur at the „Frankonian Pond Area“. Phenology, frequency and, if applicable, breeding biology are reported upon. Gadwall: Most likely first breeding in 1962, regular breeding probably since 1981, 43 clutches at the most were observed in 2005. Increasing as a migrant and breeding bird. Wigeon: Migrant in all years with records in all months. The daily total exceeded 100 only once with 355 individuals on 23.10.1960. American Wigeon: Records of two first year males in 1992 and 1993. Teal: Irregular breeding bird for more than 150 years. Decreasing as a migrant. Autumn flocks of several hundreds (maximum 650) formerly occurred but not in the last 15 years. Mallard: Up to 3000 have been counted in autumn, but the figure of 2000 has not been exceeded since 2001. In the core area of investigation a maximum of 17 broods was observed. Pintail: Daily total only once exceeded 50, i. e. 64 individuals on 15.03.1963. A noteworthy and decreasing migrant in every year and all months. Single breeding records in 1966 and 1994. Garganey: Continuing decrease both on migration and as a breeding species. Perhaps not regularly breeding, although recorded annually during the breeding season. There is reliable proof of breed- ing in only 28% of years. From some 15 breeding pairs in the 1950s, the population has decreased until only 1 or 2 pairs have been recorded since 2000. There were daily totals of over 100 (maximum of 625 individuals on 11.08.1963) in the 1960s/70s, 50 individuals last in 1973. One record each in December and January. Never recorded in February. Shoveler: The daily maximum reached 159 individuals on 12.04.1996 but 100 was exceeded on only four dates. Annual totals of migrants show a markedly positive trend. There is confirmation of breeding in 6 years and possible breedings in further 7 years. Key words: Dabbling ducks a, phenology, population trends, breeding biology, Frankonian Pond Area. Dr. Manfred Kraus, Fallrohrstr. 27, 90480 Nürnberg Werner Krauß, Wilhelm-Löhe-Weg 1, 90571 Schwaig

Einleitung ca, Stockente A. platyrhynchos und Knäkente A. querquedula wurde der Status nur genannt, da er Die Gattung Anas ist im „Fränkischen Weiher - seit 150 Jahren als unverändert beurteilt wurde. gebiet“ mit 11 Arten vertreten. Von diesen gel- Phänologie und Häufigkeit der erwähnten ten acht Arten als Wildvögel. Bei vier davon, Arten sowie Angaben zur Brutbiologie sollen nämlich Schnatterente A. strepera, Kanada- deshalb in der vorliegenden Arbeit ausführlich pfeifente A. [penelope] americana, Spieß ente A. dargestellt werden. acuta, und Löffelente A. clypeata, wurde der Von den drei Arten, die als „Gefangen- (gegenüber Jäckels Zeiten veränderte) Status schafts flüchtlinge“ zu gelten haben, wird ihr ihres Vorkommens bisher nur kurz skizziert Auftreten dokumentiert. Es sind dies: Bahama- (Kraus & Krauß 2003). Bei weiteren vier Arten, ente A. bahamensis, Chilepfeifente A. [penelope] nämlich Pfeifente A. penelope, Krickente A. crec- sibilatrix und Zimtente A. cyanoptera. 24 Ornithol. Anz., 47, 2008

Knäkente Anas querquedula

Stockente Krickente pullus Anas Anas crecca platyrhynchos

Löffelente Anas clypeata

Spießente Anas acuta

Löffelente Stockente Anas clypeata Anas platyrhynchos

Stockente Anas platyrhynchos Schnatterente Anas strepera Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 25

Material und Methode vogelzählung seit 1966/67 bis 2006/07 komplett zur Verfügung steht. Das „Fränkische Weihergebiet“ umfasst in sei- Bei Nomenklatur und Systematik folgen wir ner Kernzone den unteren Aischgrund, also das Bauer et al. (2005). Gebiet zwischen Erlangen, Höchstadt/Aisch, Zur Trendanalyse der Wasservogel - Uehlfeld und Herzogenaurach (Topografische zählungen werden die Ergebnisse der (meist Karte 1:50 000 L 6330 Höchstadt/Aisch) in simultanen) Zählungen einerseits im „Kern - Mittelfranken, Bayern. Die regelmäßig besuch- gebiet“ durch die Verfasser (ab 1966/67) und ten Einzelteiche und Teichkomplexe umfassen andererseits im Randgebiet um Oberlindach etwas weniger als 1000 ha. Während für den und Gottesgab durch U. Mattern (ab 1967/68) Untersuchungsraum „Fränkisches Weiher- summiert und diese Saisonsummen als Histo - gebiet“ 2300 ha angegeben werden, ist im gramme präsentiert. Die Zählreihen sind nahe- gesamten Aischgrund (Lkr. Erlangen-Höch- zu vollständig: Von allen angefallenen Zähl- stadt/Aisch, Forchheim, Neustadt/Aisch-Bad terminen fanden nur an 1,5% bzw. 1,8% keine Windsheim) von 3500 ha in 4000 Einzelteichen Zählungen statt (vgl. Kraus & Krauß 2006). auszugehen. Weitflächige Teichgruppen sind Der Rangkorrelationskoeffizient von Spear- charakteristisch, von denen die Teiche der man gibt in den Abbildungen als rs den Trend Mohrweihersenke (49.40 N 10.49 E) zwischen an. Das Ergebnis der Signifikanzprüfung wird Biengarten, Hesselberg und Poppenwind sowie angefügt mit * für p < 0,05, ** für p < 0,01, *** für die Teiche zwischen Dechsendorf und p < 0,001 und „n.s.“ für „nicht signifikant“. Röttenbach mit jeweils 150 ha Wasserfläche die Zur Veranschaulichung des Trends ist die größte Ausdehnung besitzen. Die anderen Regressionsgerade eingefügt. Teichgruppen sind nur zwischen 20 bis 50 ha Die Tagessummen ergeben sich hier aus der groß. Die Fläche der Einzelteiche schwankt Summe der Individuenzahlen von einem Ort beträchtlich, von wenigen 1000 qm bis 44 ha oder mehreren Orten (Weihergruppen) an (Großer Bischofsweiher). Durch die ständige einem Exkursionstag. Intensivierung der Teichbewirtschaftung beste- hen nur noch an wenigen Teichen gut ausgebil- dete Röhrichte und Verlandungszonen. Im Ergebnisse mit Diskussion größten bayerischen und wärmsten deutschen Teichgebiet werden vor allem Speisekarpfen Schnatterente Anas strepera (K3) produziert. Bezogen auf die naturräum- 2050 Daten mit 22 748 Individuen an 1323 Tagen liche Gliederung, liegen die Teiche des Unter - aus 57 Jahren. suchungsgebietes im Naturraum 113, Mittel - fränkisches Becken (Meynen & Schmidthüsen Häufigkeit, Trend. Die Schnatterente rangiert 1953–1962). Eine ausführlichere Beschreibung bei den Zahlen für die Daten und Beob- des Untersuchungsgebietes findet sich bei achtungstage unweit hinter der Krickente, liegt Kraus & Krauß (2001 und 2003). aber bei der Individuensumme und dem Tages - Die Daten, deren Gewinnung bei Kraus & maximum nur bei 37% bzw. 38% der Krick- Krauß (2001) vorgestellt ist, sind seit Beginn der entenzahlen (Tab. 1). Am 13.09.1998 wurden 249 systematischen Aufzeichnungen ab 1951 bis Schnatterenten (Oberlindach 31 + Kleiner April 2007 ausgewertet, sodass die Wasser - Bischofs weiher 2 + Neuhauser Weiher 16 +

Tab. 1. Vorkommen und Kenngrößen der Gründelenten Anas im „Fränkischen Weihergebiet“ 1951 bis April 2007. – Occurence and numbers of dabbling ducks of the genus Anas at Frankonian Ponds Area 1951 to April 2007.

Größenklassen der Tagessummen in % Daten Tage Ind. Max. Jahre Monat Trend 1-10 11-50 51-100 > 100 e Stockente 3554 1589 418609 3000 57 12 ± 10 22 15 53 Krickente 2277 1352 65636 650 57 12 - 45 29 12 14 Schnatterente 2050 1323 22748 249 57 12 + 60 32 6 2 Knäkente 1914 1039 29337 625 57 11 - 57 29 8 6 Löffelente 1713 1182 13745 159 57 12 + 68 28 3 0,3 Pfeifente 1006 740 6708 350 57 12 ± 78 20 1,6 0,1 Spießente 642 452 2658 64 57 12 - 87 13 0,2 - 26 Ornithol. Anz., 47, 2008

600 Schnatterente Abb. 1. Schnatterente. Saisonsummen der 500 Anas strepera Wasservogelzählungen

400 rs = 0,90*** 1966/67 bis 2006/07, 14 318 Individuen. – 300 Gadwall. Seasonal totals from waterfowl counts 200 1966/67 to 2006/07, Saisonsumme 100 14 318 individuals.

0 66/67 68/69 70/71 72/73 74/75 76/77 78/79 80/81 82/83 84/85 86/87 88/89 90/91 92/93 94/95 96/97 98/99 00/01 02/03 04/05 06/07 Winterhalbjahr

5000 500 Abb. 2. Schnatterente. Schnatterente Monatssummen der Anas strepera Daten (Kurve) und 4000 400 Individuen (Säulen) 1951–April 2007; 2050 Daten, 22748 Indivi - 3000 300 duen. – Gadwall. Num - ber of days recorded and totals of individuals by 2000 200 month, 1951 to April Datensumme 2007, 2050 dates, 22 748 individuals. Individuensumme 1000 100

0 0 Jan Febr März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez

Mohrhof 200) als Tagesmaximum ermittelt. An Phänologie. Der größte Teil verlässt Bayern im nur 8% der Beobachtungstage konnten mehr als Winter (v. Krosigk & Wüst in Wüst 1981). 50 Ind. registriert werden gegenüber 60% der Wegen rascher und häufiger Vereisung der Tage mit bis zu 10 Ind. Erstmals im Jahre 1982 Teiche ist dieses Phänomen in unserem Gebiet (14.03. 118 Ind.) erreichte eine Tagessumme noch auffälliger: nur 3% unserer Daten fallen mehr als 100, ab 2001 geschah dies alljährlich. auf Dezember und Januar. Bemerkenswerter - Der sich dadurch abzeichnende positive Trend weise ragt hier der Heimzug im März und April wird durch unsere Ergebnisse der mit zusammen 37% der Daten heraus, er über- Wasservogelzählungen hochsignifikant bestä- trifft dabei weit den im September und Oktober tigt (Abb. 1). Die Saisonsummen überschritten dominierenden Wegzug, der für die beiden ab 1988/89 regelmäßig die Hundertermarke, in Monate nur 22% der Daten liefert (Abb. 2). den 22 Jahren vorher trat dies nur 4-mal ein, Noch deutlicher überwiegt der Heimzug in erstmals 1972/73. Dies steht im vollen Einklang Unterfranken über den Wegzug (Bandorf & mit der allgemeinen Zunahme in Deutschland Laubender 1982). Auch für das Rötelseeweiher- (Harengerd et al. 1990) oder weiter anhaltend gebiet, Lkr. Cham, fand Zach (1981) zunächst am Bodensee (Heine et al. 1998/99) bzw. in ein Überwiegen des Heimzuges vor, konnte Mitteleuropa (Bauer et al. 2005) oder auch mit aber später ab den 1990er Jahren ein Überwie- den Januarbeständen in Süddeutschland (Wahl gen des Wegzuges feststellen (1994). Vom regel- & Sudfeldt 2005). haft stärkeren Wegzug berichten auch v. Krosigk & Wüst (in Wüst 1981) beispielhaft für Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 27

Bayern vom Ismaninger Teichgebiet oder Zach Brutbestand. Die Entwicklung des Brut - (1981) mit weiteren Beispielen. bestandes verlief in Nordbayern offenbar sehr Dass die Herbstbestände im Rötelseeweiher- unterschiedlich und wurde auch im „Fränki - gebiet ab 1990 stärker anstiegen als die schen Weihergebiet“ aufmerksam verfolgt. Die Frühjahrsbestände (Zach 1994), lässt sich auch erste Brut fand hier höchstwahrscheinlich schon für unser Gebiet nachweisen: Bei einem 1962 statt: am 24.06. wurde an den Mohr- Vergleich der 16 Jahre von 1991–2006 mit den weihern ein verleitendes beobachtet (W. vorausgegangenen 16 Jahren von 1975–1990 auf Lischka †, mündl.). Grund der Wasservogelzählungen zeigt sich, Im gleichen Jahr wurden von uns am dass die Individuensumme der Märzzählungen Großen Russweiher bei Eschenbach/Oberpfalz, nach 1990 auf rund das 2-fache gestiegen ist. Die Lkr. Neustadt a. d. Waldnaab, noch am 10.08. beiden Zählreihen unterscheiden sich aber nicht 6 Jungenten angetroffen. Hier hat jedoch bereits signifikant (p>0,1, U-Test, zweiseitig). Die A. Gauckler am 11.07.1957 1 mit pulli beob- Saisonsummen jeweils für diese beiden Zähl- achtet. Im selben Weihergebiet (jedoch Häusel- perioden sind auf das 3-fache gestiegen weiher) trafen wir am 27.06.1964 auf 2 führende (p<0,01***, U-Test, zweiseitig). Somit liegt der mit 3 pulli und 3 größeren Jungen. Einen Tag Anstieg der Märzsummen im vergleichbaren später wurde am Großen Rötelseeweiher, Lkr. Rahmen wie das Anwachsen der Saison - Cham 1 mit 3 pulli notiert. Dies sind die ersten summen und auch im allgemeinen Trend der Brutnachweise für die Oberpfalz. Die Angaben Schnatterentenbestände. für diese Teichgebiete bei Bauer & Glutz 1968, Dagegen zeigen die Individuensummen der Bezzel et al. (2005) und Zach (1994) sind daher Septemberzähltage ein erheblich größeres entsprechend zu korrigieren. Wachs tum mit einem 5-fachen Anstieg Erst wieder 1975 (10.08.) wurde an den (p<0,01***, U-Test, zweiseitig), sodass man von Mohrweihern eine frisch tote nicht flügge einer Verschiebung des Hauptdurchzugs- Schnatterente aufgefunden. Obwohl wir nicht monats vom März zum September seit den gezielt nach führenden Schnatterenten- 1990er Jahren ausgehen kann. gesucht haben, liegen von 1981 bis 2002

Tab. 2. Schnatterente im „Fränkischen Weihergebiet“. Anzahl der angetroffenen Schofe in den verschiedenen Weihergruppen in den Jahren 2003 bis 2007. – Gadwall at the Frankonian Ponds Area. Number of clutches at the var- ious groups of ponds 2003 to 2007.

Weihergruppe 2003 2004 2005 2006 2007 Summe Grethelmark 8 7 9 4 13 41 Mohrweiher 3 9 8 4 ? 24 Neuhaus 2 8 6 5 3 24 Buch 1 6 5 12 Rohensaas 6 4 10 Krausenbechhofen 2 1 5 ? ? 8 Kl. Bischofsweiher 2 2 4 Wiesendorf 4 4 Oberlindach 1 3 4 Weppersdorf 2 1 ? ? ? 3 Gottesgab 1 2 3 Bucher Brandweiher 1 1 Heppstädt 1 1 Dannberg 1 1 Demantsfürth 1 1 Bösenbechhofen 1 1 17 27 43 25 30 142

28 Ornithol. Anz., 47, 2008

2500 250 Abb. 3. Pfeifente. Pfeifente Monatssummen der Anas penelope Daten (Kurve) und 2000 200 Individuen (Säulen) 1951–April 2007; 1007 Daten, 6708 1500 150 Individuen. – Wigeon. Number of days recorded and totals of individuals by month, 1951 to April 1000 100

Datensumme 2007, 1007 dates, 6 708 individuals. Individuensumme 500 50

0 0 Jan Febr März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez

Nachweise für 31 erfolgreiche Bruten mit 189 Bischofsweiher [D. Kaus] und 150 Individuen Jungenten aus dem engeren Weihergebiet mit bei Mohrhof [H. Zang] wurde am 23.10.1960 den Teichgruppen Buch, Kleiner Bischofs - erzielt. Größere Tagessummen zwischen 51–100 weiher, Krausenbechhofen, Mohrweiher und Individuen betreffen nämlich sonst nur 1,6% Neuhaus vor. Die intensivste Kontrolle erfolgte der Daten, dagegen 1–10 Individuen 78%. Am 2005, als versucht wurde, möglichst viele Altmühlsee sind so hohe Zahlen nicht selten, Wasservogelbrutbestände, speziell Enten und dort wurden folgende Maxima erzielt: am Lappentaucher, auf den Teichen der Topo- 20.11.1998 250 Ind. (Mayer et al. 1999), am grafischen Karte 1:50 000 L 6330 Höchstadt a. d. 28.11.2002 341 Ind. (Römhild et al. 2003) und Aisch zu erfassen (vgl. Kraus & Krauß 2006). In schließlich 420 Ind. am 03.04.2004 (Völlm et al. 10 Teichgebieten wurden 43 Schofe mit 299 2006). Jungenten notiert. Die Analyse der Daten der Wasservogel - Die in der Tab. 2 ab 2003 aufgeführten 142 zählungen lässt keinen Trend erkennen. Durch - Schofe zählen zusammen 906 Jungvögel (pulli schnittlich wurden pro Winterhalbjahr 23 bis erwachsene Junge), was einen Durchschnitt Indivi duen gezählt (0 Ind. 1977/78 – 53 Ind. von 6,38 Jungenten pro Schof ergibt. Zählt man 1985/86). nur die 55 mit zusammen 387 bis einwöchi- gen pulli, beträgt der Durchschnitt 7,04 Junge, Phänologie. Die Verteilung der Daten auf die was ziemlich genau dem Durchschnitt anderer Monate in Abb. 3 steht im Einklang mit den bin- Untersuchungen (z. B. Rötelseeweiher, Zach nenländischen Verhältnissen in Mitteleuropa 1994) entspricht. Der potenzielle Brutbestand (Bauer et al. 2005) mit regelmäßigem Auftreten im Fränkischen Weihergebiet dürfte zwischen von September bis April und gelegentlichem 50 und 70 Paaren liegen und damit auch seine Sommervorkommen. Die 7 Junidaten stammen Kapazitätsgrenze erreicht haben, weil Ufer - aus 6 Jahren, die 5 Julidaten aus 5 und die 12 bewuchs (Röhrichte) und Ver landungs zonen Augustdaten aus 8 Jahren. Im Juni/Juli war es der Teiche immer öfter komplett beseitigt sowie bei 12 Daten 11-mal 1 Individuum. Im August Dämme regelmäßig gemäht werden. deuten die 16 Ind. vom 25.08.1967 die Vorläufer des Wegzuges an. Für ein Brüten, wie es von Pfeifente Anas [penelope] penelope Jäckel (1891) vor 150 Jahren vermutet wurde, 1006 Daten mit 6708 Individuen an 740 Tagen gibt es somit hier keinerlei Anhaltspunkte, wie aus allen 57 Jahren. es aber von 1984 bis 1991 für den mittelfränki- schen Altmühlsee mit jeweils 1–2 Junge führen- Häufigkeit, Trend. Eine für unser Gebiet außer- den erstmals für Bayern nachgewiesen gewöhnliche maximale Tagessumme mit 350 wurde (Bachmann et al. 1994, Bezzel et al. 2005, Individuen (200 Individuen am Kleinen Dornberger 1985 et al., Ranftl 1993, Spinler Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 29

1200 Abb. 4. Krickente. Krickente Saisonsummen der 900 Anas crecca Wasservogelzählungen 1966/67 bis 2006/07, 12 700 Individuen. – 600 rs = - 0,33* Teal. Seasonal totals from waterfowl counts sonsumme i 1966/67 to 2006/07, a

S 300 12700 individuals.

0 66/67 68/69 70/71 72/73 74/75 76/77 78/79 80/81 82/83 84/85 86/87 88/89 90/91 92/93 94/95 96/97 98/99 00/01 02/03 04/05 06/07 Winterhalbjahr

20000 500 Krickente Abb. 5. Krickente. Anas crecca Monatssummen der Daten (Kurve) und 16000 400 Individuen (Säulen) 1951–April 2007; 2277 Daten, 65 636 12000 300 Individuen. – Teal. Number of days recorded and totals of individuals 8000 200 by month, 1951 to April Datensumme 2007, 2277 dates, 65636 individuals. Individuensumme 4000 100

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1985). Das Datentief in den Wintermonaten Kanadapfeifente Anas [penelope] americana Dezember, Januar und Februar mit nur 106 Die beiden Daten eines erlegten diesjährigen Daten (10%) und 474 Individuen (7%) ist leicht vom 11.10.1992 und eines durch M. Kraus und mit dem Zufrieren der Wasserflächen erklärbar. I. Kroier beobachteten diesjährigen vom Der Heimzug im März und April hebt sich 27.08.1993 jeweils bei Mohrhof sind bereits deutlich mit 404 Daten (40%) und 3454 Ind. publiziert (Kraus 1998, Kraus & Krauß 2003). (52%) heraus, nicht ganz so stark der Wegzug Nach Bauer et al. (2005) kommen in Europa mit 308 Daten (31%) mit 2297 Ind. (33%). „regelmäßig Irrgäste“ vor und in Mitteleuropa Prinzipiell ist der hiesige Zugverlauf dem vom „in jüngster Zeit zunehmend“. Snow & Perrins Rötelseeweihergebiet (Zach 1981) ähnlich, (1998) bezeichnen die Kanadapfeifente als regel- wonach die Pfeifenten im Dezember Nord- mäßigen Gast in England, Irland und Island. bayern verlassen (Vidal & Wüst in Wüst 1981). Es wäre zu prüfen, ob diese Aussage nach der Krickente Anas [crecca] crecca Entstehung des Altmühlsees noch gilt. In 2277 Daten mit 65 636 Individuen an 1352 Tagen Südbayern ziehen sie mancherorts noch bis aus 57 Jahren. Januar zu (Vidal & Wüst in Wüst 1981, vgl. Rudolph 2000). Entsprechend charakterisierte Häufigkeit, Trend. Maximal wurden am Bezzel (1972) die Pfeifente mit südbayerischen 11.10.1958 bei Mohrhof 650 Ind. festgestellt. Die Daten als Wintergast. Krickente liegt bei den Tagessummen über 100 30 Ornithol. Anz., 47, 2008 mit 14% und Tagessummen von 51 bis 100 mit Krickente seit jeher nur unregelmäßiger Brut - 12% hinter der Stockente und noch vor der vogel, und so ist es bis heute geblieben. In den Knäkente an zweiter Stelle (Tab. 1). Dennoch vergangenen 57 Jahren blieben 24 ohne sind Tagessummen bis 50 Ind. mit 74% stark Brutzeitbeobachtungen, nur fünfmal wurden dominierend. Der Anteil der Tagessummen grö- pulli oder erwachsene Junge angetroffen. Mit ßer als 100 beim Heimzug wird weit übertroffen dem Beginn der exzessiven Entlandungs - von dem beim Wegzug: Die Tagessummen über maßnahmen ab Ende der 1960er Jahre fehlen 100 in den Monaten August bis November exakte Brutnachweise. Vereinzelte Bruten könn- kamen nämlich mit 24% (169 von 710 Tagen) ten erst wieder seit 1994 stattgefunden haben gegenüber März/April mit 4% (13 von 342 (1994, 1996, 2003). Tagen) vor. Der Frühjahrszug verläuft daher viel unauffälliger. Hinzu kommt, dass bei Über- Zugverhalten. Zwischen 1967 und 1973 wurden schwemmung der Aischwiesen die Krickenten beim abendlichen Limikolenfang mit Japan- dorthin abwandern und dann im Weihergebiet netzen (J. Beier, J. Werzinger †) auch Krickenten weitgehend fehlen. Der Durchzug kann sich gefangen. Von ihnen liegen 24 Wiederfunde vor, dann je nach Hochwasserlage bis Ende April 22 davon wurden bereits von Siegner (1985) aus- hinziehen. Die Frühjahrsmaxima gingen seit gewertet. Sieben im gleichen Jahr am den 1950er Jahren kontinuierlich von 318 Beringungsort erlegte Krickenten belegen eine (14.03.59) auf 32 (24.03.06) zurück. Auch die Verweildauer bis 2 Monate (10.8.–10.10., 12.9.– Herbstmaxima sanken im gleichen Zeitraum 7.11). Die nachzureichenden Wiederfunde unter- von 650 auf Werte um 350. Seit etwa 15 Jahren streichen nochmals, dass das Mohrweiher gebiet fehlen die großen herbstlichen Schwärme von wochenlang als Rastquartier genutzt wird: mehreren 100 Krickenten fast vollständig, wie Radolfzell VG 0070 ° 19.10.1969 Hesselberg sie jahrzehntelang charakteristisch für das (J. Beier) + erl. dj. 16.11.1969 Biengarten „Fränkische Weihergebiet“ waren. Auch die Radolfzell E 25 646 ° 27.09.1970 Hesselberg Abschusszahlen gingen von 50–94 Exemplaren (Werzinger) + erl. dj. 11.10.1970 Hesselberg in den 1960/70er Jahren auf Einzeltiere in den Die Winterquartiere reichen von Norditalien bis letzten Jahren zurück. Spanien, mit Schwerpunkt in Südfrankreich Auch die Ergebnisse der Wasservogel - (Camargue). Die Brutgebiete liegen offenbar in zählungen lassen auf Abb. 4 einen Abwärts- Mittelfinnland und Russland. Es ist jedoch nicht trend erkennen (p<0,05*). auszuschließen, dass die im August dort erleg- ten Krickenten sich bereits auf dem Zug befan- Phänologie. Der Durchzug deckt sich im zeitli- den und ihr Brutgebiet noch weiter nördlich chen Verlauf, März–April für Heimzug, und und nordöstlich zu suchen ist. August–November für den überwiegenden Bei den durchziehenden Krickentenscharen Wegzug weitgehend mit anderen Befunden aus überwiegen offenbar die Jungenten. Bayern (Vidal & Wüst in Wüst 1981, Zach 1981). Es konnte nämlich der Anteil diesjähriger Echte Überwinterung ist unwahrscheinlich und Krickenten an der Jagdstrecke anhand der noch wohl auch nur selten möglich. Sie findet nur an nicht vermauserten Steuerfedern zuverlässig den benachbarten Flüssen Aisch und Regnitz (nur bis Anfang Oktober) bestimmt werden. Je statt. Der Januar weist mit 37 Daten die gering- nach dem Aufzuchterfolg schwankte der Anteil ste Monatssumme auf, der Juni bei den der Jungenten innerhalb dieses Zeitraumes Individuen mit 137 (Abb. 5). ganz erheblich. Erwiesen sich 1975/76 von 30 Krickenten nur 22 als diesjährig, waren es Brutbestand. Die Krickente bevorzugt als 2002/2006 von 52 Individuen 49. Bruthabitat in Nordbayern besonders verlande- te Waldweiher und wäre daher auch an den Stockente Anas [platyrhynchos] platyrhynchos zahlreichen Waldteichen im „Fränkischen 3554 Daten mit 418 609 Individuen an 1589 Weihergebiet“ als Brutvogel zu erwarten gewe- Tagen aus 57 Jahren. sen. Dort fehlte sie jedoch schon vor 50 Jahren trotz damals noch optimaler Habitate als Häufigkeit, Trend. Das Maximum von 3000 Brutvogel, was bis heute unverständlich bleibt. Ind. wurde 2-mal bei Mohrhof am Großen An den offenen, warmen Teichen war die Strichweiher erreicht, und zwar am 30.08.1982 Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 31

100000 600 Abb. 6. Stockente. Stockente Monatssummen der Anas platyrhynchos 500 Daten (Kurve) und 80000 Individuen (Säulen) 1951–April 2007; 400 3554 Daten, 418609 60000 Individuen. – Mallard. Number of days recorded 300 and totals of individuals 40000 by month, 1951 to April Datensumme 200 2007, 3554 dates, 418609

Individuensumme individuals. 20000 100

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und am 01.09.1981. Als häufigster Vertreter der ber zum absoluten Monatsmaximum; noch im Gattung Anas im Gebiet steht sie bei der Zahl Dezember wird der Wert des Heimzugsgipfel der Daten, der Zahl der Tage mit Stockenten- im März knapp überschritten. Die Winterflucht, beobachtung, der Gesamtsumme der Indivi - meist durch Vereisung ausgelöst, ist durch die duen und beim Tagesmaximum an erster Stelle Werte vom Januar und Februar zu erkennen, die (Tab. 1). Sie ist auch die einzige Anas-Art, bei beide noch deutlich über denen der der die Tagessummen >100 an mehr als der Brutzeitmonate liegen. Bei den Datensummen Hälfte der Beobachtungstage, nämlich 53%, für die Monate dominieren März und April. zustande kamen. Bei nur 10% der Tage lag die Tagessumme zwischen 1–10. Die Saison sum - Brutbestand. Wegen ihres landesweiten men der Wasservogelzählungen unterliegen Vorkom mens, auch an Kleinstgewässern und großen Schwankungen, maximal betrugen sie außerhalb davon, ist der tatsächliche Brut - 5844 Ind. 1974/75 und minimal 663 Ind. bestand nur schwer abschätzbar (Bauer & Glutz 2002/03, wobei solche Minima regelmäßig auf 1968). Ihr allgemeines Vorkommen trägt auch Vereisung der Wasserflächen zurückzuführen nicht dazu bei, sich intensiver mit der Stockente sind. Ein Bestandstrend ist aus den Saison - zu befassen. So sind auch aus dem „Fränkischen summen nicht zu erkennen. Weihergebiet“ viele Einzeldaten aus verschiede- nen Jahren über Stockenten vorhanden, jedoch Phänologie. Die Individuensummen für die fehlen für die meisten Jahre ausreichende Monate (Abb. 6) stellen am besten die Häufig - Beobachtungsserien. Nur die aus den Jahren keit der anzutreffenden Stockenten scharen dar: 2003, 2005 und 2006 ermittelten Werte in Tab. 3 April bis Juli weisen die relativ geringsten erlauben eine Annäherung an die Größen - Werte auf, der Zuzug der Wegzügler beginnt ordnung des Brutbestandes. Diese Tabelle lässt auffällig im August und kulminiert im Septem- erkennen, dass im engeren Weihergebiet zwi-

Tab. 3. Stockente: Zur Brutzeit Jahr Zeitspanne führende pulli 2003 05.05.-07.06. 104 29 14 82 ermittelte Zahlen der Altvögel und 2004 führenden im engeren 2005 05.05.-04.06. 155 48 17 119 „Fränkischen Weihergebiet“ in den 2006 01.05.-08.06. 86 37 14 100 Jahren 2003/5/6. – Mallard: observed numbers of adult ducks and females with young during breeding time 2003/5/6 at the core area of investiga- tion. 32 Ornithol. Anz., 47, 2008 schen 14 und 17 führende angetroffen wur- Farbmutanten. Von 1952 bis 1981 wurde sorg- den, gleichzeitig aber außerdem durchschnitt- fältig auf das Auftreten von Farbmutanten lich 115 und 38 anwesend waren. Im geachtet. Bis etwa 1970 galten sie im Weiher- Hinblick auf die große Zahl der zur Brutzeit gebiet als äußerst selten und wurden nicht ein- anwesenden Altvögel im Vergleich zur geringen mal jedes Jahr beobachtet, auch nicht bei Zahl der führenden muss die Frage offen- Durchmusterung 100-köpfiger Scharen. Über bleiben, wie nahe die Zahl der führenden ihr Auftreten konnte der Aktionsradius der dem tatsächlichen Brutbestand kommt. Um Entenschwärme ermittelt werden. Auch heute Mausererpel dürfte es sich bei den Männchen ist im Weihergebiet die Anzahl von Farb - noch nicht handeln, da diese erst im Früh - mutanten sehr gering und bewegt sich zwi- sommer ihre brütenden Weibchen verlassen. schen 0,5 bis 1% der anwesenden Stockenten, Jedenfalls liegt die Stockente in der Rang- nur in Ausnahmefällen darüber (z. B. Neuhaus). ordnung der Brutenten nach der Reiher- und Tafelente im „Fränkischen Weihergebiet“ erst an Botulismus. Zum Botulismus wurden alle dritter Stelle, mit Ausnahme der Grethelmark, Angaben an den Mohrweihern gesammelt, die wo sie auch von der Schnatterente übertroffen bisher als Seuchenherd nicht bekannt waren. wird. Der bisher schlimmste mitteleuropäische Seu- Pulli führende Weibchen im April sind sehr chen zug von 1973, der z. B. am Ismaninger selten. Neben einem am 26.03.1996 in Neuhaus Speichersee mit Fischteichen schwere Verluste aufgefundenen Gelege mit 2 Eiern, das noch im (20 000 Ind.) forderte, wurde an den Mohr- April geschlüpft sein müsste, wurden in der 1. weihern nicht beobachtet. Ausbrüche wurden Maipentade 4 führende mit älteren Jungen hier 1975, 1976, 1982, 1983 sowie 2001 und 2004 angetroffen, die ebenfalls im April geschlüpft notiert, 1982 und 1983 außer dem Dutzend- sein müssen (04.05.2001 Neuhaus 1 mit 6 juv., teichgebiet in Nürnberg auch an südbayeri- 05.05. 2007 Mohrweiher 3 mit 2, 10 und 13 schen Stauseen (Reichholf 1983). Im Mohr- juv.). Bis Mitte Juni ist der Großteil der weihergebiet waren vor allem Krickenten Stockenten geschlüpft. Nachzügler werden betroffen, die an den seichten Teichen mit noch Mitte Juli angetroffen; je nach Witterungs - Vorliebe im Schlamm gründelten. Hier fand das verlauf selten bis regelmäßig. So am 09.07.1999 größte Vogelsterben 2004 statt, dem hunderte noch 5 mit 38 pulli, was in diesem Fall wegen von Enten (vor allem Stockenten), Tauchern, der hohen Anzahl der pulli (6, 6, 7, 8 und 11) auf- Rallen und Lachmöwen sowie mehrere Limi - fällig ist. Vereinzelt werden sogar noch am 01. kolen (Bekassine, Bruchwasserläufer) zum September nicht flügge Jungenten angetroffen. Opfer fielen. Bemerkenswert ist ein Winterausbruch des Zugverhalten. Aus dem Kerngebiet der fränki- Botulismus in Nürnberg (Dutzendteiche) am schen Weiher liegen nur relativ wenige Ring - 1. März 1984, der vorher offensichtlich noch nir- funde zur Herkunft der Rastvögel vor. Die gends beobachtet wurde. Er blieb lokal meis ten stammen von einer Beringungsaktion, beschränkt und umfasste nur 2 Höckerschwäne, die von 1982 bis 1989 im Tiergarten Nürnberg 10 Stockenten und 2 Blässhühner. Das Landes - durchgeführt wurde (Kraus & Krauß 1998). untersuchungsamt Nordbayern (Dr. Bauer) Dass ein erheblicher Prozentsatz der Ringvögel erklärt sich den Ausbruch so: „Durch starke aus Nordosteuropa, vor allem Polen, stammt, Toxinanreicherungen in den Kadavern, die im wurde dabei durch die hohe Anzahl der Rück- Weiherschlamm liegen, werden bei der meldungen gesichert. Nahrungssuche die Enten infiziert. Wegen der Einige Teichkomplexe im „Fränkischen niedrigen Wassertemperatur kann es zu keiner Weihergebiet“ gelten seit über 150 Jahren als weiteren Ausbreitung der Krankheit kommen. traditionelle Rast- und Mauserquartiere, wo Es ist daher zu hoffen, dass der Winterbotulis - sich bereits Ende Juli mehrere hundert mus eine Ausnahme bleibt.“ Stockenten aus der Umgebung versammeln, was der folgende Ringfund belegt: Spießente Anas [acuta] acuta Radolfzell XJ 0121 ° 04.07.1972 in Reuth, Kreis 642 Daten mit 2658 Individuen an 452 Tagen aus Forchheim (Beier), + 10.09.1972 Biengarten, 22 allen 57 Jahren. km WSW. Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 33

60 Abb. 7. Spießente. Spießente Saisonsummen der 45 Anas acuta Wasservogelzählungen 1966/67 bis 2006/07, 553 Individuen. – rs = - 0,61*** 30 Pintail. Seasonal totals from waterfowl counts 1966/67 to 2006/07, 553

Saisonsumme 15 individuals.

0 66/67 68/69 70/71 72/73 74/75 76/77 78/79 80/81 82/83 84/85 86/87 88/89 90/91 92/93 94/95 96/97 98/99 00/01 02/03 04/05 06/07 Winterhalbjahr

1200 200 Abb. 8. Spießente. Spießente Monatssummen der Anas acuta 1000 Daten (Kurve) und 160 Individuen (Säulen) 1951 – April 2007; 800 642 Daten, 2458 120 Individuen. – Pintail. Number of days recorded 600 and totals of individuals 80 by month, 1951 to April

400 Datensumme 2007, 642 dates, 2458

Individuensumme individuals.

40 200

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Häufigkeit, Trend. Die Tagessummen ergaben Phänologie. Als Durchzügler tritt die Spießente nur einmal mehr als 50 Ind., nämlich am markant in Erscheinung. Vom Heimzug im 15.03.1953 konnten vom Kleinen Bischofsweiher März und April liegen 268 Daten (42%) vor, 4, vom Mohrhof 16 und von den Neuhauser wobei der März mit 177 Daten und 1098 Ind. Weihern 44 Ind. zum absoluten Tagesmaximum jeweils die größten Monatssummen liefert, von 64 Ind. addiert werden. Tagessummen in der weitgehend in Übereinstimmung mit dem Größenordnung 11–50 machen nur 13% aus und Zuggeschehen im Rötelseeweihergebiet (Zach 87% in der Größenordnung 1–10. Am Altmühlsee 1981) oder auch in ganz Bayern (Wüst & lag das Maximum ebenfalls im März, nämlich 99 Schneider in Wüst 1981). Der Wegzug hebt sich Ind. am 26.03.1982 (Ranftl & Dornberger 1984, von September bis November – mit Vorläufern Römhild et al. 2003) und neuerdings bei 50 Ind. im August – durch 292 Daten (46%) ab. Die am 3.04.2004 (Völlm et al. 2006). Wintermonate erbrachten zusammen nur 60 Die Wasservogelzählungen zeigen einen Daten (9%). In den Monaten Mai bis August hochsignifikanten negativen Trend (Abb. 7). konnten 22 Daten (3%) gesammelt werden, Dabei weisen die Saisonsummen starke minimal 3 Daten im Juli (Abb. 8). Schwankungen auf. In nur einer Wintersaison, 2002/03, konnte an allen Zählterminen keine Brutbestand. Trotz der wenigen Brutzeitdaten Spießente erfasst werden. Die größte Saison - liegen 2 Brutnachweise vor: 1966 in den summe erbrachte 1973/74 als Maximum 50 Ind. Aischwiesen bei Gremsdorf durch J. H. & P. 34 Ornithol. Anz., 47, 2008

Schneider (1966) und 1994 in einem Weiher bei Bischofsweiher 5 und Mohrhof 4 durch Kraus & Ailersbach Hertlein (Kraus & Krauß 2003). Kroier. Zwischen 6. Januar und 29. Februar Der von Wüst & Schneider (in Wüst 1981) wurde hier noch nie eine Knäkente gesehen. für Bayern beschriebene Status „Brutgast“, „in Beim in Wüst (1981) genannten Februardatum beiden Zugzeiten regelmäßig […] verweilend“ aus Oberfranken handelt es sich um 1 vom und als „Wintergast unregelmäßig“ trifft auch 21.02.1954 auf der Regnitz bei Baiersdorf außer- für das „Fränkische Weihergebiet“ zu. halb des „Fränkischen Weihergebietes“. Auch im gut untersuchten Ismaninger Teichgebiet Knäkente Anas querquedula konnte in 49 Jahren nie im Dezember und 1914 Daten mit 29 337 Individuen an 1039 Tagen Januar eine Knäkente festgestellt werden; das aus 57 Jahren. einzige Februardatum lag dort am 29.02.1948 (Bezzel 1964, Vidal & Wüst in Wüst 1981). Häufigkeit, Trend. Als Tagesmaximum er - Mit den von vielen bayerischen Orten publi- brachte der 11.08.1963 625 Individuen, davon zierten phänologischen Befunden (Bezzel 1964, allein an den Mohrweihern 550 – Zahlen, wie sie Vidal & Wüst in Wüst 1981, Zach 1981 mit wei- für Bayern einmalig sind (vgl. Vidal & Wüst in teren Beispielen) stimmen unsere Ergebnisse im Wüst 1981). zeitlichen Ablauf und in der Stärke nur bei den Die 68 Daten (6%) mit Tagessummen über Daten überein: Überall dominiert der Heimzug 100 Ind. lagen fast alle in den 1950/60er Jahren; von März bis Mai über den Wegzug. Auch unse- darunter befinden sich alle 25 Daten mit re Datensummen erreichten im April mit 518 Tagessummen von mehr als 200 Ind. Letztmals (27% aller Daten) ihr Monatsmaximum (Abb. waren es 150 Ind. am 10.09.1967, ausnahmsweise 10). Legt man für den Heimzug die 3 Monate konnten am 16.08.1970 noch 200 Ind. geschätzt März bis Mai mit 1 068 Daten zugrunde und für werden. Die Zeit mit Tagessummen zwischen 51 den Wegzug Juli bis September mit 651 Daten, und 100 Ind. (81 Daten; 8%) endete anfangs der so erreichen die Wegzugdaten nur 61% der 1970er Jahre: 52 Ind. konnten letztmals am Heimzugdaten. Dagegen wird bei Betrachtung 18.03.1973 festgestellt werden. An 297 Tagen der gezählten Individuen die Abweichung von (29%) lag die Tagessumme zwischen 11 und 50 den anderen bayerischen Befunden evident: der Ind. Diese Größenordnung war bis 11.04.1976 Individuensumme 9119 beim Heimzug stehen gewöhnlich, danach trat sie nur noch einmal am 18950 Individuen vom Wegzug entgegen. Somit 19.08 2001 mit 50 Ind. auf. 593 Daten der machen Heimzügler nur 48% der Wegzügler Größenordnung 1–10 machen 57% aus. Diese aus. Die Größe der Tagessummen macht dies Größenordnung dominiert seit 1980 mit 89%. leicht verständlich: Während im Haupt durch - Entsprechend diesem Niedergang zeigen zugsmonat des Heimzuges April die Tages- auch die Ergebnisse der Wasservogelzählungen summen für ≤ 10 bei 24% und für > 100 nur bei einen hochsignifikanten negativen Trend (Abb. 18% liegen, lauten beim Hauptdurch zugsmonat 9). Dabei kamen alle 6 einstelligen Saison - des Wegzuges August die Prozent zahlen für die summen erst ab den 1980er Jahren vor, erstmals Tagessummen 11% für ≤10 und 54% für > 100. 1985/86 mit 8 Ind. und 2005/06 konnte nur Bemerkenswert ist beim Wegzug das frühe 1 Ind. erfasst werden. Erreichen der Maxima schon in der ersten Augusthälfte: Von 17 Maxima zwischen Mitte Phänologie. Für Mitteleuropa werden „sporadi- Juli und Mitte September in den Jahren 1952 bis sche Überwinterungsversuche“ konstatiert 1972 lagen 13 (76%) im August, 8 davon in der (Bauer et al. 2005). In Bayern sind Winterdaten ersten Augusthälfte. Der markante Gipfel im äußerst selten (Vidal & Wüst in Wüst 1981). August bei Ismaning (Wüst 1981, Köhler 1986) Während in unserem Gebiet vom November wird dort durch sprunghaften Anstieg der – bis spätestens 22.11. – immerhin noch 10 Fangdaten von Jungvögeln erklärt (Köhler Daten – 9 davon aus den 1950er Jahren – 1986). Dass dies auch für das „Fränkische bekannt wurden, konnten in den 3 Winter- Weihergebiet“ zutrifft, deutet der Ringfund Nr. monaten Dezember, Januar und Februar an nur 4 in der Liste auswärts beringter Knäkenten in 2 Tagen Knäkenten festgestellt werden: Bayern (Köhler 1986) an, wonach eine am 14.12.1996 1 Ind. Mohrhof durch Tautz, Sacher 13.08.1963 in Südböhmen beringte Knäkente 6 & Krätzel (Barthel 1997) und 05.01.2005 Kleiner Tage später nach einem nordwestlich gerichte- Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 35

200 Abb. 9. Knäkente. Knäkente Saisonsummen der 150 Anas querquedula Wasservogelzählungen 1966/67 bis 2006/07, 1324 Individuen. – 100 Garganey. Seasonal totals from waterfowl

rs = - 0,53*** counts 1966/67 to

Saisonsumme 50 2006/07, 1324 indivi- duals.

0 66/67 68/69 70/71 72/73 74/75 76/77 78/79 80/81 82/83 84/85 86/87 88/89 90/91 92/93 94/95 96/97 98/99 00/01 02/03 04/05 06/07 Winterhalbjahr

16000 600 Abb. 10. Knäkente. Knäkente Monatssummen der Anas querquedula Daten (Kurve) und Individuen (Säulen) 12000 450 1951–April 2007; 1914 Daten, 29 337 Individuen. – Garganey. Number of 8000 300 days recorded and totals of individuals by month, 1951 to April 2007, 1914 Datensumme dates, 29 337 individuals. Individuensumme 4000 150

0 0 Jan Febr März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez ten 288 km langen Flug bei Biengarten erlegt Mit der überaus massiven Qualitätsmin- und dort als diesjähriges bestimmt wurde. derung der Teiche durch rigorose Entlandung Brutbestand. Führende Knäkenten halten zwischen 1960 und 1970 sank parallel zur sich stärker als andere Schwimmenten im Abnahme der Durchzügler auch die Anzahl der deckungsreichen Bewuchs auf und sind nur sel- Brutpaare rapide ab. Aus den 1970er Jahren ten oder gelegentlich zu sehen. So liegen aus liegt nur noch einmal Brutverdacht vor den 57 Jahren (1951–2007) zwar nur aus 16 (15.05.1975 Mohrweiher). In den folgenden 25 Jahren direkte Brutnachweise (Gelege, Junge) Jahren gelang kein direkter Brutnachweis, und indirekte (warnende, den Beobachter obwohl einzelne Paare beobachtet wurden. Erst umfliegende oder vom Nest schleichende Weib - zwischen 2001 und 2007 erfolgten wieder min- chen) vor, es waren aber in fast allen Jahren destens 4 Brutnachweise. Die Zahl der poten- Paare im Zeitraum zwischen Ende Mai bis Mitte ziellen Brutpaare hat sich jedoch nicht erhöht Juli anwesend. Aus allen Jahren sind darüber und ist wegen der immer weiter voranschrei- Notizen vorhanden. Eine erste genauere tenden Intensivierung der Karpfenzucht auch Erfassung erfolgte 1953. Damals waren mindes- nicht zu erwarten. Der Brutbestand dürfte auch tens 15, wahrscheinlicher jedoch 20 Brutpaare weiterhin nur aus 1–2 Paaren bestehen, wie für vorhanden. Diese trafen wir an allen Teich- 2007 bestätigt wird. Im gleichen Zeitraum wird komplexen und größeren Einzelteichen an. auch aus anderen bayerischen Regionen über Unser erster Brutnachweis erfolgte bereits 1951 die Abnahme der Brutbestände berichtet (Zach (29.6. Röhrach 1 mit 7 pulli). in Bezzel et al. 2005). 36 Ornithol. Anz., 47, 2008

Mauser. Erpel in Kleingefiedermauser wurden Ind. (61%) aus den 3 Monaten März bis Mai den ganzen Juni hindurch bis Anfang August belegen dies, wobei der April mit 447 Daten und angetroffen, wie mehrere Beobachtungen bele- 5525 Ind. alle anderen Monate weit übertrifft. gen, z. B. 01.07.1956 Buch 24 . Am 13.08.1967 Beim Wegzug, der im September kulminiert, waren von 80 erlegten Knäkenten bereits 2/3 konnten in den 4 Monaten August bis Novem- der im Schlichtkleid. Es ist anzunehmen, dass ber nur 689 Daten (40%) mit 4879 Ind. (36%) im Weihergebiet außer den Brutenten auch gesammelt werden (Abb. 12). Die phänologi- fremde in größerer Zahl die Großgefieder- schen Daten von anderen bayerischen Orten mauser absolviert haben, was uns wegen ihrer ergeben ein uneinheitliches Bild: Der Heimzug versteckten Lebensweise wenig auffiel. Obwohl kann schon im Februar einsetzen und im April ein hoher Prozentsatz der im August erlegten seinen Höhepunkt erreichen; es kann der Knäkenten aus bestand, muss letztlich offen Heimzug oder Wegzug dominieren (Näheres bleiben, ob sie erst nach der Schwingenmauser bei Wüst 1981, Zach 1981). Überwiegend tritt im Gebiet eintrafen oder wenigstens zum Teil der Heimzug weniger deutlich in Erscheinung hier mauserten. Gerne ruhten die Erpel in den als der Wegzug (Bezzel 1964, Bezzel et al. 2005). großen Beständen des flutenden Wasser - schwadens Glyceria fluitans und des Wasser - Brutbestand. Für die 2. Hälfte des 20. Jahr - hahnen fußes Ranunculus aquaticus, durchsetzt hunderts wurde der Status der Löffelente als mit Sumpfschachtelhalm Equisetum palustre, bis unregel mäßiger Brutvogel pauschal mit die Teiche spätestens Mitte Juli gemäht wurden. Brutverdacht aus 7 Jahren und Brutnachweisen Heute sind sie frei von diesen „Unkräutern“. aus 6 Jahren (Kraus & Krauß 2003) angegeben. Die Jahre und Orte werden hier tabellarisch Löffelente Anas [clypeata] clypeata dokumentiert (Tab. 4). Die Brutnachweise 1713 Daten mit 13 745 Individuen an 1182 Tagen gelangen nur an 3 Weihergruppen: Bucher-, aus allen 57 Jahren. Neuhauser Weiher und Mohrhofsenke. An kei- nem Ort konnte pro Jahr mehr als 1 Brut ent- Häufigkeit, Trend. Am 12.04.1996 errechnete deckt werden (vgl. Bezzel et al. 2005). sich das Tagesmaximum von 159 Ind. aus 100 Brutverdacht gründet sich hier auf auffälli- Ind. am Kleinen Bischofsweiher, 53 bei Mohrhof ges Umfliegen des Eindringlings durch das , und 6 an den Neuhauser Weihern. Tages- auf Wegdrücken aus der dichten Vegetation summen in der Größenordnung über 100 Ind. oder das Antreffen eines Schofs ( mit Jungen). kamen nur 4-mal (0,3%) vor. An 809 Tagen Solche Feststellungen liegen vor von Mohrhof (68%) lag die Tagessumme zwischen 1–10 Ind., 1954 (A. Gauckler, M. Kraus), 1959 (M. Kraus), an 334 Tagen (28%) 11–50 Ind. und an nur 37 1960 (M. Kraus), 1964 (Volland, Faltermeier), Tagen (3%) betrug sie 51–100 Ind. Unsere 1972 (W. Dreyer) und 1981 (M. Kraus), vom Maximal zahlen werden von denen am Kleinen Bischofsweiher 1959 (M. Kraus) und Altmühlsee weit übertroffen; dort wurden am den Neuhauser Weihern 1963 (M. Kraus). 2.11.1997 590 Ind. gezählt (Mayer et al. 1998, Völlm et al. 2006). Chilepfeifente Anas [penelope] sibilatrix Die Ergebnisse der Wasservogelzählungen 13.03.1998 Mohrweihergebiet 1 T. Sacher. zeigen einen hochsignifikanten positiven Trend (Barthel 1998) (Abb. 11). Bezeichnenderweise beträgt die 02.05.–13.05.1998 Mohrweihergebiet 1 T. kleinste Saisonsumme 1966/67 8 und die größte Sacher, S. Tautz, K. Krätzel, E. Sonnenschein. 2002/03 205 Individuen. Von der DSK anerkannt in Anhang 1 (Deutsche Seltenheitskommission 2002) Phänologie. Aus den Wintermonaten Dezem - ber bis Februar liegen insgesamt nur 57 Daten Bahamaente Anas bahamensis (3%) vor; sie stammen z. B. im Januar nur aus 11.09. „bis Oktober“ 1999 Neuhaus 1 Ind. (A. 9 Jahren – 7 davon erst nach 1990 – mit 42 Hahn, J. Uebelhoer, T. Sacher; Barthel 1999). Von Individuen. Auch aus den Sommermonaten der DSK anerkannt in Anhang 1 (Deutsche Juni/Juli kennen wir nur 98 Daten (6%). In den Seltenheitskommission 2005, Knoll, M. & P. H. Zugzeiten dominiert der Heimzug deutlich Barthel 2005). Wohl dasselbe Ind. wurde noch über den Wegzug: 869 Daten (51 %) mit 8407 am 02.10. gesehen (Fünfstück 1999) und am Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 37

250 Abb. 11. Löffelente. Saisonsummen der Löffelente 200 Wasservogelzählungen Anas clypeata 1966/67 bis 2006/07, 150 3736 Individuen. – Shoveler. Seasonal totals rs = 0,71*** 100 from waterfowl counts 1966/67 to 2006/07,

Saisonsumme 3736 individuals. 50

0 66/67 68/69 70/71 72/73 74/75 76/77 78/79 80/81 82/83 84/85 86/87 88/89 90/91 92/93 94/95 96/97 98/99 00/01 02/03 04/05 06/07 Winterhalbjahr

6000 600 Abb. 12. Löffelente. Löffelente Monatssummen der Anas clypeata 5000 Daten (Kurve) und Individuen (Säulen) 450 1951–April 2007; 4000 1713 Daten, 13745 Individuen. – Shoveler. Number of days recorded 3000 300 and totals of individuals by month, 1951 to April 2007, 1713 dates, 13745 2000 Datensumme

Individuensumme individuals. 150 1000

0 0 Jan Febr März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez

Tab. 4. Brutnachweise der Löffelente im „Fränkischen Weihergebiet“ zwischen 1951 und 2006. – Evidence of breed- ing by Shoveler at Frankonian Ponds Area 1951 to 2006.

Jahr Datum Ort Grund Beobachter 1961 29.06. u. Mohrhof gerade flügge Junge Kraus 2.07. 9.07. Bucher Weiher mit 3 pulli Kraus 9.07. Neuhauser mit 6 pulli Kraus Weiher 1971 24.08. Mohrhof mit 2 pulli Brünner 1972 8.06. Neuhauser mit 9 pulli Petersen Weiher 1975 7.05. Mohrhof Nest mit 8 Eiern Dreyer 1982 1982 Boxbrunn Jungschof Hertlein herangewachsen 2001 16. u. 23.07. Mohrhof mit 4 pulli Sacher 2005 27.07. Neuhauser 1 Jungvogel; alte seit Mai Kroier Weiher anwesend 38 Ornithol. Anz., 47, 2008

15.12.1999 am Großen Bischofsweiher von G. & Löffelente: Das Tagesmaximum erreichte H. Bachmeier und T. Sacher (Fünfstück 2000), 159 Ind. am 12.04.1996, doch wurden Werte weiterhin am Kleinen Bischofsweiher am 25.03., über 100 nur viermal erzielt. Der Trend der all- 21.05. und 27.05.2000 von M. Kraus, W. Krauß, jährlichen Durchzügler ist stark positiv. Aus M. Römhild und T. Sacher. 6 Jahren liegen Brutnachweise vor, in weiteren M. Kraus und I. Kroier sahen am Kleinen 7 Jahren bestand Brutverdacht. Bischofsweiher am 22.02.2007 ein vorj. Ind. Dank. Für die vorliegende Arbeit haben Frau B. Zimtente Anas cyanoptera Goldmann, sowie die Herren G. und H. Bach- Im Jahr 1963 wurde 1 Ind. zwischen 20.04. und meier, K. P. Bell und U. Rösch Daten zur Ver - 01.05. 5-mal bei Mohrhof gesehen und ein sechs - fügung gestellt. Einen besonderen Dank haben tes Mal am 01.06. am Kleinen Bischofsweiher wir Herrn U. Mattern abzustatten, weil er uns von A. Gauckler, M. Kraus und W. Lischka. alle Ergebnisse der Wasservogelzählungen aus dem Westteil des „Fränkischen Weihergebietes“ von 1967 bis heute überließ, die es gestatten, Zusammenfassung unsere Ergebnisse auf einer größeren Kontroll - fläche abzusichern. Für regelmäßige Begleitung Schnatterente: Erste Brut höchstwahrscheinlich an den Exkursionen danken wir E. Bauer †, 1962, wohl regelmäßiger Brutvogel seit 1981, I. Kroier, T. Lutsch und J. Reim. maximal konnten 2005 43 Schofe konstatiert Der Regierung von Mittelfranken und dem werden. Als Durchzügler und Brutvogel mit Landratsamt Erlangen-Höchstadt/Aisch sind steigender Tendenz. wir für die Erteilung von Ausnahmegenehmi - Pfeifente: Alljährlicher Durchzügler mit gungen zum Betreten der geschützten Bereiche Nachweisen aus allen Monaten. Die zu Dank verpflichtet. Frau I. Kroier besorgte Tagessumme überschritt 100 nur einmal am freundlicherweise die Abfassung der englischen 23.10.1960 mit 355 Ind. Texte. Kanadapfeifente: Nachweis zweier diesjäh- riger 1992 und 1993. Krickente: Seit mehr als 150 Jahren bis heute Literatur nur unregelmäßiger Brutvogel. Als Durchzügler mit abnehmender Tendenz. Herbstliche Bachmann, M., J. Günther, U. Lanz, F. Schurr, N. Schwär me von einigen 100 Ind. bis maximal 650 Ullrich & C. Wegst (1994): Ornithologischer treten seit 15 Jahren nicht mehr auf. Jahresbericht 1993. Altmühlseebericht 1: Stockente: Maxima im Herbst mit 3000 4-51. Individuen, Zahlen über 2000 Tiere werden seit Bandorf, H. & H. Laubender (1982): Die 2001 nicht mehr erreicht. Im engeren Unter - Vogelwelt zwischen Steigerwald und Rhön. suchungsgebiet maximal 17 führende Weib- Band 1. Schriftenreihe des LBV in Bayern, chen. Schweinfurt. Spießente: Nur einmal überschritt die Tages - Barthel, P. H. (1997): Bemerkenswerte Beob- summe 50, nämlich am 15.03.1963 mit 64 Ind. achtungen November 1996 bis Januar 1997. Alljährlich markanter Durchzugsgast in allen Limicola 11: 36-48. Monaten, jedoch mit fallender Tendenz. Zwei Barthel, P. H. (1998): Bemerkenswerte Beob- Brutnachweise aus den Jahren 1966 und 1994. achtungen Februar und März 1998. Limicola Knäkente: Fortschreitende Abnahme sowohl 12: 98-104. bei den Durchzüglern als auch beim Brut- Barthel, P. H. (1999): Bemerkenswerte Beob- bestand. Echte Brutnachweise gibt es nur aus achtungen August und September 1999. 28% der Jahre. Reduktion des Brut bestandes Limicola 13: 262-277. von ca. 15 Paaren in den 1950er Jahren auf 1–2 Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Das Paare in den 2000er Jahren. Tagessummen von Kompendium der Vögel Mitteleuropas. über 100 (Maximum 625 Ind.) gab es nur in den Nonpasseriformes – Nichtsingvögel. AULA- 1960/70ern, 50 Ind. letztmals 1973. Im Verlag, Wiebelsheim. Dezember und Januar nur je 1 Da tum, im Bauer, K. M. & U. Glutz von Blotzheim (1968): Februar bisher noch nicht beobachtet. Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 2, 1. Kraus, Manfred & Krauß, Werner: Die Gründelenten der Gattung Anas im „Fränkischen Weihergebiet“, 1951 bis 2007 39

Wiss. Verlagsgesellschaft Frankfurt am 2000. Ornithol. Anz. 40: 1-29. Main. Kraus, M. & W. Krauß (2003): 150 Jahre Bezzel, E. (1964): Zum Frühjahrszug der Knäk- Avifaunistik im „Fränkischen Weiher ge - ente und Löffelente (Anas querquedula und biet“: Die Vogelwelt des A. J. Jäckel (1822 – A. clypeata) in Südbayern. Anz. ornithol. 1885) im Vergleich mit heute. Ornithol. Anz. Ges. Bayern 7: 145-152. 42: 161-212. Bezzel, E. (1972): Ergebnisse der Schwimm - Kraus, M. & W. Krauß (2006): Die Gattung vogelzählungen in Bayern von 1966/67 bis Aythya im „Fränkischen Weihergebiet“: 1971/72. Anz. ornithol. Ges. Bayern 11: 221- Moorente A. nyroca, Tafelente A. ferina, 247. Reiher ente A. fuligula und Bergente A. mari- Bezzel, E., I. Geiersberger, G. v. Lossow & R. la. Ornithol. Anz. 45: 21-43. Pfeifer (2005): Brutvögel in Bayern. Mayer, J., G. Nandi, M. Retter, M. Römhild, Verbreitung 1996 bis 1999. Verlag Eugen H. Spinler & P. Ziemsen (1988): Orni - Ulmer, Stuttgart. thologischer Jahresbericht Altmühlsee 1997. Deutsche Seltenheitskommission (2002): Seltene Altmühlseebericht 5: 2-54. Vogelarten in Deutschland 1998. Limicola Mayer, J., M. Retter, M. Römhild, T. Sacher, T. 16: 113-192. Schuller, H. Spinler, H. Walcher, B. Zacharias Deutsche Seltenheitskommission (2005): Seltene & S. Zitzmann (1999): Ornithologischer Vogelarten in Deutschland 1999. Limicola Jahresbericht Altmühlsee 1998. Altmühl - 19: 1-63. seebericht 6: 2-57. Dornberger, W. & H. Ranftl (1985): Die Meynen, E. & J. Schmidthüsen (1953-1962): Vogelwelt des Ausgleichsbeckens Altmühl - Handbuch der naturräumlichen Gliederung tal. 1. Ergänzungsbericht. Anz. ornithol. Deutschlands. Bd. 1, 208 S. Bundesanstalt Ges. Bayern 24: 59-66. für Landeskunde und Raumforschung, Bad Fünfstück, H.-J. (1999): Avifaun. Godesberg. Kurzmitteilungen aus Bayern. Zeitabschnitt Ranftl, H. (1993): Die Vogelwelt des Aus- 3. Quartal 1999. Avifaun. Infodienst 6: 67-69. gleichbeckens Altmühlsee. Jber. OAG Fünfstück, H.-J. (2000): Avifaun. Kurz mit - Ostbayern 20: 1-12. teilungen aus Bayern. Zeitabschnitt 1.1. – Ranftl, H. & W. Dornberger (1984): Die 30.9.2000. Avifaun. Infodienst 7: 36-43. Vogelwelt des Ausgleichsbeckens Alt- Harengerd, M., G. Kölsch & K. Küster (1990): mühltal. Anz. ornithol. Ges. Bayern 23: 1-55. Dokumentation der Schwimmvogelzählung Reichholf, J. (1983): Ausbrüche von Enten- in der Bundesrepublik Deutschland 1966 – Botulismus im Sommer 1982 in Bayern. Anz. 1986. Schriftenreihe des DDA 11. ornithol. Ges. Bayern 22: 37-56. Heine, G., H. Jacoby, H. Leuzinger & H. Stark Römhild, M., D. Kliese, R. Netz & H. Albrecht (1998/99): Die Vögel des Bodenseegebietes. (2003): Ornithologischer Jahresbericht Ornithol. Jh. Bad.-Württ. 14/15. Altmühlsee 2002. Altmühlseebericht 10: Knoll, M. & P. H. Barthel (2005): Seltene Vogel - 2-61. arten in Bayern 1999. Avifaun. Bay. 2: 1-24. Rudolph, B.-U. (2000): Überwinterung der Pfeif - Köhler, P. (1986): Altersverhältnis, Mauser, ente Anas penelope bei Tuntenhausen, Land - Gewicht und Wiederfunde in Südbayern kreis Rosenheim. Ornithol. Anz. 39: 217-222. beringter Knäkenten Anas querquedula. Anz. Schneider, H. J. & P. (1966): Erster Brutnachweis ornithol. Ges. Bayern 25: 163-173 für die Spießente (Anas acuta) in Nord- Kraus, M. (1998): Herbstnachweise der bayern. Anz. ornithol. Ges. Bayern 7: 868- Nordamerikanischen Pfeifente Anas america- 869. na in Bayern. Ornithol. Anz. 37: 227-229. Siegner, J. (1985): Zum Zug in Süddeutschland Kraus, M. & W. Krauß (1998): Auswertung der beringter Krickenten Anas crecca. Anz. orni- Ringfunde von in Nürnberg im Winter- th ol. Ges. Bayern 24: 161-175. halbjahr beringten Stockenten Anas platyr- Snow, D. W. & C. M. Perrins (1998): The Birds hynchos. Ornithol. Anz. 37: 121-140 of the Western Palearctic. Concise Edition. Kraus, M. & W. Krauß (2001): Das Vorkommen Vol. 1. der Reiher und Rohrdommeln Ardeidae im Spinler, H. (1985): Erfolgreiche Brut der Pfeif - „Fränkischen Weihergebiet“ von 1950 bis ente (Anas penelope) 1984 am Altmühlsee. 40 Ornithol. Anz., 47, 2008

Ornithol. Mitt. 37: 162-163. Zach, P. (1981): Zur Zugphänologie der Enten Völlm, C., M. Böger, S. Max & D. Furtmeier (Anatinae) im Rötelseeweihergebiet bei (2006): Ornithologischer Jahresbericht Alt- Cham. Jber. OAG Ostbayern 8: 25-51. mühl see 2004. Altmühlseebericht 12: 2-92. Zach, P. (1994): Die Schnatterente (Anas strepera) Wahl, J. & C. Sudfeld (2005): Phänologie und im Rötelseeweihergebiet – erste Ergebnisse Rastbestandsentwicklung der Gründel - einer langfristig angelegten Untersuchung. enten arten (Anas spec.) im Winterhalbjahr in Jber. OAG Ostbayern 21: 67-82. Deutschland. Vogelwelt 126: 75-91. Eingereicht am 1. Januar 2008 Wüst, W. (1981): Avifauna Bavariae. Bd. 1. Mün - Revidierte Fassung eingereicht am 5. Februar 2008 chen. Angenommen am 10. Februar 2008

Dr. Manfred Kraus, Jg. 1928, Zoologe, ehemals Direktor des Tiergartens Nürnberg. Seit 1951 Dauerbeobachtungen im Fränkischen Weiher- gebiet.

Werner Krauß, Jg. 1935, Studium der Biologie, Chemie und Erdkunde an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Studiendirektor i. R. Schwerpunkt: Avifaunistik, besonders an den „Fränkischen Weihern“ im Aischgrund seit mehr als 50 Jahren. Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert: Ein Sprosser-Fängling Luscinia [luscinia] luscinia im Oberallgäu 41

Ornithol. Anz., 47: 41–50

Ein Sprosser-Fängling Luscinia [luscinia] luscinia im Oberallgäu – mit Anmerkungen zum Auftreten der Art in Bayern

Dietmar Walter und Robert Pfeifer

A Thrush Nightingale Luscinia [l.] luscinia caught near Kempten, Oberallgäu, and comments on the occurence of the species in Bavaria On 14th August 2007 a first year Thrush Nightingale was caught and ringed in the moors near the village of Betzigau (47° 44’ N; 10° 23’ E; 710 m NN, Swabia, Bavaria). This lies within the seasonal distribution of 13 other records documented from Bavaria since 1900. The seasonal pattern of occurence in Bavaria, Austria and Switzerland shows two clear-cut periods of migration (middle to end of May and mid-August to early September). It appears that the few records do not reflect the real occurence of this secretive and – especially when not singing – inconspicuous species outside its breeding range. Field ornithologists should take greater care. The character- istics of the Thrush Nightingale and the Common Nightingale are both complex and variable. Hybrids between the species occur. Nevertheless, the two species can be distinguished with a high degree of confidence in most cases. All records should be documented exactly and submitted to the Bavarian Records Committee. Key words: Thrush Nightingale, Common Nightingale, Luscinia luscinia, Luscinia megarhynchos, Bavaria, Swabia, migration, field characters. Dietmar Walter, An der Gasse 18, D-87490 Börwang, E-Mail: [email protected] Robert Pfeifer, Dilchertstr. 8, D-95444 Bayreuth, E-Mail: [email protected]

Der Status des Sprossers in Mitteleuropa

Die artliche Unterscheidung des Sprossers Luscinia [luscinia] luscinia (L., 1758) von seiner Zwillingsart, der Nachtigall Luscinia [luscinia] megarhynchos C. L. Brehm, 1831, erfolgte erst im Luscinia 19. Jahrhundert. Wie die eckige Klammer hinter [l.] luscinia dem Gattungsnamen zum Ausdruck bringt, gehören die beiden eng verwandten Taxa einer Superspezies an. Die früher bei den Drosseln (Turdidae) eingeordnete Gattung Luscinia (Barthel 1993a) ist jetzt aufgrund neuer Er kennt - Luscinia nisse über Verwandtschaftsbeziehungen durch [l.] megarhynchos molekularbiologische Metho den zumeist der Familie der Schnäpperverwandten (Musci- capidae) zugeordnet worden (Barthel & Helbig 2005, s. aber Collar in del Hoyo et al. 2005). Das Brutgebiet des Sprossers erstreckt sich Abb. 1. Butverbreitung von Nachtigall Luscinia [l.] nordöstlich von dem der Nachtigall, etwa von mega rhynchos (dunkelgrau) und Sprosser L. [l.] luscinia (hellgrau) sowie die Kontaktzone der beiden Arten einer Linie Südnorwegen, Dänemark, Nord - (schwarz) in Europa (nach Hagemeijer & Blair 1997). ostdeutschland, Polen und Rumänien über den – Breeding areas of Common Nightingale (dark grey), Ural bis nach Zentralasien (Beaman & Madge Thrush Nightingale (light grey) and overlap zone (black) of 1998, Hagemeijer & Blair 1997). the two species in Europe (after Hagemeijer & Blair 1997). 42 Ornithol. Anz., 47, 2008

In den letzten Jahrzehnten konnte eine Fang eines diesjährigen Areal aus weitung am West- und Nordrand sei- Sprossers bei Kempten ner Ver brei tung festgestellt werden (Bauer & Berthold 1997). Im östlichen Mitteleuropa über- Am 14. August 2007 konnte D. W. gegen 12.30 lappt sich das Areal des Sprossers mit dem der Uhr einen diesjährigen Sprosser aus einem Nachtigall in einer unterschiedlich breiten Japannetz befreien und beringen (Ring-Nr. CC Kontaktzone von Schleswig-Holstein bis zum 58780 Radolfzell). Die Fanganlage, die aus 10 Schwarzen Meer (Abb. 1). Die beiden parapatri- Netzen besteht, wird seit 1996 jährlich von schen Taxa sind innerhalb dieser Kontaktzone Anfang August bis Anfang November betrieben interspezifisch territorial, d.h. sie verhalten sich (durchschnittlich 13 Fangtage pro Jahr mit ca. 95 ökologisch zueinander wie Vertreter einer Art Fangstunden). Sie befindet sich in dem Feucht- (Haffer 1989). Im europäischen Überlappungs- gebiet Betzigauer Moos, 5 km nordöstlich von bereich der Areale kommt es, wenn auch selten, Kempten (47° 44’ N; 10° 23’ E; 710 m NN – Lkr. so doch regelmäßig zu Mischverpaarungen und Oberallgäu, Schwaben, Bayern). daraus resultierenden Hybriden sowie Rück - Schon beim Herausnehmen des Vogels aus kreu zungen mit beiden Elternarten bei vermut- dem Netz fiel auf, dass die Oberseite nicht so lich ein geschlechtlicher Hybridsterilität (Becker warm getönt war wie bei der Nachtigall, son- 1995, Extrembeispiel s. J. Becker in Fiedler, dern eher erdbraun und die Schwanzfedern viel Köppen & Geiter 2006). Westlich der Verbrei - dunkler, dumpfer rostbraun waren (Beaman & tungs grenze nimmt die Nachweisdichte des Madge 1998, Jonsson 1992). Dazu kam eine Sprossers rasch ab, sodass die Art zumeist als deutlich bräunlich-graue, leicht gefleckte Brust seltener, zum Teil aber regelmäßiger Durch- (Abb. 2a). Der Sprosser besaß eine Flügellänge zügler eingestuft wird (Bauer, Bezzel & Fiedler von 87,5 mm (nach Svensson 1992, Mess- 2005). In Bayern war und ist der Sprosser (noch) genauigkeit 0,5 mm) und ein Gewicht von 24,6 kein Brutvogel, die nächsten Brutplätze befin- g (digitale Messgenauigkeit 0,1 g). Die äußerste den sich seit Mitte der 1990er Jahre ca. 190 km Handschwinge (HS) lag 7 mm unter den nordöstlich der Landesgrenze bei Bautzen in Großen Handdeckenspitzen und die Silhouette Sachsen, woran sich auch aktuell nichts geän- am geöffneten Handflügel (Abb. 3) zeigte, dass dert hat (Steffens, Saemann & Grössler 1998, die 8. HS deutlich über die 7. HS ragte, während T. Hallfarth, briefl.). diese gegenüber der 9. HS etwas kürzer war Selbst gut belegte Sprosser-Nachweise sind (wie bei Svensson [1992] abgebildet). Die ocker- in Bayern spärlich gesät. In der „Avifauna farbenen Spitzen der Großen Oberen Bavariae“ werden aus dem 20. Jahrhundert nur Armdecken wiesen den Vogel als diesjährig aus vier Fälle angeführt (Wüst 1986). Inzwischen (Abb. 2b). Anzeichen einer Hybridisierung mit liegen insgesamt 14 mehr oder weniger gut der Nachtigall konnten nicht entdeckt werden. gesicherte Nachweise des Sprossers aus Bayern Die Meldung wurde von der Bayerischen vor (Tab. 1, vgl. auch Bezzel 1990), von denen Avifaunistischen Kommission (BAK) anerkannt bei zweien (Nr. 2 und 7 in Tab. 1) keine näheren (K. Krätzel, briefl.). Angaben vorliegen, die Artbestimmung jedoch In dieser Fanganlage wurden in dem oben anhand von Fänglingen erfolgte und daher angegebenen Zeitraum vom Verfasser als weite- wohl als gesichert zu betrachten ist. Hinzu kom- re Vertreter aus der Gattung Luscinia bisher eine men einige weitere Meldungen, die keiner Nachtigall L. [l.] megarhynchos und 16 Blau- Kommission vorlagen oder bei denen hinsicht- kehlchen L. svecica gefangen. lich der Artbestimmung Restzweifel blieben Nachdem der Sprosser aus verschiedenen (z. B. Jung 1990, s. auch Bezzel 1990, 1994). Die Positionen fotografiert worden war, wurde er Art ist allerdings erst seit 1988 den zuständigen mit guten Wünschen für ein langes Leben auf Kommissionen zu melden. seine weitere, sicher gefährliche Reise entlassen. Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert: Ein Sprosser-Fängling Luscinia [luscinia] luscinia im Oberallgäu 43

ab

Abb. 2. Diesjähriger Sprosser Luscinia [l.] luscinia, Betzigauer Moos, Lkr. Oberallgäu, 14. August 2007. – Thrush Nightingale, 1st calendar year, Betzigauer Moos, August 14, 2007. Fotos: Dietmar Walter.

Abb. 3. Flügel des diesjährigen Sprossers L. [l.] luscinia, derselbe Vogel wie Abb. 2, vgl. Merkmale zum Flügelschnitt in Tab. 2. – Wing of Thrush Nightingale, 1st calendar year, the same bird as fig. 2, see also Tab. 2. Foto: Dietmar Walter 44 Ornithol. Anz., 47, 2008

Tab. 1. Belegte Nachweise des Sprossers in Bayern seit 1900. – Accepted records of Thrush Nightingales in Bavaria since 1900.

Datum / Nachweis / date record Ort / location Quelle / source Bemerkungen / comments 1. 16.08.1949 1 Ind., gefangen, Kempten im Allgäu Hoser 1950, vmtl. Hybride Nac Nachtigallhtigall gekäfigt Wüst 1986 x Sprosser

2. 11.05.1963 1 ad. Ind., Fang, Hahnbach, Lkr. H. Konofsky in mit hoher Beringung Amberg-Sulzbach Wüst 1986 Wahrscheinlichkeit richtig bestimmt, dennoch nur mit Vorbehalt (vgl. Bezzel 1990)

3. 24.08.1966 1 Ind., Fang, Altmain bei E. Schnabel in Beringung Staffelstein, Lkr. Barnickel et al. Lichtenfels 1978

4. 01.09.1979 1 Ind., Fang, Ismaninger Teichgebiet, A. Bernecker in Beringung Lkr. München Wüst 1986

5. 16.08.1979 1 Ind., Totfund Teisendorf K. Robel in Beleg in Zoologischer Wüst 1986 Staatssammlung München

6. 16.05.1987 1 sing. Aigen am Inn, Lkr. Reichholf 1988 Passau

7. 06.09.1988 1 dj. Ind., Fang Hilpoltstein, Lkr. Roth Limicola 2: keine näheren Angaben 243

8. 22.05.- 1 sing. Rötelseeweihergebiet, P. Zach et al. in 13.06.1995 Lkr. Cham DSK 1997

9. 22.05.- 1 sing. Alterlangen, Stadt T. Sacher et al. 27.05.1995 Erlangen in DSK 1997 10. 18.08.1996 1 Ind., Fang, Hochstadt am Main, D. Franz et al. Beringung Lkr. Lichtenfels in DSK 1998 11. 26.05.- 1 sing. Grettstädter Ried, Lkr. DSK 2005 03.06.1999 Schweinfurt

12. 03.09.2002 1 dj. Ind., Fang, Vogelschutzwarte BAK, J. Beringung Garmisch- Fünfstück, G.v. Partenkirchen Lossow

13. 12.05.2005 1 sing. Altmühlsee, Vogelinsel, BAK, Wagner Lkr. Weißenburg- et al. Gunzenhausen

14. 14.08.2007 1 dj. Ind., Fang, Betzigauer Moos, Lkr. D. Walter, Beringung Oberallgäu diese Arbeit

(15) Am 18. April 2008 wurde im Betzigauer Moos ein Sprosser gut beobachtet (D.W.). Eine Anerken- nung durch die BAK steht noch aus. Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert: Ein Sprosser-Fängling Luscinia [luscinia] luscinia im Oberallgäu 45

Merkmale von Sprosser und Nachtigall (Wagner 2008). In der Schweiz, ca. 600 km süd- westlich des westlichen Randes des Sprosser- Wenngleich sich typische Individuen der beiden Areals, liegt der Median des Wegzuges etwas Arten anhand von Körperproportionen, Fär - später. bung, Verhalten und/oder Gesang in der Regel Die räumliche Verteilung der Sprosser- leicht bestimmen lassen, lässt die Variations- Nachweise in Bayern lässt kein geografisches breite der Einzelmerkmale von Nachtigall und Muster erkennen, sondern deckt sich mit regel- Sprosser eine nur auf einem Merkmal beruhen- mäßig kontrollierten Beobachtungsgebieten, de Bestimmung nicht zu, sodass stets mehrere längerfristig betriebenen Beringungsstationen Unterscheidungskriterien zur Erhärtung der und den Wohnorten fachkundiger Feldorni - Artbestimmung herangezogen werden sollten. thologen. Insgesamt stehen vom Wegzug 7 Einen Überblick über einige wichtige Merkmale Fänge und ein Totfund gegenüber 5 Nach - zur Unterscheidung der beiden Zwillingsarten weisen und einem Fang vom Heimzug. Kein gibt Tab. 2. Für weitere Detailinformation sei einziger Herbstnachweis in Bayern konnte mit auf die ausführlichen Beschreibungen in Glutz herkömmlichen feldornithologischen Methoden & Bauer (1988) sowie auf die Arbeit von Barthel erbracht werden. (1993b) verwiesen. Die typischen Gesänge von Es ist daher davon auszugehen, dass die Nachtigall und Sprosser sind mit etwas Übung Daten das tatsächliche Auftreten der Art in leicht zu unterscheiden. Es sei jedoch auf die Bayern nur unzureichend widerspiegeln, was Möglichkeit des Auftretens von Mischsängern schon von Wüst (1986) vermutet wurde. In („Zweischaller“) und Hybriden hingewiesen April Mai Juni Juli August Sept. (vgl. hierzu auch Busching 2005 und Schönfeld 6 2006). Die Mischsänger sind zumeist Sprosser, Bayern 24.08. ihr Anteil kann in lokalen Sprosserpopulationen 4 n = 14 bis zu 50% betragen. Eine detaillierte Dar- stellung der Unterschiede in den Laut - 2 äußerungen von Nachtigall und Sprosser liefer- te Mundry (1993), Sonagramme und Ton - 0 beispiele finden sich z. B. bei Bergmann et al. 6 (2008). Schweiz 4 n = 15 31.08.

2

Diskussion Nachweise

0 In der Artenliste der Vögel Bayerns (Bezzel 15 1994) ist der Sprosser als Ausnahmeerscheinung Österreich 27.08. geführt. Diese Einstufung entspricht der Daten - 10 n = 38 lage. Das Auftreten ist jedoch nicht unregelmä- ßig, sondern die 14 Beobachtungen aus Tab. 1 5 zeigen ein klares Muster des zeitlichen Auftretens mit Frühjahrszug von Mitte bis Ende 0 Mai und deutlich ausgeprägterem Wegzug von 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 47 49 51 53 Mitte August bis Anfang September (Abb. 7). Pentaden Im benachbarten Österreich, in dem der Sprosser bis 1830 Brutvogel war und Melde- Abb. 7. Phänologie des Sprossers L. [l.] luscinia in pflicht bei der Avifaunistischen Kommission Bayern (seit 1900), Österreich (seit 1991) und der erst seit 1991 besteht, ist er, besonders im östli- Schweiz (seit 1977). Pentadensummen und Mediane des Wegzugs. – Seasonal distribution of Thrush chen Teil, ein regelmäßiger Durchzügler Nightingale in Bavaria, Austria and Switzerland. Totals of (Dvorak et al. 1993, Abb. 7). Dies bestätigen five-day-periods and median dates of autumn migration. auch jüngste Meldungen aus der Steiermark, so Quellen/sources: Bayern: Tab. 1, Schweiz: Maumary et z. B. sechs gefangene Individuen im September al. (2007), Österreich: http://www.birdlife-afk.at/, 2007 im Hartberger Gmoos (Barthel 2007) sowie Ranner (http://www.khil.net/AFK/), Ranner, Laber das Durchzugsmuster der Art in Kärnten & Berg (1995), Laber & Ranner (1997). 46 Ornithol. Anz., 47, 2008

Abb. 4. Nachtigall (A, Betzigauer 4a Moos, Lkr. Oberallgäu, 11. August 2003) und Sprosser (B, Betzigauer Moos, 14. August 2007). Beachte die Länge von HS10 (Pfeile) und die Färbung von Oberseite und Schwanz (vgl. Tab. 2) – Common Nightingale (A, Betzigauer Moos, August 11, 2003) and Thrush Nightingale (B, Betzigauer Moos, August 14, 2007). Note the length of 10th primary (arrows) and the colour of upper parts and tail feathers (see also Tab. 2). Fotos: Dietmar Walter

Abb. 5. Am teilweise verdeckten Vogel kann die Zahl der sichtbaren Handschwingen am zusammenge- legten Flügel (hier: 7, Sprosser: 8) 4b ein wichtiges Bestimmungsmerk- mal sein. Singende Nachtigall Luscinia [l.] megarhynchos, Ochsenfurt, 29. April 2002. – An important diagnostic feature is the number of equally spaced primary tips on folded wing (here: seven, Thrush Nightingale: eight), especially when the bird is partly concealed by twigs. Singing Common Nightingale, Ochsenfurt, April 29, 2002. Foto: Rainer Jahn

Abb. 6. Unterschwanzdecken der Nachtigall (Betzigauer Moos, 11. August 2003), vgl. Tab. 2 – Under tail coverts of Common Nightingale (August 11, 2003), see also Tab. 2. 5 Foto: Dietmar Walter

6 Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert: Ein Sprosser-Fängling Luscinia [luscinia] luscinia im Oberallgäu 47

Tab. 2. Wichtigste Bestimmungsmerkmale zur Unterscheidung von Nachtigall und Sprosser - Some important dia- gnostic features for the identification of Common and Thrush Nightingale. Quellen/sources: Barthel 1993b, Glutz & Bauer 1988. 48 Ornithol. Anz., 47, 2008

Thüringen wird die Art in den letzten Jahren Deutschlands. J. Ornithol. 134: 113-135. fast alljährlich nachgewiesen (Rost & Grimm Barthel, P. H. (1993b): Bemerkungen zur 2004). Unterscheidung von Nachtigall Luscinia Mit vereinzelten Mischbruten mit der megarhynchos und Sprosser L. luscinia. Nachtigall ist prinzipiell zu rechnen. Gebiete Limicola 7: 57-76. mit im Frühjahr singenden Sprossern im Barthel, P. H. (2007): Bemerkenswerte Verbreitungsgebiet der Nachtigall sollten daher Beobachtungen – September bis November später dahingehend kontrolliert werden. Eine 2007. Limicola 21: 323. unkontrollierte Beschallung mit Klangattrappen Bauer, H.-G. & P. Berthold (1997): Die Brutvögel ist zu unterlassen (s. Barthel 1993b). Sämtliche Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung. Sprosser – insbesondere Fänglinge – sind auf Aula, Wiesbaden. mögliche Hybriden mit der Nachtigall zu prü- Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): fen, sorgfältig zu dokumentieren, wenn möglich Kompendium der Vögel Mitteleuropas. zu fotografieren und der BAK zu melden. Aula-Verlag, Wiebelsheim. Totfunde sollten sichergestellt und einer wis- Beaman, M. & S. Madge (1998): Handbuch der senschaftlichen Sammlung zugeführt werden. Vogelbestimmung. Europa und Westpaläarktis. Ulmer, Stuttgart. Becker, J. (1995): Sympatrisches Vorkommen Zusammenfassung und Hybridisierung von Sprosser Luscinia luscinia und Nachtigall Luscinia megarhyn- Am 14. August 2007 wurde im Betzigauer Moos chos bei Frankfurt (Oder), Brandenburg. (47° 44’ N; 10° 23’ E; 710 m NN, Lkr. Oberallgäu, Vogelwelt 116: 109-118. Schwaben, Bayern) ein diesjähriger Sprosser Bergmann, H.-H., H.-W. Helb & S. Baumann gefangen und beringt. Der neue Fund fügt sich (2008): Die Stimmen der Vögel Europas. in das zeitliche Muster der bisherigen bayeri- Aula-Verlag, Wiebelsheim. schen Nachweise (Heimzug Mitte – Ende Mai, Bezzel, E. (1990): Seltene Singvögel in Bayern: Wegzug Mitte August – Anfang September, Kritische Durchsicht publizierter Einzel - Median 24.08.), deren phänologische Verteilung daten. Garmischer vogelkdl. Ber. 19: 1-27. auch im Wesentlichen der der österreichischen Bezzel, E. (1994): Artenliste der Vögel Bayerns. und Schweizer Nachweise entspricht. Garmischer vogelkdl. Ber. 23: 1-65. Sehr wahrscheinlich spiegeln die wenigen Busching, W.-D. (2005): Gedanken zu einem Daten das tatsächliche Auftreten der insbeson- Sprosser-Nachtigallen-Hybriden Luscinia dere im Herbst heimlichen und unauffälligen luscinia x L. megarhynchos. Ornithol. Mitt. 57: Art nur unzureichend wider. Die Art verdient 384-387. vermehrte Aufmerksamkeit, alle Beobach - Del Hoyo, J., A. Elliott & D. Christie (2005): tungen sind genau zu dokumentieren, wobei Handbook of the Birds of the World. Vol. 10: ein Komplex von Merkmalen zur Artbestim - Cuckoo-shrikes to Thrushes. Lynx Edicions, mung herangezogen werden muss und mit Barcelona. Hybriden mit der Nachtigall zu rechnen ist. Deutsche Seltenheitenkommission (1997): Seltene Vogelarten in Deutschland 1995. Dank. Herrn Kilian Weixler, Waltenhofen, dan- Limicola 11: 153-208. ken wir für die Übermittlung der Daten aus Deutsche Seltenheitenkommission (1998): dem Archiv der BAK, Rainer Jahn, Zell am Seltene Vogelarten in Deutschland 1996. Main, für die Bereitstellung zusätzlicher Fotos. Limicola 12: 161-227. Eine kritische Durchsicht des Manuskriptes Deutsche Seltenheitenkommission (2005): besorgte Werner Krauß, Schwaig, die Ver- Seltene Vogelarten in Deutschland 1999. besserung der englischen Textteile Jonathan Limicola 19: 1-63. Guest, Kronach. Ihnen allen herzlichen Dank! Dvorak, M., Ranner, A. & H.-M. Berg (1993): Atlas der Brutvögel Österreichs. Wien, Literatur Bundesministerium für Umwelt, Jugend Barthel, P. H. & A. Helbig (2005): Artenliste der und Familie. Vögel Deutschlands. Limicola 19: 89-111. Fiedler, W., U. Köppen & O. Geiter (2006): Barthel, P. H. (1993a): Artenliste der Vögel Meldungen aus den Beringungszentralen. Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert: Ein Sprosser-Fängling Luscinia [luscinia] luscinia im Oberallgäu 49

Vogelwarte 44: 75-76. 1999-2000. Online-Publikation, Glutz von Blotzheim, U.N. & K.M. Bauer (1988): http://www.khil.net/AFK/_AFK4.pdf Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. Ranner, A., J. Laber & H.-M. Berg (1995): 11/I, Passeriformes (2. Teil). Aula-Verlag, Nachweise seltener und bemerkenswerter Wiesbaden. Vogelarten in Österreich 1980 – 1990. Egretta Haffer, J. (1989): Parapatrische Vogelarten der 38: 59-98. paläarktischen Region. J. Ornithol. 130: 475- Reichholf, J. (1987): Sprosser Luscinia luscinia in 512. Niederbayern. Anz. ornithol. Ges. Bayern Hagemeijer, W.J.M. & M. J. Blair (1997): The 26: 276. EBCC Atlas of European Breeding Birds. Rost, F. & H. Grimm (2004): Kommentierte Their Distribution and Abundance. Poyser, Artenliste der Vögel Thüringens. Anz. Ver. London. Thüring. Ornithol. 5 (Sonderheft): 1-78. Hoser, A. (1950): Zur Bastardfrage Sprosser – Schönfeld, M. (2006): Anmerkungen zu Nachtigall. Gefiederte Welt 74: 168. Busching: „Gedanken zu einem Sprosser- Jonsson, L. (1992): Die Vögel Europas und des Nachtigallen-Hybriden Luscinia luscinia x L. Mittelmeerraumes. Franckh-Kosmos, Stutt - megarhynchos – Ornithol. Mitt. 57: 384-387. gart. Ornithol. Mitt. 58: 5-6. Jung, G. (1990): Sprosser Luscinia luscinia am Steffens, R., D. Saemann & K. Grössler (1998): Chiemsee. Anz. ornithol. Ges. Bayern 29: Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer- 169-170. Verlag, Jena. Laber, J. & A. Ranner (1997): Nachweise seltener Svensson, L. (1992): Identification Guide to und bemerkenswerter Vogelarten in Öster- European Passerines. Fingraf, Södertälje. reich 1991-1995. Egretta 40: 1-44. Wagner, C., C. Moning, E. Witting, H.-M. Busch, Maumary, L., L. Valloton & P. Knaus (2007): Die K. Krätzel & J. Langenberg (2005): Das erste Vögel der Schweiz. Schweizerische Vogel- Halbjahr 2005 in Bayern. Avifaun. Bay. 2: warte, Sempach, und Nos Oiseaux, 139-156. Montmollin. Wagner, S. (2008): Sprosser. In: Feldner, J. et al.: Mundry, R. (1993): Unterschiede in den Avifauna Kärntens 2: Die Gastvögel. Lautäußerungen von Nachtigall Luscinia Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, megarhynchos und Sprosser Luscinia luscinia. Klagenfurt. Limicola 7: 77-86. Wüst, W. (1986): Avifauna Bavariae. Bd. 2. Ranner, A. (o.J.): Nachweise seltener und Ornithologische Gesellschaft in Bayern, bemerkenswerter Vogelarten in Österreich München. 1996-1998. Online-Publikation, http://www.khil.net/AFK/_afk3.pdf Eingereicht am 18. März 2008 Ranner, A. (o.J.): Nachweise seltener und Revidierte Fassung eingereicht am 3. Juni 2008 bemerkenswerter Vogelarten in Österreich Angenommen am 5. Juni 2008 50 Ornithol. Anz., 47, 2008

Dietmar Walter, Jg. 1944, Gymnasiallehrer, seit 30 Jahren ornithologi- sche Erfassung des Oberallgäus, Alpenornithologie (Höhenverbreitung, Abundanzen), Populationsstudien.

Robert Pfeifer, Jg. 1963, Dipl.-Ing. (FH) Landespflege, Generalsekretär der OG, ornithologische Interessensschwerpunkte: Avifaunistik, Biogeografie und Ökologie der Vögel, insbesondere der Singvögel Mitteleuropas und der Paläarktis. Kracher, Barbara: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion 51

Ornithol. Anz., 47: 51–65

Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion

Barbara Kracher

Important hunting habitats of Montagu’s Harrier Circus pygargus in an agricultural region of Central Europe Very few studies are available of the behaviour and especially the habitats used by hunting Montagu’s Harriers Circus pygargus. Yet in order to ensure the survival of this rare species, it is essential to identify and maintain their preferred hunting ranges as well as adequate nesting sites. During the breeding season of 2004 I examined the hunting habitat use of several Montagu’s Harriers in a defined area in “Mainfranken” (Bavaria), which holds one of the most important popu - lations of this species in Central Europe. To determine their main hunting sites I mapped all forag- ing flights encountered in an investigation area of approx. 3,900 ha. The Montagu’s Harriers strongly preferred waysides and trackways, as well as lucerne and grass- land areas for hunting. Hunting-success, specified as number of prey caught per hour hunting time, was also highest in these habitat types. The harriers also hunted with considerable success in barley stubble fields shortly after harvest. As shown in several other studies I found a strong relationship between vegetation cover, hunting use and hunting success. Lucerne fields, for example, were used as hunting habitats almost exclu- sively immediately after mowing, because the reduced vegetation density greatly improved the accessibility of potential prey at this time. In grassland areas on the other hand, mowing had no sig- nificant effect on hunting activity or hunting success of the Montagu’s Harriers. Vegetation cover in these areas was patchy and less dense at all times, therefore prey accessibility was not particularly increased by mowing. 52 Ornithol. Anz., 47, 2008

The results of this study clearly show a need to preserve plots with grassland and lucerne as well as waysides and boundary strips within agricultural areas in order to provide an adequate food sup- ply for the Montagu’s Harrier and thus ensure the future survival of this rare species.

Key words: Montagu’s Harrier, Circus pygargus, habitat use, hunting habitat, food supply.

Barbara Kracher, Nelkenstr. 5, D-87488 Betzigau E-Mail: [email protected]

Einleitung kontinuierlich zugenommen haben (Belting & Krüger 2002). So wurden beispielsweise im Jahr Seit Beginn der industrialisierten Landnutzung 2004 in der Region 97 Brutpaare erfasst (Pürck - um 1960 wurden zahlreiche Vogelarten der hauer 2004). Dem mainfränkischen Verbrei- Agrarlandschaft durch die zunehmende Inten - tungs gebiet der Wiesenweihe kommt daher sivierung der landwirtschaftlichen Nutzung in eine besondere Bedeutung beim Schutz dieser ihrem Bestand gefährdet. Von der fortschreiten- seltenen Art zu, und zwar nicht nur auf nationa- den Intensivierung sind gerade bodenbrütende ler, sondern auch auf mitteleuropäischer Ebene Vogelarten offener Landschaften besonders (Hölker 1999, Belting & Krüger 2002). betroffen, denn in der heutigen Kultur- Für einen effektiven Wiesenweihenschutz landschaft Mitteleuropas bilden Agrarflächen müssen neben den Ansprüchen der Wiesen - den wichtigsten und zum Teil sogar einzigen weihen an ihr Bruthabitat auch die Ansprüche Lebensraum dieser Arten (Hormann 2001). an geeignete Jagdgebiete berücksichtigt wer- Eine der Charakterarten der offenen Feld - den. Die bisher in Mainfranken durchgeführten flur ist die Wiesenweihe (Arroyo et al. 2002). Untersuchungen konzentrierten sich jedoch auf Ursprünglich besiedelte sie in Europa vornehm- die Überwachung der Populationsentwicklung lich Feuchtgebiete, dieser ursprüngliche und die Brutplatzwahl beziehungsweise Lebensraum wurde jedoch insbesondere seit Brutbiologie der Wiesenweihen (Belting & den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch Krüger 2002, Götz 2002, Rattinger 2002). Über Intensivierung der Landwirtschaft und der die Wahl des Jagdhabitats gibt es bei der damit verbundenen Trockenlegung der Feucht - Wiesenweihe hingegen bislang nur wenige gebiete einer fortschreitenden Zerstörung aus- systematische Untersuchungen (Schipper 1977, gesetzt. Seit den 1970er Jahren begann die Clemens 1993, Martínez 1999, de Voogd 2004). Wiesenweihe dann zunehmend Agrarflächen Ziel dieser Untersuchung war es daher, die als Bruthabitat zu nutzen. (Glutz, Bauer & Habitatnutzung und das Jagdverhalten der Bezzel 1971, Krogulec 1997). Wiesenweihen in Mainfranken zu untersuchen. Aktuell wird der Bestand der Wiesenweihe Zu diesem Zweck beobachtete ich, in welchem weltweit auf etwas über 100 000 Brutpaare Umfang die Wiesenweihen die verschiedenen geschätzt (Ferguson-Lees & Christie 2001), im Untersuchungsgebiet vorkommenden davon entfallen vermutlich annähernd 75% auf Habitattypen zur Jagd nutzten und wie groß Russland und Osteuropa. Die Iberische Halb - der Jagderfolg in den verschiedenen Habitat- insel und Frankreich beherbergen zusammen typen jeweils war. Im Weiteren überprüfte ich, circa 15% der Brutpaare und stellen damit das ob ein Zusammenhang zwischen Jagdaktivität wichtigste Vorkommen im übrigen Europa dar. bzw. Jagderfolg und der Vegetations struktur Die Bestände der weiteren europäischen Länder der verschiedenen Flächen bestand, wie er in sind meist klein (Krogulec 1997, Hölker 1999). anderen Arbeiten beschrieben wird (vgl. In Deutschland brüteten im Jahr 2004 schät- Wakeley 1978a, Bechard 1982, Preston 1990). zungsweise 350 – 400 Wiesenweihen-Paare. Die Aus den von mir erhobenen Daten zur größte Population im Bundesgebiet findet sich Habitatnutzung der Wiesenweihen leitete ich bereits seit einiger Zeit auf den Mainfränkischen abschließend Folgerungen für ein effektives Platten, wo die Bestände seit den 1990er Jahren Management geeigneter Nahrungsflächen ab. Kracher, Barbara: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion 53

a b

Abb. 1. Die Karte (a) zeigt die Lage des Untersuchungsgebietes (kreuzförmige Markierung) im Regierungs - bezirk Unterfranken, das Foto (b) ein charakteristisches Beispiel der Landschaftsstruktur im Unter - suchungsgebiet.Abb. 1 – Fig. 1. The Map (a) shows the location of the investigation area (labeled by a cross) in Unterfranken, Bavaria and the photograph (b) a characteristic example of landscape structure in the investigation area. – Foto: B. Kracher

Untersuchungsgebiet und Methoden ßigten, subozeanischen Klimas der außertropi- schen Westwindzone“ (Müller 1996), wobei die Untersuchungsgebiet. Das Untersuchungs- Mainfränkischen Platten, vergleichsweise wär- gebiet liegt im Nordwesten Bayerns, Re - mer und trockener sind als die übrigen gierungsbezirk Unterfranken, im Maindreieck, Regionen Unterfrankens (Müller 1996). ungefähr 15 km nordöstlich von Würzburg (vgl. Aufgrund des relativ trockenen Klimas und Abb. 1a). Die Fläche gehört größtenteils zum der fruchtbaren Böden werden der Beob - Landkreis Würzburg, erstreckt sich im Süden achtungsraum, wie auch das umgebende Gebiet aber bis in den Landkreis Kitzingen. Um eine intensiv landwirtschaftlich genutzt. Dabei über- möglichst gleichmäßige Verteilung meiner wiegt als Nutzungsform der Ackerbau. Ange- Beobachtungen zu gewährleisten, unterteilte baut werden vor allem Getreide und Zucker- ich das insgesamt 3911 ha umfassende Areal für rüben, zunehmend auch Ölraps, wohingegen die Datenaufnahme in sieben kleinere Teil- Grünlandwirtschaft fast gar nicht betrieben gebiete (Größe: 346 ha – 734 ha), in denen ich wird (Krüger et al. 1999, Belting & Krüger 2002). mich an den Untersuchungstagen jeweils unge- Feldgehölze, Wald und andere naturnahe fähr gleich lang aufhielt. Strukturen kommen nur in geringem Umfang Das Untersuchungsgebiet ist Teil der vor, sodass sich insgesamt „das typische Bild Gäuplatten im Maindreieck und gehört damit einer ausgeräumten Landschaft“ (Krüger et al. zu den Mainfränkischen Platten, der zentralen 1999) ergibt (Abb. 1b). naturräumlichen Einheit Unterfrankens. Auf Für die Auswertung meiner Beobachtungen dem Lößuntergrund der Gäugebiete kommt als unterschied ich das Untersuchungsareal in charakteristischer Boden Parabraunerde vor, die Flächen, die für die Wiesenweihen als Jagd- zu den fruchtbarsten Böden Mitteleuropas zählt gebiete potenziell infrage kommen und solche, (Müller 1996). Die Landschaft der Gäuplatten, über denen Wiesenweihen gewöhnlich nicht wie auch der gesamten Mainfränkischen Plat - jagen, wie Siedlungsflächen, Waldstücke und ten, wird geprägt durch ein weitgespanntes, Straßen (A. Pille mündl., vgl. auch de Voogd flachwelliges Relief. Dadurch wirkt sie insge- 2004, Martínez 1999). Demnach stufte ich 3454 samt weiträumig und relativ strukturarm (Krü - ha des Gesamtgebietes als potenziell für die ger et al. 1999). Klimatisch gehört das Unter- Wiesenweihe nutzbares Jagdgebiet ein. Über die suchungsgebiet zum Bereich des „kühlgemä- Hälfte dieser für die Untersuchung relevanten 54 Ornithol. Anz., 47, 2008

Tab. 1. Definition der zehn Habitattypen für die Untersuchung der Habitatnutzung – Definition of the ten habitat types used to to analyze habitat use.

Kurz- bezeichnung Nutzung identifier land use Wg Wintergerste winter barley Ww Winterweizen winter wheat Get Roggen, Sommergerste & -weizen, Hafer, Dinkel rye, sommer barley & wheat, oat, spelt RK Zuckerrüben, Kohl (verschiedene Kulturen) sugar beets, cabbage (different crops) MS Mais, Sonnenblumen maize, sunflowers Luz Luzerne lucerne Gr andere Grünlandflächen (zum Teil auch mit Luzerneanteil) grassland (to some extent containing lucerne as well) Sonst Raps; alle übrigen landwirtschaftlichen Nutzungen (u.a. Kartoffeln, Gemüse, Obst) colza all other agriculturally used areas (e.g. with potatoes, vegetables, fruit) Weg unbefestigte Feldwege, Weg - und Straßenränder field paths (unmetaled), waysides Rand Naturnahe Strukturen (wie Gräben, Hecken, Feldgehölze), Böschungen, Bahntrasse Near-natural structures (e.g. ditches, hedges, field groves), slopes, railway

Tab. 2. Flächenanteil der zehn in Tab. 1 definierten Habitattypen, verglichen mit der über dem jeweiligen Habitat beobachteten Jagdzeit und der Zahl dort geschlagener Beutetiere. – Surface area of the ten habitat types defined in Tab.1, compared to the hunting time observed over the respective habitat and the amount of prey caught

Fläche Jagdzeit Anzahl Beutestücke Area hunting time amount of prey [ha] [min] Wg 471,19 239 11 Ww 1201,51 167,5 3 Get 251,82 129 1 RK 630,42 317 2 MS 352,84 91 0 Sonst 299,80 32 0 Luz 45,94 427 34 Gr 80,06 386 33 Weg 40,45 547 20 Rand 79,64 95 2 3453,66 2430,5 106

Kracher, Barbara: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion 55

Fläche wurde dabei von Getreidefeldern einge- mit Luzerne, Grünland, Gerste), hielt ich außer- nommen, ein Drittel von Feldern mit Rüben, dem die Woche des Schnitttermins fest. Kohl, Mais und Sonnenblumen. Grünland - Ich zeichnete sämtliche Jagdflüge aller flächen und Randstrukturen machten im Wiesenweihen im Untersuchungsgebiet auf, die Vergleich dazu gemeinsam weniger als ein ich während meiner Untersuchungsperioden Zehntel der Fläche aus (Tab. 2, Abb. 2). beobachten konnte. Die Flugdaten stammen von 15 Brutpaaren im Beobachtungsraum sowie Untersuchungszeitraum. Die Untersuchung vermutlich von einigen Vögeln, die sich vor- erstreckte sich von Mai bis Juli (über die übergehend im Untersuchungsgebiet aufhielten Vegetationszeit des Jahres) 2004 und umfasste und ebenfalls dort jagten. Als Nahrungs- bzw. insgesamt mit 81 Tagen knapp 13 Wochen. Die Jagdflüge wertete ich solche Flüge/ ersten sechs Tage (5. Mai bis 10. Mai) nutzte ich, Flugabschnitte, bei denen die Wiesenweihen, um die landwirtschaftliche Nutzungssituation wie auch bei Schipper (1977) beschrieben, nicht aller Schläge (Felder) innerhalb der Unter- höher als ca. 5 m flogen und dabei den Kopf suchungs fläche zu kartieren und die Grenzen gesenkt hielten, um die Vegetation abzusuchen des Gebiets für die Beobachtungen festzulegen. (vgl. Clarke 1996). Sowie ich ein jagendes Tier Am 11. Mai begann ich mit der Erfassung der aufspürte, verfolgte ich es mit dem Auto, um es Nahrungsflüge und beendete meine Daten- möglichst lange beobachten zu können. Jeden aufnahme am 30. Juli. In diesem Zeitraum sam- Jagdflug beziehungsweise jedes beobachtete melte ich an 75 Tagen Flugdaten mit Ausnahme Teilstück eines Jagdfluges zeichnete ich in die vom 29.–30.5. und 25.–27.6. Dabei verbrachte topografische Karte (mit aktueller Flächen - ich am Tag durchschnittlich 9h 20min (min. 5 h; zusammensetzung) ein und notierte dazu die max. 12 h 10 min.) im Beobachtungsgebiet. Die Aufenthaltszeiten der Tiere über den einzelnen Beobachtungen fanden zu 97 % im Zeitintervall Flächentypen. Auf diese Weise dokumentierte zwischen 8:00 Uhr und 19:00 Uhr statt, verein- ich insgesamt 2430,5 min Jagdflug, die sich auf zelt schon vor 8:00 Uhr bzw. noch nach 19 Uhr. die verschiedenen Flächen im Untersuchungs- gebiet verteilen. Außerdem erfasste ich alle Datenaufnahme. Als Grundlage für die erfolgreichen Beutestöße. Erfassung der von den Wiesenweihen genutz- ten Habitatstrukturen und ihrer Jagdflüge dien- Auswertung. Zunächst analysierte ich die te eine topografische Karte des Gebiets im räumliche Struktur des Wiesenweihenhabitats, Maßstab 1:25 000 (Messtischblatt 6126 Dettel- insbesondere die vorliegende Flächen vertei - bach, Bayerisches Landesvermessungs amt lung, mit dem Geografischen Informations- München 1989). Für die GIS-Auswer tung ver- system (GIS) ArcView 3.2. Dazu digitalisierte wendete ich darüber hinaus georeferenzierte ich in ArcView die Lage der aktuellen Schlag - Luftbilder des Gebietes im Maßstab 1:50 000 grenzen sowie die Lage von Verkehrswegen, (IRS IC/ID Satellitenbildmosaik der GAF AG), Siedlungen, Waldbereichen und sonstigen die mir vom LfU (Bayerischen Landesamt für Struk turen anhand von georeferenzierten Luft - Umwelt) zur Verfügung gestellt wurden. bildern des Untersuchungsgebietes. Die für Um das Angebot an möglichen Nahrungs - meine Untersuchung relevanten Flächen teilte flächen für die Wiesenweihen festzustellen, ich in die zehn in Tabelle 1 definierten Habitat- erfasste ich zu Beginn die aktuelle Landnutzung typen ein, für die ich jeweils die im Unter- im Untersuchungsgebiet und hielt diese in der suchungsgebiet vorliegende Gesamtfläche topografischen Karte fest. berech nete. Um die Vegetationsentwicklung über den Um zu ermitteln, über welchen Flächen - gesamten Zeitraum verfolgen zu können, typen die Wiesenweihen am meisten jagten, schätzte ich jede Woche den Grad der Boden - bestimmte ich die Anteile der Jagdzeit über den bedeckung für die verschiedenen Feldfrüchte einzelnen Flächentypen an der gesamten erfass- auf einem gut zugänglichen, zu Beginn der ten Jagdzeit während des kompletten Unter - Untersuchung willkürlich als Vergleichsfläche suchungszeitraumes und während der einzel- gewählten Feld, visuell ab (5 Kategorien, 20-%- nen Untersuchungswochen. Für den Vergleich Schritte). Für jedes Feld, das im Laufe der der Jagdflugaktivität bei unterschiedlichem Untersuchungszeit geschnitten wurde (Schläge Vegetations zustand (geschnitten – nicht ge- 56 Ornithol. Anz., 47, 2008 schnitten) der Felder, verwendete ich als Maß geschnitten‘ und ‚geschnitten‘. In der Kategorie der Aktivität jeweils die relativen Flugzeiten der ‚geschnitten‘ berücksichtigte ich jeweils alle Wiesenweihen, die ich für beide Vegetations- Beobachtungen in der Woche des Schnitt - zustände folgendermaßen berechnete: termins und der darauf folgenden Woche, die Beobachtungen der übrigen Zeit zählte ich zur Relative Flugzeit [min/h] = Kategorie ‚nicht geschnitten‘. Diese Einteilung begründet sich damit, dass ich zwei Wochen Beobachtete Flugzeit [min] über einer Fläche nach dem Drusch der Gerste meine Daten - Beobachtungszeit [h] an dieser Fläche aufnahme beendete und dass auf den Luzerne- und Grünlandfeldern die Boden bedeckung Ich betrachtete dabei jeweils die Flugzeit zwei Wochen nach dem Schnitt bereits wieder über einem bestimmten Feld beziehungsweise deutlich zunahm. Für Luzerne, die im Unter - allen Feldern eines Typs in einem bestimmten suchungszeitraum zweimal gemäht wurde, ver- Teilgebiet und verwendete im Nenner dement- glich ich zusätzlich die Jagdaktivität nach dem sprechend jeweils die Beobachtungszeit, die ich ersten und zweiten Schnitt. in dem entsprechenden Teilgebiet, bzw. in Die statistischen Analysen führte ich mit- Sichtweite des entsprechenden Feldes verbracht hilfe des Statistikprogramms SigmaStat 2.03 hatte. durch. Die verwendeten statistischen Test- Zum Vergleich des Jagderfolges in den ver- verfahren sind jeweils im Text angegeben. Für schiedenen Flächentypen betrachtete ich zum den Vergleich von Jagdaktivität und -erfolg bei einen den Anteil der Beute, der aus dem jeweili- unterschiedlichen Vegetationszuständen unter- gen Flächentyp stammte. Außerdem verglich suchte ich die vorliegenden Werte dabei zu- ich den Jagdertrag in den verschiedenen nächst auf Normalverteilung. Handelte es sich Flächentypen, den ich folgendermaßen ermittel- um normalverteilte Daten, verwendete ich ein te: parametrisches Testverfahren (gepaarter t-Test), im anderen Fall ein nicht-parametrisches (Wil- Jagdertrag [h–1] = coxon-Rangsummen-Test). Für die statistische Anzahl erfolgreicher Beutestöße in einem Flächentyp Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Jagdflugzeit [h] über diesem Flächentyp der Flächenverteilung im Untersuchungs gebiet, der Verteilung der Jagdflugzeiten und der Den Jagdertrag verglich ich außerdem, wie Verteilung der erfolgreichen Beutestöße ver- oben für die relative Jagdflugzeit beschrieben, wendete ich χ²-Tests. Die Berechnungen für die ebenfalls zwischen geschnittenen und nicht χ²-Tests wurden mithilfe von Excel durchge- geschnittenen Feldern, um zu untersuchen, wie führt, die kritischen Werte entnahm ich dabei der Vegetationszustand den Jagderfolg beein- der entsprechenden Tafel aus Sachs (2002). Als flusste. Signifikanzschwelle legte ich in allen Fällen 0,05 Um den Einfluss des Vegetationszustandes fest. auf Jagdaktivität und Jagderfolg zu untersu- chen, betrachtete ich für die Flächentypen Luzerne und Grünland, die im Untersuchungs- Ergebnisse gebiet nur in geringer Zahl vorkamen, jeweils die einzelnen Felder. Dabei beschränkte ich Jagdaktivität und Jagderfolg. Die Tiere jagten mich auf solche Flächen, über denen ich insge- am längsten über Wegen und Wegrändern. samt jeweils wenigstens zwei Minuten Jagdflug Daneben waren auch Luzernefelder und die beobachtet hatte (6 Schläge für Luzerne, 8 übrigen Grünlandflächen wichtige Jagdhabi tate. Schläge für Grünland). Für die in großer Zahl Die Beute der Wiesenweihen stammte überwie- vorliegenden Gerstenfelder fasste ich jeweils gend aus Luzernefeldern. Außerdem erbeuteten alle Schläge eines Teilgebietes zusammen und sie auch in den übrigen Grünlandflächen sowie betrachtete die Nutzung bzw. den Jagderfolg in an Wegen und Wegrändern einen beträchtlichen jedem dieser sieben Gebiete. Für jedes Feld Teil ihrer Nahrung (Tab. 2, Abb. 2). beziehungsweise Teilgebiet berechnete ich Wenn die Wiesenweihen jeden der zehn jeweils die relative Jagdflugzeit und den Flächentypen in gleichem Maße zur Nahrungs - Jagdertrag für die beiden Zustände ‚nicht suche nutzen würden, dann sollten die Kracher, Barbara: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion 57

40%

35%

30%

25%

20%

Flächenanteile 15% percentage of acreage

10% Jagdfluganteile percentage of hunting time

5% Beuteanteile percentage of prey 0% Wg Ww Get RK MS Sonst Luz Gr Weg Rand

Abb. 2. Flächenanteile der zehn Habitattypen (vgl. Tab. 1) an der Gesamtfläche des Areals, jeweils im Vergleich mit dem Anteil der Jagdflugzeit, der über einem Habitattyp beobachtet wurde sowie dem Anteil an der gesam- ten Beutemenge, der aus diesen Habitattypen stammte. – Fig. 2: Percentage of surface area of each of the ten habitat types (see Tab. 1) compared to percentage of foraging flight periods observed over habitat type and percentage of prey caught by habitat type.

Verteilung der beobachteten Jagdflugzeit und Hinblick auf ihre Flächenanteile zu erwarten die Verteilung der gesamten Fläche auf die zehn war, über anderen dagegen deutlich weniger Typen sich ungefähr entsprechen. Die beobach- (Abb. 2). Dabei verbrachten die Wiesenweihen tete Verteilung der Jagdzeit war jedoch signifi- insgesamt auf der Jagd über Luzerne- und kant verschieden von der Verteilung, die sich Grünlandflächen zusammen mit Wegen und ergab, wenn die Flächenanteile zugrunde gelegt Randstrukturen signifikant mehr Zeit, als im wurden [χ²-Test: χ² = 17089,39; FG = 9; Hinblick auf die Flächenanteile zu erwarten Bonferoni-Korrekturfaktor τ = 2; p < 0,001]. Dies gewesen wäre, über den übrigen Flächen dage- bedeutet, dass ich über einigen Flächentypen gen signifikant weniger [χ²-Test: χ² = 10215,32; deutlich mehr Jagdflugzeit verzeichnete, als im FG = 1; p < 0,001]. 14 Abb. 3. Jagdertrag in den ver- schiedenen Habitattypen (vgl. 12 Tab. 1), angegeben als Anzahl der erlegten Beutestücke pro h 10 Jagdzeit, die über dem Habitattyp beobachtet wurde. – Fig. 3: 8 Hunting-yield for each habitat type (see Tab.1), specified as number of prey caught per h observed hunting 6 time over the respective habitat type. hunting yield

Jagdertrag [h-1] 4

2

0 Wg Ww Get RK MS Sonst Luz Gr Weg Rand 58 Ornithol. Anz., 47, 2008

Ebenso wie die Verteilung der Jagdzeit ent- extrem große oder kleine Werte den Mittelwert sprach auch die Verteilung der erfolgreichen nicht zu stark beeinflussten. Neben den Jagd- Beutestöße auf die Flächentypen nicht der zeit- und Beuteanteilen hielt ich zum Vergleich Verteilung, die aufgrund der vorliegenden außerdem in jeder Woche den Grad der Flächenanteile der einzelnen Typen zu erwarten Bodenbedeckung auf den jeweiligen Feldern gewesen wäre [χ² -Test: χ² = 1489,82; FG = 9; fest, um den Einfluss der sich ändernden Bonferoni-Korrekturfaktor τ = 2; p < 0,001] (vgl. Vegetationsstruktur auf Jagdaktivität und Jagd - Abb. 2). So wurde in Flächen mit Luzerne oder erfolg zu erfassen (vgl. Abb. 4a–c). anderem Grünland und in Wegen beziehungs- Die Luzerne erreichte – bei meist einheitli- weise anderen Randstrukturen insgesamt signi- chem Wuchs – einen Deckungsgrad von bis zu fikant mehr Beute gemacht, als im Hinblick auf 100%. Sie wurde im Untersuchungszeitraum die Flächenanteile zu erwarten war, in den übri- zweimal geschnitten, der Boden lag auf den gen Flächen dagegen signifikant weniger [χ²- Feldern jedoch auch in geschnittenem Zustand Test: χ² = 954,67; FG = 1; p < 0,001]. nicht vollständig offen. Die Jagdaktivität der Würden die Wiesenweihen andererseits die Wiesenweihen über den Luzerneflächen war meiste Beute in genau denjenigen Flächentypen am größten in der Zeit vom 17. – 28. Mai 2004, machen, die sie auch am stärksten zur Nah - als die Tiere insgesamt über die Hälfte ihrer rungssuche nutzen, dann sollte die Verteilung Jagdzeit dort verbrachten. Ein weiteres Maxi - der erfolgreichen Beutestöße auf die zehn mum der Jagdaktivität über Luzernefeldern Habitattypen in etwa der Verteilung der beob- verzeichnete ich in der Zeit vom 6. – 18. Juli achteten Jagdflugzeit entsprechen. Die tatsächli- 2004. Beide Spitzen lagen während beziehungs- che Verteilung der erfolgreichen Beutestöße war weise kurz nach den Schnittterminen, als die jedoch auch signifikant verschieden von der Bodenbedeckung auf den Feldern deutlich ver- Verteilung, die sich ergab, wenn die Jagdflug- ringert war. In allen übrigen Wochen verbrach- zeiten zugrunde gelegt wurden [χ²-Test: χ² = ten die Wiesenweihen weniger als ein Zehntel 51,80; FG = 9; p < 0,001 (Abb. 2)]. In Luzerne- ihrer Jagdzeit über Flächen mit Luzerne. Den und Grünlandflächen sowie Wegen und Rand- größten Anteil erfolgreicher Beutestöße der strukturen beobachtete ich nämlich mehr erfolg- Wiesenweihen in den Luzernefeldern verzeich- reiche Beutestöße als erwartet, in den Acker- nete ich mit über 90% in der Woche des ersten flächen dagegen weniger [χ²-Test: χ² = 25,62; Schnitts (17. – 23. Mai 2004). Ein zweites FG = 9; p = 0,102]. Maximum beobachtete ich nach dem zweiten Der durchschnittliche Jagdertrag (Abb. 3) Schnitt, als immerhin noch die Hälfte der war am größten in den nicht einheitlich be - gesamten Beute aus Luzernefeldern stammte. wachsenen Grünlandflächen (5,8 ± 5,8 Beute - Dagegen machten die Wiesenweihen während stücke je Stunde Jagdzeit), danach folgten die des gesamten Juni und ebenso in den letzten reinen Luzernefelder (3,7 ± 5,9 Beutestücke) beiden Juliwochen überhaupt keine Beute in und die Areale mit Wintergerste (2,8 ± 5,0). diesen Feldern (vgl. Abb. 4a). Auf den übrigen Grünlandflächen war der Zeitliche Änderungen von Jagdflugaktivität Bewuchs weniger einheitlich als bei den reinen und Jagderfolg. Für die Flächen mit Luzerne, Luzernefeldern, sodass die Bodenbedeckung Grünland und Wintergerste, die im Unter- mit maximal 80% etwas geringer blieb. Dafür suchungszeitraum geschnitten wurden, unter- verringerte sie sich nach dem Schnitt, der in der suchte ich, wie sich die Nutzungsintensität und Untersuchungsperiode nur einmal stattfand, der Jagderfolg im Laufe der Zeit änderten. Dazu auch lediglich auf 60%. Über diesen Grünland - ermittelte ich für jede Untersuchungswoche den flächen verbrachten die Wiesenweihen während Anteil an der gesamten Jagdflugzeit, der über der zwei Wochen vom 7. – 20. Juni 2004 die dem jeweiligen Typ aufgewendet wurde bzw. meis te Zeit bei der Jagd, also bereits vor der den Anteil an der gesamten Beute, der aus den Mahd dieser Flächen. Eine Woche nach dem jeweiligen Flächen stammte. Für die Berech- Schnitt verzeichnete ich ein weiteres Maximum nung der Beuteanteile verwendete ich dabei nur der Jagdaktivität, während die Wiesenweihen Werte für die Wochen, in denen ich mindestens zum Schnittzeitpunkt selbst etwas weniger Zeit fünf erfolgreiche Beutestöße beobachtet hatte. über Grünland jagten. Dabei machten die Dadurch sollte erreicht werden, dass einzelne Wiesen weihen während der letzten Maiwoche Kracher, Barbara: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion 59

a) Luzerne Lucerne 100% 1. Schnitt 90% 1st cut

80%

70%

60% 2. Schnitt 50% 2nd cut

40% Bodenbedeckungsgrad vegetative cover 30% Beuteanteile 20% percentage of prey Flugzeitanteile 10% percentage of hunting time 0% 11.05- 17.05- 24.05- 01.06- 07.06- 14.06- 21.06- 28.06- 05.07- 12.07- 19.07- 26.07- 16.05 23.05 28.05 06.06 13.06 20.06 24.06 04.07 11.07 18.07 25.07 30.07

b) Grünland sonst Grassland 100%

90%

80% Schnitt cut 70%

60%

50%

40% Bodenbedeckungsgrad vegetative cover 30% Beuteanteile 20% percentage of prey Flugzeitanteile 10% percentage of hunting time 0% 11.05- 17.05- 24.05- 01.06- 07.06- 14.06- 21.06- 28.06- 05.07- 12.07- 19.07- 26.07- 16.05 23.05 28.05 06.06 13.06 20.06 24.06 04.07 11.07 18.07 25.07 30.07

c) Wintergerste Winter barley 100%

90%

80%

70%

60% Drusch 50% threshing

40% Bodenbedeckungsgrad vegetative cover 30% Beuteanteile 20% percentage of prey

10% Flugzeitanteile percentage of hunting time 0% 11.05- 17.05- 24.05- 01.06- 07.06- 14.06- 21.06- 28.06- 05.07- 12.07- 19.07- 26.07- 16.05 23.05 28.05 06.06 13.06 20.06 24.06 04.07 11.07 18.07 25.07 30.07

Abb. 4. Änderungen der Jagdflugzeitanteile der Wiesenweihen und der Anteile erfolgreicher Beutestöße im Verlauf des Untersuchungszeitraumes für Flächen mit Luzerne (a), gemischtem Grünland (b) und Wintergerste (c), jeweils dargestellt im Vergleich mit der Entwicklung der Bodenbedeckung auf diesen Feldern; die Pfeilspitzen markieren den Zeitpunkt der Mahd/Drusch der entsprechenden Felder. – Fig. 4. Changes in the per- centage of foraging flight periods and caught prey of the Montagu’s Harriers during the observation period in plots with lucerne (a), grassland (b) and winter barley (c), in each case compared with the changes in the percentage of vegetation cover density; arrowheads mark the date of mowing/threshing on the respective plots. 60 Ornithol. Anz., 47, 2008

4 ungeschnitten Abb. 5. Vergleich der Jagdaktivität der before cutting Wiesenweihen (angegeben als min beobach- 3,5 * geschnitten teter Jagdflug je h Beobachtungszeit) über after cutting Flächen mit Luzerne, Grünland und 3 Wintergerste in ungeschnittenem Zustand und nach dem Mähen/Dreschen der Felder. 2,5 – Fig. 5. Comparison of the hunting activity of Montagu’s Harriers (specified as min observed 2 hunting time per h of observation) over plots with lucerne, grassland and winter barley before and 1,5 after mowing/threshing. relative hunting time

relative Jagdzeit [min/h] 1 *

0,5

0 Luz Gr Wg

30 ungeschnitten Abb. 6. Vergleich des Jagdertrages der before cutting Wiesenweihen (pro h beobachteter Jagdzeit) 25 geschnitten in Flächen mit Luzerne, Grünland und after cutting Wintergerste einmal in ungeschnittenem Zustand und dann nach dem

] 20 Mähen/Dreschen der Felder. – Fig. 6. -1 Comparison of the hunting-yield of Montagu’s Harriers (per h of observed hunting time) in plots 15 with lucerne, grassland and winter barley before and after mowing/threshing. hunting yield

Jagdertrag [h 10

5

0 Luz Gr Wg und einer weiteren Woche gegen Ende Juni jeder Woche weniger als ein Zehntel ihrer mehr als drei Viertel ihrer gesamten Beute in Jagdzeit über den mit Gerste bestandenen den Grün landflächen (vgl. Abb. 4b). Flächen. Auch einen nennenswerten Teil ihrer Die Wintergerstenfelder zeichneten sich von Beute machten die Wiesenweihen in den Beginn der Untersuchung an durch eine sehr Feldern mit Wintergerste erst ab Anfang Juli. dichte Bodenbedeckung aus. Da die Winter - Den größten Anteil, von mehr als einem Drittel gerste noch während meiner Untersuchungszeit der gesamten Beute, verzeichnete ich mit geerntet wurde, nahm die Bodendeckung zum Beginn der Ernte in der vorletzten Unter - Ende der Untersuchungsperiode stark ab. Über suchungs woche. Die Gerstenfelder waren den Gerstenfeldern erreichte die Jagdaktivität damit zu keinem Zeitpunkt das wichtigste der Wiesenweihen dementsprechend ihr Maxi- Nahrungshabitat der Wiesenweihen, während mum mit Beginn der Ernte in der vorletzten sieben der acht Wochen vor Beginn der Ernte Woche des Untersuchungszeitraumes. Ein registrierte ich dort keinen erfolgreichen erster Gipfel der Jagdaktivität zeigte sich zuvor Beutestoß (vgl. Abb. 4c). bereits in der Woche vom 28. Juni – 4. Juli 2004, in der ein einzelner Gerstenschlag bereits teil- Einfluss des Schnittzustandes der Felder auf weise als Silage geschnitten worden war. Bis zu Jagdaktivität und -erfolg. Im Hinblick auf die diesem Zeitpunkt verbrachten die Weihen in relative Jagdflugzeit zeigten die Wiesenweihen Kracher, Barbara: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion 61 sowohl über Flächen mit Luzerne als auch über meis te Fläche einnehmen, wurden nur in sehr Gerstenfeldern in geschnittenem Zustand eine geringem Umfang genutzt. Diese Beobach - signifikant größere Aktivität [Luz: Wilcoxon- tungen entsprechen den Ergebnissen anderer Test: W = -21,0; p = 0,031; Wg: gepaarter t-Test: Untersuchungen zur Wahl des Jagdhabitats bei t = -4,852; FG = 6; p = 0,003] als in ungeschnitte- der Wiesenweihe (Schipper 1977, Clemens 1993, nem Zustand (Abb. 5). Zwischen erstem und de Voogd 2004). zweitem Schnitt bestand für die Luzerneflächen Die beobachteten Präferenzen hängen dabei jedoch kein signifikanter Unterschied hinsicht- mit dem unterschiedlich hohen Jagdertrag in lich der Jagdaktivität [Wilcoxon-Test: W = -3,0; den verschiedenen Habitattypen zusammen. p = 0,844], wenngleich sie nach dem ersten Dementsprechend machten die Wiesenweihen Mähen (1,43 ± 2,87 min/h) etwas größer war als beispielsweise ungeachtet der geringen nach dem zweiten (0,90 ± 1,53 min/h). Der Flächen anteile auch einen Großteil ihrer Beute Jagdertrag war für die Flächen mit Luzerne und gerade in Luzerne- und Grünlandflächen. Wintergerste tendenziell in geschnittenem Zusammenfassend lässt sich diesbezüglich Zustand ebenfalls höher als vor dem Schnitt sagen, dass die Wiesenweihen erwartungsge- (Abb. 6), ein signifikanter Unterschied lag mäß diejenigen Habitattypen am stärksten zur jedoch in beiden Fällen nicht vor [Luz: Jagd nutzten, wo der Jagdertrag am größten Wilcoxon-Test: W = -3,0; p = 0,500; Wg: gepaar- war (vgl. Wakeley 1978b, Stephens & Krebs ter t-Test: t = -0,417; FG = 6; p = 0,691]. Über den 1986, Thirgood et al. 2003). übrigen Grünlandflächen ergab sich bereits hin- sichtlich der Jagdaktivität kein statistisch signi- Die Rolle der Feldmäuse. Eine Erklärung für fikanter Unterschied [gepaarter t-Test: t = 0,637; den unterschiedlichen Jagderfolg und damit für FG = 7; p = 0,544], wenngleich sie direkt nach die Präferenzen der Wiesenweihen hinsichtlich dem Mähen etwas größer war (Abb. 5). Der des Nahrungshabitats könnten Unterschiede in Jagdertrag hingegen stieg nach der Mahd über- der Beutedichte zwischen den verschiedenen haupt nicht an [gepaarter t-Test: t = 0,106; Flächentypen sein. Das wichtigste Beutetier der FG = 5; p = 0,920] (Abb. 6). Wiesenweihe ist dabei in vielen Verbreitungs - gebieten, so vermutlich auch in Mainfranken, die Feldmaus Microtus arvalis (vgl. Butet & Diskussion Leroux 2001, Koks et al. 2001, Götz 2002, Hölker & Wagner 2006). Unterschiede in der Popu - Bevorzugtes Jagdhabitat: Grünland, Luzerne, lationsdichte der Feldmäuse zwischen den Wege. Die Theorie des optimalen Nahrungs - Flächentypen können deshalb die Stärke der erwerbs sagt voraus, dass sich mobile Beute- Jagdaktivität der Wiesenweihen beeinflussen. In greifer, wie beispielsweise Wiesenweihen, in den unterschiedlichen Grünlandflächen ist die einem heterogenen Lebensraum bei der Jagd durchschnittliche Feldmausdichte dabei größer nicht zufällig verteilen sollten, sondern bevor- als in Flächen mit Getreide und Hackfrüchten. zugt solche Habitattypen nutzen, in denen der Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass Netto-Energiegewinn am größten ist (Stephens Getreide und Hackfrüchte nach der Ernte bezie- & Krebs 1986). In Übereinstimmung mit dieser hungsweise vor der Aussaat umgebrochen wer- Theorie stellte ich bei meiner Untersuchung den, sodass dort keine permanenten Feldmaus - fest, dass die beobachtete Verteilung von populationen entstehen können (vgl. Butet & Jagdzeit und Beutestößen auf die zehn Flächen- Leroux 2001). Weg- und Straßenränder sowie typen nicht zufällig war. unbefestigte Feldwege stellen ebenfalls einen So jagten die Wiesenweihen während mei- geeigneten Lebensraum für Feldmäuse dar ner Untersuchung insgesamt am längsten über (Bellamy et al. 2000, Tattersall et al. 2002). Sie Wegen und Wegrändern, die den geringsten können den Kleinsäugern zusätzlich als Flächenanteil aller zehn klassifizierten Habitat- Verbreitungskorridore (Huitu et al. 2003) und in typen aufwiesen. Eine deutlich stärkere der Umgebung von häufiger bearbeiteten Nutzung als erwartet ergab sich außerdem für Feldern auch als Rückzugs räume während der Luzerne- und Grünlandflächen. Getreidefelder, Bearbeitung dienen (Boye 2003). Darüber hin- vor allem Winterweizen, Mais und Hackfrüchte aus finden die Feldmäuse in Grünlandflächen hingegen, die im Untersuchungsgebiet die und an Wegrändern ein vielseitigeres Nah - 62 Ornithol. Anz., 47, 2008 rungs angebot, da dort verschiedene Wild - erreichte nur geringere Werte. Deshalb stellen kräuter vorkommen können, die in den intensiv diese gemischten Grünlandflächen selbst in genutzten Ackerflächen nicht mehr anzutreffen ungemähtem Zustand ein gutes Jagdhabitat dar. sind (Ellenbroek et al. 1998, Bellamy 2000, Boye So fand auch Clemens (1993) in Schleswig- 2003). Holstein, dass auf Ackerbrachen trotz zuneh- mender Vegetationshöhe die Nutzung durch Von entscheidender Bedeutung: Die Vege- Wiesenweihen zunahm und begründete dies tations struktur. Für die Habitattypen Luzerne damit, dass keine dicht geschlossene Vege- und Wintergerste stellte ich weiterhin fest, dass tations schicht vorlag. die Nutzung durch die Wiesenweihen und die Höhe des Jagderfolges in engem Zusammen- hang mit der Vegetationsstruktur dieser Felder Schlussfolgerungen für den praktischen stand. So war die relative Jagdflugzeit über den Wiesenweihenschutz abgeernteten Gerstenfeldern und gemähten Luzerneflächen, wie für Luzernefelder auch Diese Studie unterstreicht, dass der entscheiden- von de Voogd (2004) beschrieben, signifikant de Faktor für die Eignung einer Fläche als höher als vor der Bearbeitung. Ähnliches wurde Nahrungsfläche der Wiesenweihe die Struktur auch bei Wiesenweihen in Spanien beobachtet, der Vegetation ist. Die Wiesenweihe ist auf die einheitlich hohe und dichte Vegetation bei Flächen angewiesen, auf denen die Beute gut der Jagd mieden (Martínez et al. 1999). Der zugänglich ist. Diese Anforderungen werden im Jagdertrag nahm nach der Bearbeitung eben- mainfränkischen Wiesenweihengebiet am besten falls etwas zu. Außerdem konnte in sehr dichter von Luzerne- und Grünlandflächen sowie Weg- Vegetation (Bedeckungsgrad = 100%) im Laufe rän dern und unbefestigten Feld wegen erfüllt. meiner Untersuchung auch keine einzige Wichtig sind dabei insbesondere extensiv Wiesenweihe erfolgreich Beute schlagen. genutzte Grünland- und Stilllegungsflächen, Der Grund für die Schwankungen von die aufgrund ihres uneinheitlichen, teilweise Jagdaktivität und -erfolg liegt darin, dass die lockeren Bewuchses anders als Luzernefelder Beute in hoher und dichter Vegetation nur sehr über den gesamten Brutzeitraum eine gute schlecht für visuell orientierende und von oben Erreich barkeit der Beutetiere ermöglichen. herabstoßende Prädatoren zugänglich ist Dabei können sich permanente Feldmaus popu - (Bechard 1982, Wakeley 1978a, Preston 1990). lationen, die eine ausreichend hohe Beutedichte Die Bearbeitung verringert schlagartig die Höhe längerfristig sicherstellen, aber nur in solchen und Dichte der Vegetation auf den geschnitte- Flächen entwickeln, die über mehrere Jahre als nen Feldern, sodass potenzielle Beutetiere für Grün landflächen oder Stilllegungen erhalten die Wiesenweihen danach sehr viel leichter bleiben und in dieser Zeit lediglich, geschnitten zugänglich sind. Verschiedene Untersuchungen aber nicht umgebrochen werden (Butet & zeigen zudem, dass die Beutedichte in den Leroux 2001). Ein im Hinblick auf die abgeernteten Flächen nicht außergewöhnlich Nahrungsflächen adäquates Management muss groß ist (Preston 1990). Der Anstieg des also gewährleisten, dass sowohl Luzernefelder Jagderfolgs ist daher vermutlich vor allem der als auch Grünland- und besonders Stilllegungs- besseren Zugänglichkeit der Beute zuzuschrei- flächen erhalten oder geschaffen werden. Dies ben und könnte unmittelbar nach der Mahd, sollte bei Belastungen für die Landnutzer auch wie de Voogd (2004) ebenfalls vermutet, vor durch Entschädigungszahlungen sichergestellt allem auch durch getötete oder verletzte werden, denn das Verschwinden der wenigen Feldmäuse zustande kommen. Luzerne- und Grünlandflächen könnte, wie Für die übrigen Grünlandflächen hingegen auch Butet & Leroux (2001) befürchten, einen war die relative Flugzeit in gemähten Flächen geringeren Bruterfolg der Wiesenweihen und nicht viel größer als in ungemähten, der damit langfristig eine Verschlechterung der Jagdertrag unterschied sich nicht. Dies liegt ver- Bestandssituation zur Folge haben. mutlich daran, dass diese Flächen keine einheit- Ergänzend zu den Luzerne- und Grünland- liche Vegetationshöhe aufwiesen, weil dort ver- flächen müssen unbedingt Graswege, breite schiedene, unterschiedlich hohe Gräser und Wegränder und Ackerrandstreifen in ausrei- Kräuter wuchsen. Auch die Bodenbedeckung chendem Umfang als Jagdhabitate erhalten Kracher, Barbara: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion 63 oder geschaffen werden. Denn sie tragen nicht habitatwahl wie auch die Entwicklung der nur zu einer Bestandssicherung wichtiger potenziellen Beutepopulationen über einen Beutetiere bei, sondern bilden für die Jagdflüge Zeitraum von mehreren Jahren weiterverfolgt der Wiesenweihen auch eine bereits zur Jagd werden, um festzustellen, wie sich beispielswei- nutzbare Verbindung vom Horst zu den übri- se die zyklischen Populationsschwankungen gen Nahrungsflächen bzw. zwischen den ein- der Feldmäuse (vgl. Butet & Leroux 2001, Huitu zelnen Flächen (Schipper 1977, Clemens 1993) et al. 2003, Hölker & Wagner 2006) auswirken. und besitzen damit eine weitere entscheidende Diese weiteren Erkenntnisse sind für die erfolg- Bedeutung als Jagdhabitat. Eine Vergrößerung reiche Planung zukünftiger Schutzmaßnahmen der einzelnen Anbauflächen im Zuge einer von großer Bedeutung. Doch schon jetzt kann rationelleren Landbewirtschaftung, der Wege durch ein gezieltes Management einzelner und Randstreifen zum Opfer fallen würden, Flächen die Attraktivität der mainfränkischen könnte eine deutliche Einschränkung geeigne- Agrarlandschaft als Lebensraum für die ter Jagdhabitate zur Folge haben und sollte des- Wiesenweihe erhalten werden und so das Über- halb durch die Einrichtung geeigneter leben dieses seltenen Greifvogels in Deutsch- Stilllegungsflächen ausgeglichen werden. land effektiv gesichert werden. Solche Ausgleichsflächen können so in der Feldflur angelegt werden, dass sie einer ratio- nellen Bewirtschaftung nicht im Wege stehen Zusammenfassung (A. Pille mündl.). Da sich die Weibchen bei der Nahrungs - In der vorliegenden Arbeit untersuchte ich, in suche auf die nähere Umgebung des Horstes welchem Umfang die Wiesenweihen die in der beschränken (vgl. Schipper 1977, Clemens Agrarlandschaft Mainfrankens vorkommenden 1993), ist beim Management der Nahrungs - Habitattypen zur Jagd nutzen und wie groß der flächen weiterhin entscheidend, dass diese auch Jagderfolg in den unterschiedlichen Habitaten nahe der Brutplätze zu finden sind. Ein Mangel ist. Zu diesem Zweck zeichnete ich während der an geeigneten Flächen in Horstnähe könnte den Brutsaison des Jahres 2004 alle Jagdflüge von Bruterfolg negativ beeinflussen, da sich auch Wiesenweihen auf, die ich in einem ungefähr die Weibchen dann weiter vom Horst entfernen 3.900 ha großen Untersuchungsareal beobach- müssten, um zu jagen. Dadurch steigt einerseits ten konnte. für beide Altvögel die aufgewendete Zeit und Ich stellte fest, dass die Wiesenweihen vor- Energie im Verhältnis zum Jagdertrag. Anderer- wiegend an Wegrändern und unbefestigten seits sinkt mit zunehmender Entfernung der Feldwegen sowie über Flächen mit Luzerne oder Nahrungsareale vom Horst die Wahrschein- anderem Grünland jagten. In diesen drei Habitat- lichkeit, dass potenzielle Horsträuber wie z. B. typen war zugleich der Jagdertrag der Wiesen - Marder, Rohrweihen oder Krähen von den weihen am größten. Die Luzerneflächen wurden Altvögeln rechtzeitig entdeckt und abgewehrt dabei fast ausschließlich kurz nach der Mahd werden können. Deshalb sollte gerade in genutzt. In dieser Zeit war die Boden bedeckung Bereichen, in denen viel Wintergetreide, beson- der Flächen nur sehr gering und deshalb poten- ders Roggen oder Gerste, angebaut wird, auf tielle Beute für die Wiesenweihen leichter das Vorhandensein von Randstreifen und klei- zugäng lich. Für die übrigen Grün landflächen nen Stilllegungs- oder Grünlandflächen geach- verzeichnete ich hingegen die stärkste Nutzung tet werden. bereits vor der Mahd und stellte auch hinsichtlich Um die Bedeutung verschiedener Flächen des Jagderfolges keine Unterschiede im Zusam - als Nahrungshabitate für die Wiesenweihen menhang mit der Mahd fest, da diese Flächen noch besser einschätzen zu können, sind jedoch aufgrund ihrer uneinheitlichen Vegetations- noch weitere Untersuchungen nötig. So ist es struktur auch in aufgewachsenem Zustand von entscheidender Bedeutung, umfassende zumindest stellenweise einen vergleichsweise und detaillierte Untersuchungen zur allgemei- niedrigen Deckungsgrad aufwiesen. Weiterhin nen Nahrungssituation in der Region und wurden in gewissem Umfang auch Winter - besonders zu den Unterschieden in der Beute - gerstenfelder zur Jagd genutzt, allerdings erst dichte zwischen den verschiedenen Habitaten nach dem Dreschen, weil dann potenzielle Beute durchzuführen. Außerdem sollte die Nahrungs - ebenfalls relativ leicht zu erreichen war. 64 Ornithol. Anz., 47, 2008

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zei- ern Franch wetlands. Biological Conser- gen, dass auch in Zukunft genügend Luzerne- vation 100: 289-295. und Grünlandflächen ebenso wie unbefestigte Clemens, C. (1993) Untersuchungen zur Feldwege, ausreichend breite Wegränder und Biologie und Habitatwahl der Wiesenweihe Ackerrandstreifen erhalten werden müssen, um in Schleswig-Holstein. Diplomarbeit, Chris- das Überleben der Wiesenweihen in Main - tian-Albrechts-Universität, Kiel. franken zu gewährleisten. Ein ausreichendes Clarke, R. (1996): The Montagu´s Harrier. Arle- Nahrungs angebot kann nicht sichergestellt wer- quin Press, Chelmsford den, wenn ausschließlich Ackerflächen als Ellenbroek, F., J. Buys & E. Oosterfeld (1998): Jagdhabitat zur Verfügung stehen. Nature-oriented management of set-aside land: do mammals benefit? Lutra 40: 41-56. Dank. Mein Dank gilt insbesondere Alf Pille, Ferguson-Lees, J. & D.A. Christie (2001): dem Gebietsbetreuer des Landesbundes für Raptors of the world. Christopher Helm, Vogelschutz in Bayern e. V. (LBV) für die Agrar- London. landschaft Mainfranken, der mir die Durch- Glutz von Blotzheim, U.N., K.M. Bauer & E. führung dieser Arbeit überhaupt ermöglichte Bezzel (1971): Handbuch der Vögel und mir half, Kontakt zu den Verantwortlichen Mitteleuropas. Bd. 4 Falconiformes. Akad. vor Ort und bei den Behörden herzustellen. Verlagsgesellschaft, Frankfurt/Main. Außerdem möchte ich auch Claudia Pürck - Götz, S. (2002): Brut- und Ernährungsbiologie hauer, der Koordinatorin des Artenhilfs pro - der Wiesenweihe Circus pygargus in den grammes „Wiesenweihe“ in Mainfranken, und Mainfränkischen Platten. Ornithol. Anz. 41: Ralf Krüger von der Arbeitsgruppe Wiesen - 93-108. weihenschutz Mainfranken für ihre Unter- Hölker, M. (1999): Zur Umsetzung der EU- stützung danken sowie dem Bayerischen Vogelschutzrichtlinie in Ackerbaugebieten. Landesamt für Umwelt für die Bereitstellung Schutz der Wiesenweihe Circus pygargus in der Luftbilder. Deutschland. Ber. Vogelschutz 37: 85-92. Hölker, M. & T. Wagner (2006): Nahrungs- ökologie der Wiesenweihe Circus pygargus in Literatur der ackerbaulich intensiv genutzten Arroyo, B., J. T. Garcia & V. Bretagnolle (2002): Feldlandschaft der Hellwegbörde, Nord - Conservation of Montagu´s Harrier Circus rhein-Westfalen. Vogelwelt 127: 37-50. pygargus in agricultural areas. Ornithol. Anz. Hormann, M. (2001): Vogelschutz und Land - 41: 119-134. nutzung: Landwirtschaft. In: Richarz, K., E. Bayerisches Landesvermessungsamt (1989): Bezzel & M. Hormann (Hrsg.): Taschenbuch Topografische Karte 1:25000, 6126 Dettel- für Vogelschutz. Aula-Verlag, Wiebelsheim, bach. pp. 179-214. Bechard, M.J. (1982): Effect of vegetative cover Huitu, O., K. Norrdahl & E. Korpimäki (2003): on foraging site selection by Swainson’s Landscape effects on temporal and spatial Hawk. Condor 84: 153-159. properties of vole population fluctuations. Bellamy, P.E., R.F. Shore, D. Ardeshir, J.R. Oecologia 135: 209-220. Treweek & T.H. Sparks (2000): Road verges Koks, B.J., K. van Scharenburg & E. Visser as habitat for small mammals in Britain. (2001): Grauwe Kiekendieven Circus pygar- Mammal Rev. 30: 131-139. gus in Nederland: balanceren tussen hoop Belting, C. & R.M. Krüger (2002): Populations- en vrees. Limosa 74: 121-136. entwicklung und Schutzstrategien für die Krogulec, J. (1997): Circus pygargus Montagu´s Wiesenweihe Circus pygargus in Bayern. Harrier. In: Hagemeijer, W.J.M. & M.J. Blair Ornithol. Anz. 41: 87-92. (eds.) The EBCC Atlas of European Breeding Boye, P. (2003): Nagetiere in der Agrarland- Birds: Their distribution and abundance. schaft. – Ökologie der Säugetiere. 1. Lauren - Poyser, London, pp. 150-151. ti-Verlag, Bielefeld. Krüger, R.M., H. Klein, E. Hoh & O. Leuchs Butet, A. & A.B.A. Leroux (2001): Effects of agri- (1999): Die Wiesenweihe Circus pygargus – culture development on vole dynamics and Brutvogel der Mainfränkischen Platten. conservation of Montagu`s harrier in west- Ornithol. Anz. 38: 1-9. Kracher, Barbara: Bedeutende Jagdhabitate der Wiesenweihe Circus pygargus in einer mitteleuropäischen Agrarregion 65

Martínez, J.A., G. López, F. Falcó, A. Campo & Stephens, D.W. & J.R. Krebs (1986): Foraging A. de laVega (1999): Hábitat de caza y nidifi- theory. Princeton University Press, Prince- cación del Aguilucho Cenizo Circus pygargus ton. en el Parque Natural de La Mata-Torrevieja Tattersall, F.H., D.W. MacDonald, B.J. Hart, P. (Alicante, SE de España): Efectos de la estru- Johnson, W. Manley & R. Feber (2002): Is cutra de la vegetación y de la densidad de habitat linearity important for small mam- presas. Ardeola 46: 205-212. mal communities on farmland? J. App. Ecol. Müller, J. (1996): Grundzüge der Naturgeo - 39: 643-652. graphie von Unterfranken. Gotha. Thirgood, S.J., S.M. Redpath & I.M. Graham Preston, C.R. (1990): Distribution of raptor for- (2003): What determines the foraging distri- aging in relation to prey biomass and habitat bution of raptors on heather moorland? structure. Condor 92: 107-112. Oikos 100: 15-24. Pürckhauer, C. (2004): Artenhilfsprogramm De Voogd, M. (2004): Hunting-yield and habi- Wie sen weihe (Circus pygargus) in Bayern tat-use in the Montagu´s Harrier. MSc thesis, Jahresbericht 2004. Im Auftrag des Rijksuniversiteit Groningen, Groningen. Bayerischen Landesamtes für Umwelt- Wakeley, J.S. (1978a): Factors affecting the use of schutz. hunting sites by Ferruginous Hawks. Rattinger, K. (2002): Vorschläge für die Erarbei - Condor 80: 316-326. tung eines Bewertungsschlüssels für agra- Wakeley, J.S. (1978b): Hunting methods and fac- risch geprägte Lebensräume der Wiesen - tors affecting their use by Ferruginous weihe Circus pygargus. Ornithol. Anz. 41: Hawks. Condor 80: 327-333. 135-142. Sachs, L. (2002): Angewandte Statistik. Springer. Eingereicht am 11. Januar 2008 Schipper, W.J.A. (1977): Hunting in three Revidierte Fassung eingereicht am 22. April 2008 European Harriers (Circus) during the Angenommen am 28. April 2008 breed ing season. Ardea 65: 53-72.

Barbara Kracher, Jg. 1980, Studium der Biologie, Hauptfach Zoologie. Ornithologische Interessen: Greifvögel (Praktikum im Steinad lerprojekt am Nationalpark Berchtes gaden, Diplomarbeit zur Jagdhabitatnutzung der Wiesenweihe). Zurzeit Promotion an der Universität Ulm (Modellierung von Signalnetz werken in der Entwicklungsbiologie). 66 Ornithol. Anz., 47, 2008

Ornithol. Anz., 47: 66–76

Lokal hohe Siedlungsdichte des Neuntöters Lanius collurio im Ammersee-Gebiet

Ursula Wink

High local density of a population of the Red-backed Shrike Lanius collurio in the region of the Ammersee The lake known as the Ammersee lies to southwest of Munich in Upper Bavaria. Between 2002 and 2007 the territories of breeding pairs of the Red-backed Shrike were studied in two areas to south of the lake, each of 15 km2. One study area lay on the moraines and the other on the plain. Over the six years on average, 68 territories were found in the two areas combined, with a maximum of 81 territories in 2005 (Table 3). Numbers and density of territories on the hills (average 51 territo- ries/15 km2) and in the plain (average only 16 territories/15 km2) differed markedly. Correlations were found between population density and habitat structure. The main factor influencing the more than three times higher density on the hills was the plentiful availability of potential nest sites in spiny shrubs such as blackthorn, hawthorn, and dog rose. The prevalence of pastures grazed by cattle was also important for feeding, especially in periods of wet weather. The high density of the population of Lanius collurio on the hills south-west of lake Ammersee is only local. In the border- ing regions the scarcity of hedges limits density. A high density population can only survive if the structure of the habitat is maintained. Key words: Red-backed Shrike, Lanius collurio, breeding density, Lake Ammersee Dr. Ursula Wink, Ertlmühle 2, D-82399 Raisting E-Mail: [email protected] Wink, Ursula: Lokal hohe Siedlungsdichte des Neuntöters Lanius collurio im Ammersee-Gebiet 67

Einleitung auf die besiedelte Fläche bezogen, deren Eckpunkte durch Reviere festgelegt wurden. Großräumig betrachtet, ist der Neuntöter im Um die Bedeutung geeigneter Nisthecken zu Ammersee-Gebiet nicht allzu häufig. Rund um zeigen, wurden 2005 und 2007 auch die angren- den See wurden jährlich nur einzelne Bruten zenden heckenarmen Gebiete abgesucht, aller- bekannt (Strehlow 1982 und 2000–2006). Bei dings nur mit 1 bis 2 Kontrollen Anfang Juli. meinen Streifzügen fiel mir dagegen eine hohe Die Flächengröße wurde mit einem Siedlungsdichte an den Südwest-Moränen auf. Programm einer CD-Top 50 Karte Bayern Süd 1999 begann ich mit gezieltem Suchen im berechnet, die Overlays ebenfalls auf dieser südlichen Ammersee-Gebiet. Dabei überrasch- angefertigt und die Veröffentlichung vom ten die großen Unterschiede in der Besiedlung Bayerischen Vermessungsamt genehmigt. von der Ebene und den Hängen. Als Neuntöter- (DTK50 © Landesamt für Vermessung und Biotope zählen offene Landschaften mit ab- Geoinformation Bayern, Nr 2897/07). wechslungsreichem Heckenbestand. Dorn- sträucher zum Nisten, Einzel-Büsche und -Bäume als Sitzwarten und ein gutes Nahrungs- Untersuchungsgebiet angebot an überwiegend Großinsekten auf grö- ßeren kurzrasigen Flächen gelten als Voraus - Geografische Lage. Der Ammersee liegt in der setzung (Bezzel et al. 2005). Moränenlandschaft südwestlich von München. Das Zusammenspiel dieser Faktoren soll in Das Untersuchungsgebiet (UG) befindet sich dieser Arbeit aufgezeigt werden. Betrachtet auf den Topografischen Karten TK 8032 Dießen wurde das unterschiedliche Heckenangebot im und TK 8132 Weilheim i. Obb. Die Ebene süd- Zusammenhang mit der Art der Böden. Die lich des Ammersees liegt auf einer Höhe von Bedeutung von Nistmöglichkeiten und guter 533 m ü. NN am See und steigt unmerklich bis Erreichbarkeit der Nahrung in Abhängigkeit auf 550 m ü. NN im Weilheimer Moos an. Nach von der Beweidung soll hervorgehoben wer- Westen hin erheben sich die Moränen-Hänge den. über zwei Terrassen bis auf 700 m ü. NN. Im UG liegen die Bereiche im Norden zwischen 550 m ü. NN in Dießen und 650 m ü. NN in Bischofs- Material und Methode ried. Bei 650 m steigen die Terrassen nochmals steil an, so dass hier die Bewaldung beginnt. Im Von 2002 bis 2007 wurden quantitative Erhe- Süden reichen die Wiesen bis 720 m ü. NN bei bungen durchgeführt. Da mir zu dieser Zeit die Wessobrunn. meisten potenziellen Reviere bekannt waren, dürfte eine vollständige Erfassung gewährleis - Klimatische Einflüsse. Das Klima im tet sein. Alle Daten stammen aus eigenen Beob - Ammersee-Gebiet wird durch die Nähe zu den achtungen. Gewählt wurden gleich große nur 30 km entfernten Alpen stark beeinflusst. Untersuchungsflächen von je 15 km² in der Hier stauen sich im Sommer die Regenwolken, Ebene südlich des Ammersees und an den sodass es tagelang nass und kalt werden kann. Südwesthängen. Jedes Jahr wurden mindestens Abrupte Temperaturstürze sind im Gebiet nicht drei Kontrollen von Ende April bis Mitte Juli selten. durchgeführt: Die erste Ende April bis Anfang Die Wetterbedingungen waren in allen Juni, die zweite bis Mitte Juni, die dritte bis Unter suchungsjahren unterschiedlich. 2002 war Mitte Juli. Die Wertung geschah nach den es schon ab Mitte April sonnig und trocken, Methodenstandards in Südbeck et al. (2005). Als ebenso im Juni und Juli. Im Untersuchungs - Reviere gezählt wurden alle Plätze mit revieran- zeitraum gab es zwei heiße Sommer: 2003 und zeigenden , sobald diese ab Juni mindestens 2006 war es im Juni und Juli warm und trocken. zweimal angetroffen wurden. Als nicht besetzt Überwiegend verregnet und kühl waren dage- wurde ein (von früher bekanntes) Revier gewer- gen die Sommer in den Jahren 2004, 2005 und tet, wenn nach einer halbstündigen Wartezeit 2007 (Tab. 1). Alle Daten stammen aus eigenen bei wiederholten Kontrollen kein Neuntöter Messungen vor Ort in Raisting. 2002 wurde das aufgetaucht war. Die Siedlungsdichte wurde Wetter nicht fortlaufend aufgezeichnet. 68 Ornithol. Anz., 47, 2008

2003 2004 2005 2006 2007 Tab. 1. Klimatische Bedingungen und < Juni Juli Juni Juli Juni Juli Juni Juli Juni Juli Tage = 15°C 0 0 11 4 5 4 2 0 1 4 Beginn der Heumahd. => Tage 30 °C 9 7 1 2 5 3 6 10 3 2 – Factors of climate and Tage mit Regen 11 11 14 20 11 16 5 6 14 13 beginning of making hay Heumahd Mai Mai 18. Juni 8. Juni 21.04. + 18.06.

Vegetation und landwirtschaftliche Nutzung. Euonymus europaeus, wenige Berberitzen Berberis Die Böden an den Südwest-Moränen sind leh- vulgaris und Heckenrosen Rosa spec. mig, feucht und schwer und eignen sich daher nicht zum Ackerbau. Felder gibt es nur auf Nahrungsangebot. Da das Grünland nicht mit einem Tuffvorkommen westlich Wengen und Pestiziden behandelt werden muss, ist Nahrung auf der Schotter-Ebene bei Raisting. Die Wiesen an Insekten reichlich vorhanden. Ab Mai ertönt blieben sogar in den Hitzesommern grün. überall das Gezirpe der Feldgrillen, im Sommer Intensiv genutzt werden sie nur in Hofnähe am kommen Heuschrecken hinzu. Für Käfer und Ziegelstadl und um Raisting auf der Hart und andere Insekten bieten die kurzrasigen Vieh- in den Raistinger Wiesen. Weiter entfernt von weiden mit ihrem Dung gute Lebens mög - den Dörfen wurden mit Aufkommen der lichkeiten. Vermutlich spielt der Zeitpunkt der Elektrozäune in den 1980er Jahren an den Heumahd eine Rolle für die Vermehrung der Hängen südwestlich Wengen und östlich Insekten. Wenn erst im Juni gemäht wird, sind Wessobrunn immer mehr Sommerweiden für die Heuschreckenkonzerte besonders intensiv. Rinder eingerichtet. Südlich Bischofsried bis zur Nachtweide, am Schatzberg-Ziegelstadel und bei Raisting entstanden auch ganzjährige Ergebnisse mit Diskussion Gehege für Galloway-Rinder, Damhirsche und Schafe und etliche Pferdekoppeln. Dadurch Nahrungserwerb. An den Hängen wird die bleiben durchgehend Bereiche kurzrasig. An gute Erreichbarkeit der Nahrung durch die den Hängen wurden auch bei der Flur - Nähe der Nisthecken zu den Viehweiden bereinigung Hecken aus Schlehdorn Prunus spi- gewährleistet. Die Zaunpfosten bieten ideale nosa, einzelnen Weißdornsträuchern Crataegus Ansitzmöglichkeiten. Die kurze Grasdecke spec. und Heckenrosen Rosa spec. stehen gelas- erleichtert an nassen Tagen die Bodenjagd. An sen. Diesen Umstand verdanken sie den zahlrei- warmen Sonnentagen sieht man den Neuntöter chen Gräben, die eine durchgehende Bewirt- nicht selten in den Wipfeln der Einzelbäume schaftung unmöglich machen. nach Insekten jagen. Die Bedeutung der In der Ebene ist die Situation anders. Beweidung zeigte sich 2004, als im Juni und Juli Südlich und östlich Raisting gibt es Äcker, die an 34 Tagen und 2005 und 2007 an 27 Tagen von Busch und Baum „befreit“ wurden. Die Regen fiel (Tab. 1). In einigen seit Jahren besetz- Wiesen in Ortsnähe werden intensiv gemäht ten Revieren am Schatzberg-West und auf der und gegüllt. In der Nähe der Filze wird extensiv Lichtenau waren die Rinderweiden verlegt oder gewirtschaftet, aber es gibt deutlich weniger aufgegeben worden, und die Neuntöter fehlten Viehweiden und Hecken als an den Hängen. Da ebenfalls. Es wurden aber einige hundert Meter Schlehen leicht basischen Boden brauchen, entfernt an neuen Weiden neue Reviere gefun- gedeihen sie nicht auf den sauren Nieder - den, da es an Hecken nicht mangelt. In der moorböden. Es stehen nur einzelne auf den flu- Ebene lagen die Brutplätze ebenfalls in der vio-glazialen Böden am Rande der Alten Nähe zu leicht erreichbarer Nahrung. Ammer und den Schotterböden südlich Raisting und den Ausläufern der Lichtenau Phänologie. Die meisten Neuntöter trafen im beim Schwattachfilz. Auf den ehemaligen Torf - UG bis Mitte Mai in den Revieren ein (Tab. 2). stichen entstanden Birkenfilze. Diese werden Dreimal konnte ich schon Ende April besetzte von Gebüschen aus Weiden Salix spec. gesäumt; Brutplätze feststellen: am 22. April 2004 süd- zwischendrin wachsen einzelne Holunder westlich vom Schatzberg, an demselben Platz Sambucus nigra, Weißdorne Crataegus sp., wieder am 27. April 2006. An diesem Tag saß Schneeball Viburnum opulus, Pfaffenhütchen auch 3 km entfernt beim Viehhaus ein im Wink, Ursula: Lokal hohe Siedlungsdichte des Neuntöters Lanius collurio im Ammersee-Gebiet 69

Brutrevier. 2007 traf bereits am 23. April ein Brutplatz. Die Nester wurden nicht speziell auf der Lichtenau ein. während der Brutzeit gesucht; einige aber im Mitte Juni waren dann meist alle Reviere Herbst zur Bestimmung der Nestabstände auf- besetzt. Da zu dieser Zeit schon mit Brüten gesucht. Einige lagen nur wenige 100 m vonein- begonnen worden war, wurden kaum gese- ander entfernt. Aus dem Revier-Verhalten der hen. Aber auch die die Neuntöter- verhielten konnte aber bereits zur Brutzeit auf den sich dann zeitweise wenig auffällig, riefen Brutplatz geschlossen werden. Bevorzugt wur- kaum und saßen nicht mehr frei sichtbar. Erst den die Nester in freistehenden Dornbüschen nach dem Schlüpfen der Jungen konnte man die oder kurzen Hecken gebaut. An den Hängen Brutpaare (BP) feststellen. Der Zeitpunkt fiel war das hauptsächlich in Schlehdorn, Weißdorn witterungsbedingt unterschiedlich aus. In den und Heckenrosen. Größere geschlossene warmen Sommern 2003 und 2006 konnten Hecken oder solche, die Waldrändern vorgela- bereits am 16. bzw. 13 Juni bettelnde Junge gert waren, wurden dagegen nicht besetzt. Am gehört werden, in den kühlen Sommern von Rande von Fichtenschonungen standen nur 2004 und 2005 dagegen erst am 23. bzw. 30 Juni. zwei, im geschlossenen Waldgebiet keine Die ersten flüggen Jungen wurden ab Nester, auch nicht am Rande von beweideten Anfang Juli beobachtet. Da es bei Kaltwetter- Waldwiesen. In der Ebene mag das Fehlen von Ein brüchen häufig zu Ersatzbruten kam, lagen Schlehdorn mit für die geringere Besiedlung die Schlüpftermine weit auseinander, und das verantwortlich sein. Flüggewerden konnte sich bis in den August hinein verzögern. Dann war es zeitlich nicht Reviertreue. Die meisten Brutplätze waren so möglich, in den entfernt liegenden Bereichen beliebt, dass sie Jahr für Jahr wieder besetzt alle Reviere in wenigen Tagen zu kontrollieren. waren. In den Wengener Krautgärten kenne ich ein Revier seit den 1980er Jahren. Ob es sich Bruterfolg. Die Erfassung der erfolgreichen BP dabei um dieselben Neuntöter oder deren gelang nicht immer vollständig, 2006 und 2007 Nachkommen handelte , kann natürlich nicht wurde nicht überall danach gesucht. Nur 2002, ohne individuelle Kennzeichnung gesagt wer- als die Jungen dank des trockenen Wetters im den. Bei beringten Neuntötern fanden Jakober Juni fast überall gleichzeitig um den 5. Juli & Stauber (1986), dass die Hälfte aller an den herum flügge wurden, dürfte die Erfassung Brutplatz zurückkehrten, von den dagegen nahezu vollzählig gewesen sein (Tab. 2). nur ein Viertel, was die Autoren als schwächere Der Einfluss von Feinden wie Rabenvögel, Ortsbindung ansehen. Im UG war der Wiesel usw., der bei der Jungenaufzucht zu Hauptgrund für die Aufgabe eines Reviers das erheblichen Verlusten führen kann, konnte im Abholzen einer Hecke und einer ganzen Rahmen dieser Arbeit nicht verfolgt werden. Schonung. In regenreichen Jahren spielte auch

Tab. 2. Brutzeitdaten, ( ) = nicht vollständig erfasst, BP = Brutpaare. – Data concerning the breeding season (first observation, juveniles, and successfully breeding pairs), ( ) not fully captured, BP = breeding pairs

2002 2003 2004 2005 2006 2007 Erstbeobachtung 08.05. 18.05. 22.04. 09.05. 27.04. 23.04.

Erste bettelnde 16.06. 23.06. 30.06. 13.06. 16.06. Junge

Erste flügge Junge Ab 05.07. 07.07. 05.07.– 08.07.– 02.07.– 30.06. überall 21.08. 29.07. August

Erfolgreiche BP 37 + 12 40 + (6) 46 + (8) (48 + 15) ( ) ( ) Hänge + Ebene

%-Anteil 91 + 85 88 + (47) 90 + (53) (80 + 78) erfolgreicher BP 70 Ornithol. Anz., 47, 2008 die Erreichbarkeit der Nahrung eine Rolle. War Reviere dicht beieinander. Die Anzahl der dann eine Rinderweide verlegt worden, wurde Reviere auf der Hart nahm seit 2002 bis 2006 umgezogen. Am häufigsten waren Revier- von 8 auf 15 zu, 2007 sank sie wieder auf 10. Wechsel in der Ebene. Da hier viel weniger Viehweiden bestehen, war die Abhängigkeit Lichtenau (2,5 km², Abb. 3). Die Lichtenau war vom Witterungsverlauf besonders ausgeprägt. ebenfalls gut besiedelt. Es gibt ein reiches Vorkommen an Hecken und Weiden, die durch kleine Waldstücke getrennt sind. Ein Revier Verbreitung befand sich am Rand einer Streuwiese. Alle Südwest-Moränen-Hänge (15 km²) anderen Brutplätze lagen in der Nähe zu Rinderweiden oder Pferdekoppeln. Die Anzahl Bischofsried-Süd (3 km², Abb. 1). In allen der Reviere schwankte zwischen 6 und 10. Jahren waren die Hänge südlich von Bischofs- ried bis zum Viehhaus gut besiedelt. Hier wer- Wessobrunn-Ost (3,3 km², Abb. 2). Der ganze den die Wiesen über natürliche Gräben entwäs- Hang östlich Wessobrunn wird gut beweidet sert, die von Laubbäumen und Büschen ge- und weist stellenweise ausreichend Hecken auf. säumt werden. Auch mittendrin stehen zahlrei- Der am stärksten besiedelte Bereich lag hier an che Schlehdornhecken. Dadurch ist eine groß- einem süd-exponierten Hang, der jedes Jahr flächige landwirtschaftliche Bearbeitung nicht von Kühen kurz abgegrast wurde und etliche möglich, und so wurden überall Tierweiden Heckenrosen- und Weißdornbüsche trägt. Hier eingerichtet, wovon ein Damhirsch- und ein brüteten entlang von 1 km Weg 5 Paare im Schafgehege durchgehend besetzt waren. Abstand von 150 bis 250 m. Am Gesamthang Rinderweiden oder Pferdekoppeln wurden betrug der Revier-Abstand durchschnittlich 320 dagegen öfter verlegt. Auf 3 km² gab es 8 bis 13 m. Der geringste Abstand zweier Nester betrug Reviere im Abstand von 160 bis 500 m, durch- 80 m. Mit 7 bis 12 Revieren glich die Besiedlung schnittlich 350 m. der im Bereich südlich Bischofsried und der auf der Hart. Das Vorkommen hat jedoch inselarti- Schatzberg (4 km², Abb. 1). Die Hänge südlich gen Charakter, da die umliegenden Wiesen Bischofsried sind über Neuntöter-Siedlungs- nördlich Wessobrunn bis Schellschwang und korridore mit den Bereichen am Schatzberg ver- östlich auf der Weilheimer Lichtenau kaum bunden, auch weiter hin zur Hart und bis zur Hecken tragen und entsprechend schwach Lichtenau. Nördlich vom Schatzberg (1 km²) besiedelt sind. gab es 2 bis 3 Reviere. Die Brutplätze lagen in der Nähe zu Äckern oder den Wengener Krautgärten beim Seehof. In den Gärten waren Ebene (15 km²) Bohnenstangen beliebte Sitzwarten. Einmal sah ich an Erbsenreisig aufgespießte kleine, junge Dießener Filze (0,7 km², Abb. 3). Das Filz Wühlmäuse. An den westlichen Ausläufern des besteht im nördlichen Bereich überwiegend aus Schatzbergs (1 km²) befinden sich etliche blumenreichen Streuwiesen, die erst im Pferdekoppeln und Rinderweiden. Hier gab es September gemäht werden. In diesem Teil fin- 5 feste Reviere. 2006 gingen drei verloren, eines det man nur selten Reviere. Die drei fast jährlich durch Abholzen der Schonung, zwei durch besetzten Brutplätze lagen im Südteil in der Aufgabe der Rinderweiden. An den östlichen Nähe zu einer Kuhweide, einem Gehege für Hängen (2 km²) suchten die Neuntöter die Nähe Ziegen und Esel und am Rand einer ständig zu einem Galloway-Gehege, einer Pferdekoppel gemähten Wiese. und einem großen Gemüsefeld. Die Anzahl der Reviere schwankte zwischen 5 und 10. Raistinger Wiesen (4,4 km², Abb. 3). Im nördli- chen Teil befinden sich ebenfalls geschützte Hart (2,2 km², Abb. 3). Auf der Hart stehen Streuwiesen. Diese werden gelegentlich zur zahlreiche Schlehenhecken, die zum Brüten Nahrungssuche beflogen, Bruten fanden hier bevorzugt wurden. Überall in erreichbarer nicht statt. Ein einziges Revier bestand in den Nähe befinden sich Kuhweiden. Beim Dam - südöstlichen Wirtschaftswiesen in der Nähe hirsch-Gehege der Ertlmühle gab es oft drei von Rinderweiden mit Hecken. Wink, Ursula: Lokal hohe Siedlungsdichte des Neuntöters Lanius collurio im Ammersee-Gebiet 71

Abb. 1. Lage der Revier- Zentren des Neuntöters Lanius collurio im Beobachtungszeitraum 2002-2007 (Punkte): Hänge Bischofsried-Süd und Schatzberg. – Territories of Red-backed Shrikes from 2002 to 2007 (dots): moraines Bischofsried-Süd and Schatzberg.

1 km

Abb. 2. Lage der Revier- 1 km Zentren des Neuntöters Lanius collurio im Beobachtungszeitraum 2002–2007 (Punkte): Hänge Wessobrunn. – Territories of Red-backed Shrikes from 2002 to 2007 (dots): moraines near Wessobrunn.

Untere Filze (2,5 km², Abb. 3). Das Kerngebiet es 1 bis 2 Reviere, die am Rande einer Galloway- der Filze besteht aus Birkenmoor-Restbe stän - oder Schaf-Weide lagen. den mit aufgelassenen Torfstichen. Umsäumt werden diese von lichten Büschen, dornentra- Obere Filze (4,4 km², Abb. 3). Diese Filze beste- gende Sträucher fehlen. In manchen Jahren gab hen ebenfalls aus Birkenwäldchen. Nur im 72 Ornithol. Anz., 47, 2008

was auf freistehende Büsche zurückzuführen ist. Da zeigt sich, dass günstige Nistmöglich - keiten von primärer Bedeutung sind.

Schwattachfilze (3 km², Abb. 3). Diese Filze weisen zusätzlich zu den Birkensümpfen Torfteiche und mehrere Streuwiesen auf. Hier zeigte die Besiedlung die größten Schwank- ungen von 4 bis 10 Revieren. In einem Schlehdorn-Busch an einem von Kühen abge- grasten Hügel stand jedes Jahr ein Nest. Beliebt waren auch Hecken in der Nähe des immer kurzrasigen Modellflugplatzes. Die anderen Wiesen wurden nie beweidet, nur des Öfteren gemäht.

Siedlungsdichte Bei der Berechnung der Siedlungsdichte wur- den alle besetzten Reviere berücksichtigt, auch wenn sie zu Nichtbrütern gehörten (Tab. 3). An den Hängen der Südwest-Moränen stieg die Siedlungsdichte von 2002 bis 2006 kontinu- ierlich von 2,6 auf 4,1 Reviere/km² an, 2007 sank sie wieder auf 3,5. In der Ebene lag sie zwi- schen 0,8 und 1,4 Reviere/km². Die Siedlungs - dichte ist damit an den Hängen mehr als drei- mal so hoch wie in der Ebene. Dieser Unter - schied ist eklatant. Das Klima scheidet als limi- tierender Faktor für die unterschiedliche Besiedlung aus, da die Bereiche benachbart lie- gen. Möglicherweise besteht aber ein indirekter Einfluss des Wetters auf die Revierbildung. 1 km Häufige Regenfälle verzögern die Heumahd (Tab. 1). 2005, als erst am 18. Juni mit dem Heuen begonnen werden konnte, stieg die Abb. 3. Lage der Revier-Zentren des Neuntöters Anzahl der Neuntöter-Reviere an den Hängen Lanius collurio im Beobachtungszeitraum 2002-2007 um 18 % von 51 auf 60 Reviere, in der Ebene um (Punkte): Hänge Hart und Lichtenau, Ebene Dießener Filze, Raistinger Wiesen, Untere Filze, Obere Filze 40 % von 15 auf 21 Reviere. 2007, als bereits im und Schwattachfilze. – Territories of Red-backed Shrikes warmen April gemäht wurde, sank die from 2002 to 2007 (dots): moraines Hart and Lichtenau, Siedlungsdichte an den Hängen wieder auf das plains Dießener Filze, Raistinger Wiesen, Untere Filze, Niveau von 2004. Eine späte Heumahd wirkt Obere Filze and Schwattachfilze. sich sicherlich günstig auf den Insektenbestand aus. Ein direkter Zusammenhang kann aber nicht bewiesen werden, da die Schwankungen Norden gab es zahlreiche Rinderweiden, aber es auch zugbedingt sein können. fehlten Neuntöter. Nur 1 Paar brütete in der ein- Das Brutvorkommen steht und fällt mit dem zigen zur Brut geeigneten, freistehenden Hecke. Vorhandensein geeigneter Hecken. An den Die anderen Büsche grenzen alle an den Hängen sind besonders Schlehdorn-Büsche Birkenwald an. Die südlichen Wiesen wurden zahlreich, in der Ebene, wo diese nicht gedei- extensiv genutzt und wiederholt im Sommer hen, überwiegen dornlose Büsche. Vielleicht ist gemäht, aber nicht beweidet. Hier konnten in hierin einer der begrenzenden Faktoren zu manchen Jahren bis zu 7 BP gezählt werden, sehen. Wink, Ursula: Lokal hohe Siedlungsdichte des Neuntöters Lanius collurio im Ammersee-Gebiet 73

Tab. 3. Verbreitung und Siedlungsdichte des Neuntöters im Ammersee-Gebiet. – Distribution and population den- sity of the Red-backed Shrike on the hills („Südwest-Moränen“) and in the plain („Ebene“) south of lake Ammersee.

Bereiche Reviere Mittel- wert km² 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Südwest-Moränen 3,0 Bischofsried-Süd 8 9 10 10 13 9 9,8 1,0 Schatzberg-Nord 1 2 2 3 1 3 2 1,0 Schatzberg-West 5 5 6 5 2 1 4 2,0 Schatzberg-Ost 5 5 6 10 9 8 7,1 2,2 Hart 8 8 9 12 15 10 10,2 2,5 Lichtenau 6 7 6 8 10 9 7,7 3,3 Wessobrunn-Ost 7 9 12 12 11 12 10,5 15 Hänge gesamt 40 45 51 60 61 52 51,5 Siedlungsdichte Reviere/km² 2,6 3,0 3,4 4,0 4,1 3,5 3,5

Ebene 0,7 Dießener Filze 1 4 3 3 4 2 2,7 4,4 Raistinger Wiesen 1 0 1 0 1 1 0,7 2,5 Untere Filze 1 1 0 2 2 1 1,2 4,4 Obere Filze 5 3 4 6 4 7 4.8 3,0 Schwattachfilze 6 5 7 10 4 7 6,5 15 Ebene gesamt 14 13 15 21 15 18 16,1 Siedlungsdichte Reviere/km² 0,9 0,8 1,0 1,4 1,0 1,2 1,05

In Schlechtwetterperioden spielt die leichte Vergleich mit angrenzenden Gebieten Erreichbarkeit der Nahrung eine große Rolle. An den Hängen gibt es in einigen Bereichen flä- Die Ost-Moränen wurden in drei Jahren (2001– chendeckend Viehweiden, in der Ebene nur par- 2003) von Mitterfischen bis Pähl quantitativ tiell. Aus dem Zusammenwirken all dieser erfasst. Hier finden sich noch etliche Hecken Faktoren erklärt sich die optimale Besetzung an und es gab 5 bis 7 Reviere auf 5 km², was der den Hängen. Interessanterweise finden sich in Siedlungsdichte in der Ebene gleicht. Selbst am den Streuwiesen der Schutzgebiete höchst sel- Rand des Pähler Golfplatzes nistete ein Paar in ten Brutpaare. Nur 2002 wurden in den einer Heckenrose. Dießener Wiesen, die nördlich der Dießener 2005 und 2007 habe ich auch die angrenzen- Filze liegen, 3 revieranzeigende gesehen. Ich den Gebiete im Norden von Bischofsried über vermute, dass es sich um Nichtbrüter handelte, Dettenhofen und Unterbeuern bis zum da später 1 km südlich an der Rott bei einem BP Windachspeicher, im Süden um Gut Waizacker noch 3 weitere beim Füttern der flüggen südlich vom Weilheimer Moos und die Jungen mithalfen. Weilheimer Lichtenau zwischen Schwattachfilz und Wessobrunner Hängen gezielt abgesucht. Hier zeigte sich deutlich, dass ein Mangel an Nistplätzen eine Besiedlung ausschließt. Im Norden wurde entlang 8 km, mit meist hecken- losen Wiesen, nur ein Revier in den Sümpfen 74 Ornithol. Anz., 47, 2008

Tab. 4. Siedlungsdichte des Neuntöters in verschiedenen Gebieten Süddeutschlands. – Population density of Red- backed shrikes in several areas of southern Germany.

Größe Gebiet des UG Reviere/km² Zeitraum Beobachter QuelleQuelle in km² Bei 18 2-3,1 1969-1984 Jakober & Göppingen Stauber (1983) Bei 136 1,67 1988 Jakober & Geislingen Stauber (1988) Kuchen 2,07 16,9 Dürrental 1,21 14 Unterweckerstell 1,71 13,5 Unterböhringen 2,96 10,8 Spessarttal 2,6 8-7 1977-1979 Korn & Andres Wüst (1986) Dachauer Moos 75 0,17 1978 Koller Oberallgäu 30 0,4-0,5 Farkaschovsky Unterfranken 9,2 1,2-2,8 1984 Bosch Bezzel et al. Murnauer Bezzel, Lechner (2005) Moos 41,8 0,26 1983 & Schöpf Schlierseer 7,7 2,3-3,2 1995-2000 Nitsche (2001) Berge Ampermoos 5 0,6 1998-1999 Faas Faas (2000)

Herrschinger 1 1 2000-2006 Ott Strehlow Moos (2000-2006) Südwest-Moränen 15 2,6-4,1 2002-2007 Wink Diese Arbeit Ammersee, Ebene 15 0,8-1,4 2002-2007 TK 8032/1 5 0,6 2005+2007 TK 8132/4 5 0,6 2005+2007 TK 8132/3 3,3 1,5 2007 Ost-Moränen 5 1 2001-2003 südlich des Windach-Speichers gefunden (TK Siedlungsdichte. So fanden Jakober und Stauber 8032/1). Im Süden um Gut Waizacker, wo die 16,9 BP/km², was den höchsten gefundenen Äcker ohne Baum und Busch sind, gab es eben- Wert darstellt. Auch in einem Spessarttal gab es falls nur ein Revier am Rand der Felder, und 8 BP/km², auf einer vergleichbar kleinen zwei erfolgreiche Bruten an den wenigen Untersuchungsfläche von 260 ha. Wenn man im Hecken bei Grasla, südwestlich von Gut Ammersee-Gebiet einzelne Gebiete an den Waizacker (TK 8132/4). Auf den 3 km² der Hängen gesondert betrachtet, dann lassen sich Weilheimer Lichtenau gab es drei Reviere genau ebensolche Werte errechnen; z. B. brüten an in den wenigen Heckenbereichen. Auch auf der einem 50 ha großen südexponierten Hang mit Hochfläche bei Schlitten (TK 8132/1), südöst- Heckenrosen und Beweidung bei Wessobrunn lich von Wessobrunn, fand ich 2007 nur 2 BP. jährlich an die 5 Paare. Das entspricht einer Hier fehlen Büsche und Hecken. Siedlungsdichte von 10 BP/km². Niedrige oder Die dicht besiedelten Bereiche sind zwar hohe Werte der Siedlungsdichte können als sta- untereinander durch Korridore verbunden, lie- tistischer Effekt angesehen werden. Umso grö- gen aber großräumig betrachtet isoliert da. ßer ein untersuchtes Gebiet, umso mehr unge- eignete Flächen werden mitberechnet, umso kleiner es ist, umso größer kann die Dichte Überregionaler Vergleich erscheinen. Ein Vergleich ist daher nur begrenzt Die hohe Dichte an den Südwest-Moränen mit möglich. 2,6 bis 4,1 Revieren/km² entspricht der in gut Die Hänge der Südwest-Moränen kann man besiedelten Gebieten nach 1969. Nur auf kleinen als Optimal-Biotope ansehen. Diese zeichnen Untersuchungsflächen ergibt sich eine höhere sich durch eine hohe Anzahl an Dornhecken Wink, Ursula: Lokal hohe Siedlungsdichte des Neuntöters Lanius collurio im Ammersee-Gebiet 75 und Viehweiden aus. Die Ost-Moränen dagegen Moränen darf darum nicht über die Gefährdung erreichen nur Werte wie in der Ebene, was auf des Neuntöters hinwegtäuschen. Ob sich die weniger Hecken zurückzuführen ist. In der hohen Bestandsdichten langfristig halten kön- Ebene liegt die 3–4-mal niedrigere Siedlungs - nen, dürfte von der Erhaltung der Habitat- dichte mit 0,8–1,4 Revieren/km² unter den Strukturen abhängig sein. Durchschnittswerten für Bayern. Nur in den Mooren werden sie noch unterschritten. In den angrenzenden Gebieten im Norden Zusammenfassung und Süden des UGs finden sich ähnliche spärli- che Vorkommen. Auf keinem TK-Quadranten Von 2002 bis 2007 wurden die Reviere des gab es mehr als fünf Reviere. Bezogen auf die Neuntöters am Ammersee-Südende quantitativ kontrollierte Grünlandfläche, ergibt sich eine erfasst. In den 6 Jahren wurden im Mittel 68 Siedlungsdichte von 0,6 bis 1,5 Rev./km². In die- Reviere gefunden, im Jahr 2005 maximal 81 sen Bereichen zeigt sich, wie das Fehlen von (Tab. 3). Doch gab es große Unterschiede in der Hecken zum limitierenden Faktor wird. Siedlungsdichte der einzelnen Regionen. Auf gleich großen Flächen von 15 km² wurden an den Hängen der Südwest-Moränen drei- bis Gefährdung und Schutz viermal größere Bestände als in der Ebene fest- gestellt (im Mittel 51 Reviere an den Hängen Der Neuntöter ist großräumig betrachtet auch und nur 16 in der Ebene). Diese Unterschiede im Untersuchungsgebiet als nicht häufig einzu- werden anhand der verschiedenen Habitat- stufen. Da die Schutzgebiete in der Ebene auf Strukturen diskutiert. Durch ein größeres den Wiesenbrüterschutz ausgerichtet sind und Vorkommen an Dornsträuchern wie Schleh - darum nur im Herbst gemäht werden, sind sie dorn, Weißdorn und Heckenrose sind die für den Neuntöter trotz des Insektenreichtums Nistmöglichkeiten an den Hängen deutlich bes- nicht optimal. In nassen Sommern ist hier die ser. Auch die Erreichbarkeit der Nahrung war Bodenjagd erschwert, und es fehlen geeignete hier günstiger, da hier zahlreiche kurzrasige Brutmöglichkeiten. Andererseits zeigt sich, dass Viehweiden unterhalten werden. Diese optima- auch verstreut liegende, kleine geschützte len Bedingungen finden sich aber nur lokal in Streuwiesen durchaus wertvoll sind, besonders den hier beschriebenen Bereichen. In der weite- wenn sie in der Nähe zu Weideland liegen. ren Umgebung ist der Neuntöter selten. Das Überleben des Neuntöters ist von der Landwirtschaft, insbesondere der Grün - Dank. Dr. Johannes Strehlow möchte ich für die landbewirtschaftung abhängig. Diese unterliegt Versorgung mit Spezialliteratur und für die kri- einem ständigen Wandel. Mit der BSE-Seuche tische Durchsicht des Manuskripts herzlich verschwanden die meisten Galloway-Rinder danken. Robert Pfeifer und dem Gutachter wie der. Mit dem Fortfall der Flächenprämien Wolfgang Stauber gilt mein mein Dank für aus EU-Subventionen blieben 2006 etliche wertvolle Verbesserungsvorschläge. Wiesen brach liegen. Anstelle von Rinder- weiden nehmen Pferdekoppeln zu. Diese sind Literatur aber meist nur klein und restlos abgegrast, was kein Insektenleben ermöglicht. Wie sich dieser Bezzel, E. (1993): Kompendium der Vögel Strukturwandel auswirkt, kann noch nicht Mitteleuropas, Passeres. Aula-Verlag, Wies - abgeschätzt werden. Obwohl man mittlerweile baden eingesehen hat, dass die Flurbereinigung ein Bezzel, E., I. Geiersberger, G. v. Lossow & R. Fehler war, werden immer noch Büsche und Pfeifer (2005): Brutvögel in Bayern. Verbrei - Hecken abgeschlagen Die danach gepflanzten tung 1996 bis 1999. Verlag Eugen Ulmer, Hecken bestanden vornehmlich aus Bäumen Stuttgart, . und bieten keine Nistmöglichkeiten für den Faas, M. (2000): Bestandserfassung der Neuntöter. Wo immer möglich, sollte man Wasservögel, Schilf- und Wiesenbrüter im Dornsträucher pflanzen, zumindest für deren Ammersee-Gebiet, (Seeufer, Ammermoos, Erhalt sorgen. Herrschinger und Ampermoos). Brutsaison Die hohe Siedlungsdichte an den Südwest- 1999. Unveröffentlichtes Gutachten im 76 Ornithol. Anz., 47, 2008

Auftrag des Ramsar-Büros Stegen und des lurio.) Population in den Schlierseer Bergen, LBV Bayern. Bayerische Alpen. Avifaunistischer Infor - Jakober, H. & W. Stauber (1983): Zur Phänologie mationsdienst Bayern 8: 149–154. einer Population des Neuntöters, Lanius col- Strehlow, J. (1982): Die Vogelwelt des Ammer- lurio. J. Ornithol. 124: 29–46. see-Gebietes. Anz. ornithol. Ges. Bayern 26: Jakober, H. & W. Stauber (1986): Populations - 53–-113. dynnamik eines Neuntöterbestandes im Strehlow, J. (2000-2006): Rundbriefe für das Kreis Göppingen. Laufener Seminarbeiträge Ammersee-Gebiet, unveröffentlicht. 5, 16-25. Südbeck, P., H. Andretzke, S. Fischer, K. Ge - Jakober, H. & W. Stauber (1988): Zur Bestands - deon, T. Schikore, K. Schröder & C. Sudfeldt situation des Neuntöters (Lanius collurio) am (Hrsg.; 2005): Methodenstandards zur nördlichen Albrand bei Geis lingen. Orni - Erfassung der Brutvögel Deutschlands. thol. Jh. Bad.-Württ. 4: 83-87. Radolfzell. Nitsche, G. (1996): Zum Brutvorkommen des Wüst, W. (1986): Avifauna Bavariae. Band II. Neuntöters (Lanius collurio.) in den Schlier - Ornithol. Ges. Bayern, München. seer Bergen, Bayerische Alpen, Avi fau nis - tischer Informationsdienst Bayern 3: 32–37. Eingereicht am 6. April 2008 Nitsche, G. (2001): Ergebnisse sechsjähriger Revidierte Fassung eingereicht am 31. Mai 2008 Beobachtungen einer Neuntöter- (Lanius col- Angenommen am 3. Juni 2008

Dr. Ursula Wink, Jg. 1940, 1960–66 Studium und Promotion in Biologie/Chemie an der Universität Bonn, 1970 Umzug mit kleinem Sohn von München nach Dießen, seit 2000 systematische Vogel - bestands erfassungen im Ammersee-Gebiet.