Der Music Man Für den Produzenten DJ zählt immer nur der nächste Song.

VON CHRISTOPH DALLACH

Zwölf Uhr mittags in Los Angeles. Der Musiker und Pro- Brian Burton wurde eben auch deshalb Produzent, weil er als DJ duzent Brian Burton, der sich DJ Danger Mouse nennt, ist vor Danger Mouse die wildesten Phantasien eines Musikfanatikers nicht allzu langer Zeit nach Hause gekommen. Er hat die Nacht wahr werden lassen konnte. Schon als Teenager wollte er „irgend- in seinem Studio verbracht. Woran er gearbeitet hat, will er nicht wie Künstler“ werden, „mal Woody Allen, mal Andy Warhol“. verraten. Sorry, sagt er gehetzt. Er hat kurz geduscht, mit seiner Am Ende studierte er Telekommunikation, jobbte in einem Plat- Freundin eine Pizza gegessen und ist eigentlich schon wieder halb tenladen und programmierte Elektromelodien, für die sich kei- aus der Tür zurück ins Studio. Schlaf brauche er wenig, sagt er. ner interessierte. Der Ruhm kam 2004 über Nacht mit dem „Grey „Im Kopf bin ich ständig bei einem Dutzend neuer Projekte.“ Das “, vom „New York Times Magazine“ charakterisiert als findet Burton normal. „Ich habe keine Kinder, keine Verpflich- „populärstes Album der Rockgeschichte, für das keiner bezahlt tungen, ich kann einfach tun und lassen, was ich will, und das ist hat“. Der furiose Mix aus Beatles und Rap war eigentlich nur als nun mal Musikmachen.“ Interviews dagegen mag er nicht. Kei- Insider-Scherz gedacht, der seine Kumpel aus dem Plattenladen ne Zeit. Keine Lust. Das kann er sich leisten, denn seit einigen Jah- beeindrucken sollte, sagt Burton. Aber seit dem „Grey Album“ gilt ren jagt der 32-Jährige von Triumph zu Triumph. Für elf Gram- er als kreativer und kompromissloser Querdenker und ist zum mys, die amerikanischen Musik-Oscars, war er seit 2005 nomi- Superstar der Online-Pop-Generation aufgestiegen. niert. Zwei hat er gewonnen. Einerseits gibt er mittlerweile den braven Profi, wenn er eta- So berühmt wie berüchtigt wurde er 2004, als er vollkommen ille- blierten Kollegen wie Beck im Studio auf die Sprünge hilft, an- gal das „White Album“ der Beatles mit dem „Black Album“ des dererseits scheut er immer noch nicht vor radikalen Experimen- HipHop-Titans Jay-Z kreuzte. Mit dem irrwitzigen Ergebnis, ten zurück. So wie dem Album „Dark Night of the Soul“, das dem „Grey Album“, sorgte er nicht nur im Internet für gewalti- eigentlich auch in diesem Sommer in die Läden kommen sollte. ge Euphorie. Vor drei Jahren landete er dann als Teil des Duos Ein aufwendiges Projekt, das er mit dem Regisseur Gnarls Barkley mit der Single „Crazy“ einen legalen Bestseller. und Kollegen wie , Iggy Pop, Suzanne Vega und Seitdem hat er mit den Gorillaz, Beck und vielen anderen Größen dem Strokes-Sänger Julian Casablancas verwirklicht hatte. Aber der Popszene gearbeitet. Die amerikanische Zeitschrift „Esquire“ nach Querelen mit der Plattenfirma machte Burton die Lieder kürte Burton gar zu einem der „75 einflussreichsten Menschen des im Internet umsonst verfügbar. Zu kaufen gibt es nur einen Bild- 21. Jahrhunderts“. band zum Projekt und eine leere CD, die man sich selber bespie- Alles toll, aber eben auch lange her, abgehakt und heute uninter- len soll. essant, sagt er mit nervösem Lachen. Er möchte nur schnell über Im Fall von „Dark Night of the Soul“ ist es sein eigenes geistiges die nun auch in Deutschland erschienene CD „The Last Laugh“ Eigentum, das er verschenkt – beim „Grey Album“ dagegen hat von Joker’s Daughter plaudern. Ein angesichts von Burtons sons- er fremdes Eigentum verwertet, verfremdet und in Umlauf ge- tiger Star-Klientel eher unbedeutendes Nebenwerk, an dem aber bracht. Wie wichtig ist ihm das Urheberrecht? Darf sich die künst- sein Herz besonders hängt – und das Starthilfe dringend nötig hat. lerische Freiheit im Online-Zeitalter über alles hinwegsetzen? Gemeinsam mit der Sängerin Helena Costas ist dem Produzen- Und wäre er nicht böse, wenn man sich die Joker’s Daughter-CD ten ein wunderbar psychedelisches Folk-Album geglückt. Er küm- kostenlos auf die Festplatte lädt? merte sich dabei um den Wohlklang und die verhuschten Melo- Das Problem mit Musik sei doch, dass man mit der Veröffent- dien, sie steuerte die Texte und den Gesang bei. lichung automatisch die Kontrolle aufgebe, sagt Burton. „Vor Schöne Musik für verträumte Spätsommernachmittage, die es zwanzig Jahren hätten Sie einfach eine Kassette kopiert. Und dar- aber kaum ins Radio und schon gar nicht in die Hitparaden über nachzudenken, ob Sie für meine Musik zahlen, dafür habe schaffen wird. Kennengelernt hat sich das ungleiche Duo Burton ich wirklich keine Zeit. Ist mir aber auch komplett egal!“ In die und Costas vor sechs Jahren über gemeinsame Freunde, seitdem Zeiten, in denen mit CDs noch richtig Geld zu machen war, sehnt tauschen sie Liedideen mittels Computer aus. Fertiggestellt ha- er sich nicht zurück? „Vielleicht hätte ich früher mehr Geld ver- ben sie ihr gemeinsames Werk schon vor zwei Jahren in London, dient, aber ich komme immer noch sehr gut über die Runden“, wo Burton unter der Woche für viel Geld die Gorillaz betreute sagt Burton. Da klingelt sein Handy. Und ein zweites surrt. und seine Wochenenden – sozusagen als Hobby – mit Joker’s „Mann, es tut mir leid, aber ich muss wirklich los“, sagt er und Daughter verbrachte.„Die Entscheidung für ein so vermeintlich rauscht zurück in sein Pop-Universum. obskures Projekt war für mich nur konsequent. Denn für psyche- delischen englischen Folk hatte ich schon immer eine Schwäche“, verkündet er selbstbewusst. Joker’s Daughter: „The Last Laugh“ (Domino). FOTO: FI N LAY MACKAY

KulturSPIEGEL 8/2009 17